FALTER Radio: Wie Putins Krieg Russland verändert – #1001

FALTER FALTER 9/21/23 - Episode Page - 41m - PDF Transcript

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Falter Radio, der Podcast mit Raimund Löw.

Hallo und herzlich willkommen beim Falter Radio.

Mein Name ist Lina Paulic, ich bin Raktörin beim Falter und werde heute ein Gespräch mit

den beiden UIF-Korrespondenten in Moskau führen.

Mirem Bella.

Hallo.

Und Paul Krisei.

Hallo.

Die beiden haben ein Buch geschrieben über das wir heute sprechen wollen.

Davor werde ich Sie kurz vorstellen.

Mirem Bella wurde 1988 in Vorarlberg geboren.

Sie arbeitet seit 2016 für das Auslandsresort der Zeit im Bild.

Sie hat aus der Türkei, Malawi oder Mosambik berichtet und ist seit 1. Oktober 21 für

den UIF in Moskau.

Paul Krisei geboren 1994 in Mödling, lernte bei einem Auslandssemester in St. Petersburg

Russisch und wurde 2019 Auslandskausponent in Moskau und seit 2021 Büroleiter in Moskau.

Letztes Jahr wurde als Journalist des Jahres ausgezeichnet und gewann gemeinsam mit Mirem

Bella den Robert Hochner Preis.

Ab Oktober kennen die beiden dann nach Wien zurück, Karola Schneider übernimmt wieder

das Auslandsbüro.

Euer Buch, das am 25. September im Solner Verlag erscheinen wird, heißt Russland von

innen.

Und ich habe es sehr gerne gelesen, es ist, würde ich sagen, so ein Roundup der Kriegsgeschehnisse

durch die Brille von Journalisten vor Ort, von euch.

Das Buch versammelt Reportagen, Analysen und erzählt von eurem Alltag als Journalisten

und Journalistinnen.

Paul, erste Frage an dich.

Ihr seid ja aktuell noch in Moskau.

Könntet ihr für das, was ihr im Buch niederschreibt, in Russland eigentlich verurteilt werden?

Das ist eine gute Frage.

Wir haben bei unserer Arbeit in Russland immer das Problem, dass wir es mit Gesetzen

zu tun haben, die die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit sehr stark einschränken.

Laut russischem Gesetz ist es ja seit März 2022 so, dass man, wie das offiziell heißt,

die russische Armee nicht diskreditieren, also herabwürdigend darf.

Was genau das aber eigentlich bedeutet, wird nicht definiert.

Das ist sozusagen so ein sogenannte Gummiparagraf, den man dann relativ flexibel anwenden kann

und der auch sehr flexibel angewendet wird gegen sowohl Menschen, die gegen den Krieg

sind, die sich sozusagen öffentlich kritisch aussprechen in Russland, aber auch gegen Leute,

die zum Beispiel, da gab es tatsächlich einen Fall, dass jemand mit einem blau-gelben Klebeband

seine Karosserie auf seinem Auto repariert hat und diese blau-gelben Farben, die nationalfarben

der Ukraine, wurden ihn dann als Diskreditierung der russischen Armee ausgelegt.

Was ich damit illustrieren will, ist, dass wir hier in einem tatsächlichen Willkürstaat

leben und arbeiten und das hat sich seit Kriegsbeginn, also seit dem 24. Februar 2022 noch einmal

stark verschärft.

Für uns bedeutet das im Buch, dass wir natürlich die Ereignisse so aufgeschrieben haben, wie sie

passiert sind und dass wir uns natürlich auch genau in unserer Berichterstattung immer versuchen,

die Linie zu finden, die es uns erlaubt, die Dinge so zu berichten, dass wir nicht direkt mit diesen

Zensurgesetzen in Konflikt kommen. Das bedeutet also auch, militärisches Geschehen wird nicht aus

Moskau berichtet bei uns, sondern aus der Redaktion in Wien oder von den Kollegen in der

Ukraine. Aber natürlich war es uns ein großes Anliegen in diesem Buch so detailgenau und so

interessant und so klar wie möglich zu berichten, was in diesen eineinhalb, zwei Jahren passiert ist,

die wir hier unter im Kriegszustand verbracht haben, ohne allerdings selbst wirklich in den

Kriegshandlungen, in den Kampfhandlungen anwesend zu sein. Aber das heißt, im Buch dürft ihr schon

vom Krieg sprechen? Das ist ganz unklar. Wir haben derzeit eine Situation, in der selbst Putin und

selbst hohe Regimevertreter immer wieder vom Krieg sprechen und damit aber auch wirklich das

meinen, was sonst normalerweise als Spezialoperation verharmlost wird. Das zeigt also, dass sich selbst

die russischen Regimevertreter nicht einmal wirklich an diese Zensurregelung halten. Wobei man

muss auch sagen, im Gesetz steht wiederum auch davon nichts, dass man das Wort Krieg nicht verwenden

dürfe. Das war nur eine Handlungsanweisung von der russischen Medienaufsichtbehörde. Also das

Ganze ist sehr undurchschaubar. Es ist nicht klar, wo die rote Linie verläuft. Miriam, in eurem Buch

geht es ja ganz viel ums journalistische Arbeiten und eben auch Beschreibungen, Anekdoten, wie es sich

arbeiten lässt und dort die Zensur, wie der Paul gerade ausgeführt hat. Kannst du da vielleicht noch

ein paar Beispiele geben? Also wo habt ihr euch einschränken müssen, was sind Schwierigkeiten

aktuell, die bestehen in eurem ganz praktischen Alltag? Ja, ich glaube, das, wo man gleich anschließen

kann bei dem, was der Paul jetzt eben gesagt hat, ist, dass es diese rote Linien, wo man nicht weiß,

wo sie sind und was erlaubt ist und was nicht ist, geht ja nicht nur darum, irgendwie sagt man

jetzt das Wort Krieg oder nicht, sondern inwiefern sind Spekulationen irgendwie schon über diesen

roten Linien, wenn irgendwie was passiert. Also das ist so eine Frage, die einen halt immer beschäftigt,

wenn er wieder irgendwelche Generäle verschwinden, wenn irgendwas passiert in dieser Militärstruktur,

in der Militärführung, dass ja ganz konkret unter eben diese Zensur fällt. Aber wie gesagt,

das ist alles so schwammig und das kann man eigentlich nur von Fall zu Fall klären. Also wo

man wie der Paul gesagt hat selber irgendwie entscheidet, okay, hier ist die Lage irgendwie so

und so klar dargestellt, so viel wissen wir und so viel können wir jetzt sagen hier aus Moskau und

so, das können wir vielleicht jetzt nicht machen, aber das ist etwas, was uns ganz, das uns bei

jeden Fall irgendwie neu beschäftigt. Ich glaube, was ganz konkret so im alltäglichen Leben ist,

ist halt jedes Mal, wenn man rausgeht, drehen in Moskau, dass man halt jedes Mal kontrolliert

wird von der Polizei und dass man schon auch, würde ich jetzt sagen, wenn nicht Ablehnung,

dann doch schon Skepsis und Misstrauen aus der Bevölkerung hat, also diese, man nennt es ja

Voxpop, diese Meinungsumfragen auf der Straße. Ich glaube, da könnte man auch einen ganzen eigenen

Podcast drüber machen, warum wir in einem Land wie in Russland schwierig, bis unmöglich, bis

vielleicht sogar nicht mehr sinnvoll sind, wo die Leute halt vielleicht auch nicht mit uns reden

wollen oder nicht können, wenn sie dann was Interessantes sagen, wo wir es vielleicht nicht

auf Sendung bringen können, weil wir damit die Leute in Gefahr bringen, was ja wirklich passiert

ist, wo einer, der seine Meinung gesagt hat, bei dem internationalen Medien, ich weiß es gar nicht

Radio Free Europe und jetzt zehn Jahre Haftron, also das ist ja wirklich, das sind reale Gefahren,

die man da in Betracht ziehen muss, nur damit man irgendwie einen guten Notier hat da eine

Person in Gefahr bringen, weiß ich nicht, ob das für sie steht, das ist mal das eine, das andere ist,

dass wir natürlich auch mit Experten in Experten sprechen wollen, mit Politologen,

mit Wirtschaftswissenschaften oder wenn es um so Sachen geht wie Mondmissionen braucht man ja auch

Experten und Experten, aber beispielsweise ich glaube die, also Kosmonautik ist ein gutes Beispiel,

weil das fällt halt auch unter die Militärzensur, das heißt, wenn jetzt diese Mondmission gescheitert

ist und wir dann mit einem Experten beispielsweise drüber reden wollen, dann wird niemand mehr mit

uns reden wollen drüber, weil sobald man was Negatives sagt über die russische Raumfahrtsbehörde

fällt das schon unter Diskreditierung, also das betrifft wirklich Themen, wo man sich es nicht

denken würde und tatsächlich so auch von der Arbeit, also die Dienstreisen, da hat Paul auch

eben Erfahrung gemacht, dass man halt verfolgt wird oder dass man irgendwie überwascht wird,

die einreisen, dadurch dass das halt im Visum ersichtlich ist, dass wir Journalistinnen und

Journalisten sind, kann man halt eben das Pech haben, dass man dann mal, sage ich mal auseinander

genommen wird und bis sie ausgefragt wird und das sind so Sachen, die stellen jetzt keine Gefahr

irgendwie für uns da, aber sie sind ärgerlich und irgendwie alles zusammen ist halt dann so etwas,

was so das normale Arbeiten sehr anstrengend machen kann ja. Paul, frage an dich, du machst

ja auch sehr viele Liveschalten, ist das möglich, dass man da noch in dieser Stresssituation diese

ganzen Zensurmaßnahmen im Kopf behält oder ist dir das auch passiert, dass du mal Dinge gesagt hast,

die vielleicht eigentlich verboten gewesen wären? Ich erinnere mich ganz gut an meine erste

Liveschaltung nach der Entführung der Militärzensur im vergangenen Jahr und das war schon Nervenkitzel

insofern, als dass man damals auch noch nicht wusste, wie diese Gesetze eigentlich ausgelegt

werden. Es war nicht glaubt, da auch ausländische Berichterstatterinnen und Berichterstatter

jetzt sofort, ich sage es jetzt sozusagen plakativ in den Knast gehen. Es hat sich dann, wie es so

oft ist in Russland, bei solchen drakonischen Gesetzen, die werden am Anfang, werden beschlossen,

dann sind alle irgendwie so in einer Schockstarre und schauen sozusagen, wer jetzt als erster

blinzelt und was jetzt die Anderen gerade tun und dann merkt man mit der Zeit, dass die Dinge dann

vielleicht doch nicht genauso ausgelegt werden oder so streng ausgelegt werden, wobei man kann

nicht sagen, dass diese Zensurgesetze milde ausgelegt werden, sonst werden einfach wirklich

für Repressionen von hunderten, wenn nicht tausenden Menschen verwendet. Aber um zurückzukommen

zu dieser Live-Situation, wir haben es normalerweise mit Fragen zu tun, die wir absprechen mit

den Moderatorinnen und Moderatoren. Das heißt, wenn es so ein Live-Gespräch gibt, dann weiß man

in der Regel schon, was man gefragt wird. Das hat den einfachen Vorteil, dass man dann auch eine

Antwort geben kann, die ungefähr in der Zeit bleibt. Das ist immer das Wichtigste beim Fernsehen,

dass man nicht überzieht. Manchmal kommt es trotzdem zu spontanen Fragen und die können

dann auch, wenn die Moderatorinnen und Moderatoren, die das ja auch nicht immer wissen müssen,

welche Fragen jetzt für uns problematisch sein können oder nicht, Stichwort militärisches

Geschehen, das Kommentieren von irgendwelchen Offensiven. Das ist etwas, was wir, wie gesagt,

dann normalerweise den anderen Kolleginnen und Kollegen überlassen. Wenn man dann in so einer

Situation ist, dann ist das ganz einfach auch oft so, dass man das ausschildert oder dass man etwas

hat, was man so sagen kann, dass man jetzt also nicht sich da jetzt irgendwie als Militärexperte

betätigt, der man sowieso auch gar nicht ist. Aber ich würde sagen, die Liveschaltungen waren

vielleicht am Anfang ein Thema, wo man gemerkt hat, okay, zumindest bei mir, das ist schon

nochmal ein zusätzlicher Stressfaktor. Aber ich denke, es hat sich sehr gut eingespielt und ich

glaube auch, dass die Rückmeldung, die wir bekommen für unsere Arbeit, definitiv ist, dass die Leute

sich zumindest nicht schlechter informiert fühlen. Zum Teil habe ich sogar das Gefühl, dass es den

Leuten gar nicht auffällt, unter welchen Bedingungen wir hier arbeiten. Deswegen schildern wir es auch

immer wieder noch zusätzlich aus. Also die Arbeit in Russland war das eine Thema des Buches und das

andere ist ja zum Beispiel auch die Staatspropaganda, also wie Medien in Russland ein Narrativ verbreiten,

das dann wiederum die Zustimmung der Bevölkerung erklärt. Warum glauben die Leute, was Putin ihnen

sagt, obwohl es eigentlich ein freies Internet gibt. Das ist ja auch ein Unterschied zu früheren

Jahren und früheren Kriegen. Ich glaube, ein erster Punkt, was bei dieser Staatspropaganda

ganz wichtig ist, ist, es muss nicht sein, dass das alle glauben. Das Ziel der Staatspropaganda ist nicht

immer unbedingt, dass die Leute nur das glauben, was von der Staatspropaganda kommt. Wir haben das

mit Butcher gesehen. Damals in Butcher wurden ganz unterschiedliche Lügen-Versionen verbreitet,

wie das gestaged wurde unter Anführungszeichen. Da hat es geheißen, dass der MI6 da irgendwie

mitspielt oder dass Schauspieler angehört wurden. Also da waren so diese ganz kruden Verschwörungstheorien,

die sich dann aber teilweise auch widersprochen haben und diese sich widersprechen Erklärungen

wurden aber teilweise im gleichen Medium gestreut. Das heißt, es gibt widersprüchliche

Erklärungen, die die Leute ja nicht alle gleichzeitig glauben können, ohne sich da irgendwie beim Denken

in die Quere zu kommen. Das heißt, das Ziel ist oft, dass die Leute nichts mehr glauben. Also ja,

das ist vielleicht Propaganda, aber die anderen machen das ja eh auch. Also man kann jetzt vielleicht

unsere nicht glauben, aber den anderen kann man eh auch nicht glauben. Also das ist so ein Ziel,

das sehr, sehr wirksam ist, glaube ich. Und wenn wir jetzt, Pauli, ich glaube, du kannst das auch

bestätigen, mit Leuten auf der Straße reden. Die Verschwörungstheorien waren, glaube ich,

und das hast du sich ja mehr miterlebt, schon recht beliebt vor dem Krieg. Aber jetzt, also es ist,

wie Pilze aus dem Boden, die da schießen, also antisemitische Verschwörungstheorien,

wieder erklärt wird, wie es zu diesem Krieg gekommen ist und wer da alles dahinter steckt,

ist so die Kurz- und Zusammenfassung alle aus dem Putin. Also das ist mal so der eine Punkt,

dass dieses gar nichts mehr glauben und es ist alles eine Verschwörung ganz wichtig ist,

die der russischen Führung sehr zugutekommt. Weil da gibt es irgendeine Diffuse Macht,

die das alles regelt, aber lässt dann halt die russische Führung irgendwie da aus.

Diese Diffuse Macht ist der Westen? Das kommt ganz drauf an. Also ich habe das persönlich auch

schon erlebt, dass mir dann eben erklärt wurde, dass das unter Anführungszeichen die Juden sind,

also diese wirklich, diese ganz klassischen, ganz antisemitischen Verschwörungstheorien,

wo es eben die Juden sind, die die Welt macht wollen und deswegen brauchen sie Kriege und so

weit. Also da fängt es an, es gibt ganz andere auch, aber also wirklich diese ganz krassen,

antisemitischen Verschwörungstheorien habe ich auch schon mehr als einmal gehört. Ansonsten ja ist

es der Westen, das verschwindet dann ja auch teilweise alles. Die NATO, der Westen, die USA

vor allem ist es dann ja. Dass die USA daran interessiert ist, dass es zu diesem Krieg kommt

und die Erklärung für den Krieg ist ja auch, dass das nicht ein Krieg ist, wo Russland die

Ukraine angreift, sondern da wird ja auch dieses Narrativ des Stellvertreterkriegs befördert. Also

das ist ein Konflikt zwischen USA und Russland um die Macht und da geht es dann, da ist ja die

Ukraine nur ein Spielstück in diesem Kampf der Großmächte, was natürlich die Rolle und der

Handlungsspielraum der Ukraine total vernachlässigt. Also das ist mal das eine und das andere ist,

ich glaube dadurch, dass die Propaganda halt schon so lange gegen den Westenwetter und gegen die

NATO-Wetter, das hat ja nicht mit Krieg angefangen und der Fernsehen in so vielen russischen Haushalten

halt immer noch so zentral ist und noch so eine große Monopolmacht hat, dass das auf der anderen

Seite dann schon wieder Leute glauben, einfach was ihnen da gesagt wird, das steht der Wasserhölten

Stein, also dass man es irgendwie anfängt zu glauben. Ich merke es jetzt auch selber, dass immer

mehr Leute sich denken, naja, vielleicht ist ja was dran an der Geschichte, einfach so,

wie ist, hat dieser Krieg ja nicht angefangen, also da spielen ganz viele Sachen rein und je

länger es dauert, dass du, glaube ich, dass du mehr Leute werden damit eingefangen. Bleiben wir ein

bisschen bei diesen Verschwörungstheorien und der Ideologie, also das kennt man jetzt auch aus

anderen Ländern, dass eben dieses Narrativ der NATO, die quasi zu weit gegangen ist und Putin

herausgefordert hat und sich jetzt auch nicht wundern braucht. Ich habe das in Ungarn bei einer

Friedenskonferenz genauso gehört von verschiedenen Akteuren, also auch von Republikanern und so

weiter, also das ist ja ein globaler Diskurs. Inwiefern ist Russland weg? Das kommt jetzt im Buch

vielleicht nicht vor, aber interessiert mich so. Inwiefern ist Russland weg, seine Ideen zu exportieren

und tut es das sozusagen gekommen? Das Haus der Musik lässt sie die Welt der Klänge völlig neu

erleben. Dirigieren sie ein virtuelles Orchester oder erleben sie, wie sich der Gehörverlust Ludwig

von Beethoven es angefühlt hat. Das Haus der Musik im ersten Bezirk in Wien schafft überraschende

Zugänge zu Musik für Jung und Alt, mit einem großen Rahmenprogramm mit Livekonzerten und Events

aller Art. Das Programm und alle weiteren Infos unter www.hdm.at. Das Haus der Musik, wo Musik lebendig wird.

Wenn wir von dieser viel zitierten Idee einer russischen Welt reden, die ja auch immer wieder

transportiert wird, die sogenannte Ruskimir, diese russische Welt in der es vor allem darum geht,

die russischsprachige Bevölkerung auch außerhalb Russlands, die vor allem nach dem

Zerfall der Sowjetunion in vielen anderen neuen Nationalstaaten übrig geblieben ist und

der Anführungszeichen. Also russischsprachig und damit meine ich oft auch ethnisch-russisch sozusagen.

Also dieses Narrativ ist ja auch eines, das Putin verwendet hat, um seinen Angriff auf die

Ukraine am Anfang als eine Maßnahme zum Schutz der russischen Bevölkerung in der Ukraine oder

der ethnisch-russischen und russischsprachigen Bevölkerung darzustellen. Ich glaube, das zu

exportieren aus meiner bescheidenen Sicht kommt mir nicht vor, als würde das gut funktionieren,

weil wir jetzt sehen, während der Krieg in der Ukraine immer länger andauert, dass sich ehemals

Russland nahestehende Staaten, ehemalige Sowjetrepubliken in Zentralasien zum Beispiel immer

stärker von Moskau distanzieren. Da reden wir zum Beispiel von Kasachstan, dass sich dagegen

entschieden hat, seit Kriegsbeginn irgendwelche Arten von Waffen nach Russland zu exportieren,

weil es ganz eindeutig sich nicht, zumindest militärisch nicht, auf die Seite Russlands

stellen will, aber teilweise zu politischen Zugeständnissen sicher noch bereit ist oder

auch nicht darum herum kommt. Wir sehen das auch in anderen zentralasiatischen Ländern,

die sich jetzt auch immer selbstbewusster gegen diese russische, also gegen Moskau stellen,

dass sie immer noch eine, also aus Moskau Sicht, sind diese zentralasiatischen Staaten schon noch

im russischen Einflussbereich. De facto stimmt das auch noch, wenn man sich anschaut, die starke

wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland. Aber ich denke, all das ist gerade in einem Wandel.

Ich will nicht sagen, dass das jetzt morgen oder übermorgen vorbei ist, also dass es vorbei ist

mit einer russischen Dominanz in der zentralasiatischen Weltregion. Ich glaube, da müsste noch viel

passieren, dass diese Länder wirklich sich auch de facto schaffen zu distanzieren und sich auch

vor allem unabhängig zu machen. Es ist oft auch nicht möglich, weil Russland militärisch mit

diesen Ländern zusammenarbeitet. In Kasachstan zum Beispiel besitzt Russland auch einen Weltraum

Bahnhof bei Konur, der das natürlich auch für klare Verbindungen sorgt, also sozusagen sowohl

militärisch als auch wirtschaftlich. Und ich denke also, diese Idee eines Exports dieser

russischen Welt ist, wenn nicht gescheitert, dann schon am Scheitern. Und wenn es ein Ziel gab,

dass Putin ja offensichtlich hatte, zumindest nach eigener Aussage, nämlich eine Ausweitung der Nato

in Richtung Osten in die Nähe der russischen Grenzen aufzuhalten, dann ist ihm sicher auch das

nicht gelungen, weil wir mit dem Beitritt Finlands und Schwedens sehen, dass sich die Nato eben

ausgebreitet hat und zwar warum, wegen genau des Handelns von Putin, das dazu geführt hat,

dass die Bevölkerungen in diesen Ländern und dementsprechend auch ihre Vertretungen,

ihre Politiker und Politikerinnen entschieden haben, nein, wir wollen uns da jetzt anschließen.

Und diese Narrativ einer aggressiven Nato-Erweiterung Richtung Osten vernachlässigt ja, dass das

alles souveräne Staaten sind, die sich von selbst dafür entschieden haben, diesen Militärbündnis

beizutreten. Miriam, du beschreibst auch diese Vorstellung eines Kulturkampfes, also vor allen

Dingen die LGBTQ-Community. Und das ist ja eben schon etwas, was ich auch in anderen Ländern sehe,

also dass es sozusagen so eine Polarisierung gibt zwischen der Vorstellung von dem echten Volk mit

echten Problemen und dann einer abgehobenen, intellektuellen Elite, die sich eben nur mal mit

Quirnes und Veganismus beschäftigt, ungefähr. Inwiefern ist das das Exportgut? Vielleicht hat

meine Frage mehr so auf diese ideologische Komponente abgeziehen. Diese Frage, wo es eben um diesen

Kampf geht ja auch viel, um Antifeminismus eben und um die Rechte der LGBTQ-Plus-Community. Da

geht es auch viel so ein bisschen darum, den Feind von außen im Inneren ein bisschen zu projizieren

und herauf zu beschwören und Bevölkerungsgruppen, die einem vielleicht nicht so recht sind,

zu marginalisieren und ihre Rechte zu beschränken. Also ich habe das Gefühl, wenn es jetzt da eben

geht, um Antifeminismus oder um Diskriminierung der LGBTQ-Plus-Community, dass es da schon eher

darum geht, dass es nach innen geht und weniger nach außen. Aber natürlich geht es einher und

schwappt das auch über nach Europa, wo es ja auch solche Tendenzen gibt in gewissen politischen

Bereichen. Aber ich glaube nicht, dass das etwas ist, was jetzt nur von Russland in diese Richtung

ausgeht, sondern das trifft sich dann halt. Und das ist etwas, wo die sich halt einig sind. Ich

würde jetzt nicht sagen, dass das ein Einfluss Russlands in eine andere Richtung ist, dass das

irgendwie ein Exportgut ist. Das würde ich jetzt so nicht sehen, weil entweder sind diese Einstellungen

schon vorhanden oder es gibt gerade selbst in Ländern wieder sehr starke Tendenzen,

wo auch in diese Richtung gehen. Also ich sehe das jetzt nicht so als Exportgut von Russland,

muss ich sagen. Seid ihr auch in sozialen Medien unterwegs? Ich habe so ein sehr

interessantes Buch gelesen, der Set Generation von Ian Garner, ich weiß nicht, wie er das kennt.

Der beschreibt, dass eben viele junge Menschen, so als Fürsprecher Putins im Internet auftreten,

als Influencer und dass eben so eine virtuelle Trendlogik ganz wichtig ist für die Zustimmung

zum Krieg. Erlebt ihr das auch so? Also spielt das Internet da eine große Rolle? Darf ich da

vielleicht kurz, weil ich wollte das vorher auch sagen, zum Thema freies Internet hatten wir ja

nämlich auch noch die Frage, es gibt kein freies Internet mehr in Russland. Also Instagram,

Facebook, Twitter ist alles gesperrt, selbst LinkedIn ist gesperrt, deswegen da im Grund. Da

kann man nur mehr zugreifen über VPN. Das ist mal schon das eine. Das andere ist natürlich,

jeder, der sich gegen den Krieg äußert, auch auf sozialen Netzwerken, bringt sich halt in

den Gefahr strafrechtlich verfolgt zu werden. Also dahingehend kann es nur jene geben, die sich für

den Krieg aussprechen, weil die anderen sind ja bereit zu mixieren. Die gibt es aber auch ganz

stark. Ich glaube, so wie ich das beobachte, gibt es das in beide Richtungen. Diese Influences gibt

so. Sie versuchen das schon, dass es so gewisse Podcasts und so Vloggingprojekte gibt, wo junge

Leute sich ganz klar aussprechen für den Krieg und auch zu den traditionellen Werten irgendwie.

Also wir sind anders als der Westen und das ist jetzt cool und tip. Und wir suchen unseren eigenen

russischen Weg. Das habe ich schon gesehen. Wie gut das ankommt, das ist die andere Frage. Ich

kann mir nicht vorstellen, dass das auf sehr viel Gegend liebestößt bei den russischen

Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich glaube, wenn ich mir

anschaue, woher die Leute, wenn sie für den Krieg sind, diese Einstellungen haben, dann ist das

meiner Meinung nach und auch bei jungen Leuten, nämlich von denen ich viele getroffen habe,

jetzt auch vergangene Woche bei einer Reise im russischen Ferne in Osten, da waren wir in

der Gegend rund um Vladivostok unterwegs, haben da im Zug ein junges Bärchen getroffen,

keine 20 Jahre alt, die vollkommen überzeugt davon waren, dass dieser Krieg das einzig richtige

Projekt ist, dass die Europäer und die Amerikaner, die die Ukraine mit Waffen beliefern, dass die

eigentlich damit nur noch mehr Opfer verursachen würden als alle diese Narrative, die man auch

in der Staatspropaganda hört. Und wir haben da mit denen lang geredet und es hat sich herausgestellt,

dass das vor allem aus den Familien herauskommt. Zumindest in diesem Fall war das so, das kann

man sich ja auch nicht vorallgemeinern, aber wir reden davon Menschen, die in entfernten und oft

vernachlässigten Regionen entfernt ab von Moskau in Umgebungen groß werden, wo erstens die Armee

ein sehr renommierter Arbeitgeber ist, weil es der einzige Arbeitgeber ist, der relativ pünktlich das

Gehalt zahlt und bei dem er relativ gut verdient. Das ist der Grund, warum für viele Menschen in

der russischen Provinz der Weg entweder tatsächlich, das meine ich jetzt gar nicht so banal wie das

klingt, aber oftmals in den Alkoholismus führt oder zumindest in die Arbeitslosigkeit oder eben zu

den Organen, wie das so schön heißt im russischen, damit sind die Staatsorgane gemeint, also entweder

Polizei, Armee oder andere Sicherheitskräfte. Und um zurückzukommen zu dieser Propaganda-Frage

und wie das wirkt, also wie gesagt, ich denke nicht, dass diese Art von Influencern, die jetzt

vielleicht für Putin sind, die es geben mag und die es natürlich auch gibt, dass das einen großen

Unterschied macht. Ich glaube wirklich, dass das Problem, wenn man so will, ist, dass in der

Gesellschaft an sich sehr starke imperialistische Tendenzen da sind, also das Narrativ, die Ukraine

sei ja undankbar, dass sie sich jetzt von Moskau so abgewandt habe, den besten Zuwände und dieses

Anspruchs denken, es sei ja völlig in Ordnung, dass man die Grimm annektiert habe. Es sei auch

völlig in Ordnung, dass man jetzt Kiew in drei Tagen vielleicht einnehmen wollen würde, wobei

das ja nicht so ganz funktioniert hat. Aber dieses Denken ist, glaube ich, eine ganz wichtige Wurzel

in der Kriegszustimmung, die ich jetzt auch sehr, sehr oft mitbekomme und natürlich jetzt auf dieser

Reise auch sehr stark gespürt habe, sogar im ganz, ganz weit entfernten Osten des Landes, wo die

Ukraine eine halbe Weltreise entfernt ist, sind die Leute durchaus vom Krieg stark betroffen und sind

auch durchaus, zumindest in den Gesprächen, die ich führen konnte, dort stehen sie durchaus hinter

Putin, was vielleicht auch natürlich damit zusammenhangt. Wenn ich etwas anderes denke, wenn ich

gegen Putin, gegen das Regime bin, dann werde ich das vielleicht jetzt nicht einem ausländischen

Journalisten sagen. Also davon muss man natürlich auch immer ausgehen in einem Land, in dem keine

Meinungsfreiheit mehr herrscht. Das Schöne in eurem Buch ist, dass es eben so eine Mischung ist

zwischen persönlichen Begegnungen und politischen Analysen. Habt ihr eine persönliche Lieblingsgeschichte,

oder ein Lieblingsprotagonisten? Ich habe ja ein Ehepaar getroffen aus Marijupol, die nach

St. Petersburg geflüchtet sind. Das sind Vladimir und Viktoria und Viktoria war neun im neunten

Monat schwanger und kurz vor ihrer Geburt, als sie im Krankenhaus war und das ist diese berühmte

Bombardierung, die so um die Welt gegangen ist und sie hat dabei ihr Kind verloren und am nächsten

Tag hat der Vladimir, der zu ihr ins Krankenhaus wollte, ist ja auch in einen Angriff geraten und

hat auch ein Bein verloren. Und die beiden haben einfach so ein schlimmes und schweres Schicksal.

Ich werde das einfach nicht mehr vergessen, wie das war, mit ihnen zu reden und in Russland zu

sein und von zwei Menschen aus Marijupol diese Geschichte zu hören und trotzdem immer noch diesen

Lebenswillen haben und immer noch weitergemacht haben und versucht haben, nicht aufzugeben und immer

trotzdem vielleicht für sich noch etwas Schönes zu finden im Leben, obwohl ihnen ja wirklich

eigentlich alles genommen worden ist und also Vladimir und Viktoria, die beiden sind mir schon

sehr nahe gegangen und ihre Geschichte ist mir sehr nahe gegangen und ich glaube, das war

wirklich auch eine der eindrücklichsten Begegnungen, die ich überhaupt in meiner Zeit hier gehabt habe.

Ihr wart ja auch nicht nur als Journalisten dort, sondern auch als Privatpersonen. Wie hat

man ein Privatleben in einer Diktatur? Also in Moskau kann man nach wie vor auf der Straße

gehen und wird immer noch relativ wenig davon mitbekommen, dass dieses Land einen großflächigen

Angriffskrieg gegen das Nachbarland führt. Und das ist schon verblüffend, aber das ist auch die

Folge der Politik, in der es darum geht, die Bevölkerung möglichst von den negativen Folgen

abzuschirmen, die der Krieg mit sich bringt. Also man sieht dann schon Plakate, man sieht also

Plakate mit Soldaten oder auf denen aufgerufen wird, sich in die Ami einzuschreiben, das wird

jetzt immer häufiger. Also diese Propaganda ist auch sichtbar, aber lange Zeit war das nicht der Fall.

Und es war dann auch so, dass man mit Freunden, sei es jetzt Russische Freunde, Freundinnen in

meinem konkreten russischen Freundeskreis sehr viele Menschen ins Ausland gegangen sind,

nicht mehr hier, ich kann sagen wahrscheinlich 80, 85 Prozent sind nicht mehr da, aber auch im Gespräch

mit Kolleginnen und Kollegen aus der, ich sage mal, Gemeinde der Auslandskorrespondenten, da war es

meistens so und ist nach wie vor so, man kann natürlich auch über andere Themen reden und

man redet auch über andere Themen, wenn man sich trifft. Aber es endet früher oder später, zumindest

ist es meine Erfahrung, immer beim Krieg. Es ist das allumfassende und das alles beherrschende Thema,

ob das die Menschen im Alltag versuchen auszublenden oder nicht. Sie versuchen es glaube ich schon und

tun es zum Teil wahrscheinlich recht erfolgreich. Aber ich denke auch im Privatleben ist das immer

präsent. Bei mir persönlich ist mein Hobby, wenn man so will, ist das Radfahren. Das betreibe ich

natürlich nach wie vor und das ist auch nicht verboten, selbst wenn wir hier in einem Land leben,

das immer mehr zur Diktatur wird. Aber auch da merke ich zwar einerseits, ich habe natürlich,

finde ich da in dem Sport meinen wichtigen Ausgleich und das tut mir gut, aber ich radel dann natürlich

auch wieder an fünf Propaganda-Plakaten vorbei und kann also dieser Welt natürlich nicht entwischen.

Das ist manchmal schon sehr belastend. Also ich habe das immer wieder vor allem in den langen

Wintern als sehr belastend empfunden. Die Winter sind halt noch einmal schwieriger, weil du einfach

so wenig Sonnenlicht hast und sehr, sehr viel Kälte und Schnee. Aber das ist man natürlich auch,

nichts anderes hat man zu erwarten, wenn man in Moskau korrespondent ist. Ich wollte da nur noch was

hinzufügen. Also wenn man irgendwie Sport machen will oder rausgehen will, sobald man die eigene

Wohnung, die eigene Verwände verlässt, ist man in diesem Raum der Propaganda. Auf der anderen

Seite hat es ja auch eine Zeit gegeben, wenn du dich erinnerst, den ersten Sommer, also den letzten

Sommer, wo gar nichts zu spüren war. Also das war eine ganz schlimme Zeit. Da war gerade der Angriff

auf Kramatorsk und das sind ganz schlimme Sachen. Auch passiert ganz viele Angriffe auf

zivile Ziele in der Ukraine. Wir haben das halt die ganze Zeit natürlich im Büro mitbekommen. Wir

haben die Bilder gesehen, wir haben das ganz viel verfolgt und in Moskau war aber so eine

Sommerstimmung. Und das war also das krasse Gegenteil zu dieser Propaganda, weil in Moskau

war alles ganz normal und ich könnte mich jetzt nicht entscheiden, was schwieriger und herausfordernder

war. Also dieses rausgehen und überall irgendwie diese Propaganda zu sehen oder das hinaus zu

gehen und in dieser Blase zu sein, in dieser Parallelwelt, wo es diesen Krieg gar nicht gibt und

eben wie du sagst, wo es keine Empathie gibt, wo es keinen Mitgefühl gibt mit dem, was da gerade

angerichtet wird von Russland nämlich. Und jetzt kehrt er ja nach Wien zurück, hat das auch eine

Rolle gespielt, diese Härte der Gesellschaft. Es ist sicher ein Faktor für die Entscheidung jetzt

zu sagen, gut, also in meinem Fall waren es jetzt vier Jahre, in Miriams Fall waren es zwei Jahre,

die wir hier verbracht haben. Es fühlt sich ehrlich gesagt an, als wäre es viel mehr gewesen,

einfach weil vor allem in den vergangenen zwei Monaten die Zeitrechnung irgendwie in diesem

Land gefühlt anders funktioniert hat. Also eine Woche hat sich für mich oft angefühlt wie ein

Monat, ein Monat wie ein Jahr und ich habe auch das Gefühl, dass ich vielleicht so viel lernen

konnte wie in mehreren Jahren, weil einfach unfassbar viel passiert ist, also sowohl was jetzt

beruflich betrifft, also auch was einfach das Verständnis von gewissen Vorgängen betrifft. Wie

funktioniert eigentlich eine Gesellschaft? Wie funktioniert eine Gesellschaft nicht? Oder wie

funktioniert sie, wenn sie unter einem unfassbaren Druck und Repressionen existiert? Und das waren

alles wahnsinnig spannende und wichtige Lektionen, glaube ich, für das gesamte Leben eigentlich. Für

mich ist es das Gefühl, jetzt muss wohl mal wieder was Neues her. Man sieht auch, dass sich Russland

in gewisser Weise, obwohl es sich weiterentwickelt, es entwickelt sich aber sicher nur in eine

Richtung und das ist wohl bergab, wenn man so will. Also die Entwicklungen, die wir sehen,

sind, ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal irgendwelche, ich sage es jetzt so plakativ,

positiven Nachrichten gehört hätte. Also sei es jetzt auch innenpolitisch in Russland,

ich weiß es nicht, ja gut irgendwo werden vielleicht auch irgendwelche Kindergärten

gebaut worden sein in dieser Zeit, wenn man das jetzt als positive Nachricht sieht. Aber ich meine

damit jetzt die gesellschaftlichen Entwicklungen, die Repressionen, die immer weiter zunehmen. Und

das ist etwas, das natürlich auch persönlich belastend ist. Für mich ist, denke ich, das

jetzt auch eine spannende Zeit, die zu Ende geht, eine wahnsinnig lehrreiche. Und ja, es ist ein

großer Rucksack an Erfahrungen und Erinnerungen, die wir ja auch versucht haben, in diesem Buch

zu verarbeiten, was für mich zumindest eine wahnsinnig gute Art von Therapie sogar war,

um das alles irgendwie zu verdauen. Und wenn es dann noch andere Menschen interessiert,

was wir da erlebt haben, dann ist es noch ein schöner Bonus. Die Wagnerewolte kam ja das

letzte Mal im Podcast schon vor, Justament an dem Tag oder Tag danach, wo der Flugzeugabschluss

passiert ist und Prägosch in Staub. Wie würdet sie denn das einschätzen? Also das Buch endet

eben mit der Wagnerewolte und ihr prognostiziert, dass die Repressionen jetzt noch stärker werden

könnten. Was ist da in der Zwischenzeit passiert in Russland? Hat sich das verändert?

Ich glaube, es zeigt nur, dass wir schon wieder ein neues Buch wahrscheinlich schreiben könnten.

Jetzt, es überschlagen sich die Ereignisse, wie du sagst, ständig in Russland. Wir wissen natürlich

nach wie vor nicht, was zu diesem Flugzeugabsturz konkret geführt hat. Das wird wahrscheinlich

auch nie zweifelsfrei ermittelt werden, weil wir es nach wie vor mit einem Staat zu tun haben,

der genau in solchen Fällen, wenn also Kremel Gegner als solchen kann man ihn vielleicht bezeichnen oder

zumindest als einen, der sich von Putin abgewandt hat. Solche Menschen, wenn die umkommen und das

passiert leider tatsächlich, wenn man sich die letzten Jahre anschaut, nicht selten, dann kommt

meistens zu Ermittlungen, die damit enden, dass irgendwelche unmittelbaren Ausführenden vielleicht

verhaftet oder bestraft werden, aber meist nicht die Drahtzieher gefunden werden. Das ist einmal

das eine. Und ich glaube, was wir sehen ist, wenn man eines von diesem, von diesem gesamten, ja,

von dem Aufstieg und dem Fall Brigodians sagen kann, dann hat es, glaube ich, damit zu tun,

dass Putin ganz klar zeigt, er duldet keine Verräter, wie er sie selbst, wie es Brigodian

selbst bezeichnet hat. Und es ist sicher auch ein Signal an die gesamte russische Elite, wenn ihr

nicht auf meiner Seite seid, also auf der Seite Putins, dann kann euch ein ähnliches Schicksal trauen.

Es geht nur in eine Richtung und die ist abwärts. Es wird immer schlimmer, es werden auch die

Gedenkkultur, wenn es beispielsweise geht um Stalinterror etc., ist nicht mehr gern gesehen.

Also auch in solcher Richtung. Es geht in ganz vielen kleinen Schritten, wird da immer mehr zugemacht.

Die meisten, wie du gesagt hast, in den Gefängnissen oder im Ausland, da gibt es ja eh schon fast niemand

mehr. Ich glaube, es ist jetzt schon so im Plafond irgendwie erreicht, wo die Einschnitte jetzt schon

so arg waren, dass es einem nicht mehr auffällt, weil diese Repressionen schon so zur Normalität

geworden sind. Und gibt es überhaupt noch Widerstand, also aus der Bevölkerung, Kollektive? Ich

meine, du schildest also WhatsApp-Nachrichten zum Beispiel mit versteckten Botschaften? Das ist

eher so der russische Humor, der russische Galgenhumor irgendwie, wo man dann irgendwie merkt, ja,

es ist doch, es ist den Leuten schon bewusst in was bei einer Situation es da gibt, aber ich wäre

vorsichtig, das als Widerstand zu bezeichnen, weil einen offenen Widerstand gegen das Regime

gibt, den gibt es nicht. Nein, ich würde sagen, nein. Sie hörten das Falter Radio, den Podcast

mit Raimund Löw.

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Die ORF-Korrespondenten Miriam Beller und Paul Krisai über journalistisches Arbeiten in einer Diktatur und ihr Buch "Russland von innen. Leben in Zeiten des Krieges" im Gespräch mit FALTER-Redakteurin Lina Paulitsch.

Das Buch ist unter folgendem Link erhältlich: https://shop.falter.at/detail/9783552073692/russland-von-innen


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