FALTER Radio: Warum Krieg? - #934

FALTER FALTER 5/6/23 - Episode Page - 1h 6m - PDF Transcript

Die Fall der Sonnergespräche im Wienermuseumsquartier zu den heißen Themen des Jahres.

Mittwoch, den 30. August, nimmt die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler-Platt.

Es geht um die drängende Frage, wie wir die Klimawende schaffen.

Umweltministerin Leonore Gewessler im Gespräch mit Barbara Todt und Katharina Krobshofer.

Mittwoch, den 30. August und 19 Uhr auf der Bühne im großen Hof im Museumsquartier in Wien.

Der Eintritt ist frei. Schauen Sie doch vorbei.

Falter Radio, der Podcast mit Raimund Löw.

Sehr herzlich Willkommen, meine Damen und Herren im Falter Radio. Warum Krieg?

Es ist eine existenzielle Frage von großer Aktualität.

Eine Antwort versucht hat der Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud

in einem kaum bekannten Briefwechsel mit dem Physiker Albert Einstein im Jahr 1932.

Albert Einstein war damals Pazifist und in Bemühungen des Völkerbundes zur Abrüstung engagiert.

Der Völkerbund war die Vorgängerorganisation der Vereinten Nationen,

in deren Auftrag sich Einstein an den Wiener Weltbürger Sigmund Freud um seine Diagnose gewandt hat,

ob und wie Kriege zu verhindern sind.

In dieser Sendung hören Sie den Kulturwissenschaftler Jacques Luridère

mit einem faszinierenden Bericht dieses ungewöhnlichen Meinungsaustausches zwischen Einstein und Freud.

Freud, der melancholische Pessimist, der nicht daran glaubt,

dass Kriege und Gewalt grundsätzlich abzuschaffen sind, Einstein, der radikale Pazifist.

Einstein hat übrigens später nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland 1933 seine Haltung radikal geändert.

Und die westlichen Demokratien aufgefordert, sich militärisch zu verteidigen.

Auch daran erinnert Jacques Luridère in seinem Vortrag.

Daniela Finzi, die wissenschaftliche Leiterin des Sigmund Freud Museums,

vertieft die Analyse des französischen Kulturwissenschaftlers Jacques Luridère.

Hören Sie eine bemerkenswerte Wiener Vorlesung vom 28.03.2023.

Heute Abend wollen wir uns mit einer Frage beschäftigen,

die für uns Europäer seit über einem Jahr wieder brennend aktuell geworden ist.

Warum Krieg?

Diese Frage stellte Albert Einstein 1932 in einem offenen Brief an Sigmund Freud,

der ihm in der Form eines beeindruckenden Essays antwortete.

Der öffentliche Briefwechsel zwischen Einstein und Freud entstand

im Auftrag einer Zweiarganisation des Völkerbundes,

der Internationalen Kommission für geistige Zusammenarbeit.

Als exekutiv organ dieser Kommission gab das Institut International

der Kooperation Intellektuell mit Sitz in Paris

eine Reihe von Briefwechseln, Zitat zwischen auf geistigem Gebiet

führenden Persönlichkeiten heraus.

Die Idee eines Dialogs mit Freud zum Thema Friedensstiftung und Kriegsverhütung

ging auf Einstein zurück, der schon 1922 Gründungsmitglied

der Kommission für geistige Zusammenarbeit geworden war.

Einstein war für die Kommission ein schwieriger Partner,

der mehrmals aus Protest gegen deren allzu laue Haltung

in der Bekämpfung des Militarismus zurückgetreten war

und sich jedes Mal hatte überreden lassen, wieder aktives Mitglied zu werden.

Einstein hatte 1930 anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Völkerbundes

seine Meinung zusammengefasst.

Ich habe selten Anlass über das, was der Völkerbund tut oder zu tun unterlässt,

begeistert zu sein, aber ich bin doch immer dafür dankbar,

dass es ihn gibt, einsteinszugehen auf Freud, war in mancher Hinsicht überraschend,

da er schon immer von seinen gemischen Gefühlen gegen der Psychoanalyse,

als Tiefenpsychologie und als Psychotherapie kein Hehl gemacht hatte.

Aber offensichtlich hatten ihn freuts Gesellschafts- und kulturtheoretische Schriften,

vor allem das Unbehagen in der Kultur aus dem Jahr 1930, doch positiv beeindruckt.

Das ehrenvolle Angebot der Völkerbundkommission konnte Freud kaum ablehnen.

Im Juni 1932 hatte er sich mit dem Projekt Einverstanden erklärt

und am 1. August einsteins offenen Brief an ihn erhalten.

Freud's Antwortbrief trägt das dazu in Wien im September 1932

und ist viel länger als einsteinsbrief.

In der Ausgabe der gesammelten Werke umfasst er 40, 14 klein gedruckte Seitzen.

Ursprünglich dachte das Internationale Institut für Gästige Zusammenarbeit

an den Titel Recht und Gewalt, mit dem Freud nicht zufrieden war.

Der Titel Warum Krieg war sein Vorschlag.

Freud erhielt am 22. März 1933 die ersten Exemplare der Broschüre.

Am 27. März die französischsprachige und am 10. April die englischsprachige Fassung

Warum Krieg wurde in Deutschland sofort verboten

und fand in Österreich praktisch keine und vorerst nur im Ausland etwas Resonanz.

Wie kann man in Zukunft den Krieg verhützen und einen dauerhaften Frieden stifzen?

In seinem offenen Brief an Freud vom Juli 32 beantwortet Einstein diese Frage

mit dezidierten Forderungen, Zitat.

Die Staaten schaffen eine legislative und gerichtliche Behörde zur Schlichtung

aller zwischen ihnen entstehenden Konflikte.

Zitat den bedingungslosen Verzicht der Staaten auf einen Teil ihrer

Handlungsfreiheit beziehungsweise Souveränität voraus.

Dafür müsse man die Machtgelüste der herrschenden Schichten zurückdrängen

und sie daran hindern, das Volk Zitat ihren gelüsten Dienstwach zu machen.

Einstein stellt abschließend diese Frage an Freud.

Gibt es eine Möglichkeit, die psychische Entwicklung des Menschen so zu leitsehen,

dass sie den Psychosen des Hasses und des Vernichtens gegenüber widerstandsfähiger werden?

Einstein hatte wohl einige Texte von Freud gelesen und fügte hinzu,

im Menschen lebt ein Bedürfnis zu hassen und zu vernichten.

Diese Anlage ist in gewöhnlichen Zeiten latent vorhanden und tritt dann nur

beim abnormalen Zutage, sie kann aber verhältnismäßig leicht geweckt

und zur Massenpsychose gesteigert werden.

Nun erwartete er von Freud, dass er Zitat auf Wege der Erziehung hinweisen kann,

die auf einem gewissen Massen unpolitischen Wege psychologische Hindernisse

zu beseitigen im Stande seien.

Einstein steht eindeutig in der Tradition von Kant auf Satz zum ewigen Frieden

aus dem Jahr 1795. In diesem Text fragte sich Kant,

wie der Frieden verwirklicht werden kann, obwohl die Herrscher ihn aus Machtinteresse

nicht wollen und obwohl der Mensch in seinem zwischbältigen Wesen nicht fähig ist,

ihn herbeizuführen. Kant antwort auf diese Fragen war erstens,

dass die Verfassung der Staaten republikanisch sein sollte und die Institutionen

besitzen müsste, durch die Zitat der Mensch ein Guttachbürger zu sein gezwungen wird

und zweitens, dass ein Friedensbund als Anticipation des Völkerbundes

und der heutigen Vereinten Nationen geschaffen werden müsste.

Einstein, der 21 den Nobelpreis für Physik erhalten hatte,

war zur Zeit der Entstehung von Warum Krieg einer der berühmtesten Naturwissenschaftler.

Er war auch, und das wird nicht immer genug betont,

eine leitende Gestalt der pacifistischen Bewegung.

1915 war er dem pacifistischen Bund Neues Vaterland beigetreten.

Im September 1915 hatte er Romain Roland,

eine Bezugsfigur der Pazifisten seit dem Erscheinen des Manifests

und des Südelamilés über dem Schlaggetümmel in Wevel am Gemfersee besucht.

Im Sammelband das Land Goethe, 1916, vom Berliner Goethebund herausgegeben,

steht ein Beitrag einsteins, in dem er schreibt,

das Zitat der Krieg zu den ersten Feinden der menschlichen Entwicklung gehört,

neben dem Aufsatz von Sigmund Freud im gleichen Band über Vergänglichkeit,

in dem Freud beklagt, der Krieg habe, Zitat,

unseren Stolz auf die Errungenschaften unserer Kultur gebrochen.

Der Konstrast zwischen einsteins, radikal-pazifistischer Position

und freuts melancholisch-pessimistischer Tonlage ist auffällig.

Ebenso auffällig ist der Unterschied zwischen einsteins und freuts Beiträgen zur Festschrift

zum 60. Geburtstag von Romain Roland,

dem lieber Amiko Rom, Buch der Freunde, im Jahre 1926.

Enthusiastisch-pazifistisch ist einsteins Beitrag deutlich kürzer

und bei aller Herzlichkeit, Verhalter nach, fällt Freuzomage an Roland aus.

Als Demokrat sah es einstein als Recht und Pflicht des Individuums,

sich doch Verweigerung und Zivilen ungehochsam zu wehren.

In seinem Vortrag vor der Abrüstungskonferenz des Völkerbundes

fasste er 1932 ohne jedes Zugeständnis an die guten diplomatischen Manieren

seine pazifistische Überzeugung und verlangte,

dass die Abrüstungskonferenz sich nicht nur mit einer Vereinbarung

über zulässige und verbotene Waffen zufrieden gebe,

die in seinen Augen eine scheinheilige Halbheit wäre.

Umso aufsehen erregender war einsteins Meinungsumschwung

nach der danzistischen Machtergreifung.

Ab 1933 distanzierte er sich von seinem absoluten Pazifismus

und Empfal, den westlichen Regierung sich auf einen Angriffskrieg

durch militäre Aufrüstung vorzubereit sind.

Die Kriegsdienstverweigerung in den von Nazi-Deutschland bedrohten Ländern

hielt er nun mehr für eine unverantwortliche Position.

Im August 1939 vier Wochen vor dem deutschen Überfall auf Polen

und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs

unterzeichnete Einstein einen Appell an Präsident Roosevelt,

die militärische Anwendbarkeit der Atomkraft zu prüfen,

bevor die neu entdeckte Orangspaltung von den Nazis ausgenutzt werden könnte.

In dieser Weise machte sich Einstein indirekt mitverantwortlich

für die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki.

Es blieb mir nichts anderes übrig, obwohl ich stets ein überzeugter Pazifist gewesen bin,

sagte er im Nachhinein im Jahre 1952.

Im Sommer 1914 hatte Freud zuerst gar nicht als Pazifist reagiert.

Im August 1914 schrieb er selbstkritisch an Sander Verenchi,

Zitat der Aufschwung der Begeisterung in Österreich hat mich zuerst mit fortgerissen.

Ich habe wie viele plötzlich Libido für Österreich ungerne mobilisiert.

Die erste Verarbeitung seines Unbehagens in der Kriegskultur findet man in seinem offenen,

in einer Amsterdamer Zeitschrift veröffentlichen Brief vom Ende Dezember 1914,

Zitat, die primitiven Wilden und Bösenimpulse der Menschheit sind bei keinem einzelnen Verschwunden,

schreibt Freud, sondern bestehen noch fort, wenn gleich verdrängt,

ihm unbewussten und warten auf Anlässe, um sich wieder zu betätigen.

Der nächste Schritt ist 1915 zeitgemäßes Überkrieg und Tod.

Ein zentraler Satz lautet, Zitat, die Völker gehorchen in ihren Leidenschaften weit mehr als ihren Interessen.

Sie bedienen sich höchstens der Interessen, um die Leidenschaften zu rationalisieren.

Dieser Gedanke Freud macht verständlich, warum alle Versuche,

gegen den Krieg mit vernünftigen Argumenten zu sprechen und eine Friedensverhandlung

im rationalen Interesse der Kriegsbarteien anzubahnen, so oft zum Scheitern verurteilt sind.

Während eines Krieges, Zitat, freut, wird die Triebumbildung,

auf welcher unsere Kultureignung beruht, dauern oder zeitweilig rückgängig gemacht,

sodass die heutige Kulturmenschheit wie die Urmenschen eine Rotte von Mördern darstellt.

Freud's Schlussbemerkung ist pessimistisch, Zitat, der Krieg ist nicht abzuschaffen,

solange die Existenzbedingungen der Völker so verschieden und die Abstoßungen unter ihnen so heftig sind,

wird es Kriege geben müssen.

Diese Thesen aus dem Jahr 1915 sind der Ausgangspunkt der Theorieentwicklung,

die in Freud's Beitrag, warum Krieg ihren Abschluss findet.

Im Zentrum der Freudischen Kultur Auffassung steht der Gegensatz der Kultur und der Triebansprüche.

Es ist aber keineswegs als der Gegensatz zwischen gewaltfreier Kultur und Aggressionstrieben zu verstehen.

Die Kultur ist für Freud ein mit Gewalt gefestigter Herrschaftszusammenhang.

Der Kulturprozess wird in das Unbehagen in der Kultur folgender Massen beschrieben.

Die Aggression wird introjiziert verinnerlicht, also gegen das eigene Ich gewendet.

Die Kultur bewältigt also die gefährliche Aggressionsschluss des Individuums,

indem sie es schwächt entwaffnet und durch eine Instanz in seinem Inneren,

wie durch eine Besetzung in der eroberten Stadt überwachen lässt.

In Warum Krieg dekonstruiert Freud in ähnlicher Weise den Gegensatz von Krieg und Frieden?

Der Friede ist für ihn keineswegs auf die Nichtgewalt gegründet.

Der Friede ergibt sich vielmehr aus der Bewältigung der Kriegsgewalt durch die Gewalt des Rechtes.

Das Recht war ursprünglich rohe Gewalt und kann noch heute der Stützung durch die Gewalt nicht entbeeren, schreibt Freud in Warum Krieg.

Am Anfang von Warum Krieg gesteht Freud seine politische Inkompetenz ein.

Sie haben mich durch die Fragestellung überrascht, schreibt er an Anstein.

Ich erschrak zunächst unter dem Eindruck meiner, was hätte ich gesagt, unserer Inkompetenz,

aber das erschien mir als eine praktische Aufgabe, die den Staatsmännern zufällt.

Freud selbst vertrat den Standpunkt des politischen Realismus

und misstraute allen Farmen des sich Illusionen hingebenden Wunschdenkens.

Auf die Möglichkeit einer Befriedung der Welt, wie sie der militante Pazifismus Einsteins anstrebt sei,

war in seinen Augen eine Illusion, eine zweifellos edle und doch Wirklichkeitsfremde Vorstellung.

Deshalb antwortet Freud auf Einsteins offenen Brief in einem etwas gereizten Ton.

Nach einigen höflichen, aber kühlen Worten über der Völkerbund kommt er zum nüchternen Befund,

Zitat, dass die heute die Völkerverbeherrschenden nationalen Ideale zu einer gegenteiligen Wirkung drängen

und dass der Versuch, reale Macht durch die Macht der Ideen zu ersetzen, zum Vöhlschlagen verurteilt ist.

Noch etwas ist in Einsteins offenen an ihn gerichteten Brief für Freud unangenehm gewesen.

Im letzten Abschnitt forderte ihn Einstein dazu auf, das Problem der Befriedung der Welt im Lichte seiner neuen Erkenntnisse darzustellen.

Als ob Freud der philosophische Arzt der Kultur wäre von dem Nietzsche 1887 im Vorwort zur zweiten Ausgabe der fröhlichen Wissenschaft träumte.

Ich zitiere Nietzsche, ein Arzt wünschte sich Nietzsche, der dem Problem der Gesamtgesundheit von Volkzeit, Menschheit nachzugehen haben würde.

Nun aber, was sich freut, immer der Schwierigkeit, ja, der schlichten Unmöglichkeit bewusst seiner Methode der analytischen Psychotherapie auf das nicht-therapeutische Terrain der Kulturanalyse zu übertragen.

Als ausweichende Antwort auf Einsteins Brief unternimmt er es, sie tat Freud, ein Stück seiner Trieblehre vorzutragen und zeigt noch einmal, wie meisterhaft er seine Theorien zusammenfassen und dabei auf prägnante Formeln bringen kann.

Das Kernstück des freudschten Beitrag zu Warum Krieg hat das Niveau der neuen Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, an der Freud 1932 gerade arbeitete.

Sein Schluss muss einsteinen und die Mitglieder des Internationalen in Systos vergästige Zusammenarbeit ernüchtert haben.

Zitat, es gibt keine Aussicht, die aggressive Neigungen der Menschen abschaffen zu wollen.

Wenn die Bereitwilligkeit zum Krieg ein Ausfluss des Destruktionstriebes ist, so liegt es nahe.

Gegen Sie, den Gegenspieler dieses Triebes, den Eros anzurufen, diese Lösung verspreche aber keinen raschen Erfolg.

Zitat ungern denkt man an Mühlen, die so langsam malen, dass man verhungern könnte, ehe man das Mehl bekommt.

Die Frage nach der menschlichen Eignung zum Krieg und zur Friedensschiftung ist eine theoretische, anthropologische, sozialphilosophische Frage, keine geschichtswissenschaftliche.

Die Historiker beschäftigen sich nicht mit dem Krieg überhaupt, sondern mit den Ursachen dieses oder jenes Krieges, mit dem Krieg in einer bestimmten Epoche oder in einem bestimmten geopolitischen Raum.

Wenn man die Frage, warum Krieg nicht historisch differenziert, wird es allerdings schwierig, eine weitere für die Pazifisten unbequeme Frage zu beantworten.

Gibt es gerechte Kriege und ungerechte Friedensschiftungen?

Freut ist scharf sie nicht genug, um die entscheidende Bedeutung dieser Fragen zu erkennen.

Aber er begnügt sich mit dieser ausweichenden Bemerkung, Zitat, man kann nicht alle achten von Krieg in gleichem Maße verdammen,

solange es Reiche und Nationen gibt, die zur rücksichtslosen Vernichtung anderer bereit sind, müssen diese anderen zum Krieg gerüstet sein.

Aber wir wollen über all das rasch hinweggehen, schreibt Freud.

Die Frage, die Freud in Warum Krieg so beiläufig aufwirft, war für die Pazifisten der Zwischenkriegszeit von Hoher Brisanz.

Konnte man angesichts der Gefahr imperialistischer von genutzidären Ideologien getragener Aggressions- und Vernichtungskriege den Frieden, die nicht Gewalt um jeden Preis verlangen?

Kann man zur Verhütung oder Beendigung eines ungerechten Krieges seinen ungerechten Frieden in Kauf nehmen?

Für Albert Einstein, wir haben es gesehen, stellte sich die Frage nicht lange.

Unmittelbar nach der nazistischen Machtergreifung erfolgte sein vollständiger Meinungsumschwung.

Sein offener Brief an Sigmund Freud in Warum Krieg erscheint im Rückblick als der schwannen Gesang des militanten Pazifisten, der er seit Anfang des Ersten Weltkrieges gewesen war.

Nun bekannte er sich zum alten Spruch, denn Freud am Schluss von zeitgemäßes Überkrieg und Tod zitierte,

sie wies passem Parabellum, wenn du den Frieden willst, so rüste zum Krieg.

An dieser Stelle fügte Freud hinzu, sie wies vitam Paramortem, wenn du das Leben aushalten willst, richte dich auf den Tod.

In Warum Krieg entwirft Sigmund Freud eine eigene und originelle Theorie der Psychogenese der Pazifistischen Einstellung.

Ich glaube der Hauptgrund, weshalb wir uns gegen den Krieg empören, ist, dass wir nichts anders können.

Wir sind Pazifisten, weil wir es aus organischen Gründen sein müssen.

Vielleicht führt der Prozess der Kulturentwicklung zum Erlöschen der Menschenart, denn er beeinträchtigt die Sexualfunktion in mehr als seiner Weise

und schon heute vermehren sich unkultivierte Rassen und zurückgebliebene Schichten der Bevölkerung stärker als hochkultivierte.

Vielleicht ist dieser Prozess, schreibt Freud weiter, mit der Domestikation gewisser Tierarten vergleichbar,

denn psychischen Einstellungen, die uns der Kulturprozess aufnötigt, widerspricht der Krieg in der grössten Weise.

Darum müssen wir uns gegen ihn empören, wir vertragen ihn einfach nicht mehr, er ist nicht bloß eine intellektuelle und effektive Ablehnung,

er ist bei uns Pazifisten eine konstitutionelle Intoleranz.

Mit dieser Theorie des Pazifismus als einer konstitutionellen Intoleranz des Kulturmenschen gegen den Krieg

knüpft Freud an das Thema seiner Einleitung zum Band zur Psychoanalyse der Kriegsneurosen aus dem Jahr 1919.

Er sprach dort von traumatischen Neurosen, die durch den Ich-Konflikt zwischen dem alten friedlichen und dem neuen Kriegerischen Ich des Soldatens verursacht werden.

Der Kriegsneurotika wird 13 Jahre später in Wahupenkrieg als der Pazifist aus organischen Gründen definiert,

denn durch den Prozess der Kulturentwicklung kriegsuntauglich geworden ist.

Man kann sich allerdings fragen, warum die einen in der gleichen sozialen Gruppe erkranken,

die den gleichen traumatischen Erfahrungen ausgesetzt sind, die anderen jedoch nicht.

Warum man in derselben Gesellschaft, in derselben Generation Pazifisten vielleicht aus konstitutioneller Intoleranz gegen die Kriegsgewalt

und kriegsküchtige Individuellen findet, deren kriegerisches Ich die härteste Bewerbungsprobe bestehen kann?

Eine Antwort wäre, dass die Kriegsneurosen wohl nicht nur auf ein Trauma und einen Ich-Konflikt zurückgehen,

sondern auch auf eine individuell zuverstehende innerpsychische Dynamik.

Freut aber, gibt in Wahupenkrieg auch eine andere Erklärung.

Wir haben es schon gehört, heute vermehren sich unkultivierte Rassen und zurückgebliebene Schichten der Bevölkerung stärker als hochkultivierte.

Diese hierarchische Kultursoziologie, verbunden mit der Vorstellung, dass der Prozess der Kulturentwicklung

einem Prozess der Domestikation vergleichbar sein, liegt es nahe eine Parallele zwischen Freut als Kulturdiagnostikar,

als Kulturanalytikar des Krieges und Nietzsche, als Kritiker der Moral, als Widernatur

und als Diagnostiker der Dekadence zu ziehen.

Zitat Nietzsche, man ist bewiesen als Dekadent, wenn man den Friedenden der Seele höher schätzt als den Krieg.

Als das Leben, als die Fruchtbarkeit oder anders ausgedrückt, weil man sich unfruchtbar fühlt, wählt man den Frieden.

So Nietzsche in der ersten Fassung der Götzendemochung, die heute in den Anmerkungen zur Kolimantinachie Ausgabe zu lesen sind.

Die Parallele zwischen Freude und Nietzsche zum Thema Krieg und Frieden kann aber nicht aufrechterhalten werden.

Offenkundig ist bei Freude die Zähmung der menschlichen Urbestie im Verlauf des Zivilisationsprozesses ein Gewinn für die Kultur.

Und der Typ des Pazifisten aus organischen Gründen ist Freude, zweifelsohne, viel sympathischer als der Typ des kriegstüchtigen Soldatens.

Aber es ist wie ein Pistolenschluss im Konzertsaal, wenn man diese Stelle aus menschliches, allzu menschliches in die Mitte des Kommentars von Warum Krieg zitiert.

Der Krieg ist unentberlich, man wird immer mehr einsehen, dass eine solche hochkultivierte und daher notwendig matte Menschheit wie die jetzigen Europäer nicht nur der Kriege,

sondern der größten und furchtbarsten Kriege, also zeitweiliger Rückfälle in die Barbarie bedarf und um nicht an den Mitteln der Kultur, ihre Kultur und ihr Dasein selber einzubüssen.

Zurück zu Freude.

Alles, was die Kulturentwicklung fördert, arbeitet auch gegen den Krieg. So lautet die Schlussformel Freude in Warum Krieg.

Am Ende dieses pessimistischen offenen Briefs, in dem Freud zwischen den Zeilen Einsteins militanten Pazifismus als eine Illusion ohne Zukunft verwirft, bleibt ein letzter Grund der Hoffnung.

Die Kulturentwicklung der Zivilisationsprozess soll eine fortschreitende Verschiebung der Triebziele und Einschränkungen der Triebrigungen bewirken.

Aber selbst, wenn man davon ausgeht, dass die Kulturentwicklung einen Teil der Bevölkerung zu Pazifisten aus organischen Gründen verwandelt, besteht das Problem weiter, dass Freude in die Zukunft einer Illusion ansprach, Zitat,

eine Verernährlichung der Kulturverbote darf man bei den Unterdrückten nicht erwarten.

Der Kulturprozess wird erfolgreich, wenn er die Menschen zu Kulturträgern macht, erscheitert haben, wenn er sie zu Kulturfeinden macht.

In Warum Krieg lässt seine Freude, seine Leser und Leser hinein, verunsichert zurück.

Die Förderung der Kulturentwicklung wird als der einzige Weg zur Kriegsverhütung und Friedensstiftung herausgestellt.

Und zugleich wird klar, dass die Kultur an und für sich für die Menschheit einen schwachen Schlussschutz gegen künftige Kriege bietet,

dass Kultur jederzeit in Kriegskultur umkippen und gegen sich selbst arbeiten kann.

Es fällt außerdem auf, dass der Begriff Kultur in Warum Krieg wie auch der Begriff Krieg nur im Singular verwendet wird,

so dass die Polarität Kultur versus Krieg den ganzen Text strukturiert.

Wenn man aber die Polarität der Kulturen berücksichtigt, erkennt man die Gefahr, die Freude in die Zukunft einer Illusion so definierte Zitat.

Jede Kultur spricht sich das Recht zu, die andere gering zu schätzen.

Auf solche Weise werden die Kulturideale Anlass zur Entzweihung und Verfeindung zwischen verschiedenen Kulturkreisen,

wie es unter Nationen am deutlichsten wird.

In diesem Falle nähert der Kulturstadt stolz den Nationalismus und hilft sich von der kulturellen Identität des Feindes abzugrenzen.

In das Unbehagene der Kultur schrieb Freud, die Kultur sei ein Prozess im Dienste des Errors

der vereinzelten menschlichen Individuen, später Familien, dann Stämme, Völker, Nationen zu einer großen Einheit der Menschheit zusammenfassen solle.

Und doch ist auch der Krieg, das erfahren wir aus der Geschichte,

manchmal, wenn der Krieg zum Beispiel im Namen der eigenen ihrer Überlegenheit sicheren Kultur ausgetragen wird, gemeinschaftsbildend.

Seit der zweiten Hälfte der 20er-Jahre war in Deutschland und in Österreich und dies trifft leider für viele europäische Länder zu,

eine wachsende Militarisierung der politischen Kultur zu beobachten.

In der Weimarer Republik besetzte der Stahlhelm Bund der Frontsoldaten den öffentlichen Raum durch massen Kundgebungen und Aufmärsche in Uniform

und verbreitete eine heroisierende Erinnerungskultur, die den Frontkämpfer und die Freundgemeinschaft als Vorbildhaft für die Politik und für die ganze Gesellschaft hinstellte.

In Österreich war eine vergleichbare Militarisierung der Innenpolitik zu verfolgen.

Die Heimwehrverbände und der Republikanische Schutzbund hatten am Ende eine größere Bedeutung als die regulären Heereskräfte,

die hier vereinfachend zusammengefassten, bekannten historischen Fakten zeigen, wie wirklichkeitsfremd auch Freuzartien,

warum Krieg wirken mag, alles was die Kulturentwicklung fördert, arbeitet auch gegen den Krieg.

Da möchte man Freude bei aller Verehrung fragen, die Entwicklung welcher Kultur, meinen Sie,

entwickelt sich eine Kriegskultur nicht eher zur totalen Mobilmachung als zur Stiftung des ewigen Friedens.

Ausgerechnet im Jahre 1932 schrieb Freude der Freude der Ehrer Stefan Zweig einen Vortragstext,

dem er den Titel die moralische Entgiftung Europas galt.

Das ideologische Gift, dass die europäischen Kulturen krank gemacht hätten,

sei der Hass gegen die als feindlich den unsierten fremden Nationen,

zu dem man jedes einzelne Volk in der Schule vor allem in Geschichtsunterricht und in den Medien erzogen habe,

um seine ständige Kriegsbereitschaft zu rechtfertigen und Stefan Zweig war der Auffassung,

man müsste zuerst die europäischen Kulturen moralisch entgiften, um sie friedensfähig zu machen.

Einsteinsfragen bringen Freude dazu, seine politische Einstellung mit schonungsloser Offenheit zusammenzufassen.

Zitat einer Klage von ihnen über den Missbrauch der Autorität,

entnehme ich einen Weg zur indirekten Bekämpfung der Kriegsneigung.

Man müsste mehr Sorge als bisher aufwenden, schreibt Freude,

um eine Oberschicht selbstständig denkender nach Wahrheit ringender Menschen zu erziehen,

denen die Lenkung der unselbstständigen Massen zufallen würde.

Der ideale Zustand wäre natürlich eine Gemeinschaft von Menschen,

die ihr Trieb leben, der Diktatur, der Vernunft unterworfen haben.

Man kann nicht umheben, bei den Worten Diktatur der Vernunft stutzig zu werden.

War es vernünftig, 1932 die Diktatur selbst die der Vernunft,

als eine wünschenswerte Regierungsform zu bezeichnen.

Zwar spricht hier Freude von einer aufgeklärten Führungselitze,

die sich gleichsam askezisch und triebopferbereit der Diktatur der Vernunft unterwerfen sollte.

Und doch versteht jede Leserin, versteht jeder Leser,

dass Freude eine Diktatur der Vernünftigen gut heißt.

Immerhin erblickte Freude eine Gefahr einer solchen Herrschaft der Vernünftigen.

Die Gefahr war in seinen Augen überraschenderweise

nicht die Entwicklung dieser Regierungsform zum Nackten des Sportismus,

sondern die demokratische, um nicht zu sagen, die demagogische Milderung

der strengen Herrschaft der Vernünftigen.

Es besteht für sie, also für die Vernünftigen,

die Gefahr, dass sie um ihren Einfluss nicht zu verlieren,

der Masse mehr nachgeben als diese ihnen.

Und darum erscheint es notwendig,

dass sie durch Verfügung über Machtmittel von der Masse unabhängig seien.

War der Gebrauch des Wortes Diktatur nicht äußerst unglücklich.

Ich begnüge mich heute mit dem Versuch, diese Formel zu interpretieren,

mit der Freude eigentlich nichts anderes tat,

als die Konsequenzen seines resignierten Diktums

in die Zukunft einer Illusion zu benennen.

Zitat,

Meine Hypothese ist,

dass Freude hier an Platons Idee von der Philosophen Herrschaft anknüpft,

wie sie in der Politik ja vorgetragen wird.

Die eminente Bedeutung Platons für Freude, für Freude-Theorie-Bildung,

ist gut bekannt.

Schon in der Traumdeutung bezieht sich Freude

an entscheidenden Stellen auf Platon.

An einer anderen Stelle von Warum Krieg bezieht er sich wieder

auf das Symposium von Platon.

Und jetzt ein Zitat aus der Politik ja von Platon.

Wenn nicht entweder die Philosophen Könige werden in den Stadien

oder die jetzt sogenannten Könige und Gewalthaber

sich aufrichtig mit Philosophie befassen

und dies beides in eines Zusammenfeld,

politische Macht und Philosophie,

gibt es kein Ende des Unheils für die Stadien,

ja auch nicht für das Menschengeschlecht überhaupt.

So Platon in der Politik ja.

In seinem berühmten, während des Zweiten Weltkrieges

in Neuseeland verfassten Buch die offene Gesellschaft

und ihre Feinde interpretierte Karl Popper diesen Satz

als einen klaren Führungsanspruch,

einer selbst ernannten geistigen Elite

für ihn das Signum eines zutiefst antidemokratischen Denkes.

Einem ähnlichen Missverständnis hat sich Freud ausgesetzt,

indem er in Warumkrieg vor der riskanten Formel

Diktatur der Vernunft nicht zurückscheute

und dies hat wahrscheinlich dazu beigetragen,

dass man diesen freudschten Text lange Zeit bewusst und bewusst

vergessen bzw. als seine Marginalie in Freuzwerk

zur Seite geschoben hat.

In Warumkrieg begegnen sich der utopische, politisch-schwer-umsetzbare,

etwas weltferne Pazifismus-Einsteins

und der illusionslose Pessimismus-Freuz.

Nichts desto weniger brennend aktuell sind die Fragen,

die dieser Dialog in dieser dünnen und doch gewichtigen Broschüre

aufwirft. Wie kann sich der militante Pazifismus

in einer Situation bewähren, in der die Frage nach dem gerechten

Verteidigungskrieg nicht mehr theoretisch ist,

sondern eine drängliche Antwort fordert?

Die freudsche Anthropologie weist auf die ernüchternde Tatsache erneut hin,

dass sich Friede nicht als naturgemäßes Ergebnis menschlicher Natur ergibt,

sondern mit Kantgesprochenen gestiftet werden muss.

Aber von welcher Kulturentwicklung kann man im Ernst behaupten,

dass sie gegen den Krieg arbeitet?

Warum es immer wieder zum Krieg kommen kann und muss,

zeigt und freut in aller Deutlichkeit.

Wie man den Friedenszustand dauerhaft absichert,

das wollte ja Einstein von ihm hören, sagt er uns aber nicht.

Wir sind im Jahr 1932, wenn wir uns überlegen,

wie freut seine Texte schreibt, so können wir uns eigentlich

sein Arbeitszimmer in der Berggasse ein bisschen immer wie ein Künstleratelier vorstellen.

Er schreibt an der einen Arbeit, die halbfertig ist, die zweite Arbeit ist unfertig

und eine dritte Arbeit, das wissen wir von den Briefen,

ist noch gar nicht geschrieben worden, aber entsteht schon in seinem Kopf.

Und in diesem Zusammenhang gibt es eben den Kontext der Schriften freut.

Sie haben den einen Text auch angeführt, die neue Folge zur Einführung

der Vorlesung in die Psychianalyse und ein zweiter Text,

auf den wir später vielleicht noch zu sprechen kommen,

das ist seine Arbeit, seine Einleitung zum Buch zu über Wodow Wilson.

Das ist eben dieser textliche Kontext freut,

und ich möchte es hier aber jetzt nochmal bitten, 1932,

das ist die erste Regierung Dolphus in Österreich, die an der Macht ist,

aber den weltpolitischen Kontext, in dem der Völkerbund diese Einladung ausspricht,

nochmal kurz zu umreißen.

Es stimmt, dass dieses Jahr 1932 irgendwie die letzte Chance für den Frieden in Europa war,

und nicht nur Einstein und Freud haben über Kriegsverhützung und Friedensstiftung diskutiert,

sondern es gab zahlreiche Initiativen gerade in jenem Jahr.

Es begann die Gämpfer Abrüstungskonferenz des Völkerbundes, die erfolglos blieb.

Und gerade in diesem Rahmen, ich habe es kurz erwähnt,

hielt Einstein einen fulminanten Vortrag vor dem Völkerbund

und brachte seine Herausforderungen an die Diplomaten,

Zitat Abschaffung der obligatorischen Werbpflicht, unverzüglicher Abbruch der Rekrutierung,

unverzüglicher Abbruch der Munition und Kriegswaffenproduktion.

Der Krieg lässt sich nicht humanisieren, nur abschaffen,

so ein Stein vor der Abrüstungskonferenz des Völkerbundes.

Aber es gab auch andere hochinteressante Initiativen, die Einstein und Freud aus der Nähe berührt haben.

Zum Beispiel haben in dem Jahr 1932 die französischen Schriftsteller Henri Barbus und Romain Roland

in der damals kommunistisch gewordenen Zeitung L'Humanité

einen Aufruf zur Abhaltung eines internationalen Antikriegskongresses in Genf publiziert.

Das große Problem der Initiative von Barbus und Roland war der dominierende Einfluss

der französischen Capet und der Kommentär.

Das erklärt die überwiegend ablehnende Reaktion aller sozialistischen Parteien und Organisationen in Europa.

Zum Beispiel Friedrich Adler in Österreich denunzierte ein propagandistisches Manöver der Kommunisten.

Stefan Zweig versuchte da zwischen Barbus und den österreichischen Sozialisten zu verhandeln,

aber hatte keinen Erfolg.

Es ist interessant zu betonen, dass trotzdem diese Friedensinitiative von Romain Roland Barbus

in Österreich großen Anklang fahnt. Karl Kraus erklärte sich bereit, als Vertreter Österreich genannt zu werden.

Freud unterzeichnete den Aufruf an die Ärzte aller Länder zur Unterstützung des Appels.

Das war also eine Initiative, die große Polimiken, aber auch große Hoffnungen wegzählte.

Zum Schluss möchte ich um diese historische Bedeutung des Jahres 32 noch zu betonen,

als ich den Antikriegskongress der Pan-Europa-Union das entgegengesetzte Lager der Konservativen von Kudenhove-Kalergie.

Und sogar Kudenhove-Kalergie hatte Einstein um Teilnahme gebeten und Einstein antwortete ihm so deutlich,

Sie haben gegen das heutige Russland eine ausgesprochen feindliche Haltung angenommen.

Auch ich billige vieles nicht, was in Russland geschieht, noch weniger aber die Methoden, mit denen man versucht,

den einzig ernsthaften Versuch der Schaffung einer vernünftigen und gerechten wirtschaftlichen Organisation mit Gewalt zu unterdrücken.

Somit zog sich Einstein zurück von diesem Kongress der Pan-Europa-Union.

Ich wollte mit diesen kurzen Andeutungen wirklich betonen, wie geladen der historischen Kontext war

und wie pluralistisch und verschieden diese Frage, warum Krieg und wie kommt man zum Frieden gestellt wurde?

Ja, Sie haben gerade auch erwähnt den Appell der Ärztin Freud unterschrieben hat.

In unserer Vorbesprechung haben Sie mir erzählt, dass auch Einstein später geschrieben hatte,

dass er mit diesem Briefwechsel Freud eigentlich auch in eine öffentlichere Position drängen wollte.

Und das ist eben jetzt auch die nächste Frage.

Ich glaube, es ist ganz reizvoll, wenn wir uns die Beziehung zwischen diesen beiden Männern uns näher anschauen.

Dieser Briefwechsel, das ist bekannt, aber es gibt ja einen davor und einen danach dieser Bekanntschaft.

Beide haben sich auch einmal in 1926, 1927 in Berlin in der Wohnung von Freud so ernst getroffen.

Wie würden Sie diese Beziehung zwischen Freud und Einstein einstellen,

der dann doch einige kulturtheoretische Texte Freud gelesen hat einschätzen?

Natürlich kann Einstein Freud und zum Gekehrt Freud Einstein wenigstens von Ruf bevor sie sich persönlich kennenlernten.

Das war Anfang 1927 im Hause von Freud's Sohn Ernst in Berlin.

Und das Gespräch war sehr freundlich, aber zugleich intellektuell ziemlich steril.

Freud schreibt am Verhengsschi nach dieser Begegnung mit Einstein.

Er versteht von Psychologie so viel ich von Physik und so haben wir uns sehr gut gesprochen.

Außerdem hat sich eine peinliche Anekdote sehr negativ ausgewirkt für die Beziehung Freud-Einstein.

1928 hatte sich Einstein geweigert, Freud erneute Kandidatur für den Nobelpreis für Medizin zu unterstützen.

Freud wusste es ganz genau und hickte gegenüber Einstein gemischte Gefühle aus diesem Grund.

Freud schreibt etwas später an den Journalisten George Sylvester Vierek,

der sowohl mit Einstein als auch mit Freud übrigens auch mit Schnitzler und mit vielen anderen wichtigen Persönlichkeiten der Zeit

interessante Interviews geführt hatte.

Da schrieb Freud im November 29, ich hatte vor einigen Jahren eine lange Unterhaltung mit Einstein,

in der ich zu meiner Belustigung feststellte und da kommt wieder das Zitat wie im Brief an Verhengsschi.

Ja, ich glaube, ich bin ihm darin vor, während ich wenigstens die Berechtigung des mathematischen Denkens voll einsehe,

bestreitet er die Berechtigung der Psychologie.

Ich möchte am Handel des Gesprächs auch einen interessanten Punkt erwähnen.

Einstein war ein Engagiertationist und hat immer wieder auf Freud Druck ausgeübt,

dass sich Freud deutlicher engagiert für die zionistische Bewegung.

Gerade im Jahr 1929 hatte Einstein persönlich an dem zionisten Kongress in Zürich teilgenommen.

Freud war, wie man weiß, viel zurückhaltender, obwohl er die größte Achtung und Sympathie für die kulturellen Werke des Zionismus hatte.

Und wenn ich jetzt die Zeit nach Warum Krieg kurz skizzieren kann,

diese Zeit nach Warum Krieg steht, im Zeichen einer warmen, freundlichen, aber distanzierten Beziehung zwischen Freud und Einstein.

Und es ist beinahe erstaunlich, wie eine verdrängtes ressentiment Freud plötzlich zu Tage getreten ist.

Im Mai 1936, als Einstein ihm zu seinem 80. Geburtstag sehr freundlich, sehr warmherzig gratuliert hatte,

antwortet er diese beinahe aggressive Formel.

Ich wüsste natürlich immer, dass sie mich nur aus Höflichkeit bewundern, aber von allen meinen Behauptungen sehr wenig glauben.

Obwohl ich mich oft fragte, was daran eigentlich zu bewundern ist, wenn es nicht wahr ist,

das heißt, nicht einen hohen Wahrheitsgehalt hat.

Also haben sich beide große intellektuellen Gut verstanden, aber eine gewisse Entfremdung zwischen den beiden wurde nie ganz überwundet.

Genau, und vielleicht ergänzt sind dazu noch in einem Brief von Einstein an Freud, und sie haben so um die 20 Briefe ja ausgetauscht,

können wir entnehmen, dass Einstein eine Zeit lang immer an einem Dienstagabend mit einer freundeten Dame Freutexte im Dialog gelesen hat.

Und das ist ein schönes Bild und auch eine gute Art und Weise Freutexte zu erschließen, nämlich im Dialog zusammen.

Die Frage, die natürlich den gesamten Ausführungen inherent war, aber noch einmal meine Bitte sozusagen, die Aktualität des Briefwechsels,

wo sehen Sie diese Aktualität heute im Jahr 2023?

Die Aktualität ist sehr brennend für Europa, kennt wieder den Krieg in Ostmitteleuropa.

Aggressions- und Destruktionstriebe, unerhörten Ausmaßes werden wieder freigesetzt.

Und wieder einmal ist der ethisch motivierte und rationale Pazifismus nach dem Vorbild Einstein vor den größten Herausforderungen gestellt

und muss sich im Grunde genommen selbst in Frage stellen.

Wieder einmal scheint die befriedete internationale Ordnung, die uns eine Art ewigen Friedenversprach der Welt von gestern anzugehören.

Wieder erlebt unsere Kultur die Enttäuschung des Krieges von der Freude in zeitgemäßes Überkrieg und Todsprach.

Er meinte die Enttäuschung über die geringe Sittlichkeit der Staatsien nach Aussehen und über die Brutalität im Benehmen der Einzelnen,

denen mal als Teilnehmer an der menschlichen Kultur Ähnliches nicht zugetraut hätte.

Auf den ersten Blick bereitet uns Freutin, warum Kriege eine herbe Enttäuschung.

Einstein fragte ihn nach den tiefen psychologischen Ursachen des Krieges, aber er fragte auch und vor allem, wie stift man den Frieden?

Nun aber, sind alle vom radikalen Aufklärer Freut vorgeschlagenen Lösungen, abgesehen von der Diktatur der Vernunft,

an die er selbst nicht ernsthaft glaubt, solche, die mit freuzeigenen Worten, die ich schon zitiert habe, an Mühlen erinnern,

die so langsam malen, dass man verhungern könnte, ehe man das Mehl bekommt.

Der einzige immerhin beträchtliche, ja nicht hoch genug zuschätzende Ertrag von Warum Krieg,

bestimmte schließlich in der radikalen Zerstörung unserer großen Illusionen, Fortschrittsidee,

Traum vom ewigen Frieden, pacifistisches Wunschdenken und so weiter und in der Anleitung zu einem schonungslosen Realismus.

Freut ist ganz besonders in Warum Krieg ein Stoiker.

Er lernt uns nicht die Welt zu verändern, sondern die Welt zu ertragen und ich glaube, das ist die Botschaft.

Die Botschaft freut in diesem Text und das wird einigen unter ihnen als zu wenig vorkommen,

aber das kann man auch als ungeheuer viel bezeichnen.

Sie hörten eine wiener Vorlesung vom 28.3.2023 mit dem Kulturwissenschaftler Jacques Luridéa

zuletzt im Gespräch mit Daniela Finzi, der wissenschaftlichen Leiterin des Siegen und Freut Museums in Wien.

Es ging um den Briefwechsel zwischen Albert Einstein und Siegen und Freut im Jahr 1932 zur Frage Warum Krieg.

Bei den Veranstaltern bedanke ich mich sehr herzlich für die Zusammenarbeit.

Ich verabschiede mich von allen, die uns auf UKW zuhören, im Freiraat Tirol und auf Radio Agora in Kärmten.

Aktuelle Fragen vor historischem Hintergrund zu beleuchten, das passiert regelmäßig im Falter.

Ein Abomordesfalter ist eine gute Idee.

Alle Informationen gibt es im Internet unter der Adresse www.abo.falter.at

Ursula Wintrauer hat die Signation gestaltet.

Philipp Dietrich betreut die Audio-Technik im Falter.

In Namen des gesamten Teams verabschiede ich mich.

Bis zur nächsten Sendung.

Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.

Eine existentielle Frage von großer Aktualität. Debattiert in einem spektakulären aber kaum bekannten Briefwechsel zwischen dem Physiker Albert Einstein und dem Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud. Der Kulturwissenschaftler Jacques Le Rider berichtet, Daniela Finzi stellt Fragen im Rahmen einer Wiener Vorlesung.

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