11KM: der tagesschau-Podcast: Waldzerstörung mit TÜV und Siegel

tagesschau tagesschau 4/25/23 - Episode Page - 33m - PDF Transcript

Eure Küchenrolle, eure Taschentuchbox, euer Druckerpapier, eure Popkontüte im Kino,

das Papier um euren Burger und euer Notizbuch, das vielleicht auch.

Alles Papier. Papier wird aus Holz gemacht und für die Nachhaltigkeit von Holz und Papier,

da gibt es Siegel und Zertifikate. Damit wir uns kurz vergewissern können,

ah, die Küchenrolle wächst nach. Kein Ding. Nur leider stimmt das oft nicht.

Ihr hört 11 km der Tagesschau-Podcast. Ein Thema in aller Tiefe. Ich bin Victoria

Michalsack und heute ist Dienstag, der 25. April. Wir zeigen euch in dieser Folge,

warum wir die Siegel hinterfragen müssen, die uns nachhaltiges Papier und nachhaltiges Holz versprechen.

NDR-Reporterin Lea Strugmayer ist den Nachhaltigkeitsversprechen hinterher gereist,

bis nach Indonesien. Und ist da ausgerechnet, dem TÜV Rheinland begegnet.

Lea, hallo. Hi, vielen Dank, dass ich hier sein darf.

Lea, warum sprechen wir über Indonesien, wenn es um Taschentücher und Papier geht? Was hat das

miteinander zu tun? Weil tatsächlich viele oder einige unserer Papierprodukte wie Taschentücher,

Küchenrollen oder auch unser Druckerpapier zum Teil und unter anderem aus Indonesien kommt. In

Indonesien gibt es nämlich tatsächlich einen der größten Papierproduzenten der Welt und das

ist das Unternehmen Asia, Pipe und Paper. Okay. Und von denen kaufen wir oder kaufen Anbieter in

Deutschland und in der EU Papierprodukte? Beziehungsweise es ist überall, es ist auf der

ganzen Welt und wir können gar nicht so genau sagen, wo überall, weil natürlich steht am Ende

APP nicht auf den Produkten drauf. Wir wissen, es gibt deutsche Konzerne, die von APP auch Waren

kaufen. Also APP, Papierprodukte sind eigentlich überall und nirgendwo, weil wir es ganz genau

nie so richtig feststellen können. Aber wir wissen, sie sind hier. Warum kommen diese Holzprodukte

denn ausgerechnet so weit aus Indonesien zu uns? Es gibt ein Abkommen, das die Europäische Union mit

Indonesien geschlossen hat. Das ist das sogenannte Pflegtabkommen. Es ist nämlich insgesamt so auf

der Welt, dass wenn man Holzprodukte, wenn man die irgendwo exportieren oder importieren möchte,

dann muss mittlerweile immer nachgewiesen werden, dass dieses Holz legal abgeholzt worden ist. Also

das nicht einfach irgendwo illegal Regenwald abgeholzt worden ist, sondern das Holz muss immer

ein Legalitätssiegel haben und in Indonesien heißt das SVLK-Siegel. Und jetzt hat die EU mit

Indonesien dieses Pflegtabkommen geschlossen und in diesem Pflegtabkommen ist festgelegt, dass wenn

indonesische Holzprodukte dieses SVLK-Siegel haben, dann können indonesische Holzunternehmen,

Abholzungsunternehmen oder Papierproduzenten wie APP, die können sich selber als einziges Land der

Welt eine Einvorgenehmigung für die EU selber ausstellen. Das finde ich nämlich ein bisschen

irritierend. Also wir haben schon mal ein, zwei Folgen hier bei FKM über Holzhandel gemacht und

eigentlich hatte ich da gelernt, dass wenn es da keine unabhängige Behörde gibt, dass dann eigentlich

nichts in die EU gehandelt werden darf. Also das heißt für Indonesien gibt es eine Ausnahme. Genau.

Indonesien ist das einzige Land der Welt, wo sich Holzunternehmen diese Einvorgenehmigung in

die EU selber ausstellen können. Der Grund dafür ist, dass es ja dieses Siegel gibt, das SVLK-Siegel

und das wurde im Grunde genommen ja von einer unabhängigen Prüforganisation vergeben und

das ist in dem Fall, wenn wir über APP sprechen, ist das der TÜV Rheinland. Ah okay, da kommt der

TÜV ins Spiel. Da kommt der TÜV ins Spiel. Genau. Der TÜV und wir reden hier vor allem und ganz

spezifisch über den TÜV Rheinland ist eines der größten Prüfunternehmen weltweit und vor

allem der TÜV Rheinland ist, das wissen vielleicht manche nicht, sehr, sehr international ausgerichtet.

Also hat überall auf der ganzen Welt eigentlich fast auf allen Kontinenten Tochterfirmen und in

Indonesien, Jakarta in einem sehr, sehr großen Hochhaus sitzt, TÜV Rheinland, Indonesia und

ziemlich extensiv vergeben die Siegel und Zertifikate an die indonesische Holzindustrie. Und wenn wir

jetzt noch einmal zurückkommen auf AsiaPipe und Paper, einen der größten Papierproduzenten der

Welt, dann ist AsiaPipe und Paper ein ziemlich großer Kunde vom TÜV Rheinland. Der TÜV Rheinland

zertifiziert nämlich zum einen die Papierfabriken von AsiaPipe und Paper, aber auch die Plantagen.

Und wenn wir ein Siegel sehen vom TÜV, dann denken wir, das ist alles sauber abgenommen, da muss

eigentlich alles mit in Ordnung sein eben auch, was diese Kriterien angeht. Also wir konsumieren und

verlassen uns total auf diese Siegel. Jetzt bist du nach Indonesien, nach Borneo und Sumatra gereist

und hast dir die andere Seite der Siegel angesehen. Genau. So eine Recherche im Regenwald, das ist

ja jetzt keine ganz alltägliche. Wie hast du das organisiert? Ich bin ja tatsächlich in der

Organisation ziemlich schnell auch an meine Grenzen gekommen, weil ob nun Borneo oder Sumatra

reden wir so ziemlich über die abgelegensten Regionen in diesen sowieso schon sehr abgelegenen

Regionen, wo es kaum Internet, kaum Empfang, kaum befestigte Straßen gibt und wo eigentlich niemand

Englisch spricht. Das heißt, ich musste mir also ziemlich schnell in der Recherche und in der

Vorbereitung schon Hilfe suchen und das war in dem Fall eine indonesische Produktionsfirma. So ziemlich

die einzige Produktionsfirma dort, die tatsächlich unabhängig von der Regierung und auch investigativ

arbeitet und die auch bereit ist mit Ausländern so eine ja ziemlich kritische Recherche irgendwie

anzugehen und konnte dann dort mithilfe von einer ganz großartigen Producerin, konnte ich dann

eigentlich die Recherche überhaupt erst so richtig angehen und nur mit ihr war überhaupt erst

möglich tatsächlich Kontakt zu den Leuten vor Ort aufzunehmen und da Kontakt zu bekommen.

Und dann seid ihr in den Regenwald gefahren? Ja, dann sind wir in den Regenwald gefahren. Wir haben

angefangen, wir haben uns getroffen in Samarinda, das ist die Hauptstadt Ost Borneos und sind dann

von da unsere Reise in den Regenwald eigentlich in den Mittelpunkt der Insel angetreten. Wir

wollten von da aus reisen nach Longpangai. Es ist ein ganz kleines Dorf an einem Fluss. In der

Mitte Borneos ist fast schon die Grenzregion zu Malaysia und die Reise dahin, also wir reden

über eine Entfernung vielleicht von 300, 400 Kilometern, wenn wir uns hier eine Luftlinie

angucken und begonnen hat das Ganze mit einer Autofahrt nachts. Ich glaube wir sind um 8 Uhr,

9 Uhr abends sind wir in ein Auto gestiegen, dem es auch keine Anschneigurte gab und haben erst

mal eine 11-Stunden-Reise durch die Insel angetreten über nicht befestigte Straßen. Ich glaube so

5, 6, 7 Uhr morgens waren wir dann irgendwann an einer kleinen Hafenstadt und eigentlich ein

kleines Dorf mit Hafen und wir sind dann noch einen ganzen Tag weiter mit einem Speedboot,

diesen großen Fluss auf Borneo, den Mahakam runtergefahren, haben dann nochmal eine Nacht in

einem kleinen Dorf an dem Fluss Mahakam übernachtet und am dritten Tag, ich glaube nochmal 5, 6

Stunden im Boot sind wir dann endlich angekommen in Lungpangai in der Mitte Borneos. Wir reden hier

über ein kleines Dorf, was teilweise auch schmale asfaltierte Straßen hatte. Die sind da mit

Boden unterwegs, mit Rollern. Es gibt auch ein paar Autos in dem kleinen Dorf, auch wenn die Straßen

nicht wirklich breit genug sind. Strom gibt es nicht den ganzen Tag, aber wenn es mal Strom gibt,

dann läuft da auch der Fernseher. Also das ist eine indigene Community, die sich einfach extrem

dadurch definiert durch den Ort, an dem sie leben. Und die Diak Bahau leben schon immer, seit Jahrhunderten,

seit jeher genau an diesem Ort umgeben von diesem Regenwald, der sie umgibt. Wir reden über

Holz und wir sind jetzt im Regenwald und dort leben die Diak Bahau. Wo ist denn eigentlich das

Problem? Das Problem ist leider, dass den Diak Bahau sowie auch vielen anderen indigenen Völkern

oder Communities das Land, auf dem sie seit Jahrhunderten und seit jeher leben, das gehört

ihnen eigentlich nicht. Also offiziell haben sie nicht und hatten sie nie irgendeine Besitzokunde

über zum Beispiel ihr Haus oder ihr Farmland, was sie dort haben. Und das führt eben dazu,

dass das Land, der Diak und auch der Regenwald, indem sie und von dem sie leben, dass das ja

irgendwann mal niemandem gehörte und dann haben viele internationaler oder auch indonesische

Holzkonzerne haben dann Interesse bekommen und weil das Land ja offiziell niemandem gehörte,

hat die indonesische Regierung gesagt, okay, dann ist das jetzt euer Konzessionsgebiet und ihr

dürft in diesem Gebiet Wald abholzen. Und da beginnt natürlich der ganze Konflikt, weil die

Diak sagen natürlich, das ist unser Land, wir leben hier schon immer. Wenn hier Unternehmen herkommen,

werden wir gezwungen nach ihren Regeln zu leben. Dann werden wir Waldmenschen, so nennen sie uns,

gezwungen Tagelöhner zu werden. Unsere Kultur der Diak ist mit dem Wald verbunden. Wenn der

Wald nicht mehr existiert, ist auch unsere Kultur zerstört. Besonders wenn es um uns und unser

Leben geht, brauchen wir den Wald. Denn alles, was wir zum Überleben brauchen, nehmen wir aus dem Wald.

Also das heißt, die Lebensgrundlage und die Identität von den Diak, die wird da bedroht von

dieser Abholzung. Die Regierung sagt aber, das ist legal und wenn ich mich jetzt richtig zurück

erinnern, dann hast du ja gesagt, dass was hier geprüft wird vom TÜV, dass es legal ist,

also von der Regierung genehmigt. Was heißt es denn für die Diak Bahao, was sagen die denn dazu,

zu diesen Zertifikaten, dem TÜV-Zertifiziertenabbau bei denen zu Hause? Die Zertifizierer sind eine

weltweite Mafia. Und dieser Mafia geht es in aller Welt nur um eins, den Efit. Für sie spielt die

Umwelt und die Zerstörung überhaupt keine Rolle. Und auch nicht, wie sehr die Menschen unter ihnen leiden.

Genau, und im spezifischen Fall von den Diak Bahao in Longpangai, da geht es um einen Abholzungsunternehmen,

was jahrelang vom TÜV ein Legalitätszertifikat ausgestellt bekommen hat. Das ist aktuell nicht mehr so.

Aktuell hat dieses Abholzungsunternehmen dieses Legalitätszertifikat von einer anderen Prüforganisation,

jahrelang war es aber der TÜV Rheinland, der dieses Legalitätszertifikat an das Abholzungsunternehmen

im Gebiet der Diak ausgestellt hat. Und die sind natürlich um es vorsichtig auszudrücken,

überhaupt nicht begeistert darüber. Vor allem geht es den Diak darum, dass sie das Gefühl haben,

dass sie einfach gar nicht gehört werden, dass sie gar keine Stimme haben. Also mir hat zum Beispiel

ein Dorfbeamter Dominikus in Gau, der hat mir zum Beispiel gesagt, wir fühlen uns einfach nicht frei und

wir fühlen uns so, als ob wir kolonialisiert werden.

Indonesien ist ein fraß unabhängiges Land, aber es gibt keine Freiheit für uns.

Wir werden diskriminiert von den Unternehmen. In unserer Region ist keine Freiheit und kein Fortschritt.

Wir sind isoliert und fühlen uns immer noch unterdrückt.

Unabhängigkeit bedeutet für uns, unsere Rechte zurückzubekommen, wenn wir frei entscheiden können,

wie wir leben wollen.

Ist das jetzt eigentlich ein Einzelfall, wie das da ist in Borneo?

Nee, das ist natürlich kein Einzelfall, das ist auf Borneo kein Einzelfall und auch auf den anderen

indonesischen Inseln kein Einzelfall. Ich habe zum Beispiel in meiner Recherche mit Greenpeace gesprochen,

mit Gesche Jürgens von Greenpeace, die kümmert sich dort um den Wald, um den Waldschutz,

beschäftigt sich mit Abholzungen, auch vor allem in Indonesien.

Und die hat ganz klar gesagt, es gibt einfach keine nachhaltige Forstwirtschaft in Truppenwäldern.

Das ist eigentlich absurd schon an sich, das funktioniert nicht, das geht nicht,

weil in dem Moment, wo man anfängt, Straßen in den Regenwald zu schlagen, was ja immer notwendig ist,

um irgendwie in einem industriellen Maßstab der Holz rauszuholen,

sobald man anfängt, den Regenwald zu öffnen und da Holz rauszuholen,

ist dieses Ökosystem einfach angegriffen.

Wir müssen leider ernüchtert feststellen, dass Zertifizierungssysteme nicht die Hebel sind,

die tatsächlich den Unterschied für die Wälder gemacht haben und für die Menschen, die auf sie angewiesen sind,

dass eben dadurch wirklich Walzerstörung massiv reduziert wurde,

sondern teilweise ist leider sogar das Gegenteil passiert,

dass eben mit Zertifizierung Wälder erst freigegeben wurden zur Ausbreitung.

Also, wenn die Tür einmal offen ist, dann geht sie nicht mehr zu.

Wenn die Straße einmal da ist, dann gibt es keinen Weg zurück.

Genau, absolut.

Und auch Greenpeace zum Beispiel hatte früher sehr, sehr viel Hoffnung in die Siegel- und Zertifikate gesetzt

und mittlerweile sehen sie das auch sehr, sehr kritisch, dieses komplette Siegel- und Zertifikatesystem.

Und man denkt dadurch, dass durch die Siegel wurde er durchaus eine gewisse Art von Transparenz geschaffen

und von der hat man sich dann eben auch teilweise einfach das Ganze so ein bisschen schönreden lassen.

Das kann man sich dann so vorstellen, man hat einen unberührten Regenwald

und dann fressen sich so langsam wie so Adern quasi in den Wald rein

und der Wald wird dann einfach lichter und da fehlen dann natürlich ganz viele Bäume.

Die Holzindustrie nennt das nachhaltig, aber das ist es natürlich nicht.

Der eigentliche Grund dahinter ist, dass es mittlerweile gar nicht mehr so viel Regenwald auf Borneo gibt,

dass man das irgendwie noch anders abholzen könnte.

Gibt es Zahlen, wie viel Regenwald auf Borneo ist noch da?

Also es gibt natürlich nur Schätzungen, weil niemand kann natürlich den Regenwald irgendwie vermessen,

aber nach Auswertung von Satellitenbildern gehen Wissenschaftler davon aus,

dass ungefähr die Hälfte des Regenwaldes auf Borneo mittlerweile verschwunden ist, abgeholzt wurde.

Und das merkt man sehr, oder das habe ich auch bei der Reise in den Regenwald,

die ja nun drei Tage gedauert hat, das auch gespürt.

Also Borneo ist mittlerweile einfach ein einziger Rohstofflieferant.

Man denkt, man fährt in den Regenwald und man kennt diese schönen Bilder von Borneo,

toller Regenwald, man sieht Orang-Utans, tolle Blumen, Affen an den Bäumen

und denkt sich, wahnsinnig tolle Natur.

Und das, was ich dort gesehen habe, das sind Karawaren von Kohleschiffen.

Erdöl wird dort abgebaut, es gibt dort Goldminen.

Dann gibt es riesige Palmölplantagen.

Wenn man eigentlich denkt, dass man gerade kurz vom Regenwald ist,

sieht man dann auf einmal nur Palmölplantagen.

Du warst nicht nur auf Borneo, sondern du warst noch auf einer zweiten Insel, auf Sumatra.

Wir befinden uns im Landeanflug auf Sumatra und auch das habe ich mir naiverweise

als schöne indonesische grüne Insel vorgestellt und schon aus dem Flugzeug

sieht man ganz quadratische, ja, eigentlich Plantagen und Straßen

und nichts Natürliches mehr, sondern man sieht ja so ein bisschen geplante

Plantagenwirtschaft, quadratische Straßen, die sich da am Boden befinden.

Man könnte vermuten oder es vermuten auch einige, dass Sumatra so ein bisschen das ist,

wo sich Borneo bald hinentwickeln könnte.

Denn auch auf Sumatra war vor Jahren noch unberührter primärer Regenwald

und jetzt mittlerweile, und das fand ich auf der Reise wirklich mit am schockierendsten

und eindrücklichsten ist Sumatra wirklich eine Insel aus Plantagen.

Teilweise sind wir sechs Stunden lang mit dem Auto von einem Ort zum anderen gefahren

und alles, was ich unterwegs gesehen habe, waren wirklich Plantagen.

Also entweder Palmölplantagen, Kautschukplantagen oder Plantagen für die Papierindustrie.

Bei Asia, Palm und Paper, APP reden wir wirklich über ein Unternehmen,

die diese Region Sumatra, in der ich unterwegs war, ist die Provinz Jumbi,

die dort einen extremen Einfluss und Macht hat.

Also erstmal rein optisch ist das APP Land, weil alles um einen Rum eigentlich APP gehört,

den Plantagen gehört und alles natürlich fast alles nur aus Plantagen besteht.

Und dann reden wir aber auch darüber, dass dadurch, dass APP so groß ist

und so mächtig ist und so wichtig für die Wirtschaft ist, wird das natürlich auch extrem

durch sich selber beschützt quasi.

Also man muss notgedrungen früher oder später mal durch so eine Plantage fahren

und dort gibt es dann überall Checkpoints, wo man im besten Fall einfach nur freundlich nicken muss

und man fährt einfach weiter, wo aber auch im schlechtesten Fall, wenn man so aussieht,

als ob man dort nicht hingehört, kontrolliert werden kann.

Und was mir auch immer wieder erzählt worden ist, auf der Reise von unseren lokalen Kontakten,

die sich dort natürlich auskennen, die die Regionen kennen und die die Plantagen kennen,

ist das im Zweifelsfall natürlich wahnsinnig viele Menschen arbeiten dort für die Plantagen,

für die Papierfabriken und das im Zweifelsfall jeder dort eigentlich ein Spitzel für APP ist

und immer wachsam ist und alles liegt dort eigentlich unter so einem kleinen Schleier,

weil man das Gefühl hat, man spürt es einfach sehr, nicht eigentlich in einem,

ich sag jetzt mal in einer freien Region zu sein, wo ich das so ein bisschen machen kann, was er will,

sondern man spürt einfach, dass man auf APP Plantagenland unterwegs ist

und dass man sich dort einfach nicht so frei bewegen kann, wie man sich das vielleicht vorstellt.

Okay, also so ein bisschen Big Brother is watching you.

Genau, für mich war die Situation so, dass mir schon im Vorfeld gesagt wurde,

dass es eine Region, da sind keine Ausländer, weil es natürlich touristisch überhaupt gar nicht ansprechend ist.

Da kommen keine Touristen hin, das ist reines eigentlich Industriegebiet aus Plantagen

und jeder Ausländer, der dort ist, erregt wahnsinnig viel Aufmerksamkeit.

Das war auch ursprünglich einer der Gründe, wieso für mich so klar war,

dass ich mit einem indonesischen Team drehen muss, weil je weniger Ausländer, umso besser.

Ja, also diese Holzfirma APP, die kann da quasi schalten und walten, wie die wollen.

Die haben irre viel Macht. Was machen die mit dieser Macht?

Also wir haben in dieser Region in Jumbie, haben wir bei den Menschen auch eine Situation,

die relativ ähnlich ist eigentlich zu den Menschen auf Borneo.

Also die Menschen dort leben als Kleinbauern, die haben auch ihr kleines Holzhaus

und ein bisschen Farmland drum herum.

Und auf Sumatra insgesamt die Ernährungssituation ist so,

dass dieses Farmland wirklich essentiell ist für die Menschen, um sich zu ernähren.

Weil sie arm sind, weil sie sich von ihrem eigenen Land ernähren müssen.

Und weil die Situation auch auf Sumatra so ist, dass die Menschen keine Besitzokunden

über ihr Land haben, sondern auch dort einfach von Generation zu Generation

dieses Land vererbt bekommen haben, wurden die Menschen dort, ja, man kann eigentlich

schon fast nicht von Enteignung natürlich sprechen, weil es ihnen offiziell nie gehört hat.

Aber APP hat dort quasi Landnahme betrieben und den Menschen dort ihr Farmland weggenommen.

Und kam auch teilweise ziemlich rabiat, einfach mit Baggern angerückt

und hat dann dort das Farmland der Menschen gerotet.

In dem Dorf in Jumbie, in dem ich war, also dieses kleine Dorf, das nennt sich Lubuk Mandasha,

war vielleicht auch mal ganz schön, dass jetzt mittlerweile auch komplett umgeben

von Palmöl und Papierplantagen, also von den Holzplantagen.

Und dort hat in einem sehr, sehr großen Stil Landnahme von den APP-Plantagen stattgefunden.

Das Ganze ist dann so ein bisschen eskaliert, muss man sagen, im Jahr 2015.

Und damals ist natürlich schon unter den Dorfbewohnern ein gewisser Aktivismus gestartet.

Und sie haben versucht, sich dagegen zu wehren, auch wenn die Möglichkeiten natürlich begrenzt sind.

Aber sie haben es immer versucht.

Und 2015 ist es dann tatsächlich in Lubuk Mandasha auf einer APP-Papierplantage zu einem Mord gekommen.

Nämlich ist dort ein 21-jähriger Dorfbewohner, Indra Pelani hieß der.

Der wollte abends mit seinem Roller zu einem Erntedankfest fahren.

Er war mit einem Freund unterwegs.

Sie mussten dann notgedrungen durch eine der Holzplantagen von APP fahren

und sind dann dort an einem Sicherheitscheckpoint vorbei.

Sie wurden dort angehalten und dort kam es dann zu einem Streit zwischen den Sicherheitsmitarbeitern und Indra Pelani.

Und was dann genau passiert ist, das konnte niemand mehr nachvollziehen, was dann genau abgelaufen ist.

Und Indra Pelani wurde von APP-Sicherheitskräften mutmaßlich ermordet.

Sie wurden auch verurteilt, aber es bleiben immer noch so ein paar Fragen.

Durch Interest tot wurde so ein bisschen noch mehr Aktivismus eigentlich losgelöst.

Also die Menschen hatten noch mehr das Bedürfnis eigentlich laut zu sein und sich zu wehren.

Gleichzeitig gibt es seitdem in der Region auch eine unglaubliche Angst, dass sowas wieder passieren könnte.

Also die Menschen stehen auf und versuchen sich zu wehren.

Und gleichzeitig sagen sie sich immer wieder, was ist, wenn mit uns das Gleiche wie mit Indra passiert.

Und um sich zu wehren gegen APP und gegen die Landnahme und diese komplette Klima, auch der Einschüchterung,

es gab auch immer wieder Inhaftierung von Aktivisten dort, wurde eine Bauernvereinigung gegründet.

Und die hat Frandoli Negara gegründet und er war tatsächlich auch der beste Freund von Indra Pelani.

Ich kann die Erinnerung nicht ertragen. Es fällt mir so schwer.

Indras Körper war voller Stichwunden und seine Leiche wurde in einen See geworfen.

Deswegen kämpfen wir nun weiter. Ich bin sehr stolz auf ihn, ihn meinen Bruder nennen zu können.

Er ist nur 21 geworden. Er war noch ein Kind.

Und das war tatsächlich mit eines der eindrücklichsten Gespräche auf meiner Reise, vor allem aber auf Sumatra,

weil er zum einen immer noch tief getroffen war von dem Tod seines Freundes

und auch wirklich extrem anfangen musste zu weinen in dem Gespräch.

Und gleichzeitig hat er einfach von einer wahnsinnigen Motivation und auch Wut gesprochen,

nach Indras Tod einfach niemals aufzuhören eigentlich mit dem Widerstand gegen APP.

Und aus dem Gespräch mit ihm ist einfach eine wahnsinnige Resilienz deutlich geworden der Menschen dort,

aber auch gleichzeitig eine wahnsinnige Hilflosigkeit.

Ich habe bei dem Gespräch mit Frandoli gemerkt, dass dann wahnsinniger Kampfgeist vorhanden ist

und irgendwie ein ganz großer Sinn von Gemeinschaft und zusammen können wir uns wehren, zusammen können wir was erreichen

und gleichzeitig aber eine komplette Hilflosigkeit, weil es ja ein, ehrlich gesagt, ein Kampf ist,

der so David gegen Goliath mäßig eigentlich abläuft.

Also dieser Konzern ist einfach übermächtig und wir reden hier über Kleinbauern,

die die meiste Zeit nicht mal Internet haben, die sich keine Anwälte nehmen können,

die eigentlich niemanden haben, der sie vertritt, der für sie spricht.

Ja, David gegen Goliath, das ist so ein, glaube ich, ganz passendes Bild dafür.

Aber ihr habt natürlich auch Goliath in dem Fall konfrontiert.

Was sagt denn diese Holzfirma-APP dazu?

Ja, das war ganz kurios eigentlich, weil ich habe es ja schon gesagt,

dass wir reden hier wirklich über einen der größten Papierproduzenten der Welt,

einen internationalen Konzern oder einen international tätigen Konzern.

Und ich habe dann dort angefragt, habe meine Presseanfrage gestellt,

da gibt es auch einen internationalen Pressekontakt und habe dann sehr lange keine Antwort bekommen.

Und ich glaube, nach einer Woche oder zehn Tagen kam dann eine Antwort zurück

und da hieß es dann, warum ich denn überhaupt diese ganzen Fragen habe,

warum ich das überhaupt wissen will, man hätte doch gar kein Büro in Deutschland,

das wäre doch gar nicht relevant für Deutschland

und ob ich denn überhaupt mit Landrechten in Indonesien vertraut wäre.

Und daraufhin haben wir dann noch mal eine Nachfrage gestellt

und haben gesagt, ja, wir sind mit den Landrechten vertraut,

wir hätten dann doch gerne, dass unsere Fragen beantwortet werden.

Und daraufhin kommen dann gar nichts mehr von APP.

Also hat APP nie auf unsere Fragen geantwortet.

Hm, diese Firma APP, die vertreibt da auch die Landbevölkerung aus ihren Davon

und das alles mit TÜV-Siegel.

Wobei ich jetzt gerade überlege, darf ich überhaupt TÜV-Siegel sagen,

das stimmt nicht mehr richtig, ne?

Doch, bei APP ist es noch so, die sind ganz aktuell,

sind Plantagen und Papierfabriken immer noch vom TÜV Rheinland zertifiziert.

Und der TÜV, was sagt der?

Der TÜV sagt natürlich, dass man seine Prüfaufträge ganz gewissenhaft

und nach geltendem Recht erfüllt.

Der TÜV wusste von dem Mord an Indrapelani.

Das ist auch aus unserer Anfrage an den TÜV deutlich geworden.

Der TÜV nennt den Tod von Indrapelani ein bedauerlichen Vorfall.

Und der TÜV Rheinland hat nach dem Mord an Indrapelani

ein unabhängiges Komitee eingerichtet.

Und dieses unabhängige Komitee sollte prüfen, ob das Siegel,

dass der TÜV Rheinland zu diesem Zeitpunkt an die APP Plantage vergeben hatte,

ob dieses Siegel dann als Konsequenz zurückgezogen werden sollte

oder annuliert werden sollte.

Und dieses unabhängige Komitee, das der TÜV Rheinland eingesetzt hat,

ist dann aber zu dem Schluss gekommen, das Siegel beizubehalten.

Dieses Siegel ist jetzt mittlerweile ausgelaufen.

Das gibt es jetzt so nicht mehr.

Aber der TÜV Rheinland hat nach wie vor APP Plantagen

und Papierfabriken zertifiziert mit mehreren Zertifikaten.

Für mich sind diese Zertifikate nur ein Werkzeug,

um die Verbrechen der Unternehmen zu legitimieren,

damit sie auf dem internationalen Markt Geschäfte machen können.

Aber für uns Bauern haben sie fürchterliche Folgen.

Sie sind ein Werkzeug, uns zu unterdrücken, unser Land zu rauchen.

Diese Zertifikate zerstören die Natur in Indonesien.

Deshalb fordere ich, dass diese Zertifizierungen gestoppt werden.

Also ich finde, dass er sagt, die Siegel, die machen das erst möglich.

Das finde ich schon hart.

Das ist ja das Gegenteil von dem, was wir erwarten,

wenn wir auf dieses Siegel draufschauen.

Und das habe ich auch wirklich immer wieder gehört während meiner Reise.

Also das habe ich auf Borneo gehört, von denen der Jagd Bahau

und das habe ich auf Sumatra gehört, dort von den Aktivisten.

Dass die Zertifizierer Verbrecher sind.

Und natürlich müssen wir sagen, die Zertifizierer holzen jetzt nicht selber den Regenwald ab.

Die sind natürlich nicht selber für das verantwortlich, was dort passiert.

Aber natürlich setzen sie am Ende ihre Unterschrift

und buchstäblich ihr Siegel unter einem System,

was de facto für sehr viel Naturzerstörung

und auch für menschliches Leid verantwortlich ist.

Und natürlich müssten die Lösungen am Ende politisch geschaffen werden.

Die müssten vor allem natürlich in Indonesien geschaffen werden.

Die könnten aber natürlich auch schon in der EU geschaffen werden.

Indem man zum Beispiel dieses Abkommen mit Indonesien,

indem man das aufkündigt oder zumindest hinterfragt.

Also ganz ehrlich muss man sich natürlich fragen,

nachdem wirklich nicht das erste Mal jetzt deutlich geworden ist,

dass in Indonesien Menschen enteignet werden für Regenwaldabholzungen,

für Holzprodukte, muss man sich wirklich fragen,

wieso das sein kann, dass Indonesien als einziges Land der Welt

dieser Ausnahmegenehmigung hat, sich selber Einvorgenehmigung auszustellen.

Ja, und eigentlich wäre doch genau dafür so ein Siegel da, oder?

Und genau das sagt es ja auch eigentlich.

Dass es dafür da ist zu schauen, dass da alles in Ordnung ist.

Also muss man sagen, irgendwie ist das auch enttäuschend, finde ich,

weil wir als Konsument, wir verlassen uns ja irgendwie da drauf.

Und wenn das ein Siegel nicht leistet, wenn jetzt nochmal geschaut wird

und sich dann trotzdem dazu entschlossen wird, das zu behalten,

da frage ich mich so ein bisschen, als Konsumentin, wozu ist es dann da?

Also was sagt es mir dann?

Ja, es schreit halt alles so ein bisschen Greenwashing,

und am Ende ist Holz ja ein Produkt,

das es eigentlich gar nicht mehr ohne Siegel und Zertifikate gibt

und wenn natürlich am Ende alles zertifiziert ist,

muss man sich fragen, was ist dann überhaupt das Siegel noch wert?

Wenn es kein Produkt mehr ohne Siegel und Zertifikat gibt,

was ist dann der Wert des einzelnen Siegels?

Das war unsere Folge hier bei 11km der Tagesschau-Podcast

mit der NDR-Reporterin Lea Strugmayer,

die uns die Welt hinter dem TÜV-Siegel in Indonesien gezeigt hat.

Den Film zur Recherche könnt ihr auch bei Steuerung F sehen

und bei Reschke Fernsehen.

Die Links dazu packen wir euch in die Show notes.

Autor dieser Folge ist Sandro Schröder.

Mitgearbeitet haben Hannes Kunz und Hans-Christoph Böhringer.

Produktion Christiane Geheuser-Kamp und Viktor Wehresch.

Redaktionsleitung Fumiko Lipp und Lena Gürtler.

11km ist eine Produktion von BR24 und NDR Info.

Mein Name ist Victoria Michalsack.

Wir hören uns morgen wieder.

Tschüss.

Und übrigens hier noch ein Podcast-Tipp von mir.

In der Reihe gestohlener Wald vom NDR-Podcast

Organisiertes Verbrechen geht's um den illegalen Handel mit TIG

und die Machenschaften der Holz-Mafia.

Findet ihr natürlich auch in der AID-Audiothek.

Der Link ist auch in den Show notes.

Das ist der am schnellsten wachsende Kriminalitätsbereich,

der in den letzten Jahren so schnell gewachsen ist,

dass er nahezu auf gleicher Höhe mit dem Drogenhandel sich befindet?

Organisiertes Verbrechen.

Gestohlener Wald.

Das hier ist ein Kahlschrank.

Schaut euch den Umfang der Baumstümpfe an,

wie groß und alt die Bohne waren.

Europas letzte Urwälder verschwinden,

geraubt von der Holz-Mafia.

Ein Millionengeschäft, dem nicht nur das Klima zum Opfer fällt.

Wir haben den Schaf-Axt an den Hals gedrückt

und gesagt, wir ziehen das drei.

Wenn du dich bis dann nicht nackt ausziehst, dann ...

Organisiertes Verbrechen.

Gestohlener Wald.

Alle Folgen in der ARD-Audiothek.

Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.

Ein Couchtisch, eine Taschentuchbox, Druckerpapier: Für solche Produkte holzen Papier- und Holzproduzenten in Indonesien den Regenwald ab. Naturräume werden zerstört, Menschen vertrieben. Und das alles ganz legal, TÜV-geprüft und angeblich “nachhaltig”. Wie kann das sein? In dieser Folge 11KM blicken wir auf die andere Seite der Prüfsiegel: NDR-Reporterin Lea Struckmeier erzählt von ihrer Reise in den zerstörten indonesischen Regenwald.



Leas Indonesien-Reportage für STRG_F:

https://www.funk.net/channel/strgf-11384/mord-raub-vertreibung-was-steckt-hinter-legalem-holz-strgf-1907813



Reschke Fernsehen zum Thema:

https://www.ardmediathek.de/video/reschke-fernsehen/schmutzige-tuev-deals-schattenseiten-deutscher-gruendlichkeit/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLm5kci5kZS80ODY3XzIwMjMtMDMtMDItMjMtMzU



11KM über die Holzmafia in Rumänien:

https://1.ard.de/11KM_Podcast_Holzmafia



An dieser Folge waren beteiligt:

Folgenautor: Sandro Schroeder

Mitarbeit: Hannes Kunz und Hans Christoph Böhringer

Produktion: Christiane Gerheuser-Kamp und Viktor Veress , Christine Dreyer

Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler

11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info. Die redaktionelle Verantwortung für diese Episode trägt der BR.



Und hier unser Podcasttipp: Organisiertes Verbrechen: Gestohlener Wald

https://www.ardaudiothek.de/sendung/organisiertes-verbrechen-recherchen-im-verborgenen/85849836/