11KM: der tagesschau-Podcast: Vorteilsnahme beim Wohlfahrtsverband: Die AWO-Affäre

tagesschau tagesschau 3/24/23 - Episode Page - 29m - PDF Transcript

Am Sonntag wählt Frankfurt einen neuen Oberbürgermeister außer der Reihe.

Dabei wollte der vorherige Amtsinhaber gar nicht gehen.

Herr Feldmann, auch wenn ich sie als Mensch schätze,

können Sie bitte zurücktreten.

Das glaube ich, den Gefallen werde ich Ihnen nicht tun.

Gehen musste er dann trotzdem, vor einem halben Jahr.

Vor dieser besonderen Frankfurter Bürgermeisterwahl wollen wir uns anschauen,

was da eigentlich passiert ist.

Es geht nämlich um den Verdacht der Korruption.

Es geht um überhöhte Gehälter bei der AWO,

der Arbeiterwohlfahrt, unter anderem in Frankfurt.

Es geht um unangemessene Dienstwagen,

um einen mutmaßlichen Millionenbetrug, um die AWO-Affäre.

In dieser Folge klären wir,

wie diese Millionen-Summen bei der AWO abhandengekommen sein sollen.

Wie, wie, wie, wie, wie, wie?

Wie haben wir diese Millionen-Summen bei der AWO abhandengekommen?

Wie alles begann, mit einem Abendessen im Jahr 2014?

Und inwiefern wir über Frankfurt hinaus ein Problem haben

mit der Kontrolle von Wohlfahrtsverbänden?

Ihr hört 11 km der Tagesschau-Podcast, ein Thema in aller Tiefe.

Dass ihr nie verpasst, wenn ihr uns abonniert in der ARD-Audiothek

oder der Podcast-Plattform Eurer Wahl.

Mein Name ist Victoria Michalsack und heute ist Freitag, der 24. März.

Der Freitag vor der Frankfurt-Wahl.

Zu Gast ist der investigative HR-Journalist Volker Siefert,

der Mann für die AWO-Affäre.

Volker Siefert hat die AWO-Affäre mit aufgedeckt,

mittlerweile zwei Dutzend Exklusivgeschichten darüber veröffentlicht,

und seine langjährigen Recherchen für einen neuen HR-Podcast zur Verfügung gestellt.

Volker, herzlich willkommen.

Hallo.

Um diesen AWO-Skandal zu verstehen, müssen wir einmal klären.

Der Frankfurter Ex-Oberbürgermeister Peter Feldmann, wer ist das?

Er selbst hat sich mal als der Klassensprecher Frankfurts bezeichnet,

der Anwalt der kleinen Leute, also durchaus ein linker SPD-Ler,

ein Politiker, der sich eben auch Namen gemacht hat

und immerhin zweimal OB geworden ist, einmal sogar, die letzte Wahl, war 2018 mit 70%.

Das ist also schon ein deutlich gutes Ergebnis, von dem manche Politiker träumen können.

Die letzten Jahre vor seiner ersten Wahl als OB, 2012 war das,

dass er dann bei der Arbeiterwohlfahrt im Kreisverband in Frankfurt einen großen Sozialträger arbeitete.

Dort hatte er eine Stabstelle bei einer Stiftung dieser AWO, die man so beschreiben konnte,

die gab es vor ihm nicht und die gab es nach ihm nicht.

Er sollte sowas wie Sozialpflegemanagement machen.

Aber wir haben etliche Mitarbeiterinnen gesagt,

er hat sich vor allem um sein politisches Vorankommen

und dann zum Schluss um seine Wahl als Oberbürgermeister gekümmert auf dieser AWO-Stelle.

Das ist also ein erster Hinweis für diese Verbindung zwischen dem ex-OB Feldmann und der AWO Frankfurt.

Was da genau die Vorwürfe in der AWO-Affäre sind,

das erfahren wir jetzt Stück für Stück.

Wir gehen jetzt erstmal zurück ins Jahr 2019.

Da steht nicht Peter Feldmann in den Schlagzeilen, sondern seine Frau.

Und zwar unter anderem wegen deiner Recherchen, richtig?

Genau, das sind Recherchen, die damit zu tun haben,

dass ich über das Netzwerk Recherche einen Journalisten verbund den Daniel Kreber kenne.

Daniel Kreber hat damals für die Frankfurter Neue Presse lokalzeitungsmäßig 2-3 Geschichten gemacht

über die Arbeiterwohlfahrt und irgendwelche dubiosen Geschäfte.

Da fing sozusagen die AWO-Affäre an, aber es hatte noch nicht die große Resonanz.

Die bekam es dann als wir und das haben wir einem Whistleblower zu verdanken, einem Insider,

der nämlich die Gehaltsabrechnung von Südbeide Feldmann,

der späteren Ehefrau von dem Oberbürgermeister Peter Feldmann, abgelichtet hatte.

Ein Foto gemacht hatte, auf der ganz klar zu erkennen war,

sie hatte die Gehaltsstufe, die nicht zu toppen war, obwohl sie Berufsanfängerin war,

als Kita-Leiterin einer AWO-Kita.

Kita hieß Dostluk, das ist ein türkisches Wort für Freundschaft.

Und das sollte eben die erste deutsch- türkische Kita sein.

Und sie bekam obendrauf einen Dienstwagen.

Und das haben wir veröffentlicht und damit eigentlich die AWO-Affäre dann erst so richtig in Schwung gebracht.

Enttäuscht war man vor allem vom sozialdemokratischen Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann und seiner Frau.

Der Skandal wurde republikweit bekannt.

Die AWO spricht von besonders hohen Ansprüchen für die Leitung dieser bilingualen Kita.

Ja, jetzt ist natürlich erstmal die Frage.

Ist das üblich, wie viel mehr hat die da verdient, diese Beide Feldmann und auch dieser Dienstwagen?

Was war das für eine, dass wir das so einordnen können?

Also das war jetzt keine fette Daimler oder BMW-Karosse.

Das war ein Fort, wenn ich mich recht entsinne.

Also eher was kleineres.

Aber es war eben ungewöhnlich, weil Kita-Leiterin sonst nicht mit dem Dienstwagen vorfahren.

Bei der Eingruppierung war es so, sie war quasi in der höchsten Gruppe einkruppiert worden und in der Endstufe.

Da war sie in der Stufe, wie sie eigentlich nach 17 Dienst- oder Berufsjahren üblich ist.

Und das für eine New-Kammerin, die komplett aus dem Studium direkt in die Leitungsfunktion gekommen ist.

Und was ist da üblich in der höchsten Gehaltsklasse?

Das waren ungefähr dann Proto, ich meine so um die 4500.

Also das Frappierende war, sie hatte ja keine Berufserfahrung in der Personalführung.

Sie war ja nie Leiterin von irgendwas.

Sie hatte eben noch studiert, hat ein paar Praktika gemacht, ein bisschen Berufserfahrung.

Aber da gleich ganz nach oben gechesst zu werden und dann eben auch die Endstufe zu bekommen.

Untendienstwagen on top, das war schon auffällig.

Das ist ja jetzt so die Frage.

Wie soll Zübele de Feldmann denn an diesen Job gekommen sein?

Ja, da gibt es sozusagen ein Abendessen, was ganz am Anfang stand.

Das waren nämlich 2014 als Peter Feldmann mit Zübele Feldmann, die damals noch anders hieß.

Also ihren Geburtsnamen hatte, die damals eben noch nicht Frau Feldmann war.

Also die waren zusammen aber noch nicht verheiratet?

Genau, sie waren zusammen, sie war noch Studentin, ungefähr 30 Jahre jünger als er.

Und sie lernten dann bei einem Abendessen in Wiesbaden 2014, war das, dass Ehepaar Richter kennen.

Man traf sich im Restaurant in Wiesbaden und da entstand die Idee,

als Zübele Feldmann sich vorstellte, dass sie Erziehungswissenschaften studiert,

bei Hannulor Richter, ja klar, die stellen wir ein.

Wir suchen doch jemand mit einem türkischen Hintergrund für die Dostluk Gita.

So weit, so normal vielleicht erstmal, so lange das da nicht der Durchmarsch in die allerhöchste Gehaltstufe wäre,

ne?

Genau, und solange es nicht zum Beispiel einen Mini-Job gegeben hätte,

den Zübele Feldmann dann recht zügig bekommen hatte, noch im Studium,

bei einem Förderverein eines AWO Pflegeheims in Wiesbaden,

wofür sie das ist jedenfalls die Aktenlage und auch die Sicht der Staatsanwaltschaft nie gearbeitet hat.

Also es sind einige Dinge passiert in der Zeit, bevor sie die Gita-Leitung übernommen hat,

wo man seitens der Ermittler den Eindruck gewonnen hat.

Und das waren aber auch unsere Recherchen, die das vorher schon deutlich gemacht haben,

dass da möglicherweise es eine Rolle spielt, dass es eben die Nähe gibt zum Oberbürgermeister.

Die Richters, wer ist das und woher kennen die sich, die und der Oberbürgermeister?

Hannulor und Jürgen Richter und Peter Feldmann haben sich in jungen Jahren kennengelernt,

jetzt sind sie ja so eher so ein Rentneralter,

bei den Falken einer Organisation, einer Jugendorganisation, die der SPD nahesteht,

wenn man so will, politisch am linken Spektrumsrand ist.

Und da waren sie als auf Zeltklagern gemeinsam und haben halt so gemeinsam linke SPD-Politik gemacht,

sind sich immer mal wieder begegnet in ihrem politischen Leben.

Das Ehepaar Richter, die waren hier in Frankfurt und Wiesbaden jeweils die Geschäftsführerin ihrer jeweiligen,

ihrer sage ich jetzt schon, der Arbeiterwohlfahrtskreisverbände.

Und zum Schluss, bevor er Oberbürgermeister wurde, hatte Peter Feldmann dann eben auch bei der Arbeiterwohlfahrt gearbeitet.

Also man hatte so das, was man so eine biografische Nähe nennt, die durchs Leben sich zieht.

Also zu dem Zeitpunkt von diesem Abendessen, 2014, da kennen sich Peter Feldmann

und die Richters schon sehr lange, also seit Jugendtagen,

und er stellt ihn seine Partnerin Sybele vor und die hat wenig später erst ein Minijob,

dann eine Leitungsfunktion bei der AWO bekommen, wo Hannelore und Jürgen Richter in Frankfurt

und in Wiesbaden in der Geschäftsführung sitzen.

Gab es denn wohl irgendeine Gegenerwartung an den damaligen Oberbürgermeister Feldmann?

Davon geht zumindest die Staatsanwaltschaft aus.

Bei Politikern oder Amtsträgern muss man ja eigentlich sagen,

ein Oberbürgermeister ist ja quasi wie ein Beamter, der zwar gewählt ist,

aber die Interessen der Stadt und der Allgemeinheit zu vertreten hat.

Und wenn es dann halt solche Vorteile gibt für auch Ehepartner, nahestehende Personen,

dann kann man den Verdacht haben, dass damit Wohlverhalten eben erkauft werden soll.

Und dann, zwei Jahre später ungefähr, kam ja sehr viele Flüchtlinge aus Syrien und Irak nach Deutschland

und es war hohe Not, die unterzukriegen.

Und da hat die AWO gesagt, da können wir helfen.

Wir werden zwei Flüchtlingsheime einrichten, haben sie dann auch gemacht.

Und da in diesem Moment, wo dann über längere Zeit Geld geflossen ist,

da kamen in der Stadt Frankfurt Zweifel auf, ob die Rechnungen, die die Arbeiterwohlfahrt,

die AWO Frankfurt da einreicht, immer ganz sauber sind.

Zum Beispiel gab es Sportkurse, Angebote, Physiotherapie für Geflüchtete,

wo man eben seitens der Stadt Fragezeichen gemacht hat,

ob diese Listen mit Mitarbeitern, die angeblich diese Kurse machen, überhaupt real sind

oder ob die nicht gefaked sind.

Deswegen hat die Stadt sich dann rausziehen wollen, aus den Verträgen,

also aufgrund dieser Erkenntnisse, dass das nicht alles möglicherweise ganz sauber abgerechnet ist.

Und in dem Moment hat Frau Richter dann eben gesagt, lieber Peter,

wir brauchen deine Unterstützung.

Quid pro Quo stand dann in einer elektronischen Nachricht irgendwann mal, also das heißt so viel,

wie das eine für das andere, die eine Hand wäscht die andere.

Wir haben dir was gegeben, jetzt setzt du dich mal bitte in Bewegung

und tu was für uns, damit wir diese Flüchtlingsheimverträge behalten können.

Die Richters sind bei der Arbeiterwohlfahrt auch für die Flüchtlingsunterkünfte zuständig

und für die Rechnungen, die dann an die Stadt gestellt werden.

Denn die bezahlen ja vieles, was da eben passiert, zum Beispiel solche Angebote wie Sportkurse.

Und der Verdacht ist eben, dass die Richters zu hohe Rechnungen an die Stadt stellen

und den Rest behalten, oder wie sieht das aus?

Das ist der Verdacht, wenn man das mal auf die juristische Ebene hochzieht.

Es sind natürlich nicht nur die beiden, aber es gibt von der Stadtverwaltschaft Frankfurt

eine Anklage gegen die beiden, das Ehepaarrichter und zwei weitere Personen.

Da geht es um einen Betrugsschaden, den die Staatsanwaltschaft durch die beiden Flüchtlingsheime

errechnet haben will von 2,6 Millionen Euro, also kein Pappenstil.

Das Ganze wird natürlich von den Beteiligten der Arbeiterwohlfahrt dem Ehepaarrichter bestritten

und das ist eben auch noch nicht beim Landgericht der Prozess zugelassen, also noch in der Prüfung.

Das erzähle ich deswegen, weil wir bewegen uns immer auch bei diesen Verdachtsrecher,

wie wir sie gemacht haben, immer auch auf der Frage und was wird da juristisch strafrechtlich draus.

Viele Dinge sind da noch nicht entschieden, aber was man sagen kann,

das Ehepaarrichter war schon sehr mächtig innerhalb der Arbeiterwohlfahrt

und konnte da vieles auf den Weg bringen, was dann im Nachhinein zumindest fragwürdig klingt

oder vielleicht auch mehr als das ist.

Und das heißt, die sind dann auf ihn zugegangen in Form einer SMS?

Ja, da gibt es eine SMS, die im April 2019 von Hannelore Richter an Peter Feldmann geschickt wurde,

in der sie geschrieben hat, stets konntest du dich auf unsere Unterstützung und Loyalität verlassen,

jetzt bauen wir auf dich. Also da steckt natürlich schon so was drin,

wie jetzt wollen wir auch mal, dass du was für uns tust, wir haben so viel für dich getan.

Hat der damalige OB, der Peter Feldmann, denn dann auch was getan für Hannelore und Jürgen Richter,

dass in dieser SMS erwartet wurde, so wie es sich anhört?

Nein und ja, also erst mal ist er nicht losgespurt und hat gesagt, ja wohl,

ich werde jetzt die Flüchtlingsheimverträge retten.

Das ist definitiv nicht der Fall gewesen.

Er hat lange gezögert und gezaudert, aber man war sich irgendwie doch verbunden

und diese Loyalität hat er dann zumindest wirken lassen,

indem er versucht hat mit der Sozialdezernentin Birkenfeld von der CDU,

die also für die Flüchtlingshalme zuständig war,

am Rande einer Theatervorstellung ein Gespräch zu suchen, wo er gesagt hat,

ich muss mit dir reden und sinngemäß hat er dann gesagt, einigst euch.

Das kann man schon als Einflussnahme im Sinne der AWU sehen,

aber das war zu einem Zeitpunkt, als die Verträge eigentlich schon klar war,

dass sie aufgelöst werden und man da nicht mehr zurückkommt.

Tatsächlich, das müssen wir aber nochmal festhalten.

Bei Korruptionen von Politikern oder Vorteilsannahme, wie das dann heißt,

da geht es nicht erst darum, dass man dann die andere Hand auch noch wäscht.

Es fängt eben schon mal im ersten Schritt an,

dass man sich in die Position bringt, dass das vielleicht von einem erwartet wird,

indem man Vorteile vorher eben annimmt, die einem hingelegt werden.

Das kann man genauso erklären, dass es sozusagen diese Angebote,

wenn man sie annimmt, als Amtsträger, gewählter Beamter,

ist man ja als Oberbürgermeister, hat ein Wahlamt,

dann ist man der Allgemeinheit verpflichtet und muss halt darauf achten,

dass man sich nicht in eine Position bringt, wo auch schon der Eindruck entstehen könnte,

man sei nicht mehr neutral der Allgemeinheit verpflichtet,

sondern zum Beispiel seinem ehemaligen Arbeitgeber.

Okay, das ist also das, was Feldmann betrifft.

Jetzt wissen wir ja, dass die AWU-Affäre noch um einiges größer ist,

dass die Richter zum Beispiel Gelder veruntreut haben sollen,

die sie von der Stadt bekommen haben.

Da geht es auch um überhöhte Geheißzahlung, so zumindest der Vorwurf.

Wie viel sollen die Richter es denn da verdient haben?

Das sind Zahlen, die so im Bereich über 300, 320.000 im Jahr sind.

Wenn man die Zulagen und andere Boni nimmt, zum Beispiel hat sich Jürgen Richter

eine K-Allowance gegönnt.

Neudeutsches Wort soll wohl so viel heißen wie,

ich erlaube mir, dass mein privater Jaguar mit 4.500 Euro im Monat vom Verband bezahlt wird,

dafür, dass ich ihn eben auch dienstlich nutze.

Ja, mal so eben oder so kleinere Dinge wie Minijobs,

die man sich und den Verwandten gegönnt hat.

Zum Beispiel der eigenen Mutter, die damals mit 78 Jahren angefangen hat,

als Altenhilfe in einem Altenhilfezentrum zu arbeiten.

Also mit 78 bis 86 hat sie dann da angeblich gearbeitet.

Jedenfalls hat sie den Minijob bekommen.

Insgesamt bei den Richters waren es 8 Familienangehörige,

die Minijobs bekommen haben.

Im anderen Fall waren es sogar 12 Familienangehörige,

die eben über Minijobs fragwürdiger Natur verfügt haben.

Und vielleicht noch zwei kleine Details.

Der Sohn des Ehepaars Richters hat seine Hochzeit gefeiert.

Da fehlte noch der DJ.

Also hat Frau Richter 2.500 Euro Avogeld locker gemacht,

um den DJ zu bezahlen.

Und sich selbst hat sie für rund 11.000 Euro eine Magenverkleinerung gegönnt.

Auch auf Avogelkosten, wie dann im Nachhinein rausgekommen ist.

Jetzt frage ich mich also die Arbeiterwohlfahrt.

Das ist ja eine gemeinnützige Organisation

und die wird finanziert aus Steuergeldern.

Also von uns allen quasi.

Da frage ich mich, wie kann das denn sein?

Oder könnte das denn überhaupt sein,

dass da so viel Geld bei Seite geschafft wird?

Dann muss es doch Kontrollinstanzen geben,

oder die die Gehälter prüft, Verträge

und eben schaut, dass unser aller Steuergeld richtig verwendet wird.

Also die AWO, die Arbeiterwohlfahrt hat bundesweit in über 400 Vereinen

über 230.000 Mitarbeiter.

Das muss man sich mal vorstellen.

Das ist insgesamt einer der ganz großen Player im Sozialbereich.

Gibt es quasi in jeder kleineren Ortschaft mit Essen auf Rädern

oder als Pflegeheimbetreiber und und und.

Also einen riesen Arbeitgeber auch in Deutschland.

Klar, mit DRK, Karitas, Diakonie und Paritätischem.

Das sind also riesige Arbeitgeber.

Und die Kontrolle dieser Vereine, weil das ja alles EVs sind,

eingetragene Vereine, die von Feierabendkontrolleuren dann eben,

wie man so schön sagt, ehrenamtlichen Vorständen

der gewählten Vereinsvorstände oder Präsidien,

die das dann eben nebenbei machen.

Und die sollen dann, und das ist eine Schwierigkeit,

die ich auch sehe, quasi Konzerne mit Millionen umsetzen,

teilweise dreistelligen Millionen umsetzen kontrollieren,

indem sie dann einmal alle paar Wochen zusammenkommen

und sich über Zahlen, Geschäftsberichte und so weiter beugen,

die vielleicht Wirtschaftsprüfer nicht mal verstehen können,

die das studiert haben.

Und das sind dann oft hochbetagte Menschen,

die aus Loyalität zu ihrem Verein das machen,

die ja ehrenamtlich unterwegs sind.

Ich habe mit Petra Rosprey gesprochen,

die ist jetzt Präsidiumsvorsitzende, ehrenamtliche Kontrolleurin,

die, ja, wenn man so will, die AWO jetzt seit zweieinhalb Jahren aufräumt,

die versucht eben wieder alles in geordnete Bahnen zu kriegen,

diese Misswirtschaft mit einer neuen Geschäftsführung,

die sie eingesetzt hat, wieder hinzukriegen.

Und mit ihr habe ich eben über die mangelnde Kontrolle,

bevor sie in Amt und Würden kamen,

bei der früheren AWO, wenn man so will, gesprochen.

Ja, einmal war es leider so,

dass die eingesetzten Kontrollgremien ihre Aufgabe leider nicht wahrgenommen haben,

sondern eben in blindem Vertrauen das abgesegnet haben,

was Jürgen Richter und seine Vertrauten hier getan haben

und auch nicht kritisch nachgefragt haben.

Auf der anderen Seite gab es auch eine Atmosphäre der Angst und des Misstrauens,

sodass die wenigen, die dann gemerkt haben, nein, so kann das nicht weitergehen.

Sich nicht anders zu helfen wussten,

als mithilfe von anonymen Anzeigen an Staatsanwaltschaft und Presse

auf diese Missstände aufmerksam zu machen.

Was sagt Ihnen das Ehepaar Richter dazu?

Ja, das Ehepaar Richter, ich finde es hoch interessant,

nachdem Sie ja Ihre Ämter verloren haben,

auch viele arbeitsgerichtliche Prozesse hatten,

haben Sie sich zwei Jahre irgendwie bedeckt gehalten

und jetzt sagen Sie auch öffentlich, haben Sie auch uns gesagt,

dass Sie eigentlich nicht sehen, was Sie falsch gemacht haben sollen

und dass Sie sich irgendwie ja auch missachtet fühlen in Ihrer Lebensleistung.

Also für mich ist vollkommen klar, dass es über 1000 Zeugen gibt,

die darlegen können, wie viel und wie gut ich für die Arbeit der Wohlfahrt gearbeitet habe.

Es ist für mich ganz schlimm, dass mit der Arbeit der Wohlfahrt,

die für mich ein wunderbare, traditionsreicher Verband ist,

wo ich heute auch noch Mitglied bin, in diesem Fahrwasser nun im Augenblick ist,

meine Schuld daran vermag ich nicht zu erkennen.

Beide sind ja jetzt so im Rentenalter

und eigentlich hätten sie sich etwas anderes erwartet.

Also zum Beispiel hat Jürgen Richter uns gesagt,

dass er eben kein Bewohner von irgendwelchen Anklagebänken sei.

Ich bin einfach jemand, der mit einer Situation konfrontiert ist,

wie ein Albtraum ist und ich hoffe, dass es irgendwann vernünftig geklärt wird.

Was ist denn da überhaupt vor Gericht geklärt?

Ja, die sind schon 19 oder Anfang 20 dann zurückgetreten,

haben auch teilweise Prozesse verloren.

Zum Beispiel arbeitsgerichtlich wollte Frau Richter 1,6 Millionen Euro,

die ihr noch als Gehalt zugestanden hätten, vertraglich.

Die wollte sie haben, hat das Arbeitsgericht aber nein gesagt.

Sie haben manchmal aber auch Prozesse in erster Instanz gewonnen,

zum Beispiel auch vom Arbeitsgericht Frankfurt.

Da wollte die AWO von Ihnen, dass sie Schadensersatzleistung zahlt,

führt zum Beispiel die entgangene Gemeinnützigkeit,

weil die AWO aufgrund der hohen Gehälter und anderer Privilegien

ihre Gemeinnützigkeit verloren hatte.

Also das waren Prozesse, die auch zu ihren Gunsten ausgegangen sind

und einen richtig großen AWO-Prozess, also ich saß jetzt mal so,

einen Strafprozess vor dem Landgericht hat es noch nicht gegeben.

Einer davon, den hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt im August letzten Jahres

schon zur Anklage gebracht.

Der wurde jetzt gerade vom Landgericht Frankfurt an die Staatsanwaltschaft zurückgegeben,

beziehungsweise die Anklage mit dem eindringlichen Wunsch nachzubessern.

Das ist der flüchtlingshalben Prozess, wo es um diese 2,6 Millionen Euro Betrugsumme gehen sollte.

Der ist also jetzt nach acht Monaten immer noch nicht auf der Rampe,

beziehungsweise vom Landgericht angenommen, könnte sein, ganz hypothetisch,

dass das Landgericht diesen Prozess nicht annimmt,

wenn die Staatsanwaltschaft nicht entsprechend nachliefert.

Und dann würde das juristisch nicht aufgearbeitet.

Der Prozess ist noch nicht mal zur Anklage gebracht.

Und wir reden jetzt über das vierte Jahr der AWO-Affäre.

Und haben Hanne-Lore und Jürgen Richter sich da auch mal geäußert

zu den Kontakten zum ehemaligen Oberbürgermeister Feldmann?

Ja, Frau Richter, die ja von den beiden, sag ich mal, so etwas wie das Prane war,

also die auch so die Lenkerin war, die hat es gesagt,

früher war es üblich, dass Politiker, Kommunalpolitiker,

einen Job bekommen haben bei einer Organisation, sei es ein Sozialverband.

Und heute wird im Prinzip diese ganze Sache im Rahmen eines Rollbacks,

so sag ich mal, weil man heute anders denkt über diese Dinge,

so gesehen, dass es alles eine Korruption, ein Einflussnahme, ein Einkauf ist.

Ich habe in meinem Leben kein Politiker eingekauft.

Das hat sich auch keiner von mir einkaufen lassen.

Sie meint eigentlich, dass sie nur was gemacht hat, was ohnehin üblich ist.

Da hat sie meiner Einschätzung nach auch ein Stück weit recht.

Es gibt diese Arbeitsverhältnisse, gerade in der kommunalen Ebene,

bei Energieversorgern, bei städtischen Verkehrsbetrieben und und und.

Aus denen heraus dann Menschen entstehen, die sich kommunalpolitisch dann

auf eine Karriere vorbereiten.

Und vielleicht muss man sich da auch ehrlich machen,

wie will man denn als Kommunalpolitiker, Feierabendpolitiker,

dann Profipolitiker, also zum Beispiel Oberbürgermeister,

einer Großstadt werden.

Dazu braucht es einen Anlauf, dazu braucht es eine gewisse Zeit auch,

die man investiert am Abend und am Wochenende.

Vielleicht auch ein Arbeitgeber, der das toleriert, der entsprechend auch sagt,

können Sie jetzt mal die Sitzung machen und muss jetzt morgen nicht gleich

um acht wieder auf der Mathe stehen.

Das ist tatsächlich ein Feld, was geregelt ist

und teilweise vielleicht noch besser geregelt werden muss.

Und Peter Feldmann und seine Frau, Subede,

was haben die denn zu den Vorwürfen gesagt,

mit der Vorteilsannahme im Amt und der plötzlichen Führungsposition in der Kita?

Peter Feldmann sagt bis heute, er ist nicht bestechlich,

er hat sich nicht kaufen lassen als Bürgermeister.

Frau Feldmann, das Paar ist ja mittlerweile getrennt,

hat sich öffentlich nie wirklich eingelassen zu den Vorwürfen,

fühlt sich natürlich auch irgendwie in die Öffentlichkeit gezerrt,

dadurch, dass man ständig über sie und ihre berufliche Tätigkeit spricht.

Aber das ist eigentlich bis heute nie von ihr aufgelöst worden,

wie sie ihre eigene Rolle in dieser Affäre gesehen hat.

Haben wir da vielleicht ein generelles Problem mit der Kontrolle

von solchen Wohlfahrtsträgern?

Ich glaube schon, dass wir das haben.

Ich habe mir mal angeguckt, das Vereinsrecht,

was die Grundlage all dieser Organisationen,

die als eingetragener Verein eben funktionieren,

oder auch nicht funktionieren, angeguckt.

1908 im Kaiserreich wurde das begründet.

Ist das schon ein paar Tage her?

Ist schon ein paar Tage her.

Seitdem hat die Welt sich doch ein bisschen geändert

und vor allem die Umsätze von solchen Wohlfahrtsorganisationen,

die gehen teilweise in die dreistelligen Millionenbereich.

Das ist ein bundesweites Phänomen.

Und deswegen ploppt so alle paar Jahre mal so eine Affäre auf,

nicht nur bei der Arbeiterwohlfahrt.

Und da würde ich mir wünschen,

dass man da ein bisschen mehr Transparenz reinbringt

und auch solche Dinge im Keim erstickt.

Was nimmst du denn mit über die Verbindungen

und Verflechtungen von Lokalpolitik

zu beispielsweise solchen Wohlfahrtsträgern?

Wo hört denn Netzwerken auf, wo fängt Korruption an?

Sich einzukaufen, allein der Verdacht, dass man sich abhängig macht,

kann schon ein Tick zu viel sein.

Also lieber mal Nein sagen als Lokalpolitiker.

Und vor allem, wenn so eine Bevorteilung nur ansatzweise

verdachtsmomentsmäßig gegeben sein könnte,

dass dann auch öffentlich machen.

Also am besten der zuständigen Stelle,

Kontrollbehörde im Regierungspräsidium zum Beispiel sagen,

meine Frau hat da einen Job.

Achtung, das gebe ich jetzt hier mit offiziell an,

damit sie es schon mal wissen, damit nicht der Verdacht entsteht.

Man kann sich dagegen wehren. Es ist natürlich eine Gratwanderung.

Ja, für dich war es ja auch eine Gratwanderung,

diese Recherche.

Also die Pressestellen von der AWO

und vom Oberbürgermeister von der Stadt,

wie haben die denn reagiert auf deine dauernden Anfragen?

Ja, ich konnte das sogar an einer Stelle mal live,

wenn auch drei Jahre später Zeit versetzt,

sozusagen nachlesen, wie beide die AWO-Führung Frankfurt

und das Büro vom Feldmann versuchen irgendwie

eine Kommunikation herzustellen über meine Fragen,

über die Beta Feldmanns Gehalt und Dienstwagen.

Ach, die haben gemeinsam sich versucht,

auszutauschen, was man da sagt?

Ja, genau, mir wurden dann diese Mails zugespielt,

drei Jahre später, und es hat natürlich schon

einen gewissen suffisanten Genussfaktor,

gebe ich jetzt mal ganz uneitel zu,

wenn man feststellt, diese Fragen haben echt Probleme bereitet

und Schweißperlen auf die Stirn gemacht.

Es kam dann auch wirklich keine gute Kommunikation zustande,

was dann auch die AWO-Verantwortlichen in Frankfurt

ein bisschen ratlos gemacht hat,

weil sie wollten sich schon abstimmen mit Peter Feldmann,

aber er hat nicht direkt reagiert,

da muss man echt ziemlich viel PR-Brain irgendwie reinsetzen,

um da mit rauszukommen.

Am Ende hat es ja auch nicht genutzt,

also der Fall sozusagen war zu groß, um das auszustehen.

Also nicht diese eine Geschichte,

sondern die Summe an vielen Geschichten,

die dann eben über die Jahre rauskamen,

das kann keiner im Amt aushalten.

Danke dir, Volker.

Jo, gerne.

Diese Affäre beschäftigt auch gerade die Gerichte.

Der Bürgermeister Peter Feldmann ist verurteilt

wegen Vorteilsannahme im Amt.

Seine Frau Sybele Feldmann wegen Beihilfe zur Untreue.

Beide haben das Urteil angefochten, sind also in Revision gegangen.

Im Fall der AWO ist das ehepaar Richter im Fokus.

Dort laufen die Ermittlungen noch.

Die AWO-Affäre.

Wie ein Sozialverband zum Kriminalfall wurde.

So heißt der HR-Podcast,

der mit Volker Siefers umfassenden Recherchen entstehen konnte.

Verlinken wir euch in den Show-Notes.

Dort erfahrt ihr noch sehr viel mehr darüber,

zum Beispiel auch, was die Strategie der Anwälte

von Peter Feldmann im Prozess gegen ihn war.

Uns, FKM, der Tagesschau-Podcast,

findet ihr in der AID-Audiothek

und überall da, wo es Podcasts gibt.

Folgenautorin ist Jasmin Brock.

Mitgearbeitet hat Stefan Beutting.

Produktion Brut Maria Ostermann,

Gerhard Wichow,

Christine Dreyer und Eva Erhard.

Redaktionsleitung Lena Götler und Fumiko Lipp.

FKM ist eine Produktion von BR24 und NDR Info.

Mein Name ist Victoria Michalsack.

Wir hören uns nächste Woche wieder.

Tschüss.

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Die Arbeiterwohlfahrt will soziale Probleme bewältigen, dabei transparent und entlang der eigenen Werte handeln, so das Grundsatzprogramm. Im Gegensatz dazu stehen die Geschehnisse in Frankfurt. Dort hat die AWO offenbar Scheinjobs für Kommunalpolitiker geschaffen und fragwürdige Abrechnungen für möglicherweise nie erbrachte Dienstleitungen gestellt. 11KM geht mit HR-Reporter Volker Siefert dem Skandal nach. Über den Sturz des ehemaligen Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann hinaus, wirft die Affäre ein Schlaglicht auf die Frage, wie Wohlfahrtsverbände wie die AWO eigentlich kontrolliert werden – und wo netzwerken aufhört und mögliche Vorteilsannahme anfängt. 



[Hinweis: Aus juristischen Gründen haben wir die Überschrift und den Teaser am 24.3. um10:00 Uhr geändert.]



Der Link zur Podcast-Reihe "Die AWO-Affäre: Wie ein Sozialverband zum Kriminalfall wurde":



https://www.ardaudiothek.de/sendung/die-awo-affaere-wie-ein-sozialverband-zum-kriminalfall-wurde/12370659/ 



An dieser Folge waren beteiligt:

Autor:in: Jasmin Brock

Mitarbeit: Stephan Beuting

Produktion: Gerhard Wicho, Ruth-Maria Ostermann, Christine Dreyer, Eva Erhard

Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler

Host: Victoria Michalczak

11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info. Die redaktionelle Verantwortung für diese Episode trägt der NDR.