FALTER Radio: Turbulente Tage in Russland - #990
FALTER 8/24/23 - Episode Page - 1h 5m - PDF Transcript
Die Fall der Sommergespräche im Wienermuseumsquartier zu den heißen Themen des Jahres.
Mittwoch, den 30. August, nimmt die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler-Platt.
Es geht um die drängende Frage, wie wir die Klimawende schaffen.
Umweltministerin Leonore Gewessler im Gespräch mit Barbara Todt und Katharina Krobshofer.
Mittwoch, den 30. August und 19 Uhr auf der Bühne im großen Hof im Museumsquartier in Wien.
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Falter Radio, der Podcast mit Raimund Löw.
Herzlich willkommen, meine Damen und Herren, im Falter Radio.
2023, das ist Vladimir Gutins kritisches Jahr.
Der Angriffskrieg gegen die Ukraine ist gescheitert.
Die tief eingegrabenen Soldaten an der Front zinkt.
Anhaltenden Angriffen der Ukraine ausgesetzt.
Die ihr besetztes Territorium zurückgehoben wollen.
Vereinselt kommen ukrainische Drohnen bis nach Moskau durch.
Es wird immer schwer, den Krieg zu verdrängen.
Die kurzlebige Revolte der Wagner-Solder gegen die eigene militärische Führung hat gezeigt,
wie unsicher die Situation für den Kremlin geworden ist.
Russland entwickelt sich zu einer Art faschistischem Staat,
so sagen viele, mit pathologischem Hass auf den Westen
und einem kriegerischen Revanchismus,
wie in Europa seit fast 100 Jahren nicht mehr erlebt hat.
Aber auch die Hoffnung in der Ukraine,
durch eine Offensive diesen Sommer zu einem raschen Ende des Krieges zu kommen,
hat sich nicht erfüllt.
Darüber, was 2023 in Russland passiert,
spreche ich in Moskau mit Miriam Beller.
Hallo?
Hallo.
Und mit Paul Grieser.
Willkommen, Paul.
Hallo, Raymond.
Miriam, Beller und Paul Grieser sind OF-Karrespondenten in Moskau.
Sie werden im Herbst nach Wien zurückkommen in die Redaktionen
und sie haben gemeinsam ein Buch über die Kriegszeit in Moskau geschrieben.
Russland von England ist der Titel.
Es ist ein Buch, das mit großer Spannung erwartet wird,
weil es um so viel geht für uns alle bei der russischen Entwicklung.
Und das Buch wird Ende September scheinen.
Wir waren Kollegen im OIF, ihr Podcastmacher,
aber selbst einmal Moskau-Karrespondent vor 35 Jahren in der Zeit.
Gwaba Chovs, daher sind wir auch in diesem Gespräch per Duo.
Wir haben dieses Gespräch am Dienstag, den 22. August geführt,
also vor dem Absturz des russischen Flugzeugs,
bei dem Söldnerführer Brigoshi offenbar an Bord war.
Miriam, du bist 2021 nach Moskau gekommen.
Was ist für dich der größte Unterschied zur Situation damals,
die du erlebt hast und zur Situation, die du heute erlebst?
Das ist sehr schwer zu sagen,
weil als ich die kommen bin, hatte ich irgendwie schon das Gefühl,
dass ich da in Russland erlebe,
dass gerade irgendwie die letzten Rechte abbaut.
Eine meiner ersten größeren Geschichten war das Schließen von Memorial
der berühmten Menschenrechtsorganisation,
die auch einen Friedensrebellpreis bekommen hat.
Und da habe ich schon gedacht, dass ich hier irgendwie ein neues Russland sehe
oder ein Russland, das immer weiter in die Tiefe hinuntergeht,
in einer Abwärtsspirale ist.
Und das hat sich dann natürlich noch einmal massiv verstärkt
mit dem Kriegsbeginn, mit dem Februar 2022.
Das Leben im Alltag hat sich ja nur begrenzt verändert.
Was ist der Kern dessen, was sich verändert hat?
Ich glaube, da hat es unterschiedliche Phasen gegeben.
Am Anfang hat sich tatsächlich wirklich sehr wenig verändert.
Die erste Zäsur war da die Teilmobilmachung
im September 2022, wo erst mal wirklich der Krieg näher
in die Realität und die Welt der Menschen gekommen ist
und man das einfach nicht mehr einfach so verdrängen konnte.
Und ich glaube, die zweite Zäsur sind die Drohnen,
die du ja schon angesprochen hast, die jetzt auch in Moskau abgefangen werden.
Wo bisher noch nichts Gröberes passiert ist.
Also Menschen sind bisher noch keine umgekommen.
Es hat Verletze gegeben, Sachschäden.
Aber das ist schon ein sehr großer Einschnitt für die Menschen,
dass man merkt, okay, jetzt kommt der Krieg auch zu uns.
Da merkt man die Anspannung bei den Menschen schon.
Ich würde trotzdem sagen, dass es weiterhin eine sehr große Partie herrscht.
Das hat sich nicht verändert.
Paul, was bewirkt diese ukrainischen Drohnen?
Klar, es wird die Bevölkerung gewusst.
Der Krieg ist nicht weit weg, sondern der ist auch da.
Aber führt das nicht eher dann zu einer Sammlung der Bevölkerung
noch stärker hinter der Führung, wenn man sagt, wir werden tatsächlich angegriffen.
Also müssen wir uns auch verteidigen.
Legitimiert das nicht mehr als, das ist verängstigt, die Tätigkeit der Führung?
Also ich glaube, am Anfang war das schon der Versuch,
bei den ersten derartigen Angriffen, die es da gab, da wurde ja auch einmal,
es ist immer noch eine dubiose Geschichte, wo einmal ein,
zwei Drohnen direkt über einer Kuppel des Kremels abgefangen wurden.
Und da hat man damals auch nicht ganz genau gewusst, diese Videoaufnahmen
haben irgendwie schon sehr komisch ausgeschaut.
Es gibt aber auch keine Hinweise darauf, dass jetzt russische Kräfte selbst waren,
die diese Drohnen, diese mutmaßlichen Drohnen, wo möglich abgeschossen haben.
Aber damals ist schon der Eindruck entstanden,
man könnte damit auch legitimieren mit diesen Angriffen.
Schaut es her, jetzt müssen wir hier noch härter vorgehen gegen die Ukraine.
Das hat sich aber jetzt in der letzten Zeit nicht so herauskristallisiert.
Ich würde sagen, die Menschen, wie die Miriam schon gesagt hat,
sind eigentlich irgendwo recht apathisch und gleichgültig.
Was erstaunlich ist, weil jetzt wirklich fast jeder Tag, wie damit beginnt,
dass zumindest ich am Telefon auf die Nachrichten schaue und schaue,
welche Drohnen jetzt in der Früh oder in der Nacht, wo abgefangen wurden
oder wo niedergegangen sind, weil das tatsächlich inzwischen so gut wie täglich passiert.
Da werden dann die Flugheben gesperrt.
Wie gesagt, wie durch ein Wunder muss man fast sagen, ist bisher noch wenig passiert.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass da auch einmal mehr passiert.
Und das ist eine Lage, die sich natürlich auch sehr schnell wenden kann
und die schon sehr ernst werden kann auch für die Menschen selbst.
Aber ich würde sagen, das politische Kapital wird daraus eigentlich erstaunlich wenig geschlagen.
Es wird sozusagen unter ferner liefen berichtet.
Ja, das kommt ein bisschen vor.
In den Abendnachrichten ist das nicht ein großes Thema in der letzten Zeit.
Also das wird da eher niedrig gehalten, weil es ja auch eine Blamage ist,
dass die russische Luftverteigung immer wieder diese Drohnen auch erst im letzten Moment abfangen kann
oder sogar ganz durchlässt.
Wir haben gesehen, dass zweimal in denselben Wolkenkratzer in Moskau
eine Drohne im Abstand von mehr wenigen Tagen eingeschlagen hat.
Also das sind schon Dinge, die lassen keinen Zufall mehr vermuten
und die deuten eher auf eine Schwäche in der Luftverteidigung hin
und das ist auch etwas, was die Menschen, wenn schon, aufregt.
Also nicht die sozusagen Unzufriedenheit über diese Drohnenangriffe, wenn es sie überhaupt gibt.
Wenn sie sich materialisiert, dann materialisiert sie sich,
wenn schon gegen die Militärführung und gegen diese Luftverteidigung,
die offensichtlich oftmals nicht im Stande war, diese Bedrohung abzuhalten.
Was ist für dich die größte Veränderung in Russland?
Du bist 2019 nach Moskau gekommen und bist jetzt da im vierten Jahr,
da hat auch das Büroche filmen im OF in Moskau,
was ist für dich der entscheidende Unterschied zur Situation damals?
Also wir müssen sagen, das ist natürlich auch keine wahnsinnige lange Zeit.
Also natürlich, viele unserer Kolleginnen und Kollegen sind schon Jahrzehnte hier,
die haben natürlich noch viel heftigere Unterschiede da gemerkt,
aber ich würde sagen, dass das Russland, das ich 2019 oder davor, 2016 als Austauschstudent noch kennengelernt habe,
das hat eigentlich sehr wenig zu tun gehabt mit dem, was es heute ist.
Es war damals schon ein Land, das auf dem Weg in eine autoritäre Zukunft war,
in der von Demokratie nicht mehr die Rede sein konnte,
aber es war noch ein gewisser Anschein von Demokratie oder so etwas wie Rechtsstaatlichkeit,
die man sich geben wollte.
Das ist definitiv vorbei.
Das sieht man an den Verfahren gegen Regimekritiker wie Alexei Navalny und andere,
an solchen Prozessen, die ganz eindeutig Ähnlichkeiten haben zu politischen Schauprozessen,
selbst wie sie sie in den 30er Jahren gab, sie enden zum Teil sogar mit ähnlich hohen Haftstrafen,
was Jahre betrifft, wir haben es jetzt aber noch nicht zu tun,
mit der Verfolgung von den Millionen, der jetzt handelt sich,
da um mehrere hundert Menschen kann man sagen, die entweder vor Gericht stehen
oder bereits verurteilt wurden zu Haftstrafen, einfach dafür, dass sie gegen dieses Regime sind.
Und das ist eine Tendenz, die sich ganz stark verschärft hat.
Also diese Repressionen würde ich als ganz wichtige Verschärfung festmachen.
Es ist nichts Neues, aber es hat sich ganz stark verschärft.
Und ich würde außerdem sagen, dass es diese Entfremdung vom Westen,
dass die jetzt auch zum Teil in den Köpfen der Menschen schon auch stattfindet,
damit meine ich diese Linie, die die Propaganda vorgibt,
in der es heißt, dass der Westen an allem Schuld sei, dass der Westen böse sei und Russland gut.
Das ist etwas, das früher, finde ich, kaum verfangen hat bei den Menschen.
Jetzt merke ich, dass schon auch immer wieder, dass solche Dinge dann auch einem selbst gegenüber wiederholt werden,
dass man auch mit einem gewissen Misstrauen betrachtet wird,
als natürlich nicht nur Mensch, der aus dem westlichen Ausland kommt,
aber natürlich noch dazu als Journalist.
Also das würde ich sagen, ist schon eine Veränderung.
Und das spürt man schon stark.
Wie wir in Moskau waren vor Jahrzehnten, das war im Kirchen, war FPÖ-Rohren,
da Dabrininskaya Hulitzer in Moskau.
Da war uns meine Franz Kösler, Susanne Scholl, Christian Schiller
und den Korrespondenten damals klar, die Wände haben alle Ohren.
Das hielt alles ab.
Im Büro genauso wie in den Wohnungen.
Die einzige Hoffnung war, dass die Mikrofone nicht funktionieren,
so wenig funktionierte das und so weiter.
Aber wenn es um diskrete Dinge gegangen ist, die zu besprechen sind,
wäre in den Hof gegangen.
Wir haben nie im Büro darüber gesprochen.
Diese Bespitzelung Miriam, ist dieses Gefühl der Bespitzelung jetzt auch wieder da?
Ja, auf jeden Fall würde ich sagen, man hat immer irgendwie das Gefühl,
dass man überwacht werden könnte.
Ich glaube, dass heute die Überwachung anders funktioniert.
Natürlich kann man nicht ausschließen, dass nicht alles abgehört wird.
Aber natürlich geht es da vor allem um die Kommunikation per Smartphone.
Wie kommuniziert man da mit Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern möglichen
oder auch mit der Redaktion über welche Kanäle kommuniziert man da?
Und bei gewissen Themen, wenn es dann wirklich ganz heikel wird,
dass man sagt, okay, man geht jetzt spazieren.
Das kommt schon wieder vor.
Aber das ist so eine diffuse Gefahr oder Möglichkeit, dass das ist.
Wir wissen es ja nicht.
Wir wissen nicht, ob das tatsächlich startfindet oder nicht.
Man schützt sich oder versucht sich für etwas zu schützen, wo man nicht weiß,
ob es es gibt oder wie das funktioniert.
Das macht das Ganze noch ein bisschen schwieriger,
weil wir ja nicht wissen, wie groß der Umfang ist
und wie du schon gesagt hast, wenn es passiert, ob es dann auch wirklich funktioniert.
Was damals es gegeben hat, das war, dass ausländische Korrespondenten ausgewiesen wurden,
wenn es einen Knarsch gegeben hat zwischen der sootischen Führung
und zum Beispiel die Literatur und Großbritannien.
Das sind politische Kollegen ausgewiesen worden heute.
Gibt es zum Beispiel der Verhaftung eines politischen Journalisten,
das ist von Wall Street Journal, ich war Gershkovic,
mit absurden Spionagevorwürfen garniert.
Da kommt wahrscheinlich vor die Richtung, wenn es nicht einen Haustausch gibt.
Vorher schafft das Angst unter den Korrespondenten.
Man weiß ja nicht, das könnte ja auch jemand anderer plötzlich,
wenn die so schön vorwürfen, verhaftet werden.
Also, weil du, dein amerikanischer Kollege ist es in dem Fall,
Evan Gershkovic schon angesprochen hast.
Das war natürlich ein Fall, der uns sehr beschäftigt hat
und der uns stark getroffen hat.
Wir persönlich kennen ihn jetzt nicht,
aber er ist ungefähr in unserem Alter.
Wir haben denselben Freundeskreis hier sogar,
also sind sozusagen so über eine Ecke miteinander quasi bekannt gewesen
und das trifft einen dann schon noch viel mehr,
als wenn da jemand ist, der sozusagen weit weg erscheint.
Es stellt sich die Frage, wie weit sind die Behörden bereit zu gehen.
Dieser Fall von Evan, der jetzt unter offensichtlich
fabrizierten Spionagevorwürfen in einem Gefängnis gar nicht so weit
von unserem Büro einsetzt.
Dieser Fall, der zeigt das sozusagen heute wieder,
so wie du sagst, wie zu Sowjetzeiten,
Menschen zum politischen Faust fahren werden können
zwischen Moskau und Washington in diesem Fall.
Es ist nicht auszuschließen.
Das macht die Sache so unberechenbar,
dass es nicht eines Tages eine andere Nation auch treffen kann.
Jetzt sind wir natürlich darauf bedacht,
unsere eigene Sicherheit und die Sicherheit
unseres Teams zu bewahren.
Das ist einmal die oberste Priorität, das ist ganz klar.
Wir sehen, dass wir in den Monaten seit Evans Festnahme
einen solchen Fall nicht gegeben, das hat sich nicht wiederholt,
aber es gibt durchaus weiterhin Ausweisungen
und die passieren unter relativ dubiosen Vorwänden.
Jetzt gerade vergangene Woche ist eine niederländische Kollegin
von uns ausgewiesen worden.
Das sind Dinge, die einem durchaus zu denken geben,
in dem Fall wurde da argumentiert,
dass das eine Art von Gegenmaßnahme sei
gegen die Sanktionen, die die EU verhängt hat gegen Russland.
Im Endeffekt sind diese Vorwände gar nicht so wichtig, denke ich.
Es ist eine Tatsache, dass es als Angehöriger
der ausländischen Presse jetzt schon so ist,
dass es erstens schwieriger wird zu berichten
und dass es zweitens nicht klar ist,
wie lange man hier sein Visum behält,
seine Aufenthaltsberechtigung behält.
Das ist jetzt auch so, dass diese Aufenthaltsberechtigung
jeweils nur für drei Monate ausgegeben wird.
Früher war das ein ganzes Jahr.
Das ist auch eine Möglichkeit, um relativ schnell
und geräuschlos jemanden auszuweisen,
indem man ihm oder ihr einfach das Visum,
die Akkreditierung, nicht verlängert.
Das sind die neuen Realitäten, mit denen man es hier zu tun hat.
Und das macht das Arbeiten nicht unbedingt einfacher.
Was mir nach wie vor nicht verständlich ist,
ist die Frage, warum die breite Maße der Bevölkerung
in Russland diesen Krieg wirklich nach wie vor unterstützt.
Ihr versucht ja auch in eurem Buch,
ich durfte da eben die Manuskripte hinein sehen,
diese Frage zu beantworten.
Obwohl die Ukraine ein Brudervolk ist
in der russischen Diktion.
Millionen Russinnen und Russen sind nicht Ukrainerinnen
und Ukrainer verheiratet.
Da muss doch durchsicken, was für ein Desaster in der Ukraine angerichtet wird,
trotz der überwältigen Propaganda.
Mir am Warum steht die Bevölkerung nach wie vor
eigentlich hinter diesem Krieg?
Ich glaube, dass es auf diese Frage nicht die eine Antwort gibt.
Es gibt lediglich die Möglichkeit,
verschiedene Erklärungsansätze zu liefern,
warum aus verschiedenen Gründen hier kein Widerstand passiert,
warum offen unterstützt wird und warum die Leute,
und ich glaube, das ist die große Mehrheit der Bevölkerung,
so passiv ist.
Man muss mir sagen, die Leute tun nichts dagegen.
Das betrifft auf mehr Leute zu,
als dass sie es offen unterstützen.
Ich glaube, das ist eher der Fall hier in Russland.
Aber das ist natürlich die Frage,
die uns auch umtreibt seit zwei Jahren und wie gesagt,
also was du angesprochen hast mit dem Brudervolk,
mit der Ukraine.
Das wird natürlich auch von der Propaganda her beigezogen
und wenn man mit Menschen redet, die das unterstützen
oder die der Propaganda glauben,
dann meint man ja unter Anführungszeichen etwas Gutes zu tun.
Es wird ja erklärt, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer
unterdrückt werden von diesem Kiefer-Regime,
wie es immer heißt,
und vor allem eben die russischsprachige Bevölkerung
und dass man ihnen helfen muss.
Das ist das eine und dann gibt es diese sehr bezahne
und sich eigentlich widersprechende Argumentation.
Die eine ist, dass die Ukraine eigentlich gar keine Nation ist,
sondern eigentlich eh ein Teil Russlands
und deswegen ist es praktisch der natürliche Zustand,
dass die Ukraine zu Russland gehört.
Und der andere Teil der Bedeile, der eigentlich dagegen spricht,
ist eben, dass man sagt, dass die ukrainischen Nationalisten
mit ihren westlichen Unterstützern
eine so fundamentale Gefahr für Russland darstellen,
dass man sich gegen die wehren muss.
Also zum einen spricht man der Ukraine ab, eine Nation zu sein,
aber auf der anderen Seite spricht man von diesen gefährlichen Nationalisten.
Also da gibt es ganz unterschiedliche Erklärungsmuster,
die irgendwie offenbar in der Bevölkerung doch ankommen.
Wie stark ist so etwas wie ein imperiales Herrn-Menschen-Gefühl
in der russischen Bevölkerung, in der russischen Gesellschaft?
Es ist schon das Bewusstsein weit nicht immer da.
Russland ist dem Imperium.
In der russischen Bürger sind Teil eines Imperiums
und wer das in Frage stellt, der muss irgendwie unterworfen werden.
Dieses imperiale Herrn-Menschen-Gefühl, das ist neu,
das hat z.B. der Gorbatschow Zeit überhaupt nicht gegeben.
Damals sind die Volksfrontbewegungen, die im Baltikum aufgetaucht sind,
auch in der Ukraine aufgetaucht sind, die Demokratie verlangt haben,
die sind eher begrüßt worden.
Und man hat gesagt, so was ähnliches brauchen wir in Russland auch.
Wie stark Baul ist dieses Herrn-Menschen-Denken,
das von einer imperialen Vergangenheit und von der glorie,
vermeintlichen Glorie des russischen Reiches herkommt?
Wenn wir uns Putin selbst in Erinnerung rufen,
der immer wieder den Zusammenbruch der Sowjetunion
als größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnet hat,
dann zeigt das schon ein bisschen, wie von oben diese Linie vorgegeben wird.
Ich glaube, in der Bevölkerung ist ganz stark,
wird sozusagen das Regime, spielt auf dieser Klaviatur,
der Kränkung, dieses Phantomschmerz des Zusammenfalls,
dieses riesigen Imperiums
und versucht sozusagen damit jetzt die Handlungen in der Gegenwart
auch zu einem Stück weit zu legitimieren.
Ich glaube, dass viele für gewisse Sowjetnostalgie zu gewinnen sind,
gerade die ältere Generation,
die sicher da auch vielleicht zum Teil eine verblendete Erinnerung hat,
aber zum Teil auch tatsächlich, womöglich auch zurecht,
sich erinnert an ein besseres Sozialsystem oder die Vollbeschäftigung
und andere Vorzüge, die vielleicht das Sowjetsystem für sie persönlich zu bieten hatte.
Die sich jetzt aber mit der neuen kapitalistischen Ordnung,
die ja auch in Russland herrscht, nicht so leicht zurechtfinden.
Und ich glaube, ich erinnere mich da jetzt an einen Taubenfütterer,
den ich einmal interviewt habe vor einer Metro-Station hier in der Nähe
von der U-Bahn-Station, der kommt jeden Sonntag her und füttert Tauben
und ich habe mir gedacht, das ist interessant, mit dem zu sprechen.
Das war zufälligerweise auch der dritte Tag des großflächigen Angriffs auf die Ukraine.
Das waren sehr bewegte Tage, wo es schon sehr spannend war,
mit Leuten auf der Straße zu reden und sie anzusprechen auf das, was gerade passiert.
Und der hat irgendwie das wiederholt, was man dann auch immer wieder,
ich immer wieder gehört habe von anderen, nämlich diese Erwartungshaltung.
Die Ukraine, die waren uns gar nie dankbar dafür,
dass wir ihnen da zu Sowjetzeiten geholfen hätten, ein großes Land zu werden,
wobei man sagen muss, da muss man auch eine sehr spannende Geschichtslesung,
sozusagen die Geschichte schon auch sehr, sehr einseitig auslegen,
weil man da natürlich vollkommen die Hungersnot zum Beispiel aus der Acht lässt,
die es da unter Stalin in der Ukraine gegeben hat.
Aber diese Einstellung, naja, die schulden uns doch was, die sind uns gar nicht dankbar,
die wollen nicht mehr unsere Sprache sprechen, wobei jetzt überhaupt nicht klar ist,
warum jetzt die Ukrainerinnen und Ukrainer unbedingt Russisch sprechen müssen,
abgesehen davon, dass es natürlich viele gibt, die Russisch als erste Sprache verwenden
und natürlich sprechen, die Menschen generell in den meisten Landesteilen
Russisch und können diese Sprache.
Aber diese Erwartungshaltung, und das ist natürlich auch geprägt,
durch jahrelange Propaganda im russischen Staatsfernsehen,
das immer noch eine wichtige Informationsquelle ist,
das dort einfach jahrelang schon seit 2014 spätestens
von einer angeblichen Klieferregierung gesprochen wird,
die angeblich die russische Bevölkerung in der Ukraine,
also die ethnisch-russische Bevölkerung maltrittiere.
Also diese Dinge, die gehen alle, glaube ich, mit der Zeit durchaus hinein
und so Leute wie diesen Taubenfütterer, die habe ich dann immer wieder getroffen,
und das hat mich eigentlich immer wieder fasziniert,
wenn man fragt, wo wir diese Informationen haben,
dann hört man in der Regel eines nämlich aus dem Fernsehen.
Aus dem Fernsehen kommen Dinge, die, wenn man sich immer wieder ansieht,
total erschreckt sind. Das sind Diskussionen im russischen Staatsfernsehen
über Atomkriege gegen den Westen, über die Notwendigkeit
der Berlin-Anzugreife, der London-Anzugreife,
die Atombomber einzusetzen.
Teilweise kommt das ja auch im Internet, sieht man sich das an
und denkt sich, was hat das für einen Stellenwert?
Miriam ist das die Vorbereitung der eigenen russischen Bevölkerung
darauf, dass es tatsächlich zu einem Atom-Waffen-Einsatz kommen wird,
weil in solchen grotesken Vernichtungsfantasien,
die werden ja nicht nur einzelnen Journalisten einfallen,
sondern auch intersteckt doch eine Linie, oder?
Ja, nein, also ich glaube, da geht es eher darum zu vermitteln,
dass eben diese existenzielle Gefahr vom Westen ausgeht.
Also Russland sieht sich hier in der Opferrolle,
sieht sich hier als Opfer einer vermeintlichen westlichen Aggression
und diese rhetorik, diese wirklich bizarre und absurde Rhetorik,
die immer wieder eben von Atomkriegen spricht, von Angriffen auf,
wie du gesagt hast, auf Berlin oder London,
das hat ja mittlerweile auch schon an Bedeutung verloren,
das da hört ja auch so niemand mehr zu,
aber es soll einfach dieses Grundrauschen weiter aufrechterhalten werden
und das sehen wir auch in anderer Form im russischen Staatsfernsehen,
dass dieser Krieg notwendig ist, diese Spezialoperation, wie man es sagt,
weil das ist ja auch noch ein wichtiger Punkt.
Der Westen führt den Krieg gegen Russland,
laut der russischen Staatspropaganda,
Russland dagegen führt eine militärische Spezialoperation, was das soll ja auch...
Also macht wie vor Krieg müssen, hat wie vor nicht im offiziellen Sprachgebrauch richtig?
Ja, es sickert dann immer wieder durch, gerade bei diesen Propagandisten,
die ja da sprachlich und verbal so dermaßen eskalieren,
dass sie sich da, glaube ich, nicht immer an das offizielle Skript halten,
aber die offizielle Sprachlegelung ist immer noch Spezialoperation
und da kann man wirklich unterscheiden.
Also der Krieg, der wird vom Westen geführt gegen Russland
und die Spezialoperation, die implizit in dieser Bedeutung effektiv,
mit geringen Schäden und auf die Menschen bedacht,
also dass man wirklich nur, also nicht zivile Ziele trifft,
dass diese Argumentation finden wir immer noch.
Und da wird eben dieses Bild gezeichnet von Russland,
dass sich verteidigt und dass die eigene Existenz nur schützen will
und die russischsprachige Bevölkerung in der Ukraine stützen will,
während der Westen die Zerstörung Russlands herbeiführen will.
Ich sehe das eher als Erklärung,
als dass da die diroistischen Propagandisten auf einen Atomkrieg vorbereiten,
dass ich so eh nicht.
Aber es ist ja immer noch.
Aber Leute wie der frühere Präsident mit WDF,
der immer wieder mit Atomkriegs, Fantasien auftritt,
kann man das als Show einfach abtonen
oder muss man das nicht doch irgendwie ernst nehmen?
Also, weil du mit WDF ansprichst,
der ist glaube ich wirklich so ein bisschen was wie der,
sozusagen der Hund, der am lautesten bellt
und der immer nach vorne geschickt wird.
Wer, also ob das eine wirklich koordinierte Rolle ist,
die da einnimmt in diesem gesamten Kanon aus Stimmen,
er ist definitiv einer der absoluten Hardliner,
man fragt sich auch immer wieder,
ist dieser Mann bei Sinnen, bei den Dingen, die er schreibt,
die zum Teil auch wirklich so absurd sind,
dass sie, denke ich auch, in Russland kaum mehr irgendein Gehör finden?
Also, da ist klar, was man von ihm zu erwarten hat.
Tatsächlich muss man sagen, man kann es sozusagen einerseits,
ja, kann man das jetzt sozusagen Adakt erlegen,
aber andererseits ist dieser Mann offiziell
der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrats.
Das heißt, er hat durchaus auch etwas mitzureden,
das ist sozusagen die andere Seite der Medaille.
Und wenn man sich überlegt,
dass dieser Mensch, wenn er wirklich diese Dinge vertritt,
die er da behauptet, die auch in einem unglaublichen Kontrast stehen,
so dem, was Medvedev während seiner Zeit als Präsident
zwischen 2008 und 2012 vertreten hat,
wo er ja eigentlich zwischen den zwei Amtszeiten von Putin
so was wie eine gewisse Liberalisierung bewirkt hat
und das immer wieder oft...
Genau, genau.
Und da ein bisschen sozusagen wirklich das Land Richtung Westen
ein bisschen bewegt hat.
Aber da sieht man so wie bei vielen Akteuren in diesem Regime
eine wahnsinnige Wandlung, auch bei vielen Propagandisten.
Propagandistinnen ist das so, dass man das stellt,
ja, wenn man da ein paar Jahre zurückgeht, 10 Jahre, 15 Jahre,
das waren zum Teil auch noch einmal alles ernst zu nehmen
in den Journalisten und Journalistinnen.
Und das hat sich halt geändert,
weil sich diese Menschen offensichtlich
einem Regime andienen wollen,
weil sie dort sicherlich auch sowohl materiell
als vielleicht auch mit Macht ausgestattet werden.
Und ich denke, so funktioniert das nicht nur
in dem russischen Regime,
sondern wohl in einem anderen autoritären System,
in dem man auch diese Leute braucht.
Und ich glaube, Medvedev ist da nichts anderes
als sozusagen ein gewisser Marktschreier.
Vielleicht wird auch damit ein bisschen
eine öffentliche Redaktion abgetestet.
Inzwischen glaube ich nicht einmal daran mehr so sehr,
sondern da muss man sich tatsächlich inzwischen schon fragen,
ja, in welchem Zustand ist dieser Mann?
Was ist da dahinter?
Kann der das wirklich glauben, was er da schreibt?
Wenn das so ist, dann ist das wohl in erster Linie
etwas, was man hier zumindest mittlerweile auslöst.
Ja, aber es ist ein Teil der Nomenklatoren,
natürlich ein Teil der politischen Führung.
Wie die ganze Zeit, Erzüglichung einzuschätzen,
es gibt ja eine Diskussion auch unter russischen Soziologen.
Also Gregory Juden zum Beispiel,
ein Soziologen, die am offensten die Probleme ansprechen,
sagt inzwischen, er hat lange gezögert,
aber er hat den Eindruck, da muss man sagen,
das ist Verschissens, was man zurzeit erlebt in Russland.
Also in Russland entwickelt sich zu einem
faschistischen Staat und ein faschistischer Staat,
der gleichzeitig die wichtigste Atomach der Welt ist,
ist natürlich wahnsinnig beunruhigend.
Jetzt zu Faschismus, traditionell gehört immer
Massenzustimmung zum Regime, die ja im Fall Putin
nicht im Sinn von aktiver Massenzustimmung da zu sein scheint,
sondern eher so, dass die Bevölkerung das toleriert.
Paul, wie würdest du diese Diskussion sehen?
Ist das etwas, was faschistuid ist
oder in Richtung Faschismus geht,
was wir im russischen Staat erleben,
bei der Inzündung Klunk des russischen Staates,
seit Kriegsbeginn?
Ich würde sagen, das ist eine Diskussion,
die es gibt, die Miriam ist in dem Fall,
die zu dem Thema auch viel recherchiert hat,
auch mit dem angesprochenen Krieg,
auch in den einigen Interviews geführt hat.
Vielleicht darf ich dir das gleich übergeben,
Miriam, wenn du da gleich anschließen willst zu dem Begriff.
Ja, ich glaube, dass da jetzt
sehr viele Begriffe irgendwie herumfliegen.
Wir haben lange Zeit von einem autoritären System gesprochen.
Immer wird von einem totalitären System gesprochen.
Um das Wort Faschismus gibt es eben auch diese Diskussion,
vor allem auf akademischer Ebene, kann man das jetzt sagen oder nicht.
Ich glaube schon, dass man, sagen wir,
in der öffentlichen Diskussion schon sprechen kann
von einem System mit zumindest faschistoiden Elementen,
also wenn wir die Symbolik uns anschauen mit dem Z.
Es gibt schon, finde ich, den Versuch einer Massenmobilisierung
eben durch diese Symbolik, durch den Versuch,
dass eben Menschen auch diese Symbole bilden,
dass es Veranstaltungen gibt, dass es Aufrufe gibt.
Es gibt schon diesen Versuch, aber ja, es stimmt natürlich,
dass Russland, und das ist ja nicht erst seit Kriegsbeginn,
seit dem Eimarsch in der Ukraine so,
dass die hirussische Führung vor allem darauf beruht,
dass die Menschen passiv sind und sich so weit wie möglich
von der Politik fernhalten.
Und das ist auch jetzt so.
Ich glaube schon auch, dass das in gewisser Weise
ein bisschen ein Dilemma ist, in dem die hirussische Führung jetzt steht,
weil jetzt wollte man 20 Jahre die Menschen
von der allempolitischen fernhalten
und sie so passiv halten wie möglich,
dass man die eigene Politik durchbringt,
möglichst ungestört und ohne Opposition.
Und jetzt auf der anderen Seite versucht man die Menschen doch
in gewisser Weise auf die eigene Seite zu bringen
und für die eigene Sache zu mobilisieren.
Und die Menschen, und das sagt ja auch Kriegeri Judin,
die Menschen, wenn sie dazu gezogen werden,
wenn sie beispielsweise für Staatsbetriebe arbeiten
und an einem Konzert teilnehmen sollen oder hingehen sollen,
wo beispielsweise Putin spricht.
Und da gibt es ein Busse,
die die ganzen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu diesem Konzert bringt,
dann werden diese Menschen das tun,
weil ihnen sonst Sanktionen drohen.
Das heißt, wenn von ihnen gefordert wird,
Unterstützung für dieses System zu zeigen,
dann werden sie das tun.
Aber sie tun das ohne jeglichen Enthusiasmus
oder tiefere innere Überzeugung.
Das heißt nicht, dass es nicht auch jene gibt,
Kriegeri Judin schätzt so,
circa ein Viertel der Bevölkerung,
die wirklich ganz klar für den Krieg eintreten
und teilweise sogar noch fordern,
dass man herzlich in die Kräne vorgeht.
Die Tatsache, dass man vermutet,
dass ein Großteil der Bevölkerung ist eher passiv,
lässt Folgtämen, was die Führung sagt,
die Kraft, die die Führung trinkt,
zumindest nicht mehrheitlich,
weiter noch aggressiver vorzugehen.
Wenn das stimmt, kann das ja auch bedeuten,
wenn es einen Umschwung in der Führung gibt
und die Führung den Krieg beendet,
dass dann die Bevölkerung mitmachen wird
und niemand sagen wird, um Gottes Willen,
wir müssen jetzt weiter nach Kürb marschieren.
In der Zeit der Sowjetunion war das immer relativ klar.
Afghanistan, die Entscheidung zum Einmarsch in Afghanistan,
hat das Politbüro getroffen.
Die Entscheidung, aus Afghanistan rauszugehen,
hat das Politbüro beschlossen.
Die großen Weichenstellungen des Gorbatschow genauso.
Und wir sind damals als Korrespondenten
in meinem Büro gewesen,
wir wussten, es gibt eine Zentralkommission
oder eine wichtige Sitzung,
wo jetzt das Politbüro dieses Dajenes vorschlagen wird,
immer gewartet, was kommt jetzt?
Die Tast in offizielle Presse.
Die Agentur hat irgendwann einmal gesagt,
der ist abgesetzt worden, jener ist abgesetzt worden
und hat gewusst, es ist eine Weichenstellung passiert.
Auf was wartet sie ja heute,
als Russland Korrespondent zu sehen,
in welche Richtung sich die Führung entwickelt?
Weil irgendwann einmal wird wahrscheinlich auch
in der Putemführung es Leute geben,
die sagen, so weitermachen wir auf jübiges Nichts hinvoll,
versuchen wir einen anderen Weg zu gehen.
Wer würde solche Entscheidungen treffen, Paul?
Das ist ja, glaube ich, das schwierige Heutzutage,
dass wir es zu tun haben mit einem Mann,
Vladimir Putin,
der so weit wir das von außen einschätzen können,
soweit es da auch Informationen dazu gibt,
seine Entscheidungen in relativer Einsamkeit trifft.
Und wir haben es mit einem sehr unberechenbaren System zu tun,
weil die Fäden laufen ganz klar bei Putin zusammen.
Er war über Jahre, Jahrzehnte hinweg,
der am anderen dieses System auch zu einer gewissen,
ich möchte nicht sagen Perfektion,
aber zu einer Reife sozusagen gebracht hat,
dass er im Stande war,
die verschiedenen Interessensgruppen da,
immer sozusagen zu diesen Interessen zu jonglieren.
Also da meine ich jetzt die verschiedenen Gruppen,
die es da in der sogenannten Staatselite gibt,
damit das gemeint der Geheimdienst und dessen Führung,
die Armee und die Armeeführung,
aber auch die Sicherheitskräfte,
das sind eigentlich so die wesentlichen Pfeiler,
auf die sich auch put ins Macht stützt,
weil mit genau diesen drei Gruppen
kann er auch das Land regieren,
mehr oder weniger egal,
wie groß die Zustimmung jetzt in der Bevölkerung ist,
also eine gewisse Zufriedenheit,
lässt sich natürlich mit dem Repräsionsapparat
auch sehr leicht unterdrücken.
Aber worauf warten wir
und wie können wir irgendwas ablesen?
Das ist, glaube ich, wirklich sehr, sehr schwierig.
Wir haben es jetzt eigentlich,
das erinnert mich auch immer wieder an so die Erzählungen,
die ich von dir kenne,
aber auch von anderen unseren Vorgängern und Vorgängern,
dass man dann versucht,
zwischen den Zeilen etwas herauszulesen,
zum Beispiel irgendeinen Regimevertreter
lässt sich dann wochenlang nicht blicken
und dann beginnen die Fragen,
was kann das bedeuten?
Jetzt nach dem Putschversuch,
der eigentlich eher eine Mäuterei war,
eine Rebellion durch
Jevgeny Prygoshin angeführt,
den Söldner Führer,
das war danach dann das große Rätseln,
wo sind eigentlich General Syrovikin,
der ist der stellvertretende Kommandeur
der russischen Besatzungsdrucken in der Ukraine,
einige andere Militäranführer
sind auch lange nicht zu sehen gewesen
und daraus versucht man sich dann
irgendwie etwas zu deuten.
Es ist leider undankbar, muss man sagen,
weil es gibt einfach
keine offiziellen Informationen
oder nur sehr spärliche,
aber was wir definitiv nicht mehr haben,
ist irgendein ja zumindest noch halbwegs
durchschaubares System von außen
und auch weil die Mäuterei
von Jevgeny Prygoshin hat gezeigt,
dass dieses System auch von innen
sehr schnell destabilisiert werden kann.
Also eigentlich eine unberechenbare Situation.
Wir hatten in den letzten Jahren
der Sowjetunion
Menschenrechtsgruppen,
Dissident Andre Sacherov,
der führende Dissident
und der Prygianief
ist dann von Gorbatschow freigelassen worden,
ist aus der Verbarnung zurückgekommen
nach Moskau.
Ein großes System auch,
die ist dann beim 1. Volkskongress
in der Gorbatschow zugelassen,
hat der Oppositionsführer
gegen die kommunistische Partei gewesen,
hatte so eine unglaubliche Entwicklung
in dieser zeit-demokratischen Revolution
durchgemacht.
Aber vorher, bevor er das begonnen hat,
waren die Dissidenten natürlich isoliert,
gesellschaftlich isoliert.
Meistens Sowjetbürger haben nicht
viel von ihnen gewusst.
Die haben heute eine Situation,
wo ganz prominente
Putin-Gegner,
wie Andre Navalny
oder Vladimir Karamursa
in Haftier sind,
immer wieder zu neuem
Haftstrafen,
da haben sich 30-jährige Haftstrafen
verurteilt werden.
Sind diese politischen Gefangenen
gesellschaftlich so isoliert,
wie die Dissidenten früher
in der Sowjetunion?
Mir ja bei jemand,
wie Navalny, hat ja eine Massenbewegung geführt.
Ich finde, das ist
eine unglaublich interessante Frage.
Ich glaube,
isoliert nach außen,
auf jeden Fall, weil die
schifführung hat es geschafft,
unter Anführungszeichen
die russische Opposition
so zu zerbröseln,
unter Anführungszeichen,
dass es da keinerlei Möglichkeit gibt,
sich im land zu organisieren.
Also Alexey Navalny
ist nicht isoliert
im Stehnsinn.
Er hat ja ein sehr starkes
Back-up, ein sehr starkes Team
in Europa, außerhalb von Russland,
die für ihn arbeiten,
die auch seinen Fall
weiterhin nach außen tragen
und in gewisser Weise
ist er als Symbolier weiterhin
eine die wichtigste
Figur der
vielleicht nicht mehr so existierenden russischen
Opposition, aber dadurch,
dass ja mittlerweile jeder,
der irgendwie in Zusammenhang
gebracht wird
mit der Antikorruptionsstiftung
von Navalny beispielsweise,
die irgendwie für Navalny gearbeitet hat,
sein kann oder schon das
strafrechtlich verfolgsfern kann,
weil sie auch als extremistische Organisation
eingestuft wurde.
Das für unmöglich
ja natürlich jegliche
Solidarisierung
oder öffentliche Solidarisierung
innerhalb des Landes.
Das macht in Russland,
der kann damit rechnen,
dass er selber strafrechtlich verfolgswert
und im Gefängnis landet
und dahingehend ist das natürlich
eine sehr effektive Methode,
dass
verhindert wird, dass da irgendeine
Opposition zustande kommt.
Ich musste immer daran denken
an ein Gespräch mit einer
mit einer jungen Russin,
die nach Georgien
geflüchtet ist,
direkt nachdem der Krieg begonnen hat,
aber sie war eben die erste Woche,
war sie noch jeden Tag demonstrieren
auf der Straße, weil sie gedacht hat so,
jetzt ist Russland in der Ukraine
einmarschiert, jetzt ist fertig,
das lassen sich die jungen Leute nicht gefallen.
Jetzt werden wir uns
koordinieren und organisieren
und da werden jetzt 10.000 auf die Straße gehen.
Aber es waren am Anfang
ein paar Tausend
und dann sind es immer weniger geworden
und auch deswegen,
weil die Behörden,
die exekutiv
so stark präsent war auf der Straße
durch Sicherheitskräfte,
dass sie die Leute, die überhaupt
jetzt beispielsweise aus den U-Bahn-Stationen gekommen sind,
schon
daran gehindert haben, sich zu formieren,
dass jeder, der irgendwie einen Schritt gemacht hat,
der nach Protest aussieht,
schon behaftet hat.
Und dadurch sind diese Demonstrationen
auf der Straße gar nicht möglich geworden,
weil sie in kleinen Gruppen
zu splittert wurden, wo sie sich nicht
zusammenschließen können. Und das ist für mich so das Bild,
dass sich auch schon
die gesamterrussische Opposition zeigt,
dass hier einfach
richtige Organisationen
und keinen Zusammenschluss überhaupt
möglich ist, der hier irgendwie
eine korrekte Opposition
ermöglichen würde.
André Navalny ist
zu vielen Jahren, ich glaube,
das letzte Urteil war 19 Jahre
verurteilt worden, ist in der Strafkolonie
sehr oft in Einzelhaft,
aber er nimmt auch teil
an den politischen Diskussionen.
Die Opposition im Exil
aber auch im Land selbst
in den letzten Tagen hat ein Manifest
veröffentlicht, indem wir es
mit der ganzen Entwicklung der letzten
20 Jahre, so seit dem Beginn
der jälzen Jahre, abrechnet
und sagt so wie viel
Mitverantwortung haben eigentlich
die Demokraten, die es verpasst haben
in einem Rechtsstaat wirklich zu
zu errichten und die
so viel Energie hineingesetzt haben,
persönlich zu gewinnen
zu machen, wirtschaftlich erfolgreich
zu sein, reich zu werden.
Also eine Abrechnung mit
teilweise auch der eigenen
vergangenen Headball, wie macht es
der Navalny im Gefängnis ein
tatsächliches Manifest
aus längeren Seiten
umfasst und warum.
Das schaltet er sich
mit einer solchen Diskussion
jetzt mit einem solchen
Manifest ein in die Diskussion
wie es weitergehen soll in Russland
mit dem er sagt
dass die Demokraten selber sind
mit einem großen Teil Schuld
dann, dass der Putin jetzt herrscht.
Es ist eine sehr gute Frage und ich habe mich das auch
am Anfang immer gefragt, zuerst einmal
wie kann Alexei Navalny
eigentlich hinter Gittern
noch so viel nach außen
publizieren. Er hatte
einen Instagram-Account mit mehr
Millionen Followern. Er hat
in den totalen Netzwerken
viele Anhänger und
das wurde mir mal so erklärt
von Leuten, die das wissen dürften
dass er ganz einfach im
Gefängnis, wenn er sich mit seinen
Anwälten trifft, denen
in schriftlicher Form
diese Postings oder
Texte dann übergibt. Er hat
durchaus die Möglichkeit
im Gefängnis etwas zu schreiben
wir haben zwar auch da schon immer wieder
nach seinen eigenen Angaben
haben wir da immer wieder gehört
dass er sogar hier schikaniert wird
dass ihm dann das Stift nicht
gegeben wird vom Gefängniswerter
er hat das mit Haftbedingungen zu tun
die als
die eineseits
natürlich den
strengen Regime entsprechen
dass er in dieser Haftanstalt
auch hinnehmen muss
aber es ist gleichzeitig auch
natürlich eine Art von Schikanierung
also da gibt es die Tatsache
dass er 17 mal hintereinander
in den Strafisolator gesperrt wurde
das ist eine Mini-Zelle in der man
alleine ist, in der man 16 Stunden
am Tag nicht liegen kann
weil das Bett hoch klappt und
festgesperrt wird und so weiter
Alexander Valny also
eine Person
die schon auch die Miriam gesagt hat
die es immer noch schafft
ein gewisses Auditorium zu bedienen
was jetzt die
dieses Manifest betrifft
würde ich sagen das ist einfach
auch Teil seiner Arbeit, seiner laufenden Arbeit
er hat auch schon während
des Kriegs, das war vor einigen Monaten
soweit ich mich erinnere
eine Art Plan erstellt
in der es auch darum ging
wie müsste
eine Zukunft nach dem Krieg aussehen
wo es darum ging
dass er Reparationszahlungen gefordert hat
und etliche andere Punkte
ich glaube das ist einfach seine Arbeit
als Oppositionspolitiker
jetzt bei dem konkreten Manifest
in dem man vielen
Demokraten der 90er Jahre
auch die Schuld zugeschoben
an den heutigen Zuständen da haben sich ja viele
auch gleich auf den Schlübs getreten gefühlt
und dann auch gleich repliziert
und sich dann über ihn aufgeregt
also da versucht er sicher auch
gewissermaßen Aufmerksamkeit
zu erregen aber ich glaube nicht
dass das jetzt etwas ist mit dem wir es
in den nächsten Jahren noch zu tun haben werden
das ist ein Manifest
das ist ein Text von vielen würde ich meinen
jetzt ist die Frage wie es weitergeht für ihn
ich war jetzt vor kurzem tatsächlich
bei Alexander Valny in der Strafkolonie
durften dort
bei der Urteilsverkündung
hinein als
Journalistinnen und Journalisten
wie weit ist das von Moskau entfernt
das ist ungefähr 3 Autostunden von Moskau entfernt
man fährt da
Richtung Osten hinaus
und wir wurden dann gründlich gefilzt
am Eingang von Spürhunden
beschnüffelt und haben dann zuschauen dürfen
wie
Anna Valny in einer vollkommen inszenierten
Gerichtsverhandlung die macht schwer
dass man das in den letzten 10 Minuten
verurteilt wurde
wie du sagst zu 19 weiteren
Jahren Haft also es wurde die bestehende Haft
noch einmal auf 19 Jahre verlängert
wir haben aber dabei kein einziges Wort
des Richters verstanden
weil die Urteilsverkündung in einem
Nebenraum stattgefunden hat und die
Liveübertragung so schlecht war
wohl auch vielleicht bewusst
also der Ton so unglaublich schlecht
dass man kein einziges Wort verstehen konnte
es war stunden danach nicht einmal klar
was man jetzt wirklich bekommen hat
das alles glaube ich illustriert ein bisschen
das was ich vorher schon gesagt habe
dass Russland gar nicht mehr versucht den
Anschein zu machen hier irgendwelche
rechtsstaatlichen Prinzipien noch zu verfolgen
man versteht sich da jetzt
als sozusagen
auch vielleicht wenn man so will kann
kann man so interpretieren das Regime
sieht sich selbst als so langlebig
dass sie jetzt auch mal Leute für
20 25 Jahre einsperren
die andere Frage ist natürlich ob sie es
überleben was mit Nawalny passiert
oder ob sie es überleben
weil Nawalny hat ja auch völlig richtig
gesundheitliche Probleme
von denen er selbst berichtet
von denen auch seine Ärzte berichten
wir dürfen nicht vergessen dass der Mann
vor drei Jahren Opfer eines Gift-Anschlags
wurde den er knapp überlebt hat
also das sind alles ernsthafte Dinge
und das gibt natürlich schon anders zu Sorge
wir wissen natürlich nicht wie lange
er diese Haft auch wirklich absetzen
wird müssen, er kommt jetzt in einen
strengeren Haftanstalt
unter noch
widrigeren Bedingungen
und wird dort auch weniger Zugang haben
zu seinen Anwälten, ich denke
da ist auch ein Punkt der mir besonders
auch gefallen ist in diesem Urteil
dass er ihm da verkündet wurde
dass wir dann später auch schriftlich erhalten haben
da ist nämlich auch drinnen, steht drinnen
dass er sich nicht mehr künftig
im Internet äußern wird dürfen
ob sie das auch wirklich, ob man das umgehen
wird können also seine Bewegung
dann haben wir nicht das veröffentlicht
und man wird ihm das trotzdem zurechnen
oder ob das jetzt auch bedeutet
dass er in Zukunft dann auch sich weniger
politisch äußern wird, das ist mir nicht klar
das werden wir sehen, aber ich habe das
spannend gefunden, womöglich der Versuch
ihn da jetzt auch wirklich ruhig zu stellen
unter Anführungszeichen ihn wirklich
letztlich zum Schweigen zu bringen
wenn man ihn schon von der politischen Bühne
entfernt hat an und für sich
ihn jetzt auch wirklich sozusagen vollkommen
aus dem medialen Diskurs
auszublenden, wobei in den staatlichen Medien
kommt er ja sowieso nicht vor
Was für einen persönlichen Eindruck hast du von ihm gehabt
bei diesem Gerichtsverfahren
was sieht man von ihm, wie schaut er aus
wie wirkt er?
Ja also wir konnten ihn nur über einen Bildschirm
sehen, also das war wie gesagt zu einer Live-Betragung
aber da war er schon recht gut sichtbar
und er ist eigentlich erstaunlich
gut gelaunt gewesen an dem Tag
also er ist da hereinspaziert, ohne Handstellen sogar
also das ist, muss man dazusagen
der Gerichtszahl war ja
in der Haftanstalt aufgebaut
das ist sowas, das passiert nie
das wird nur für Nawalny gemacht
nicht einmal für die Schwerstverbrecher
die werden auch mit dem gefangenen Transporter
nach Moskau geführt vor Gericht
aber tatsächlich das Moskauer Gericht
diese Verhandlungen dort in die Strafkohlenei verlegt
und er hat dort, es hat so ausgeschaut
als hätte der Scherze gemacht
er hat sich unterhalten mit einem anderen Mitstreiter
der auch an demselben Tag verurteilt wurde
das ist ein ehemaliger Mitarbeiter von ihm
hat auch acht Jahre bekommen
soweit ich mich erinnere
und das ist jetzt einerseits
kann man sagen, vielleicht auch dem geschuldet
dass er an dem Tag wusste
er ist jetzt auch in der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit
was man aber nicht übersehen konnte
ist, dass er eingefallene Wangen hat
dass er sehr stark abgenommen hat
er ist ein sehr dünner, dratiger Mensch
wir haben ihn auch
zuletzt in Haft das erste Mal gesehen
dass er eine Brille verwendet hat
was wir davor in der Öffentlichkeit nie so gesehen haben
zum Lesen, vielleicht hat sich da auch seine Sicht verschlecht
da kann man jetzt nur mutmaßen
aber wie gesagt auch die gesundheitlichen Probleme
über die er auch öffentlich spricht
die sind sicher etwas
das für ihn wahrscheinlich die größte Gefahr
jetzt bedeutet
wenn je länger er da in der Haft sitzt
bei schlechter gesundheitlicher Versorgung
medizinischer Versorgung, schlechter Ernährung
da ist es natürlich
die Gefahr, dass er nicht nur psychisch
sozusagen versucht wird
gebrochen zu werden
sondern natürlich auch gesundheitlich
mit dem wir
nämlich in der Gorbatschaft
immer wieder diskutiert haben
ein Linkertisident
Boris Kagalicki
ist vor kurzem ebenfalls verhaftet
ein Linker Soziologe
der die Sowjetunion als Maxist
kritisiert hat
und danach
also oppositioneller, intellektueller
in verschiedenen
Bereichen tätig war
eine eigene YouTube, eine eigene YouTube-Kanal hat
und bis zuletzt
eigentlich aktiv sein konnte
mit einer klaren Position
gegen den Krieg
mit einer totalen Ablehnung
des Angriffs gegen die Ukraine
Boris Kagalicki
ist jetzt auch in Haft
weiß man was mit ihm passieren wird
und ist das vergleichbar
zu anderen ähnlichen Verlinen
die
die Aktivisten gegen den Krieg
jetzt
zustande gekommen sind?
Es ist spannend, dass du ihn ansprichst
weil ich wurde letztens auf ihn angesprochen
nämlich lustigerweise von meinem Fahrrad-Mechaniker
ich habe meinen Fahrrad zur Werkstatt gebracht
und der ist ein großer
Anhänger von Boris Kagalicki
der folgt seinem Telegram-Kanal
und
hat
hat das gesagt, das ist für ihn
für ihn ein großer Schock gewesen
weil das war einer der eigentlich davor
eine
dieser konkret dieser Mensch der mir davon erzählt hat
der hat davor nicht so eine eindeutige
Erhaltung zum Regime eingenommen
aber da hat er gesagt, okay das ist jetzt für mich so ein Punkt
der hat sich also
Kagalicki in dem Fall
hat durchaus vorsichtig versucht
seine Worte genau zu wählen
aber auch ihn hat jetzt
diese Repressionsmaschine
sozusagen erfasst
das zeigt denke ich einfach
dass jetzt ein
langsamer aber stetiger
Verzessing angesetzt wurde
in dem jetzt einfach laufend
Leute die sich regimekritisch verhalten
selbst wenn sie das sehr vorsichtig tun
selbst wenn man ihnen vielleicht auch
formal kaum etwas vorwerfen kann
dann werden eben andere Vorwürfe
hervorgeholt
dass man wirklich versucht
diese Leute
mit Strafen zu belegen
oder auch mit Haftstrafen
ich weiß jetzt in dem
konkreten Fall nicht
im Tod wie viele Jahre das sind
aber
ich denke es unterstreicht
nur diese Dendenz es ist ähnlich
wie wir in benachbarten Belarus
schon seit Jahren
sehen das immer noch für die Massenproteste
des Jahres 2020
Menschen heute noch
verhaftet werden
ihnen Dinge vorgeworfen werden die vor 2 Jahren
passiert sind die sie im Internet
irgendwo gesagt haben
das ist eine Dendenz die leider jetzt
eine andere Realität ist
und da ist sicher Karkalicki
eines von vielen Beispielen
ich glaube so memorial ich habe letztendlich
nachgeschaut die Menschenrechtsbewegung
zählt derzeit über 500
politische Gefangene in Russland
das kommt immer drauf an wie man es zählt natürlich
aber das ist definitiv der
höchste Wert seit
dem Ende der Sowjetunion also wir sind hier
auf einem Level das seit Lange
nicht mehr so hoch war
und derzeit sehen wir nur eine Dendenz
nämlich dass sich das ganze verschärft
das ist auch ein Unterschied
zur Zeit der Sowjetunion es war damals
allen bewusst im Westen es gibt
politische Gefangene in der Sowjetunion
es hat Unterschriften Kampagnen gegeben
es hat Solidaritätsaktionen gegeben
also das war ein Thema
bei Linken und Rechten
im Westen aber so ein ständiges Thema
die Menschenrechtsorganisationen
die in der Sowjetunion verfolgt werden
sollen unterstützt werden
die politischen Gefangene sollen freikommen
und das ist heute minimal
es gibt jetzt in den Unterschriften
Kampagnen für Boris Karkaditzki
den viele Linken
in Westeuropa kennen
weil er mit denen in
Diskussion war immerhin
da haben jetzt einige Leute unterschrieben
die sich bis jetzt für Nawal
die nicht engagiert haben
aber es ist schon bemerkenswert
wie da den Putin-Regime
eigentlich etwas
durch etwas akzeptiert wird
fast als normal
was man bei Brezhnev
nicht als normal gesehen hat
500 politische Gefangene in der
russischen Föderation
ist eine riesige Zahl
Miriam, ihr kommt zurück
du kommt zurück
in die Redaktion in Wien
mit welchen Gefühlen
verlässt du Russland?
Erleichterung oder Sorge
oder was ist sozusagen
die Haupteinstellung
aus deiner Sicht?
Alles von dem oben genannten
Nein, also natürlich
bin ich traurig
Russland zu verlassen
auf der anderen Seite
freue ich mich
auf ein
demokratisches Land
und auf eine Umgebung
in der man in der Öffentlichkeit sagen kann
was man denkt, das ist wirklich etwas
das ich
zu schätzen gelernt habe
schon bei einem früheren Gespräch
mit dir gesprochen, dass man
die Freiheit zu schätzen lernt
und das klingt so abgetroschen
und das klingt so
nach einer Phrase und nach einer Floske
aber es ist tatsächlich so
dass man diese Freiheit
die wir in Europa
in Westeuropa
und in Österreich haben
wirklich schätzen lernt
und ich gehe schon auch
mit einer großen Traurigkeit
weil ich dieses Land
wirklich nur
im Absturzzustand
gesehen habe
und ich habe hier so viele
unglaublich engagierte
intelligente, motivierte
Menschen getroffen, vor allem junge Menschen
die was weiterbringen wollten
die das Land verändern wollten
zum Positiven
die motiviert waren
und trotz allem
motiviert waren
dann auch gezungen wurden
das Land zu verlassen
ihre Heimat zu verlassen
und dass diese
Zeit Russlands, die es ja auch
immer gegeben hat
die andere Seite Russlands
die sich gegen das Regime
aufstellt
diese
pro-demokratische Seite
dass diese
Teil der russischen Gesellschaft
immer weiter
abgedrängt wird
und immer
mehr marginalisiert wird
und das macht mich schon sehr traurig
und ich habe auch wirklich große Sorge
vor allem was Minderheiten betrifft
gerade wenn es um
sexuelle Orientierungen geht
oder um Geschlechtsidentitäten
ich glaube
da wird es wirklich noch sehr viel schlimmer
werden hier und also das
macht mir sehr große Sorgen
ich habe da wenig
Grund zur Optimismus muss ich leider sagen
Paul Wieverlesto
Moskau
ich kann mich da in gewisser Weise noch anschließen
ich glaube
dass das
Grundgefühl ist
ja
die Hoffnung
die ich vielleicht
früher
in vieles gesetzt habe
einerseits
einen Teil dieser Gesellschaft
und
irgendwo
gedacht habe es ist doch möglich
dass sich Russland in eine andere Richtung
entwickelt das ist glaube ich vorbei
für mich zumindest derzeit sehe ich das nicht
es ist also eine große Ernüchterung
natürlich auch ein Entsetzen
über diese unfassbare Katastrophe
die hier immer noch weiter geht
sie passiert nicht da wo wir gerade sitzen
aber sie wird von hier aus gesteuert
also von Moskau
genauer Alstab der Armee
und
das ist etwas was
was es schon sehr schwer macht
auch diese
gestellte Normalität des Alltags
hier zu ertragen
es ist ein
wenn man jetzt in Moskau auf die Straße geht
nach wie vor sind dann die Supermärkte
bestens befüllt
die Cafés sind voll
die Leute genießen
im Sommer lassen sich's
gehen
der Krieg ist
absolut
kein oder kaum ein Thema
wenn man jetzt so auf der Straße unterwegs ist
man sieht jetzt immer mehr Plakate
die aufrufen sich in die Armee
das sieht man
das gibt da schon gewisse Dinge die sichtbarer
werden
aber unterm Strich ist ja genau das die Absicht
dieser Regierung
dass die Menschen wirklich vom Krieg
und seinen Folgen abgeschirmt werden
das ist auch so ein Grundgefühl
dass diese Abschirmung
schon sehr viel schlechter funktioniert
als
vielleicht vor einem Jahr, wir sehen das jetzt auch an
diese schon erwähnten Drohnenangriffe
und das ist etwas
ja, ich glaube der Ausblick
den ich
jetzt den hier eigentlich gar nicht wagen will
weil viel zu viel unklar ist
aber
wenn es so eine Grundstimmung gibt
dann ist das eine durchaus eher pessimistische
aber
natürlich werden wir beide
Russland weiter beobachten
und weiter verfolgen was in Russland passiert
das ist sicher auch kein
Abschied für immer
denke ich, es ist
eine wahnsinnig spannende Arbeit
über Russland zu berichten
und in dieser Arbeit
haben wir wahnsinnig viel gelernt
und ich glaube auch genau dieser Wert
von Grundrechten, von Menschenrechten
das auch zu spüren
das war entweder
fast schon am eigenen Leib
aber zumindest am Beispiel
vieler beeindruckender Persönlichkeiten
die wir kennengelernt haben, die wir in der Interviewung konnten
das ist schon etwas, was glaube ich
eine, ich sag mal so schön
charakterbildende Erfahrung war
und ja,
ist das ein
spannendes Kapitel
das jetzt einmal
vorerst zu Ende geht
Paul Krise, Miriam Bella
mit dem Gespräch und alles Gute
nach Moskau
und danke für die Rückkreise
nach Wien, viel Glück für euch
und euer Buch
das Buch erscheint Ende September
im Solner Verlag
ich habe ja schon einen Blick hineinwerfen können
und ich glaube es ist ein Bericht geworden
an dem niemand vorbeigehen wird
können, der verstehen will
was seit dem Kriegsbeginn
in Russland passiert
das Buch Russland vom Innen
können sie auch im Falterbuch
versandt vorbestellen
ich verabschiede mich von allen die uns auf
UKW zuhören, im Freirad Jerole
und auf Radio Aguara in Kärnten
Berichte und Analysen zum
Ukrainekrieg und zur Situation
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im Falter, daher empfehle ich
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abo.falter.at
Ursula Winterauer hat die
Signation gestaltet, Philipp Dietrich
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Was der Ukrainekrieg und die Revolte der Wagner Söldner für Russland bedeuten und wie die Menschen mit der Extremsituation umgehen analysieren die ORF-Moskau Korrespondentinnen Miriam Beller und Paul Krisai im Sommergespräch mit Raimund Löw.
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