11KM: der tagesschau-Podcast: Tomaten aus der Hölle

tagesschau tagesschau 6/28/23 - Episode Page - 29m - PDF Transcript

Eine saftige Tomate in einem deutschen Supermarkt.

Tiefrot, geerntet unter der Sonne Spaniens.

Von Menschen, die ins Lams wohnen.

Du hast Angst vor Feuer, du hast Angst, wenn der Regen kommt.

Das ganze Leben hier macht dir Angst.

Dabei gibt es seit Anfang des Jahres ein neues Gesetz,

das für menschenwürdige Arbeitsbedingungen sorgen soll.

Das Deutsche Lieferkettengesetz.

Warum also verbessert sich die Situation bei der Gemüseernte nicht?

Wir schauen heute genau hin.

In Almería, in Spanien.

Direkt vor unserer Haustür.

Ihr hört, es ist eine sehr gute Situation.

Es ist eine sehr gute Situation.

Ein Thema in aller Tiefe.

Zum abonnieren, weiter schicken und weiter erzählen.

Mein Name ist Victoria Michalsack.

Heute ist Mittwoch, der 28. Juni.

Der Investigativjournalist Jan Wiese von RBB24-Recherche

ist in den, wie sagt man so schön,

Gemüsegarten Europas gereist.

Eine Region in Analyse.

Eine Region in Analyse.

Eine Region in Analyse.

Eine Region in Analyse.

Eine Region in Analyse.

Eine Region in Analyse.

Da, wo die Lieferkette unserer Supermarkttomaten beginnt.

Man sieht schon vom Flugzeug aus

diese riesigen Treibhausplantagenfelder,

die sich bis zum Horizont erstrecken.

Das habe ich so vorher noch nicht gesehen.

Das ist eine richtig karge Landschaft.

Das ist eine absolute Steppenlandschaft.

Der Wind pfeift die ganze Zeit.

Wir hatten jeden Abend rote Gesichter

von dem Sand, der uns durchs Gesicht geflogen ist.

So eine Präzit wie ein ständiges Peeling,

die Haut abgerieben hat.

Es ist zwar immer die Sonne scheint,

aber im Prinzip super unwirtlich.

Man kann sich nicht vorstellen,

dass da Landwirtschaft betrieben wird.

Es ist ja auch nicht Landwirtschaft so,

wie man das landläufig eben kennt.

Das findet ausschließlich unter Plastikfolien statt.

Das heißt, es sind riesige weiße Plastikplanhallen,

die sich über 32.000 Hektar erstrecken.

Diese riesigen Plastikplanfelder an den Wänden,

auch Plastikplanen, alles sozusagen ist zu.

Mit Plastik dahinter findet dann dieser Gemüseanbau statt.

Das hat nichts damit zu tun,

dass da irgendwie glückliche Bauern durch die Gegend laufen

und Menschen sich freuen, dass sie in der Natur arbeiten.

Mit Natur hat das nichts zu tun.

Dann steht man da und dann guckt man,

was denn jetzt eigentlich los ist hinter den Plastikplanen.

Also da wird Gemüse angebaut.

Und da in dieser Hitze unter diesem Plastik,

da ist ja nicht nur Gemüse, da sind auch Menschen.

Da sind auch Menschen, ja.

Also die arbeiten da in der Regel bei 40, 50 Grad.

Es wäre auch Ausnahmen berichtet bis zu 60 Grad.

Denn es wird ja fast das ganze Jahr dort über angebaut.

60 Grad Celsius ist da unter den Planen,

ist es dann heiß, ist ja wie in der Sauna.

Das ist dann wie in der Sauna, ja.

Deswegen macht man das ja, damit es schön warm da drunter ist.

60 Grad, das sind die Grenzfälle,

aber 40 Grad, das ist schon normal.

Das haben wir dann mehrere berichtet,

mehrere Arbeiter, mit denen ich sprechen konnte.

Das ist natürlich Akkordarbeit,

das muss alles so schnell wie möglich passieren.

Die müssen dort richtig durchackern.

Wen hast du da getroffen?

Also Josef ist ein relativ junger Mann,

der aus Marokko nach Spanien gekommen ist,

übers Mittelmeer natürlich, in dem Fall über Italien,

in der Hoffnung auf ein besseres Leben.

So wie die meisten Menschen, die aus Marokko nach Europa kommen.

Und er ist dann über Umwege eben dort in Almeria gelandet,

weil es Arbeit für die Menschen dort gibt, nämlich diese Arbeit,

aber eben auch unter den Bedingungen.

Die Bedingungen werden dann von den Landwirten diktiert,

die diese Arbeiter brauchen und gleichzeitig wissen,

dass diese Menschen kaum Rechte haben.

Zwar gelten Menschenrechte theoretischerweise für alle Menschen,

egal welchen Offenheitsstatus sie haben.

In der Praxis sieht das aber anders aus,

auch bei uns in der Europäischen Union.

Josef, das ist nicht sein echter Name, ihr habt ihn anonymisiert

und der Josef, welchen Eindruck hat er denn auf dich gemacht,

als du ihn getroffen hast?

Das ist ein Mensch, der wahnsinnig desillusioniert ist,

aber noch mehr als das.

Also auf mich machte der einen gebrochenen Eindruck.

Ich spreche ja selber kein Spanisch,

ich war mit einer Kollegin da vom ARD-Studium Madrid,

die Spanisch kann, aber man musste den Innern der Worte nicht verstehen,

um das, was ich gerade erzählt habe, zu erfassen.

Er hat alles, seinen ganzen Körper zum Ausdruck gebracht

und der Klang seiner Stimme.

Und als er noch die Übersetzung kam,

das hat er es dann nur noch unterstrichen,

was er sowieso schon zum Ausdruck gebracht hat.

Du hast Angst vor Feuer, du hast Angst, wenn der Regen kommt.

Das ganze Leben macht ja Angst.

Das klingt so, als ob Josef dieser Hitze

oder der Belastung eigentlich nie richtig entkommen kann.

Wo wohnen die Menschen denn,

die auf diesen Gemüseanlagen in Almiria Tomaten ernten?

Ja, also die Menschen selber wohnen im Prinzip daneben,

oder in der Nähe.

Es ist zum einen so, dass es zu wenig Wohnraum gibt,

auch in der Region und zum anderen viele dieser Erntehelfer

überhaupt nicht genug Geld verdienen,

um eine ordentliche Wohnung zu mieten.

Und was dann passiert ist,

dass sogenannte illegale Siedlungen entstehen

und diese Siedlung, das sind schlichtweg Slums.

Und Slums im strengen Sinne dieses Wortes.

Also das sind also Hütten, die aus Holzstöckern

und Paletten zusammengezimmert sind

und dann bedeckt werden mit den übrig gebliebenen Folien,

der Treibhäuser zum Teil auch schon benutzte,

also kontaminierte Folien, die dann darüber gedeckt werden

und das ist dann die Hütte.

Ein offiziellen Stromanschluss gibt es nicht,

ein Wasseranschluss gibt es nicht.

Das wird dann irgendwie alles illegal hergestellt,

also die Stromleitung wird angezapft.

Ich stand ja da im einen dieser Slums,

die Stromleitung, die da über Land läuft,

irgendwie meines Hochgeklettert

und hat halt die Stromkabel abgezapft

und dann läuft das Kabel nach unten

und auf einmal hängt eine Steckdose dran.

Und von da wird das dann irgendwie 50-fach verteilt.

Das kommt natürlich immer wieder zu brennen.

Und beim Wasser genauso.

Da hat dann eine Hilfsorganisation illegal

sozusagen die offizielle Wasserleitung angezapft

und eine Leitung hingelegt.

Eine für 500 Menschen, wo sie dann immer hingehen

und in Eimern ihr Wasser holen für den Tag.

Und deswegen Slums, weil das Slums sind.

Also da wohnen halt die Menschen,

die die Tomaten produzieren, die wir essen.

Und da bleibt dann das Essen im Hals stecken.

Okay, das heißt, das sind Tomaten,

die wir kaufen aus diesen Bedingungen.

Wo landen die?

Wo kaufen wir die am Ende?

Also nachweislich landen die bei Lidl,

bei Edeka und bei Rewe.

Also ich bin hier durch die Supermärkte

aller wichtigen Supermarketten gegangen

und habe das Tomatensortiment abfotografiert.

Die ganzen Etiketten, alles, was da drauf zu finden ist.

Und bin demnach gegangen sozusagen die ganzen Nummern

und konnte dann von hier aus den Weg nach Almeria

zu bestimmten Kooperativen zurückverfolgen,

über die man dann auf die Landwirte kommt, auf die Einzinnen.

Ich bin dann am Anfang der Lieferkette herausgekommen,

nämlich bei einem ganz bestimmten spanischen Landwirt

in der Region Almeria biosimosa heißt er.

Und biosimosa, da konnte ich dann mit einem Arbeiter sprechen,

der dort über viele Monate gearbeitet hat

und der dann von diesen schlimmen Arbeitsbedingungen erzählt hat.

Biosimosa, das steckt ja schon im Namen, die produzieren Biotomaten.

Und diese Biotomaten, die landen dann eben bei uns,

bei Rewe, Lidl, Edeka, da haben wir die gefunden.

Ich finde das ganz schön krass, dass das ein Bio-Siegel ist.

Irgendwie denkt man ja,

ach, wenn ich jetzt Bio kaufe, dann mache ich da was richtig.

Man hat immer so ein bisschen ein moralisches Gefühl beim Bio-Siegel.

Das müssen wir vielleicht noch mal ganz klar sagen.

Also das Bio-Siegel, das garantiert nicht für gute Arbeitsbedingungen.

Ja, genau. Das denkt man irgendwie unbewusst mit.

Wenn es den Tomaten gut geht, den Pflanzen,

das ist dann auch denjenigen gut geht, die sie anbauen.

Aber das ist nicht so. Das Bio-Siegel ist eben,

da geht es einfach um die Qualität des Anbaus,

dass in bestimmte Pestizide nicht verwendet werden und so weiter.

Das geht wirklich um die Pflanzen, aber nicht um die Menschen, die es machen.

Du hast also auch mit einem Arbeiter gesprochen,

der für Almería, Biosemosa, für diesen Bio-Land wird arbeitet.

Also Saíd ist auch ein Arbeiter, der aus Marokko stammt,

schon sehr lange jetzt in Spanien ist, über 20 Jahre.

Und im Gegensatz zu Josef war Saíd wütend,

auf die Situation, wütend auf die Bedingungen

und wütend auf die Chefs, auf die Landwirte,

die so mit ihren Leuten, mit den Erntehelfern umgehen.

Also Saíd hat auch zwei Kinder, ein Arter von 13 und 15.

Das ist zum einen der Grund, warum er auch nicht zurückgeht nach Marokko.

Und zum anderen habe ich mir so auch den Zorn erklärt.

Also der hat sich ja auch noch um mehr zu kümmern, als ich selbst.

Und mit dieser Wut, über die Bedingungen, die ihm dieses Leben,

sozusagen ihm und seiner Frau und seinen Kindern beschern,

in dieser Wut hat er vor mir gestanden.

Ja, also es ist so, dass Saíd, das der einen Arbeitsvertrag hatte,

das heißt, er hatte auch eine Arbeitserlaubnis.

Also anders als viele anderen Erntehelfer,

wirkte das erstmal auf dem Papier alles in Ordnung.

Und der Arbeitsvertrag, das war alles in Ordnung.

Und der Arbeitsvertrag, das war alles in Ordnung.

Und der Arbeitsvertrag, das war alles in Ordnung.

Und der Erntehelfer wirkte das erstmal auf dem Papier alles in Ordnung.

Und der Arbeitsvertrag hat auch eine Stundenzahl definiert,

nämlich acht Stunden und auch einen Lohn, und zwar nämlich den Mindestlohn.

Das heißt, theoretisch erstmal alles gut.

Aber in der Praxis läuft das dann so,

dass die Menschen viel länger arbeiten müssen,

als auf dem Papier steht, ohne dafür bezahlt zu werden.

Das heißt dann, dass am Ende der Stundenlohn

von dem gesetzlichen Mindestlohn,

der im letzten Jahr bei so gut 7,70 Euro,

und jetzt bei knapp über 8 Euro liegt in Spanien,

sinkt auf gute 4 Euro.

Okay, also das heißt, die machen unbezahlte Überstunden, ohne Hände?

Die machen unbezahlte Überstunden.

Das heißt, die werden ausgebeutet.

Also im Arbeitsvertrag steht 40 Stundenwoche?

Das steht 40, sie arbeiten aber 70,

und es werden auch nur 40 abgerechnet.

Also das ist wirklich dann ein harter Fall von Arbeitsausbeutung.

Ja.

Dazu kommen dann die Sachen,

dass eben die Toiletten fehlen,

das erzählt dem Jesait, ja, also wenn sie mal müssen,

dann machen sie das immer an die Tomatenpflanzen,

was Bio der anderen Art ist sozusagen, oder sie gehen raus.

Pausen sind viel zu kurz oder gar nicht.

Übrigens, Jan und sein Kollege haben die Landwirtschaftsunternehmen

Biozemosa und Biozabor vor ihrer Berichterstattung

um Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten.

Sie haben nicht geantwortet.

Erst nach den Berichten und nach unserer 11km-Aufzeichnung

meldete sich Biozabor schriftlich und bestritt die Vorwürfe.

Es gebe keine Beweise dafür,

dass Arbeiter mehr als 40 Stunden in der Woche arbeiten würden

und unter Mindestlohn bezahlt würden, so Biozabor.

Arbeits- und Umweltschutzbestimmungen würden eingehalten

und es gebe auch ausreichend sanitäre Anlagen.

Es gibt eigentlich genau für sowas ein ziemlich neues Gesetz,

nämlich das Lieferkettengesetz.

Das gibt es seit Anfang des Jahres in Deutschland

und das Bundesarbeitsministerium schreibt dazu,

das Gesetz regelt die unternehmerische Verantwortung

für die Einhaltung von Menschenrechten

in den globalen Lieferketten.

Hierzu gehören beispielsweise das Recht auf faire Löhne

ebenso wie der Schutz der Umwelt.

So sieht das auf dem Papier aus.

Jetzt hast du gerade gesagt, die Realität ist eine ganz andere.

Woher kommt das denn, dass das so anders ist?

Ich muss auch erst mal kurz lachen,

wo du das jetzt so vorgelesen hast nochmal.

Und ich da selbst wieder so vor Ort bin.

Das ist natürlich historisch gewachsen dort unten.

Das Lieferkettengesetz ist ja eine Reaktion auf solche Bedingungen

und darauf, dass diese Bedingungen öffentlich bekannt werden.

Wenn wir alle so ticken würden, dass wir sagen mir doch egal,

sollen noch die Arbeiter da unten so arbeiten.

Hauptsache, ich habe meine Tomate.

Dann gäbe es dieses Gesetz nicht.

Dann gäbe es dieses Gesetz nicht.

Das ist eine Reaktion letztendlich auf ein moralisches Empfinden,

was sich verändert hat in den letzten Jahren.

Und dem muss jetzt die Praxis noch folgen.

Ob sie das wirklich tun wird, das ist noch offen, würde ich sagen.

Denn das Gesetz ist schon von seinem Text her nicht so schade,

dass das, was da jetzt zum Beispiel vom Arbeitsministerium versprochen wird,

dass das jetzt so einfach auch stattfindet.

Konkret zum Beispiel bei unserem Beispiel,

das sind ja sogenannte indirekte Lieferanten, die Tomatenbauern in Almeria.

Der Landwirt X, der liefert ja nicht direkt Edeka zu,

sondern da ist die Kooperative dazwischen.

Da ist dann vielleicht noch der Exporteur aus Spanien dazwischen.

Also so eine Kette, die aus vier oder fünf Gliedern besteht.

Das Gesetz ist aber so gestrickt,

dass es nur für die direkten Lieferanten der deutschen Unternehmen

einen echten, harten Maßnahmenkatalog fordert.

Das heißt, so richtig gilt es gar nicht für die Fälle dort unten.

Aber das finde ich total überraschend,

denn schließlich heißt es ja Liefer Kettengesetz.

Für diese ganzen Ketten, die eben diese Herausforderungen

in der Globalisierung sind, und nicht Lieferpartnergesetz.

Also eigentlich ging es doch genau darum mit diesem Gesetz,

dass man eine Übersichtlichkeit schafft,

dass wir wissen, wo was herkommt

und dass da auch alles mit rechten Dingen zugeht.

Eigentlich dachte ich, dass es genau deswegen dieses Gesetz gibt.

Das klingt ein bisschen widersprüchlich.

Man kann jetzt auch nicht sagen, es geht jetzt gar nicht für die Lieferkette,

aber es geht halt nur in einen sehr reduzierten Sinn.

Nämlich in dem Sinn, dass die Unternehmen,

also wie jetzt hier Rewe, Edeka und Lidl in unserem Fall,

erst dann bei ihren eigenen Lieferanten,

also diesen indirekten Hinschauen müssen,

wenn sie harte Hinweise bekommen, dass da was nicht läuft.

Dann müssen die Unternehmen was machen.

Es gab natürlich viel Lobbyarbeit und die Wirtschaftsvertreter,

die haben vor allem den Aufwand gesehen,

den das für die Unternehmen bedeutet, die Lieferketten zu durchleuchten.

Und man muss schon sagen, das ist jetzt nicht so eine ganz einfache,

triviale Geschichte, weil also jetzt wieder bei den Supermärkten,

selbst so ein eher kleinerer Supermarkt,

der hat ungefähr 6.000 Produkte.

Das hat mir ein Bio-Supermarkthändler erzählt.

6.000 Produkte, hinter jedem Produkt stehen unzählige Lieferanten.

Das heißt, man ist für einen so ein Supermarkt,

da ist man schon im fünfstelligen,

wenn nicht sechsstelligen Bereich an Lieferanten.

Und die jetzt alle zu durchleuchten, das ist jetzt auch nicht mal eben so gemacht.

Das muss man schon sagen.

Trotzdem finde ich, wenn man sagt, uns sind Menschenrechte wichtig

und die Umwelt ist uns wichtig,

dann ist das halt etwas, was man machen muss.

Was sagen denn die Supermärkte hier eigentlich in Deutschland dazu?

Also Edeka, Rewe und Lidl?

Ja, also Edeka zum Beispiel antwortet auf unsere Anfrage,

dass sie halt von diesen Zuständen nichts wüssten,

was zumindest die allgemeine Situation angeht,

schon sehr überraschend war.

Denn es ist wirklich kein Geheimnis, was dort unten los ist.

Und vor allem, wenn man sich in der Branche so ein bisschen auskennt,

was man ja von den Supermarktketten selber denken sollte.

Rewe und Lidl, die waren so ein bisschen, sag ich mal,

ein bisschen umfassender in ihren Antworten,

dass sie natürlich allen Menschenrechtsverstößen nachgehen

und das alles ablehnen, wenn sowas stattfindet.

Sie wissen jetzt aber auch nicht so genau

und überhaupt sind ja aber alle Lieferanten,

alle Produzenten von Gemüse zertifiziert

für gute und soziale Landwirtschaft.

Okay, also diese Tomaten, die ihr da nachverfolgt habt,

so ein bisschen, die haben ja eben dieses Zertifikat.

Das soll ja eigentlich garantieren,

dass damit, ich sag mal so, alles in Ordnung ist,

dass wir das guten Gewissens kaufen können,

dass die Supermarktketten das guten Gewissens verkaufen können,

darauf verlassen die sich ja auch so ein bisschen.

Und dem seid ihr ja auch nachgegangen.

Kannst du mal erzählen, was ihr daraus gefunden habt?

Ja, also dieses Zertifikat Global Gap heißt das Gap

für good agricultural practice.

Und seit drei Jahren auch mit einem Sozial add-on

heißt das für irgendwie soziale Arbeitsbedingungen.

Das ist eine Erfindung europäischer Supermarktketten

aus den 90ern zusammen mit großen Lebensmittelproduzenten

haben sie dann ein Institut gegründet.

Das sitzt in Köln, das ist ihm das Global Gap-Institut

und das formuliert diese Zertifikate

und die Zertifikate selber verteilen dann

einzelne Kontrollinstitute in den Ländern.

Die sind dafür akkreditiert.

Also diese Zertifizierungsorganisation Global Gap aus Köln,

die schicken nicht selbst Kontrolleure dahin,

sondern da gibt es wieder Partner,

die das dann zum Beispiel in Spanien kontrollieren sollen.

Da gibt es wieder Partner, die das kontrollieren sollen.

Und der Partner für die Region Almeria heißt Agro-Color.

Das ist eben das konkrete Institut, das dann die Leute hat,

die zu den einzelnen Plantagen fährt

und dort nachschaut, ob alles passt.

Und zu diesem Institut selbst, wir wollten mit denen sprechen

und fragen, wie die Kontrollen in Stadt finden,

was sie da so herausfinden und so weiter.

Dann haben wir dort angerufen und eine Interviewanfrage gestellt.

Längeres Palaver, längere Pausen.

Und dann kam irgendwann die Antwort, ja, doch sehr gerne.

Toll, dann schreiben sie uns doch eine E-Mail an het.

Und alles, was nachem het kommt, war dann die Kennung

vom Bauernverband.

Das hat uns natürlich stutzig gemacht,

denn der Bauernverband, das sind doch die Leute,

die dieses Institut eigentlich kontrollieren soll.

Und er meinte die Dame am Telefon noch ganz freundlich,

ja, wir teilen uns ja mit dem die Presseabteilung.

Das macht natürlich stutzig.

Man muss auch wissen, die sitzen im selben Gebäude.

Also, da gibt es auch eine räumliche Nähe.

Und als ich dann zurück war in Berlin,

habe ich dem natürlich nochmal ein bisschen nach recherchiert

und dann festgestellt, ach, guck mal an,

der gegenwärtige Geschäftsführer des Bauernverbandes,

der war vorher bei Akkukolor

in diesem Zertifizierungsinstitut angestellt.

Ach, und das Zertifizierungsinstitut,

die Inhaber, einer der Inhaber des Instituts,

ist der Bauernverband selbst.

Und man fragt sich natürlich,

inwiefern da eine unabhängige Kontrolle überhaupt möglich sein kann.

Ja, total.

Also, das klingt irgendwie,

als würde man sich da im besten Fall selbst kontrollieren

und das ist ja dann irgendwie nicht dich.

Ja, also das ist so, das Zertifizierungsinstitut,

was in einem Real sitzt, selbst Akkukolor,

einmal im Jahr Kontrolleure schickt zu den einzelnen Landwirten

und die arbeiten dann in der Liste ab, gucken,

sieht das hier alles so aus, wie die Liste das fordert,

haken das im Idealfall und im Normalfall ab.

Und dann gibt es eben das Zertifikat.

Die Kontrollen sind angekündigt,

das heißt, also die Landwirte wissen Bescheid,

der Hof wird geputzt.

Und das haben uns die Arbeiter, mit denen wir sprechen konnten,

erzählt, diese Landarbeiter selbst,

die sind dann immer nie da zu den Kontrollen.

Ah.

Weil es ist natürlich offensichtlich, warum,

weil die könnten ja Dinge erzählen,

die dann nicht ins Prüfprotokoll passen würden.

Das Kontrollinstitut AgroColor

hat auf jernsschriftliche Anfrage nicht geantwortet.

Okay, die Kontrolle über das Zertifikat scheint dann nicht zu funktionieren.

Aber jetzt gibt es ja eben dieses neue Lieferkettengesetz in Deutschland.

Wie wird das überprüft?

Also, wer achte darauf, dass das zum Beispiel für unsere Tomaten eingehalten wird?

In dem Fall macht das das sogenannte Bundesamt

für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle BAFA.

Und das hat dafür extra eine neue Außenstelle geschaffen,

die sitzt im sächsischen Borner.

Und Borner, das ist wirklich eine Kleinstadt

und die freuen sich jetzt gegenwärtig über 57 neue Arbeitsplätze,

also 57 Bundesbeamte, die sich darum kümmern,

das Gesetz eben zu kontrollieren, aber auch Handreichungen zu schreiben,

um den Unternehmen Hinweise an die Hand zu geben,

wie sie das denn jetzt umsetzen sollen.

Und den Präsidenten Torsten Saffari,

den konnte ich im Rahmen der Recherche dann auch interviewen.

Also, wir können nicht garantieren,

dass Menschenrechtsverletzungen nicht mehr stattfinden

oder dass Menschenrechtsverletzungen abgestellt werden.

Das können wir nicht.

Die Unternehmen müssen sich bemühen,

und ich erwarte das auch,

dass die Unternehmen sich bemühen,

dass es zu keinem Menschenrechtsverletzung kommt.

Sag mal so, der Arten ambivalentes Bild vermittelt.

Also er hat schon gesagt, dass so privatwirtschaftliche Zertifikate,

wie er es genannt hat, also solche Selbstkontrollsysteme,

jetzt für diese Behörde nicht ausreichen,

um wirklich nachzuweisen,

dass diese Unternehmen sich genügend um Menschenrechte

in ihren Lieferketten kümmern,

aber zum anderen eben dann doch für ihn zeigen,

dass die Firmen sich bemühen, wie er sagt.

Sie bemühen sich darum, Menschenrechte einzuhalten.

Dafür steht so ein Zertifikat schon,

und das würden sie dann auch berücksichtigen.

Es ist auch insgesamt so, dass auch der Präsidentin gesagt hat,

dass sowohl sie als auch die Unternehmen

jetzt eine gewisse Zeit brauchen,

um so richtig loszulegen.

Und am Ende des Jahres will man dann so weit sein,

dass es im Prinzip alles einigermaßen steht.

Das finde ich schon ein bisschen erstaunlich,

weil eigentlich gilt dieses Gesetz ja ab Ersten Ersten?

Also ich war da auch überrascht,

weil für mich jetzt als Bürger sozusagen,

wenn Gesetz ab dem Stichtag X gilt, dann gilt es.

Also wenn jetzt die Strafen für zu schnelles Fahren zum Ersten erhöht werden

und ich fahre dann zu schnell,

dann muss ich halt die Neustrafe zahlen

und kann nicht irgendwie sagen, Mensch, ich habe mich echt bemüht.

Ich wollte wirklich 50 fahren

und irgendwie sind es wieder 60 geworden.

Aber es waren ja wenigstens 60 und nicht 65,

wie in der Woche davor.

Bitte lasst mich doch noch mal die alte Strafe bezahlen

und ich gebe mir noch mehr Mühe und das wird was.

Also so wird ja mit uns als Bürgern ja auch nicht verfahren.

Deswegen fand ich das schon seltsam.

Hast du denn noch mal was gehört von Said oder Yousef?

Also Yousef musste raus

aus seiner, in Anführungszeichen,

aus einer Wohnstätte,

denn das Slam wurde abgerissen.

Kurz vorher hat es auch noch gebrannt.

Das Slam wurde abgerissen,

nicht weil jetzt der Staat oder die Region

oder ein mildtätiger Land wird,

Wohnungen errichtet hätte für die Menschen,

sondern schlichtweg weil das Slam als Schandfleck angesehen wurde

von der Bürgermeisterin der nahegelegenen Stadt.

Schandfleck deshalb, weil das direkt an der Straße liegt

über diese Straße sozusagen fahren Touristen anzumehr

und das ist einfach ein zu hässlicher Anblick,

meinte die Bürgermeisterin.

Deswegen musste das weg.

Wo Yousef jetzt hin ist, weiß ich nicht.

Er hat die Sachen, die er nehmen konnte,

sicherlich mit dem Slam gepackt

und ist so wie die meisten anderen in ein anderes Slam gezogen.

Also man denkt sich so ein bisschen,

naja, die Tomaten, die dürfen gekauft werden

und die Touristen, die dürfen auch die Tomaten kaufen,

aber sehen unter welchen Bedingungen das passiert.

Das sollen sie nicht.

Ja, so läuft das Geschäft.

Leckere Biotomaten und ein toller Strand am Meer,

das stört das dann.

Jan, danke dir, dass du da trotzdem hingeschaut hast.

Vielen Dank dir.

Wie es vor Ort aussieht,

das seht ihr im ARD-Mittagsmagazin von Jan Wiese

und seinem Kollegen Adrian Bartokha.

Verlinken wir euch in den Show-Notes.

Wir haben die Folge am 23. März aufgezeichnet.

FKM findet ihr in der ARD-Audiothek

und überall dort, wo es Podcasts gibt.

Wenn euch diese Folge gefallen hat, dann abonniert uns doch gern.

Folgen Autorin ist Jasmin Brock,

mitgearbeitet haben Stefan Beutting und Hans-Christoph Böhringer.

Produktion Christoph von der Werf,

Viktor Werisch, Gerhard Wichow, Simon Schuling,

Fabian Zweck und Christiane Gerhäuser-Kamp

und Christine Dreyer.

Redaktionsleitung Lena Gürtler und FOMI-Kolib.

FKM ist eine Produktion von BR24 und NDR-Info.

Mein Name ist Victoria Michalsack.

Bis morgen, macht's gut.

Und hier noch ein Podcast-Tipp von mir aus der ARD-Audiothek.

Der Nachhaltigkeits-Podcast Besser Leben

klärt Umweltfragen aus dem Alltag und gibt einfache Lösungen.

Jede Woche ein Thema.

Am besten stellen meine Kollegen ihren Podcast aber einfach mal selbst vor.

Ein nachhaltiges Hallo von Besser Leben,

dem Umweltschutz-Podcast von Bayern 1.

Ich bin Melita Walham.

Eulig bin Alexander Dalmus und zusammen sprechen wir über viele Fragen,

die vielleicht auch für euch wichtig sind.

Ist Wildfang besser als Zuchtfisch?

Warum ist es eigentlich nicht sinnvoll, Palmöl zu boykottieren

und warum fällt ausgerechnet schwarzes Plastik aus dem Recycling?

Wir wollen zeigen,

dass es eigentlich gar nicht so kompliziert ist nachhaltig

und damit ja auch ein bisschen besser zu leben.

Der kleine Wissensvorsprung,

der gibt euch hoffentlich den Kick im Alltag.

Ja und sogar kleine Veränderungen können wirklich erstaunlich effektiv sein.

Das ist sozusagen die DNA von Besser Leben.

Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.

In deutschen Supermärkten landen Tomaten, die unter menschenunwürdigen Bedingungen in Spanien produziert wurden, auch Bio-Tomaten. Gerade hat das Europäische Parlament für ein strengeres Lieferkettengesetz gestimmt. Wie nötig das war, zeigt die Recherche von rbb-Investigativreporter Jan Wiese und seinem Kollegen Adrian Bartocha. Sie haben nachgeforscht, wo unsere Supermarkttomaten angebaut werden – und wie dort die Bedingungen für Menschen und Umwelt sind. Bei 11KM berichten sie von ausbeuterischen Zuständen und einem Kontrollsystem, auf das man sich nicht verlassen kann. Und dass, obwohl Deutschland bereits seit Anfang des Jahres ein Lieferkettengesetz hatte, das für den Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards an den Ursprungsorten sorgen sollte.



Ein aktueller Bericht aus der Recherche von rbb24:

https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2023/02/lieferkettengesetz-tomaten-berlin--brandenburg-produktion-menschenunwuerdig-bedingungen-rechte.html



Und auf tagesschau.de:

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/lieferketten-tomaten-spanien-arbeitsbedingungen-101.html



Ein Film aus der rbb24-Recherche über die Tomatenproduktion ab Minute20:20 im ARD-Mittagsmagazin vom 23.02.2023 gibt es hier:

https://www.ardmediathek.de/video/mittagsmagazin/ard-mittagsmagazin-vom-23-februar-2023/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2FyZC1taXR0YWdzbWFnYXppbi9lYTZiNWQ2MC1kZGMzLTRjNjYtYTY2My1mOTRlMTgzMTQ2MjA



Und hier der Link zu unserem Podcast-Tipp "Besser leben":

https://www.ardaudiothek.de/sendung/besser-leben-der-bayern-1-nachhaltigkeitspodcast/13785130/



An dieser Folge waren beteiligt:

Autorin: Jasmin Brock

Mitarbeit: Stephan Beuting, Hans Christoph Böhringer

Produktion: Christoph van der Werff, Viktor Veress, Gerhard Wicho, Simon Schuling, Christine Dreyer, Fabian Zweck und Christiane Gerheuser-Kamp

Redaktionsleitung: FumikoLipp und Lena Gürtler



Wir haben diese Folge am 23. März 2023 aufgezeichnet. 11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info. Redaktionell verantwortlich für diese Folge ist der BR.