Thema des Tages: Terrorgefahr in Wien: Was wir wissen
DER STANDARD 3/16/23 - Episode Page - 11m - PDF Transcript
Ich bin Antonia Raut, das ist Thema des Tages, der Nachrichten-Podcast vom Standard.
Eine Pushmeldung am Handy, wie wir sie täglich zigmal bekommen, reist gestern viele Österreicherinnen
und Österreicher aus ihrem Alltag.
Terrorgefahr in Wien steht da.
Die Nachricht basiert auf einem Tweet der Polizei Wien.
Die Meldung der Polizei über einen möglichen Anschlag in Wien, die hat heute Vormittag
bei einigen für Besorgnis gesagt.
Heute im Morgenverkehr haben die Wiener sehr viel Polizeipräsenz gesehen, viele Polizeiautos.
Der Verfassungsschutz hat nachrichtendienstliche Informationen erhalten und nach ein islamistisch
motivierter Anschlag geplant sein soll.
Erhöhte Polizeipräsenz, Warnungen, das hinterlässt bei vielen Menschen ein mulmiges Gefühl
und viele Fragen.
Was ist da genau los und wie akut ist die Gefahr wirklich?
Wir sprechen heute darüber, was wir bisher über die erhöhte Terrorgefahr wissen, wie
es jetzt weitergeht und wie wir selbst auf die Situation reagieren sollten.
Jan-Michel Marchat, du bist beim Standard im Ressort Innenpolitik der Experte in Sachen
Islamismus und Terrorgefahr.
Was war da gestern los?
Das ist eine sehr gute Frage, auf die wir auch noch keine ganz klare Antwort haben.
Was wir schon wissen ist, dass es eine abstrakte Gefahr gibt, also eine ernstzunehmende, wie
sie in Sicherheitskreisen heißt, aber eben eine sehr unklare Situation im Moment.
Es gab dann gestern den Twitter, wie in der Landespolizei, so kurz vor zehn, wo gerade
über diesen Einsatz informiert worden ist, also dass die Cobra und die Vega verstärkt
in Wien auf Sicherheit gebolzt sind, dass sie einfach bestimmte Bereiche, also im Speziellen
ja auch Kirchen, da verpatuliert haben bzw. einfach auf die Sicherheit geschaut haben.
Aber darüber hinaus ist dann einfach sehr viel offen geblieben.
Du sagst, es gibt eine abstrakte Gefahrenlage, das Ganze hat natürlich extrem viele Menschen
verunsichert.
Wissen wir da ein bisschen mehr über den konkreten Grund, was da jetzt wirklich dahinterstecken
könnte?
Wir wissen ein bisschen mehr, was man vielleicht dazusagen muss, einfach zwecks der Transparenz,
ist einfach sehr viel im Fluss und einfach alles sehr wage, sozusagen.
Aber das, was wir momentan so mitbekommen haben, ist, dass es um eine aus mehreren Personen
bestehenden Zelle gehen soll, wobei man nicht einmal da sicher bin, ob man wirklich Zelle
sagen kann, aber es sollen auf jeden Fall mehrere Personen sein, Staatszugehörigkeit
ist tatsächlich unklar, da möchte ich auch nicht spekulieren, die in Europa möglicherweise
Anschläge planen oder gerade dabei sind, das umzusetzen oder umsetzen wollen und das
ist ja auch der Punkt sozusagen, der uns auch selbst in der Recherche verunsichert hat bzw.
glaube ich auch viele Leute verunsichert hat, also die Medienberichterstattung grundsätzlich
oder die Kommunikation hat ja so gewirkt, dass wären die Personen schon in Wien.
Das kann man aber in Sicherheitskreisen nicht wirklich sagen, ob das wirklich stimmt, also
diese Personen sollen sich auf europäischen Boden befinden, Wienadien, Österreich oder
in Wien dran sind, ist völlig unklar.
Das, was sozusagen die Sicherheitsbehörden in Österreich, sagen Sie mal, sehr unruhig
stimmt ist, man kann nicht ausschließen, dass es Verbindungsmänner zum Beispiel gibt
in Wien, die vielleicht auf diese Personen gewartet haben oder mit diesen Personen in
Verbindung stehen und deshalb hat man einfach sehr umfassend reagiert.
Und wissen wir sonst noch etwas Näheres über diese Terrorzelle?
Wir wissen eigentlich schon seit Wochen, hat es eigentlich der Startschutzchef Oma
H. Javi Birchner immer wieder mal gesagt, dass es speziell in Europa Personen gibt, die
zumindest als Unterstützer von Anschlägen durchaus funktionieren können aus dem
jihadistischen Milieu.
Das wissen wir, dass es eigentlich um eine jihadistische Gruppe gehen soll, es geht also
um radikalislamistische Kreise auf jeden Fall, aber darüber hinaus sozusagen ist einfach
wirklich sehr, sehr viel unklar, inwieweit diese Pläne fortgeschritten sind.
Warum aber eigentlich gerade jetzt?
Also gibt es irgendwas zum Zeitpunkt dieser Terrorgefahr, das du uns sagen kannst?
Es hat schon mit dem Jahrestag des jürischen Bürgerkriegs zu tun, das ist momentan so
die Gefahrneinschätzung der DSN, aber darüber hinaus sozusagen, also war es jetzt konkret
das Ziel gewesen wäre, ob das jetzt wirklich Kirchen waren, dass diese Kirchen einmal in
erster Linie geschützt, weil es nahe liegt sozusagen, aber war es jetzt wirklich oder
welche Objekte sozusagen die Ziele gewesen wären einer möglichen Aktion, das ist einfach
völlig unklar.
Ist dann eigentlich gestern irgendwas passiert, gab es irgendwelche Vorkommnisse im Rahmen
dieses Polizeieinsatzes?
Gar keine.
Das ist vielleicht auch was, was am Tag danach, glaube ich, für viele Personen ein bisschen
irritierend ist, weil gestern gab es eben dieses Aufgebot, heute heißt es ja auch weiter,
dass die Polizei bzw. die Sicherheitsbehörden ja weiter inaktiv sind und das auch weiter
hochhalten sozusagen, weil die Gefahr, diese abstrakte Gefahr eben noch gegeben ist bzw.
wir haben ja auch abgesehen von dieser Gefahranlage sozusagen in Österreich, wir auch noch andere
Jettistengruppen eben schon im Land sozusagen zum Teil, die beobachtet werden, aber abgesehen
davon ist nichts passiert, also das ist vielleicht auch was, was ein bisschen komisch wirkt,
wenn man heute durch Wien straßen geht, hat man nicht jetzt das Gefühl, dass eine Terrorwarnung
am Vordergrund rausgegangen ist, also das ist momentan ein bisschen komfus, glaube ich,
für viele, wie es jetzt eigentlich weitergeht.
Das heißt aber, die Terrorwarnstufe bleibt erhöht derzeit?
Ja.
Da fragt man sich natürlich, wenn es seit Wochen diese abstrakte Gefahransituation gab,
warum hat dann die Wiener Polizei ausgerechnet gestern diesen Sondereinsatz gestartet bzw.
auch die Bevölkerung über Twitter darüber informiert?
Ja, ich mein, da ist der Punkt, diese abstrakte Gefahr sozusagen, also gut, gab es es nicht
in den vergangenen Wochen, abstrakt wusste man, dass es einfach in Gesamteuropa nach wie vor,
auch wenn der IS vor einigen Jahren eben zurückgedrängt worden ist in Syrien und im
Irak, dass es einfach auch in Österreich eben noch immer vor allem junge Männer gibt,
die dem IS nahestehen, Sypatin hegen, diese Ideologie im Kopf haben, dass es durchaus
Hochrisikogefährder gibt in Österreich oder eben auch in Europa und da hat eben auch
der Staatsschutz immer wieder darauf hingewiesen, dass es jetzt quasi in Österreich eben keine
Akutegefahr gibt, aber durchaus Personen, die möglicherweise eben an Anschlägen in
Europa zum Beispiel oder vielleicht auch in Österreich mitwirken können und warum
jetzt die Wiener Polizei jetzt gerade das rausgeschickt hat ist, weil eben am Tag davor
oder am Abend davor war für die Staatsschützer klar, da ist jetzt ein Tipp gekommen, der
offenbar zwar noch abstrakt war oder eben nicht ganz konkret, aber offenbar aus einer
Quelle kommt, die so verlässlich ist, dass man dem nachgegangen ist, warum man es dann
getwittert hat und weil es vor allem gerade so abstrakt ist und weil es einfach so viel
unklar war, dass es natürlich eine gute Frage hätte, die die Wiener Polizei beantworten
muss, weil glaube ich dieser Tweet für sehr viel Unsicherheit gesorgt hat, bzw. die Kommunikation
auch danach, weil einfach sehr wenig gefolgt ist darauf.
Das heißt, an diesem Tweet gab es auch Kritik?
Ja, also definitiv, also wir haben uns ja auch gestern bei der Recherche ganz lange
gefragt, okay, wie klar ist das jetzt eigentlich, ich meine, es haben Menschen auch in unserem
Umfeld teilweise Termine abgesagt oder nachgefragt, kann ja jetzt überhaupt noch an Wiener Stefans
Platz gehen, also auch mit dem Hintergrund, dass wir auch schon mal einen Anschlag hatten
vor einigen Jahren am 2. November 2020, kommt dann natürlich ein mulmiges Gefühl hoch und
gerade wenn dann dieses mediale Spekulationsspiel beginnt irgendwie drum herum, weil eben die
Informationslage so komfuß war und nicht klar war und weil einfach nicht klar kommuniziert
worden ist und weil einfach ganz ehrlich auch in der Recherche, also ein bisschen eigenartig
ist der Innenminister, sagt dazu eigentlich jetzt nichts in größerem Rahmen, jeden, dem
man auch in der Politik gefragt hat, also auch selbst im Bundeskanzleramt, hat man eigentlich
sofort auf andere Stellen verwiesen, hat eigentlich dazu nicht wirklich eine Stellungnahme abgegeben,
also da war einfach sehr viel Unsicherheit dahinter und was man einfach dann gemerkt hat, was
vielleicht auch wirklich die Kritik ist, dass mit der Kommunikation dann so auslaufen
hat, lassen hat, dann die Leute eigentlich mit dieser abstrakten Gefahr eigentlich
in den Abend geschickt und schlafen geschickt sozusagen und eigentlich dann in der Früh
wieder aufwachen lassen mit, ja es gibt diese abstrakte Gefahr noch, aber es ist bis heute
eigentlich sehr unklar, wie soll ich mir jetzt eigentlich wirklich verhalten?
Deshalb sprechen auch wir jetzt noch mal drüber, weil bei vielen ist ja auch die Frage übrig
geblieben, was bedeutet diese nach wie vor erhöhte Terrorgefahr jetzt für mich?
Sollte ich jetzt Großveranstaltungen meiden oder eben zum Beispiel Kirchen?
Also ich glaube, das ist einfach ganz schwer einzuschätzen, weil man eben nicht so recht
weiß, gibt es da Verbindungsmenschen im Land tatsächlich, wo befinden sich die, also das
ist ja vielleicht auch ein völliger Unterschied, ob sich diese verdächtigen Personen vielleicht
sogar verteilt in Europa befinden, ob die vielleicht an einem Punkt sind, das weiß man
eben nicht, das kann man dann einfach zumindest wir, Journalistinnen und Journalisten nicht
einschätzen.
Was man sagen kann ist, ich glaube, dass man sie jetzt wahnsinnig einschränken muss,
da würde es sagen Sie mal ein anderes politisches Auftreten geben.
Ich glaube, das wäre klar, ich glaube aufpassen, ganz grundsätzlich ist nie schlecht, ein bisschen
wacher durch die Stadt gehen, ganz grundsätzlich, aber jetzt sie wirklich ganz akut einzuschränken,
ich glaube, ist jetzt nicht notwendig in dem Sinn, weil es da eben, wenn die Gefahr wirklich
so konkret ist, glaube ich, gibt es ein anderes politisches Auftreten.
Das heißt, sich informieren, auf die Behörden hören, sich von Polizei nicht verunsichern
lassen und auch einen kühlen Kopf bewahren?
Genau.
Ja, viel konkret, das wissen wir leider noch nicht, danke trotzdem Jan-Michel Marchert,
dass du da ein bisserl Licht ins Dunkel gebracht hast für uns.
Danke gerne.
So viel wissen wir also bisher über die erhöhte Terrorgefahr in Wien und Österreich, über
die Gefahr einer drohenden, weltweiten Finanzkrise, spricht mein Kollege Tobias Holub heute in
einer weiteren Folge von Thema des Tages.
Hören Sie rein und bei der Gelegenheit abonnieren Sie doch auch gleich Thema des Tages, wo immer
Sie Ihre Podcast hören.
Das hilft uns wirklich sehr, ebenso wie ein Standard-Abo, wenn Sie uns unterstützen möchten.
Außerdem freuen wir uns auch immer über Feedback und Anregungen, die schicken Sie am besten
an Podcast-Ads der Standard.at.
Danke fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.
Untertitel im Auftrag des ZDF, 2020
Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.
Die Terrorgefahr in Wien gilt derzeit als erhöht, am Mittwoch kam es zu Sondereinsätzen der Polizei. Was steckt dahinter? Wie groß ist die Gefahr wirklich?
Erhöhte Terrorgefahr in Wien – diese Nachricht sorgt seit Mittwochvormittag in Österreich für Unruhe. Die Polizei informierte auf Twitter über eine erhöhte Präsenz. Grund dafür war ein bei der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) eingelangter Hinweis, wonach ein islamistisch motivierter Anschlag geplant sei.
Was ist genau passiert? Wie akut ist die Gefahr? Wir sprechen mit Jan Michael Marchart aus der STANDARD-Innenpolitikredaktion darüber, was wir über die Terrorwarnung wissen – und was sie für uns alle bedeutet.