11KM: der tagesschau-Podcast: Stahlzaun & Schokolade: Auf Patrouille zwischen USA und Mexiko
tagesschau 5/24/23 - Episode Page - 33m - PDF Transcript
Ein gut gesicherter, neun Meter hoher Zaun, der trennt nicht nur die USA und Mexiko, sondern
auch viele Menschen von ihrer Hoffnung, ein neues Leben anzufangen.
Bei FKM gehen wir heute mit Grenzpolizisten in Texas auf Patrouille. Wir erzählen
von Menschenhändlern, von einstürzenden Leitern und wir treffen auf Geflüchtete, die bereit sind,
ihr Leben zu riskieren, um es in die Vereinigten Staaten zu schaffen.
AID-Korrespondent Ralf Borch hat war mit dabei auf Grenzpatrouille zwischen den USA und Mexiko.
Er hat Menschen gefragt, was sie antreibt und was sie auf dem Weg erleben. Und was wurde aus der
humaneren Einwanderungspolitik, die US-Präsident Joe Biden eigentlich versprochen hatte?
Eigentlich.
Ihr hört FKM, der Tagesschau-Podcast, in der AID-Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt. Ein Thema in
aller Tiefe. Mein Name ist Victoria Michalsack und heute ist Mittwoch, der 24. Mai.
Hallo Ralf, hallo nach Washington. Hallo aus Washington.
Ich war in der Grenze in Texas in El Paso. Das ist die Stadt entlang dieser über 3000 Kilometer
langen Grenze, in der und um die herum die meisten Migrantinnen und Migranten in die USA kommen,
legal oder illegal. Ich kam auf die Straße, da stand ein Jeep der US-Grenzpolizei und davor
ziemlich breit schuldrige Jungs. Drei an der Zahl mit schusssicheren Westen hatten alles dabei. Waffen,
Handschellen, Taschenlampen, alles drumrum. Die haben mich mitten in El Paso, es war eigentlich noch
nachts abgeholt, es war noch dunkel, 4.30, halb fünf in der Früh. Und als erstes haben sie mir erklärt,
pass auf, du hast die Genehmigung, du kommst mit, du kannst mit dem Radiomikrofon aufnahmen machen,
du kannst mit dem Handy Videos drehen, wenn die Menschen, die wir treffen, Migrantinnen,
die wir möglicherweise aufgreifen, kurz verhaften, wenn die einverstanden sind mit Interviews. Und wir
sagen dergleich, wenn was Blödes passiert, dann kann dein Videomaterial vom Handy auch gerichtlich
sozusagen als Beweismaterial verwendet werden. Huch, das war jetzt als erste Botschaft ziemlich
heftig, ich hab dann auch gefragt, naja, habt ihr auch für mich ne schusssichere Weste, ihr habt
alle eine an? Nein, hatten sie nicht. Aber ich hab dann gedacht, gut, wir machen uns jetzt auf den Weg,
ich halte mich ein bisschen zurück, check die Situation ab, wann spring ich aus dem Auto mit
denen zusammen, dann bleibe ich vielleicht lieber im Auto und schau erst mal, wie das Ganze in der
Praxis dann abläuft. Und dann, wo bist du da und wie läuft das ab? Wir sind rausgefahren aus der
Start aus Al Perso, das wird dann wüstenähnlich relativ schnell und man sieht dann auch im
Dunkeln, weil er zum Teil beleuchtet ist, diesen berüchtigten Grenzzaun. Ja, Donald Trump hat ja
immer von der Mauer gesprochen, die er bauen will oder baut, deswegen hat man auch irgendwie
immer eine Mauer im Kopf, aber es ist eigentlich so ein Zaun, ne? Genau, es ist ein Stahlzaun,
Mauer, das Trump nimmt ja oft Sprachbilder, die nicht ganz der Wahrheit entsprechen, aber
plastischer sind, auch hier ist es der Fall, es ist de facto an den allermeisten Stellen keine Mauer,
sondern ein Zaun, ein Stahlzaun, ein sehr massiver, rostroter Stahlzaun bis zu 9 Meter hoch. Wie
können die Menschen denn überhaupt über diese Grenze, auch wenn es keine Mauer ist, sondern eben
ein Zaun? Der Zaun ist erstens nicht durchgehend, es gibt Lücken, der Zaun hört dann an einer
Stelle plötzlich auf in der Nähe von Al Perso, dann geht es nämlich in ein sehr hohes Gebirge,
um den Berg Mount Christorey und dort sind Täler, Schluchten, hohe Anstiege, da kann man quasi
keinen Grenzzaun bauen. Es gibt improvisierte Leitern, die wir auch gefunden haben dort auf der
US-Seite des Zauns, die werden dann eingehakt, oben müssen ja 9 Meter lang sein, sind aber oft
sehr sehr zerbrechlich. Was heißt das improvisiert, also woraus sind die? Die sind aus, ich sag mal,
dünnen Stahlstangen, sind die zusammengebastelt, auch das muss man dazusagen, diese Menschenhändler-Kartelle
sind wirklich mit unglaublicher Brutalität unterwegs, es ist für sie ein sehr, sehr
lukratives Geschäft, sie nehmen quasi jeder Migrant in jedem Migrant ein Geld ab, um sie
durchzulassen und dann organisieren sie aber zum Teil auch zum Beispiel Leitern, improvisierte
Leitern, mit denen die über den Grenzzaun klettern. Und wenn dann zum Beispiel eine Gruppe von 10
Migranten versucht, da drüber zu kommen, dann schaffen es vielleicht 5 und beim 6. bricht
diese Leiter zusammen, der stürzt ab, verletzt sich oder ist gerade oben auf dem Zaun, muss dann
runterspringen oder versuchen sich da entlang zu hangeln. Also es gibt auch da beim Überwinden
dieses Grenzzauns mit, in Anführungszeichen Hilfe der Menschenhändler, oft Verletzte und es gab
auch schon Tote, die die US-Grenzpolizei getroffen hat, die eben sich tödlich verletzt haben beim
Sturz vom hohen Grenzzaun.
Es tauchten im Scheinwerfer Licht unseres Polizeijibs zwei Menschen auf, ein Pärchen, Mann und Frau,
Anfang 30 und dann wird ein zusätzlicher Scheinwerfer auf dem Dach des Polizeijibs eingeschaltet, die
zwei haben auch nicht versucht wegzurennen. Raus aus dem Jeep, die beiden Grenzbeamten Orlando und
Richard haben ihnen dann gesagt, ihr müsst alles abgeben, was ihr dabei habt. In einen Plastiksack
stecken bekommt ihr später zurück, also Handy, Papiere, sogar ihre Schnürsenkel mussten sie aus
den Schuhen nehmen. Angeblich haben schon mal Migranten, Migranten versucht mit Schnürsenklingen
auf Grenzbeamte loszugehen oder sich selbst was anzutun. Und dann wird diesen beiden erklärt, was
ihre Rechte sind, was sie erwartet. Sie wurden auch erst mal mit Wasser, Müsli-Riegeln, Schokoriegeln versorgt.
Ist das normal, dass sie da erst mal Wasser und Schokolade dabei haben? Oder war das jetzt nur weil du
dabei warst als Journalist, dass sie vielleicht besonders nett wirken wollten? Das ist normal, also
jedenfalls nach den Erzählungen auch anderer Grenzschützer, die ich dort unten getroffen habe,
dass in der Regel man auf dem Rücksitz des Polizei-Grenzpolizei-Jeeps einen Bündel Wasserflaschen
hat, das zum Teil auch die Grenzschützer mit mehreren Landschpaketen kommen, um die Migrantinnen
und Migranten zu versorgen. Und natürlich muss man als Journalist immer damit rechnen, wenn man dann
zwei an diesem Tag zur Seite gestellt kriegt, die man interviewen kann, dass das besonders freundliche
sind, dass die trainiert sind, auch mit Journalisten zu sprechen. Und dass es da natürlich wie überall
ganz verschiedene Charaktere gibt. Und dann heißt es warten, bis andere Grenzbeamte kommen. Richard
hat in der Zwischenzeit mit ihnen gesprochen, hat sich ihre Geschichte erzählen lassen. Elme und
Cosmel waren ihre Vornamen. Sie kamen, sagen sie aus Chiapas, ein Staat im Süden Mexikos. Die wollten
dann lieber nicht mit mir sprechen, ein Interview machen, haben sich aber sehr ausführlich mit den
Grenzschützern unterhalten. Und sie haben erzählt, bis kurz vor der Grenze ist alles gut gegangen,
aber dann sind sie Menschenhändlern begegnet, die sie nur durchgelassen haben, nachdem sie
umgerechnet rund 1000 Euro in mexikanischen Pesos bezahlt haben. Und dann haben wir in
knapp eine halbe Stunde gewartet, bis andere Grenzschützer kamen, sie in einen Bus gesetzt
haben, mitgenommen haben zu einem Untersuchungszentrum, wo sie dann medizinisch untersucht wurden und
wo ein Sicherheitscheck mit Fingerabdrücken usw. gemacht wurde. Richard, man ist ja schnell
per Du in den USA, auch auf so einer Reportagereise mit Grenzschützern. Richard hat mir dann erzählt,
wie es weitergeht. Dann werden Fingerabdrücke genommen,
sie werden mit ihren Daten, Personaldaten ins Computersystem des US-Grenzschutzes eingespeist, es
wird abgeglichen, ist es vielleicht schon der zweite oder dritte Grenzübertritt, gibt es einen
Asylgesuch, der oder derjenigen. Und dann natürlich, wenn sie keine kriminellen Rekorde haben,
wenn das in der ersten Zeit war, und es ist keine derer derer der Deragogik, die sie gefunden hat,
dann werden die Fingerabdrücke genommen, und dann werden die Titel 42, so zu sagen,
wieder in ihrem Land, wahrscheinlich in den nächsten 24 Stunden.
Und dann werden die Titel 42, so zu sagen, wieder in ihrem Land, wahrscheinlich in den nächsten 24 Stunden.
Damit ist eine zentrale Regelung gemeint, die es für Menschen wie Elmay und Kosmel in den letzten
Jahren schwieriger gemacht hat, in die USA zu kommen bzw. da bleiben zu dürfen. Mit der aber
jetzt, nachdem du da warst, Schluss ist, seit Kurzem. Am 11. Mai ist eine Einwanderungsregel aus
der Corona-Zeit ausgelaufen, zu Ende gegangen. Drei Jahre lang, seit Mai 2020, da war Donald
Trump noch Präsident, galt eine Regel, Titel 42 wurde sie genannt, das ist ein uraltes Gesetz,
und das wurde dann auf die Corona-Epidemie angewandt und besagte, aufgrund der Gesundheitsgefahren
durch das Coronavirus dürfen alle Menschen, die an der Grenze zu den USA ankommen, umgehend wieder
abgeschoben werden. Also ohne irgendeine Prüfung oder? Ohne Prüfung, ohne dass ihnen garantiert wird,
dass sie einen Asylantrag stellen können, was eigentlich ihr Grundrecht ist. Und Trump und zu
Beginn seiner Regierungszeit auch Präsident Joe Biden war diese Corona-Regelung ganz recht, weil
sie ein Instrument war, um Migrantinnen und Migranten sofort wieder nach Mexiko abschieben zu können und
die Zahlen eben nicht zu hoch werden zu lassen, die Einwanderungszahlen. Jetzt ist aber die Corona-Pandemie
bekanntermaßen eben vorbei und man hat nun, Titel 42, durch neue Regelungen ersetzt, die zum
Teil noch schärfer sind und in Zukunft eben genauso garantieren sollen, dass man Migrantinnen
und Migranten umgehend wieder zurückschicken kann. Über diese neuen Regelungen und damit die
Richtung, in die die amerikanische Flucht- und Migrationspolitik sich jetzt bewegt,
da sprechen wir später noch ausführlich, aber jetzt erst mal zurück zur Grenzpolizei von El Paso.
Noch über Funk haben die Grenzschützer, mit denen ich unterwegs war, einen Hinweis bekommen,
dass da ein weiterer Migrant unterwegs ist zu Fuß und der kam dann in Sicht, hat wiederum
selbst gesehen, hoh, da kommt ein Grenzschutz Jeep und ist losgerannt, wollte wegrennen. Die
Grenzschützer haben ihn mit ihrem Jeep eingeholt, Vierradantrieb, keine Chance für den Menschen,
sind rausgesprungen, noch bei laufendem Motor und dann eben der Ruf runter auf dem Boden,
Asuelo, Durchsuchung, Körper abtasten, ob der Mann möglicherweise eine Waffe dabei hat, war nicht
der Fall, ein ganz friedlicher Mensch. Da ist Epifanio, hat sich nur mit Vornamen
vorgestellt. Er hat es zum zweiten Mal versucht, ist schon einmal zurückgeschickt worden,
ich habe ihn gefragt, was ist dein Ziel? Er hat gesagt, ich will Arbeit und das ist die Antwort
der meisten. Sie suchen Arbeit, sie suchen ein Auskommen, sie suchen ein besseres Leben in den USA.
Und dann hat es ungefähr eine halbe Stunde gedauert, in der wir noch sprechen konnten,
bevor er höchstwahrscheinlich ziemlich schnell wieder nach Mexiko zurück abgeschoben wurde.
Ja, wegen Titel 42 möglicherweise, als du vor Ort warst, reif, da war diese Regelung ja noch aktiv.
Und es gab ja auch ziemlich viele Diskussionen, ob sich mit dem Auslaufen dieser Regelung jetzt
viel, viel mehr Menschen auf den Weg in die USA machen, weil sie ja ohne diesen Titel 42 nicht
mehr coronabedingt direkt zurückgeschickt werden können. In der texanischen Grenzstadt El Paso
herrscht heute angespannte Ruhe. Gerüchte kursieren in diesen Tagen viele. Mit der Aufhebung des Titel
42 wird vieles anders werden. US-Behörden rechnen damit, dass nach dem Wegfall des sogenannten
Titel 42 sehr viele Flüchtlinge aus Latein und Südamerika erneut versuchen werden,
über Mexiko in die USA zu gelangen. Ist das denn so gekommen?
Vor dem 11. Mai sind die Zahlen tatsächlich erheblich angestiegen. Da waren es zum Teil
10, 11.000 Menschen, die versucht haben, über die Grenze zu kommen und aufgegriffen
wurden pro Tag von der Grenzpolizei vor dem 11. Mai. Das Überraschende war, dass die Zahlen
jetzt nach dem 11. Mai eher zurückgegangen sind, wieder auf rund 5000 pro Tag gesunken sind.
Dass auch von Präsident Biden erwartete Chaos entlang der Grenze blieb also aus.
Und woran liegt das?
Das ist die große Frage, es um Stritten. Dazu kann ich nur eine Einschätzung liefern.
Mein Eindruck ist, dass es vor allem daran liegt, welche Infos über soziale Medien zu
den Migrantinnen und Migranten kommen. Das ist das Entscheidende, was sie auf ihren
Handys lesen, in ihren einschlägigen Chatgruppen auf Facebook, Instagram und so weiter.
Wer hat denn ganz generell bisher eine Chance, legal in den USA bleiben zu können?
Eine Chance haben vor allem die Leute, die einen Asylantrag gestellt haben, der akzeptiert wird
und die dann während ihres Asylverfahrens, was meistens mehrere Monate dauert, schon in den USA
bleiben dürfen. Und die, die einen Asylantrag stellen konnten, auch wenn der noch nicht positiv
oder negativ beschieden ist, die sind erst mal drinnen, Land. Und denen gelingt es dann
meistens eben auch zu bleiben. Und nach einer gewissen Frist können sie auch legal arbeiten,
einen Job aufnehmen und dann eben, so hoffen sie, wird ihr Asylantrag auch irgendwann akzeptiert.
Oder wenn kein politischer Asylgrund akzeptiert wird, gilt eine humanitäre Ausnahme, auch die
gibt es und sie dürfen dauerhaft im Land bleiben. Das ist die Hoffnung aller.
Okay, also eigentlich braucht man Asyl, also politisches Asyl. Das heißt, man müsste
eigentlich irgendwie nachweisen, dass man verfolgt wird in seiner Heimat und dieser Antrag muss
dann durchgehen. Genau, wenn ich zum Beispiel aus Venezuela komme, nachweisen kann, dass mich das
Maduro-Regime oder meine Familie von diesem Regime politisch eben unter Druck gesetzt
wird, ich in Lebensgefahr bin, dann habe ich gute Chancen, politisches Asyl zu bekommen.
Es gibt, wie gesagt, humanitäre Ausnahmeregeln, auch für Länder wie zum Beispiel im Moment Haiti,
wo die Verhältnisse sehr, sehr schwierig sind, die dann zu politischen Asylgründen hinzukommen
können. Vor allem, wenn ich nachweisen kann, dass ich bereits Verwandte in den USA habe oder
andere Menschen, die für mich finanziell bürgen. Das erleichtert immer die Chancen, dass man auch
in den USA bleiben darf. Und die, die es dann schaffen, über die Grenze zu kommen und ein
Asylantrag zu stellen und die dann erst mal in den USA bleiben dürfen. Wo landen die?
Ich habe mir eine Notunterkunft angeschaut. Eine von vielen Notunterkünften in El Paso,
manche von der Kirche betrieben, manche von Privatleuten, manche von der Stadt, wo diese
Menschen unterkommen. Und ich war in der Rescue Mission of El Paso. Das war mal ein Obdachlosenheim
und seit einigen Jahren hat der Leiter, Blake Barrow, ein Privatmann, sehr kirchlich geprägt,
der auch da sein eigenes Geld reingesteckt hat in das Betreiben dieses Obdachlosenheims, hat
entschieden, jetzt nehme ich auch Migrantinnen und Migranten auf. Und es gibt eine sehr,
sehr große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung. Blake Barrow finanziert sich aus privaten
Spenden, der schickt einen Newsletter raus an ganz normale Menschen, die in El Paso in der
Umgebung leben. Und das reicht eben, um hier im Moment deutlich über 100 venezolanische Flüchtlinge
zusätzlich zu den Obdachlosen aus der Stadt zu versorgen, mit Lebensmitteln und sie dann auch
mal zu unterstützen, um ein Bus-Ticket tatsächlich kaufen zu können, um weiterzukommen in eine
andere amerikanische Großstadt. Und sie kriegen drei warme Mahlzeiten am Tag. Sie kriegen Kleidung
gestellt, um sich neu einzukleiden. Sie können sich erst mal wieder waschen, duschen, nachdem sie
eben eine oft monatelange Reise hinter sich haben und einfach kurz runterkommen, sich erholen.
Wen hast du denn da getroffen? Die beeindruckendste Begegnung war die mit Elisabeth Roussell.
Eine junge Frau sitzt dort in der Rescue Mission in einem kleinen Schlafsaal auf der Bettkante und
strahlt. Und ich habe sie dann angesprochen, ich kann zum Glück ein paar Brocken spanisch,
wir haben uns dann unterhalten auf spanisch und englisch im Wechsel und sie hat mit ihrer Geschichte erzählt.
Terriblemente, aber der Fall ist, dass die Selbe und Mexiko passen. In den Ländern ist das
wie das Terrible, das du passen hast. Sie motiviert zumindest die Selbe und die
Schwierigkeit. Klar, das ist eine Selbe, natürlich. Und du bist nicht bereit für dieses
Typ von Ambienten. Sie ist also durch den Dschungel gegangen und sie sagt, auf den Dschungel in
Kolumbien bist du einfach nicht vorbereitet. Das ist sehr gefährlich. Sie war fünf Monate
unterwegs zu Fuß allein, ich hochschwange. Ja, der Vater will von dem Kind nichts wissen. Ich musste
mich auf den Weg machen, keine Hoffnung mehr bei mir zu Hause. Die schlimmste Strecke auf einem
Fußmarsch von Venezuela durch viele Länder bis zur mexikanisch-amerikanischen Grenze. Im Dschungel
in Nordkolumbien, an der Grenze zu Panama, das ist das sogenannte Darian Gap. Da gibt es keine
asfaltierte Straße, viele wilde Tiere. Es gibt Verbrecherbanden, die dort agieren. Es ist unheimlich
gefährlich. Da mussten quasi alle durch aus Venezuela. Und das zweite ist dann, sie treffen alle
auf die Menschenhändler auf der mexikanischen Seite der Grenze, die ihnen Geld abknüpfen. Zum Teil
umgerechnet tausende von Euro. Black Barrow sagt so, die Leute wissen, welche Gefahren auf sie warten.
Man muss sich mal vorstellen, wenn sie in diesem Wissen trotzdem diese Weitereise auf sich nehmen, dann
müssen die Verhältnisse in ihrem Herkunftsland wirklich verzweifelt sein. Und das motiviert ihn auch,
seinen Job als Leiter dieser Rescumission immer weiterzumachen. Auch Elisabeth hat ja anscheinend
keinen anderen Ausweg mehr gesehen als diese Flucht von Venezuela in die USA. Was sind denn für
sie die nächsten Schritte jetzt? Was hat sie gesagt? Estableserme, que mivevenasca, porque
ya tengo ocho meses y casi medio y poder traer en mis hijos que estar en Venezuela para tenerlos
conmigo acá. Im weiteren Verlauf des Gesprächs hat sie dann gesagt, wenn ich es geschafft habe,
wenn mein Asylantrag anerkannt werden soll. Und ich hoffe das so sehr. Ich hoffe, dass ich
sogenannte Sponsoren finde, die mir hier den Einstieg finanzieren. Ich will nach Chicago,
ich will dort einen Job finden, dann hole ich meine anderen Kinder nach. Sag ich, was? Andre Kinder?
Sie ist 30, sie hat schon drei Kinder, Zwillinge und noch ein weiteres Mädchen. Am Ende möchte sie als
alleinstehende Mutter von vier Kindern, die hoffentlich ihre Hoffnung nach alle irgendwann
in den USA sind, einen Job finden, arbeiten ein besseres Leben und dann vielleicht noch ein
bisschen Geld an ihre Eltern nach Hause schicken können. Also Elisabeth hofft, einfacher Asyl zu
bekommen, indem sie solche Sponsoren findet. Sie hatte das schon, die haben sie dann aber
wieder fallen lassen. Und jetzt ist ja auf der Suche nach neuen Sponsoren, die eben bereit sind,
sie auch finanziell zu unterstützen. Da gibt es hier auch Hilfsorganisationen in den USA,
die eben nach US-Amerikanerinnen und Amerikanern suchen, die sagen, okay, ich gebe so und so viel
Geld im Monat für eine Migrantin, eine Migrantin, die dann eben eine Chance haben, sich hier in
Leben aufzubauen.
Finde ich auch ganz interessant, dass es da so ein System gibt quasi, wie so eine Art Patenschaft. Aber
in den USA ist das ja alles so ein bisschen vereinzelter auch, privatisierter.
Naja, es hängt auch damit zusammen, dass die Grundeinstellung in Amerika ist weniger vom
Staat zu erwarten und mehr auf Privatinitiative zu hoffen, was natürlich viele negative Folgen hat.
Sie ein Sozialsystem, das bei Weitem nicht alle erreicht. Auf der anderen Seite aber eben auch
in manchen Fällen die Spendenbereitschaft, das private Engagement auch finanziell deutlich erhöht.
Ja, Spenden und Hilfsbereitschaft ist das eine. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind das andere.
Wir haben ja schon gesagt, dieser Titel 42, der ist am 11. Mai ausgelaufen. Geflüchtete können
also jetzt nicht mehr coronabedingt sofort zurückgeschickt werden an der Grenze. Wie sieht
denn jetzt die aktuelle neue Regelung aus?
Es ist ein kompliziertes Regelwerk. Ich versuche es zu erklären. Erste Regel. Es darf nur einen
Asylantrag in den USA stellen, wer es schon in einem anderen Land durch das er gereist ist,
versucht hat und wo er abgelehnt worden ist. Also nur abgelehnte Asylantrag zum Beispiel in
Guatemala, in Mexiko, dann recht auf einen Asylantrag in den USA. Dazu sagen die meisten
Migranten, die ich getroffen habe, ich will ja nicht in Mexiko bleiben, ich will auch nicht in
Guatemala bleiben. Warum soll ich da schon einen Asylantrag gestellt haben? Erste Schwierigkeit.
Zweite Regel. Ein Asylantrag soll in Zukunft außerhalb der USA mit einer Handyapp gestellt
werden. Problem hier, diese Handyapp, manche Migranten haben wir die gezeigt auf ihrem Handy,
sie kommen nicht durch. Sie ist überlastet. Für bestimmte Länder gilt ein Kontingent von 30.000
Anträgen pro Monat und es sind eben sehr viel mehr, die versuchen über diese App einen Antrag
zu stellen und gar nicht durchkommen. Und seit Wochen immer wieder in diese App gehen und versuchen,
einen Termin zu bekommen, einen legalen Termin bei einem legalen Grenzposten und es einfach nicht
schaffen. Und die dritte neue Regelung ist eine deutliche Verschärfung. Bisher konnte man es mehrfach
versuchen, illegal über die Grenze zu kommen, wurde immer wieder abgeschoben, wurde aber nur
sehr selten inhaftiert oder bestraft. Zukünftig, wer einmal illegal versucht ins Land zu kommen,
erhält eine fünfjährige Einreisesperre, kann beim zweiten, dritten Versuch inhaftiert werden,
bestraft werden, strafrechtlich belangt werden und kann im Extremfall lebenslang das Recht einen
Asylantrag zu Stellen verwirken. Also, das heißt, wir haben eine Verschärfung und einiges
funktioniert noch nicht, wie es soll. Um jetzt mal auf die größeren Linien der amerikanischen
Flucht und Migrationspolitik zu kommen, warum macht Joe Biden das eigentlich? Ein demokratischer
Kandidat vor seiner Wahl 2020 hat er da versprochen, eine humanere Einwanderungspolitik voran zu
treiben. Diese sehr restriktive Einwanderungspolitik war ja eigentlich die Argumentation von Donald
Trump. Joe Biden ist ein Gegner, warum macht er das? Für Joe Biden ist es ein schwer, schwer
auflösbares Dilemma. Er hat eine humanere Einwanderungspolitik versprochen, du hast es gesagt. Seine
Partei Linke, die progressiven Demokraten dieser Parteiflügel, setzen ihn unter Druck und sagen,
ja, wo ist jetzt die humanere Einwanderungspolitik? Auf der anderen Seite wird er von den Republikanern
unter Druck gesetzt, die ihm vorwerfen, es sei Chaos an der Grenze erzeugt worden, er sei viel zu
weich, zu soft nach wie vor. Und das Schwierige ist, dass diese Fernsehbilder, die hier überall zu
sehen sind, von der Grenze, zum Beispiel aus El Perso, natürlich Eindruck bei den Leuten machen.
Und es ist so, dass dieses Thema Einwanderung mit allen Ängsten, die damit verbunden sind,
die könnten uns Arbeitsplätze wegnehmen. Da kommen einfach zu viele, da kommen auch
Kriminelle, die bringen Drogen mit. All das wird von Trump und jedenfalls einem Teil der
Republikaner verbreitet. Hier werden Ängste geschürt, das setzt Joe Biden von der anderen
politischen Seite unter Druck. Und die Republikaner haben klargemacht, wir wollen dieses Thema Migration,
dass da zu viele Leute kommen, dass das gefährlich ist, zu einem Wahlkampfthema machen,
im nächsten Präsidentschaftswahlkampf. Und deswegen versucht Biden nun verzweifelt,
Härte zu beweisen und der Öffentlichkeit zu sagen, hey, ich habe auch harte Maßnahmen,
um eben zumindest die Zahl der Migrantinnen und Migranten in Grenzen zu halten.
Mhm, okay, also es geht einfach darum, dass Trump das Thema wieder für sich nutzen wird im
nächsten Wahlkampf und eben die Mauer wieder als Wahlkampfhebel nutzen will.
Ich habe mit einem Migrationsforscher gesprochen, Josiah Heyman, der an der University of Texas
sich seit Jahrzehnten mit diesem Thema beschäftigt, wirklich ein Experte ist.
There is throughout the entire world a increasing sort of wall around the west, a reluctance to let
people from oftentimes middle income countries come in and migrate across borders. That's playing
out right now. Also er beobachtet da so eine Art Mauer um den Westen und eine wachsende Abwehrhaltung.
Und er meint, dass das auch was mit Rassismus zu tun hat.
They're definitely afraid of the political symbolism of letting in immigrants. And my impression
is that anti-immigrationism is really a powerful emotional driving force among a significant
segment of the US population. So while opinions about immigration are sort of 50-50.
Er sagt, eigentlich ist die Einstellung in der US Bevölkerung ungefähr 50-50. Also die Hälfte
hat grundsätzlich Verständnis für Einwanderung. Viele Amerikaner sind ja selbst Einwanderer oder
ihre Eltern, ihre Großeltern, ihre Urgroßeltern. Also es ist eine Einwanderungsland. Und die andere
Hälfte ist grundsätzlich skeptisch. Und er sagt aber das Problem ist, dass die Emotionalität auf der
Antiimmigrationsseite viel viel höher ist und dass diese Ängste eben gerade in einem ohnehin
emotionalen Wahlkampf dann eben oft wirken und auch wahlentscheidend sein können. Denn bei jeder
Wahl kommt es am Ende auf eine sehr, sehr kleine Schicht von Wählern in der Mitte, auf die Wechselwähler
an, die mal so, mal so wählen und dann eben jeweils für eine knappe Mehrheit in der Vergangenheit mal
für Trump dann für beiden gesorgt haben. Was wäre denn ein Ausweg aus diesem Dilemma vielleicht
für beiden? Wie hätte es denn anders laufen können? Wahnsinnig schwer mit dem Ausweg. Ich war
auch schon 2015 als Reporter auf der Balkanroute unterwegs in Europa und vieles jetzt, was ich an
der Grenze zu Mexiko hier in den USA erlebe, hat mich auch an damals die sogenannte Flüchtlingskrise
in Anführungszeichen damals erinnert. Es ist fast ein unauflösbares Dilemma. Man müsste eigentlich
die Verhältnisse in den Herkunftsländern verbessern, damit nicht mehr so viele Menschen sich auf den
Weg machen. Das hat mit politischen Umständen, mit sozialen Umständen Armut inzwischen auch sehr
viel mit Klimathemen zu tun. Es gibt auch Klimaflüchtlinge immer mehr. Ein weiteres Problem ist,
dass das Asylrecht in vielen Ländern nur noch auf dem Papier existiert und eigentlich alles getan
wird, damit dieses Asylrecht eigentlich hat. Jeder Mensch das Recht, einen Asylantrag zu
stellen, ist gar nicht erst anwenden zu müssen, sondern die Leute fernzuhalten. Und hier spielen
bestimmte Staaten eben eine sehr schwierige Pufferfunktion. Damals 2015 hat Angela Merkel versucht
mit dem sogenannten Türkei-Dil, die Türkei zu bewegen, möglichst viele Flüchtlinge aufzuhalten.
Ähnliches passiert jetzt von US-Seite mit Mexiko. Man gibt Mexiko sehr viel Geld, um die Flüchtlinge
gar nicht bis zur Grenze zu lassen. Aber Mexiko ist selbst ein sehr problematischer Staat, der kaum
sozusagen im Griff hat, was die Menschenhändler und Drogenkartelle da treiben. Ja, das ist nämlich,
das ist ja das schwierige, organisatorisch, wirtschaftlich, aber eben auch vor allem total
emotional. Absolut. Kann ich auch persönlich sagen, wenn du in einem solchen Flüchtlingslager,
in einer Notunterkunft stehst und mit den Menschen redest, jeder, jede hat persönlich einen Grund,
sich auf den Weg gemacht zu haben. Du kannst jeder einzelne Geschichte verstehen, aber du weißt
gleichzeitig, es sind insgesamt so viele, die sich auf dem Weg machen wollen, die können, die USA,
Deutschland, nicht wirklich alle am Ende aufnehmen. Und es ist wahnsinnig schwierig,
auch emotional für sich selbst aus diesem Dilemma eine klare Linie zu machen und rauszukommen.
Ralf, vielen Dank, dass du uns davon erzählt hast. Ich habe es ja gerne gemacht. Danke euch.
Das war FKM, der Tagesschau-Podcast, mit einer Recherche von Ralf Beuchert,
ARD-Korrespondent in Washington. Den Link zu seiner Reportage für den BR Breitengrat
aus El Paso findet ihr in den Shownotes. Und wenn euch auch interessiert, wie es eigentlich
an den EU-Außengrenzen aussieht, dann empfehle ich euch unsere Folge vom 23. Januar. Die heißt erst
Pushbacks, jetzt Schüsse. Was ist los an der EU-Außengrenze? Folgen Autorinnen der heutigen
Folge ist Jasmin Brock. Mitgearbeitet hat Mira Sophie Potten, Produktion Ursula Kirstein,
Jacqueline Bredcek, Alex Berge, Hannah Brünnes und Eva Ehhardt. Redaktionsleitung Lena Göttler
und FOMI KULIP. FKM ist eine Produktion von BR24 und NDR Info. Mein Name ist Victoria
Michalsack. Wir hören uns morgen wieder. Tschüss!
Ich bin Ingo Zamperoni von den ARD-Tagesthemen. Im Podcast Amerika Wir Müssen Reden spreche ich
alle zwei Wochen mit meiner Frau Jiffer über das, was die USA und aus transatlantische Verhältnisse
im Allgemeinen bewegt. Besonders über den politischen Streit in der amerikanischen Gesellschaft,
der ja so viele Themen durchzieht. Denn ähnlich wie das Land ist auch meine amerikanische Familie
gespalten. Mein Schwiegervater etwa will Trump und die Republikaner, meine Frau ist von den
Argumenten der Demokraten überzeugt. Vor diesem Hintergrund diskutieren wir über Steuern,
Abtreibung, über Migration, Waffenrecht oder das komplizierte Wahlrecht. Es gibt also viel zu
bereden in meiner Familie und darüber hinaus. Hört also gerne rein in unseren Podcast zum
Beispiel in der ARD-Audiothek.
Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.
“Auf den Dschungel bist Du nicht vorbereitet”, sagt die hochschwangere Elisabeth Rosell, die fünf Monate lang unterwegs ist. Ihr Ziel: Ein besseres Leben in den USA. Viele Menschen aus Lateinamerika versuchen auf US-amerikanischem Boden eine Perspektive zu finden, einen Job. Dazwischen liegt eine monatelange Reise, bis zum US-Grenzzaun. Auf der anderen Seite warten grelle Scheinwerfer, aber auch stärkende Snacks. In dieser 11KM Folge begleiten wir Ralf Borchard, ARD-Korrespondent in Washington, im Morgengrauen an den Grenzzaun bei El Paso. Die US-Grenzpolizei versucht dort, die Ankommenden aufzuhalten, um ihr Bleiberecht zu überprüfen. Seit dem 11. Mai gelten neue Bestimmungen: Zwar ist der sogenannte “Title 42”, der Coronabedingt eine sofortige Abschiebung erlaubte, ausgelaufen, und trotzdem hat US-Präsident Joe Biden die Regeln rund um Asyl, Flucht und Migration eher verschärft. Wohin steuert das Einwanderungsland USA?
Hier der Link zu Ralf Borchards Radioreportage zur Patrouille an der US-mexikanischen Grenze: https://www.ardaudiothek.de/episode/breitengrad/am-grenzzaun-in-el-paso-versagt-die-us-einwanderungspolitik/bayern-2/12589359/
An dieser Folge waren beteiligt:
Folgenautorin: Jasmin Brock
Mitarbeit: Mira-Sophie Potten
Produktion: Ursula Kirstein, Jacqueline Brzeczek, Alex Berge, Hannah Brünjes und Eva Erhard
Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler
11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info. Die redaktionelle Verantwortung für diese Episode trägt der NDR.
...und hier geht es zu “Amerika, wir müssen reden” in der ARD Audiothek, unserer Podcast-Empfehlung mit Ingo Zamperoni:
https://www.ardaudiothek.de/sendung/amerika-wir-muessen-reden/82222746/