11KM: der tagesschau-Podcast: Shlomo, der Holocaust und die Bestie von Sobibor (Wiederholung)

tagesschau tagesschau 4/5/23 - Episode Page - 24m - PDF Transcript

Hallo, ich bin's Victoria Michalsack.

FKM macht gerade eine Ostabhause bis Montag, den 17.

April.

Bis dahin empfehle ich euch hier Folgen, die ihr vielleicht verpasst habt.

Heute eine, die mich besonders bewegt, denn es geht um einen Mann, der den Mörder seiner

Familie wieder getroffen hat.

Schlomo, der Holocaust und die Bestie von Sobby Boa, ein FKM-Podcast vom 27.

Januar.

Für mich im Speziell habe ich kein Mann in meinem Leben keine Ruhe gehabt.

Meines ganzen Lebens sind, ich bin für Sobby Boa raus, tu ich keine andere Sachen nicht machen.

Ich denke, ich schlafe, ich stehe auf und immer, ich tu er nur sprechen und erinnern, Sobby Boa.

Das ist Stanislav Schmeisner.

Seine Freunde nannten ihn Schlomo.

Er hat den Holocaust überlebt.

Aber 35 Jahre später steht Schlomo plötzlich wieder vor der Bestie von Sobby Boa, vor dem

grausamsten Werter von dem Vernichtungslager, aus dem Schlomo nur knapp entkommen ist.

Schlomo trifft auf Gustav Wagner.

Das passiert 1978 in einer Polizeistation in Sao Paulo in Brasilien.

Hier ist FKM der Tagesschau-Podcast und ihr erfahrt, wie Schlomo reagiert, als er seinen

Peiniger wiedererkennt und ob es am Ende überhaupt eine gerechte Strafe geben kann, für so etwas

Unbegreifliches wie den Holocaust.

Ich spreche mit Investigativreporter Antonius Kempmann vom NDR.

Er hat über viele Jahre gemeinsam mit seinem WDR-Kollegen Martin Kauhl die unglaubliche

Geschichte von Schlomo recherchiert.

Hallo, herzlich willkommen.

Hallo.

Mein Name ist Victoria Michalsack.

Heute ist Freitag, der 27.

Januar, Holocaust Gedenktag.

Die Begegnung zwischen diesen beiden Männern, das ist eine ganz merkwürdige Szene.

Sie ist so, da ist ein großer Raum in einer Polizeibache in Sao Paulo und der ist schon

voller Presse und Kameraleuten und Licht und Blitzen und Leuten, die rauchen und Leute,

die warten.

Und dann kommt Stanislav Schmeißer, der wird befragt, Journalisten kommen und versuchen

erst mal zu verstehen.

Okay, das hier ist Schlomo, also er spricht nicht Deutsch, sondern Portugiesisch.

Und dann wird irgendwann Gustav Wagner reingeführt und zuerst sehen sich diese beiden Männer nur

so über den Raum quer und gucken mal so hier und da und dann fangen die Journalisten an

zu fragen und sagen, der Mann, der da gerade reingekommt, ist das der Gustav Wagner, den

sie meint.

Dann guckt Schlomo nur einmal kurz rüber und sagt, ja, das ist er, das ist SS-Oberscharführer

Gustav Wagner und dann guckt er immer wieder rüber und dann ist es irgendwie klar, jetzt

kommt es zu einer Konfrontation, Wagner kommt dann ran und die beiden Männer reden dann

miteinander.

Okay, das ist ja schon eine irre Szene, oder?

Ja, das ist ein Moment, den man glaube ich so ganz selten sieht, also vielleicht hat

man den mal bei Gerichtsverfahren gehabt oder so, aber diese Konfrontation zwischen Tätern

und Opfern, diese Unmittelbarkeit, auch die ist nicht moderiert durch irgendwas, nicht

zum Beispiel durch die Rolle eines Zeugen oder so, das ist einfach, sie treffen sich da

ja nicht im Gerichtsverfahren, sie treffen sich einfach in einem Raum, in einer Polizeivache

und deswegen ist es auch so lebendig, die Auseinandersetzung, die sie haben, die ist nicht, wird nicht

von irgendwem geleitet oder so, die beiden Männer fangen an das Unmittelbar miteinander klären

zu können.

Und Schlomo ist sozusagen der Ankleger, der immer sagt, gib zu, sag was du getan hast, sag

was du getan hast, sei ein Mann, sag doch mal was du getan hast.

Die Journalisten fragen sehr offen und fragen auch Wagner sehr offen und sagen, sagen sie

mal, wir haben gehört, wir müssen uns das vorstellen, was war das für ein Lager, wie

sah es da aus und die fragen erstmal so relativ offen und Wagner versucht ein Bild von sich

zu zeichnen, als jemand, der da war, der da irgendwelche Tätigkeiten hatte, der aber

mehr oder weniger fast nie im Lager war, sondern da mehr so Hilfstätigkeiten ausgeführt hat

und versucht alles von sich wegzuschieben.

Er wird dann von einer deutschen Journalistin gefragt, ob er denn ein Nazi sei.

Einer, der für sein Volk national denkt, das ist ein Nazi.

Und dann sagt er, ein Nazi, ein Nazi, was soll das schon sein?

Was ist das, was heißt das?

Ist das ein Schimpfwort oder ein Ehrenwort oder ich weiß nicht, was das ist.

Er versucht das alles von sich wegzuhalten.

Er wird gefragt, ob er mal Tote gesehen hätte, überhaupt nur und er sagt, nein, das habe

ich nicht gesehen.

Ich habe nur Tote gesehen und damit habe ich nichts zu tun.

Schlomo nennt ihn einmal den Hänker von Sobi Boar, während er vor ihm steht und sagt,

der Hänker von Sobi Boar steht endlich vor mir, denk einmal, was das für mich bedeutet.

Also das sind alles Spitznamen, die er da bekommen hat und jeder hat eine Geschichte

auf Lager, wo Wagner eigenhändig Menschen getötet hat, auch oft auf sehr grausame Art

und Weise.

Also einfach, also lange, qualvolle Tode.

Er war bekannt für sein Sadismus, seine Brutalität, auch für seine Kreativität in der Grausamkeit

und er war ein Mann, vor dem alle Angst hatten, sogar seine eigenen Kollegen hatten vor

ihm Angst.

Er galt als jemand, der unberechenbar war und mit dem er sich nicht anlegen wollte.

Antonius, du bist ja Investigative Reporter beim NDR und zusammen mit deinem Kollegen

mit Martin Kaule hast du in den vergangenen Jahren zum Leben von Schlomo recherchiert.

Wer das ist, wie es zu diesem Treffen bekommen ist und du bist auch zu dem Ort gegangen,

wo diese Geschichte gewissermaßen begonnen hat, nach Sobibor, das ist ein kleiner Ort

im heutigen Polen, wie sieht es da heute aus?

Heute ist es da so, dass man sehr genau gucken muss, wenn man noch Reste oder überhaupt

Artefakte sehen will von damals, denn die Nazis, die wussten natürlich, dass davon

nichts übrig bleiben soll, ihre Taten sollten ja nicht irgendwie offensichtlich werden und

sie haben sehr penibel dieses Lager zurückgebaut und sie haben auch dort an der Stelle, wo

das Lager stand, haben sie ein Wald gepflanzt, damit keine Spuren zurückbleiben und man

muss heute schon in der Erde graben, um überhaupt noch Reste zu finden, Fundamente

von der Gaskammer oder Objekte, die die Juden dort wie fallen gelassen oder vergraben haben,

Wertgegenstände oder so, das wird heute alles noch gefunden, aber es ist nicht so, dass

man sich kein Bild machen kann, von dem Lager an sich ist halt nichts übrig geblieben, aber

man sieht durchaus noch Sachen, die Rampe zum Beispiel, wo die Juden angekommen sind und

von dort direkt dann zur Vergasung zu gehen, die ist noch da, also wenn man da steht und

das Lager im Kopf hat, dann kann man sich das natürlich alles sehr gut noch vorstellen.

Okay.

Damals, als Zubibor ein Vernichtungslager war, da ist Schlomo Schmeißner dort hingekommen.

Was weiß man darüber?

Er kommt mit einem der ersten Transporte im Lager an, im Mai 42, da hat das Lager gerade

aufgemacht und er kommt mit seiner Familie zusammen an und da wird erst mal von seiner

Familie getrennt.

Man darf ja auch nicht vergessen, der ist, als er ankommt, ist er 15, also ist noch ein

halbes Kind.

Die SS-Leute wissen, sie brauchen einige Arbeitsjuden, die für sie Dinge erledigen können,

die zum Beispiel das Lager auch weiterbauen, was damals von der Größe ja noch gar nicht

ausreichend ist, deswegen nehmen sie aus jedem Transport ein paar Leute raus und dann fragen

gewisse Berufe ab, sagen eschen Tüschler, eschen Maurer und so weiter, die werden dann

rausgeholt.

Und als die Wagon-Türen aufgehen, ist der erste Mensch, den Schlomo sieht, ist Gustav Wagener.

Dem Tag, wenn ich hier bin, angekommen, habe ich den Gustav Wagener gesehen, der hat es

auf die Leute geschossen.

Viele Leute sind totgefallen, schießen Leute und erhagen Leute und hängen Leute, das war

eine normale Sache zu sein.

Und Gustav Wagener nimmt die Selektion vor und sucht sich die Leute raus, die er braucht

und Schlomo meldet sich dann freiwillig und sagt, ich bin aber Goldschmied, kann ich

nicht irgendwie auch was tun und dann holt Wagener ihn raus und sagt, ja doch Goldschmied,

das klingt interessanter.

Das kann mir vernutzen sein und selektiert ihn aus und Schlomos restliche Familie wird

aber sofort zur Vergassung geführt.

Was haben Sie denn da als Goldschmied gemacht?

Beringe, Monogramme, verschiedene Sachen.

Es gibt einen unglaublichen Anfall auf einmal von Schmuck, von Gold, von Dingen, die Leute

so dabei haben.

Und dann gibt es natürlich auch noch eine sehr makabre Quelle, gibt es natürlich auch

noch die Goldzähne, die Leute in den Mündern haben.

Das heißt, die Arbeitsjuden, die die Gaskammern ausleeren müssen und die Leichen entnehmen,

die werden dann auch zusätzlich noch beauftragt, allen Toten die Goldzähne herauszubrechen.

Und diese Goldzähne landen dann wiederum in Schlomos Werkstatt und er wird damit beauftragt,

das Gold einzuschmelzen und daraus Gold herzustellen.

Für die SS, Leute, oder für wen?

Für die SS.

Nur für die SS.

Das heißt, er wird dann Teil dieser Verwertungsmaschinerie und das ist das, was er tun muss, um

zu überleben.

So überlebt er.

Boah, Antonius, das ist so hart oder ich finde es echt, da musste ich mal ganz kurz, ganz

Deutsch schlucken.

Ja, das ging uns auch auf so.

Der Wendepunkt in der Geschichte des Lagers ist dann also auf einmal jüdische, russische

Kriegsgefangene ins Lager kommen.

Die sind militärisch geschult, die sind Kampferfahren, die kennen sich, dann wagen die Insassen

einen Aufstand, sie bringen einige SS-Leute um und schmeißen sich dann einfach in die

Zäune und versuchen einfach einen wilden Ausbruch zu machen, auch unter Beschuss laufen durch

die Minengürtel, ungefähr 300 Leute schaffen es, aus dem Lager rauszukommen und von denen

kommen dann aber die allermeisten noch innerhalb der nächsten zwei Jahre bis zum Kriegsende

dann noch um, weil sie von polnischen Partisanen getötet werden oder weil sie von deutschen

eingefangen werden, von deutschen Soldaten oder durch Dinge, die da in den Wäldern passieren.

Also insgesamt nur weniger als 60 von den Ausbrechern überleben überhaupt das Ende des Zweiten

Weltkrieges.

Und einer von diesen 60 ist Schlomo.

Genau, einer von diesen 60 ist Schlomo und er ist derjenige, der die längste Zeit im

Lager verbracht hat.

Er ist eigentlich ein Zeuge, den es überhaupt nicht hätte geben dürfen.

Okay, Schlomo ist frei und er macht einen Neuanfang danach, wie sieht er aus?

Er hat weit entfernte Verwandte in Rio, das weiß er noch irgendwie im Hinterkopf.

Er selber sagt immer, er wollte eigentlich nach Israel und das geht dann aber nicht.

Und ich glaube, Brasilien ist eine zweite Wahl und dann besteigt er ins Schiff und fährt

nach Rio de Janeiro und kommt da im Jahr 1947 an.

Er versucht, glaube ich, erstmal ein ganz normales Leben zu führen.

Er lernt eine Frau kennen, eine brasilianische Jüdin, er gründet eine Familie, er bekommt

zwei Söhne, wir kennen auch Fotos von ihm aus der Zeit, da ist er mit seinen zwei kleinen

Kindern im Park usw. und es wirkt erstmal sehr so, wie jemand, der sagt, jetzt ist

derzeit für die Normalität.

Spätestens Ende der 60er Jahre weiß Schlomo das Wagner in Brasilien ist und er ist völlig

aufgebracht über diese Nachricht.

Eine Journalistin erzählt das ihm und sagt, wissen sie eigentlich, dass Wagner auch da

ist.

Und dann hat er eine spontane Reaktion, die so ist, dass er sagt, dieser Mann darf

nicht die gleiche Luft atmen, wie ich, der muss sterben.

Diese Nachricht macht mich fürchterlich krank, wenn ich das höre.

Und da muss er sehen, dass er sein neues Leben, was er aufgebaut hat, dass er das durch Zufall

in dem gleichen Land wie die Täter aufgebaut hat.

Dass er also die ganze Zeit in der Nähe der Mörder seiner Familie sozusagen verbracht

hat.

Ich habe das immer auch verstanden, als jemand, der wirklich versucht seine Vergangenheit

hinter sich zu lassen.

Also im Dschungel in Brasilien, das ist einfach sehr, sehr weit weg von den Wäldern Ostpolens.

Und er kann seine Vergangenheit einfach nicht entkommen, egal was er tut, er kommt da halt

nicht raus.

Sie können einander nicht wirklich entkommen.

Und dann treffen sie sich ja dann doch, zwar nicht einfach so auf der Straße, sondern auf

dieser Polizeistation.

Warum ist Schlomo da?

Diese Frage habe ich mir viel gestellt und da habe ich viel Energie reingesteckt, die

zu lösen.

Ich habe mich immer gefragt, ob er das einfach erfahren hat, dass Wagner sich gestellt hat

und dann hingefahren ist oder ob er was damit zu tun hatte, dass Wagner sich überhaupt

schon gestellt hatte.

Man muss sagen, der Hintergrund dazu ist eine wachsende Sorge unter Nazis in Südamerika,

dass sie vom Moss hat entführt werden.

Und dann gab es eine ganz raffinierte Finte, die Simon Wiesenthal, der Nazigeger aus Wien

initiiert hat, dass der einfach in einer brasilianischen Zeitung eine Falschmeldung

lanciert hat, wo er sagt, Gustav Wagner ist entdeckt, er lebt hier in Brasilien und in

Wien, da und da und da, einfach nur um den Druck auf Wagner zu erhöhen, was im Artikelstand

stimmt gar nicht.

Und Wagner hat es aber dann gesehen, diese Meldung und hat dann gedacht, okay, sie wissen

jetzt, wo ich bin und ich muss mich jetzt schnell der Polizei stellen, bevor ich abgeholt

werde von irgendwem.

Hier ist das Deutsche Fernsehen mit den Tagesthemen.

Guten Abend meine Damen und Herren.

Heute Nachmittag hat in Brasilien ein Deutscher, der Gustav Franz Wagner heißt und der gestern

von der brasilianischen Polizei festgenommen wurde, erklärt, dass er Oberscharführer

DSS in den Konzentrationslagen Treblinka und Sobiburg gewesen sei.

Er selber sagt, Schlomo-Sepz sagt selber, ich habe in den Abendnachrichten gesehen, dass

Gustav Wagner sich gestellt hat und bin dann in ein Flugzeug gestiegen und bin nach Sao

Paulo geflogen.

Und dann kommt es dann am nächsten Morgen dann zu dieser Auseinandersetzung der Polizei

machen.

Das ist ein Moment des Triums für ihn, glaube ich.

Er sagt nachher einmal, das ist das Geröste, was ich im Leben je getan habe und das, was

ich mir am meisten gewünscht habe, war Gustav Wagner noch einmal wieder zu sehen und während

dieser Begegnung ist er auch sehr, also er versteckt sich nicht, er führt die Anklage

und man merkt, dass ihm das, das ist jetzt auch seinen Moment, etwas zu tun und auch

eine, also er wirkt sehr selbstbewusst und gefasst und gut vorbereitet auch.

Also Schlomo redet sich ja auf Wagner ein.

Also er konfrontiert Wagner mit all seinen Taten und fordert ihn immer auf zu gestehen

und das ist das große Thema, dass er immer sagt, sei ein Mann, sei ein Mann, gestehe

endlich.

Und Wagner redet sich natürlich mit allem raus und Schlomo macht sich auch über ihn lustig

und sagt, ja jetzt sag endlich, was du getan hast.

Also er lockt ihn auch und er reizt ihn auch und sagt, sag's jetzt endlich, sag's jetzt

endlich.

Er wird dann gefragt, was möchten Sie denn, was mit Wagner geschieht und dann sagt er,

ich möchte gern, dass der ins Gefängnis geht und dass der Zeit hat darüber nachzudenken,

was er getan hat.

Und das, was alle erwartet haben war, Wagner wird ausgeliefert nach Deutschland, bekommt

er seinen Prozess und dann geht es alles so, seinen Gang und dann wird er nach Brasilia

geflogen, kommt in Auslieferungshaft und wartet erstmal und jetzt beschäftigt sich das brasilianische

Rechtssystem mit dem Fall und dann nach einem Jahr die Entscheidung des obersten brasilianischen

Gerichts trifft dann alle wie ein Donnerschlag, es kommt komplett unerwartet.

Nämlich, dass nichts passiert.

Genau, es passiert nichts, Gustav Wagner wird wieder ausgeliefert, nicht an Deutschland,

nicht an Polen, nicht an Israel und nicht an Österreich und er wird auch in Brasilien

nicht angeklagt.

Dort gelten seine Taten schon als verjährt, insofern verlässt er einfach nach dieser

Entscheidung die Auslieferungshaft als Freier Mann und kehrt wieder in sein altes Leben zurück.

Unfassbar.

Unfassbar.

Also, Gustav Wagner, die sogenannte Best-Tier von Sobibor oder der Henker von Sobibor,

der ist jetzt wieder frei und ihm wird auch nicht der Prozess gemacht, es ist damals

der Fall, es ist verjährt und damit muss Schlomo jetzt irgendwie klarkommen, aber wie geht

Schlomo damit um?

Wie Schlomo damit umgeht, das ist die große Frage, die uns beschäftigt hat in dieser

ganzen Recherche, dass wir sagen, was geschieht, wenn diejenigen, die für Gerechtigkeit sorgen

sollen, wenn die das einfach nicht tun.

Was bedeutet es dann für den Einzelnen?

Normalerweise ist der Deal ja so, dass man sagt, man gibt all diese Fragen an das Rechtssystem

ab und das Rechtssystem kümmert sich drum und jetzt gibt es eine Szene, die das völlig

absurdum fühlt.

Das Unrecht ist aber offensichtlich, also Gustav Wagner bestreitet auch gar nicht in

Sobibor gewesen zu sein, er sagt, ja, ich bin der Gustav Wagner, der in Sobibor war,

aber dennoch wird er freigelassen.

Das ist total schwer verständlich, also Wagner kommt nicht vor ein Gericht, der bleibt in

Brasilien und ja, ein Jahr nachdem er freigelassen wird, wird er tot aufgefunden in seinem Haus

mit einer Stichwunde in der Brust und liegt in seinem Badezimmer des Todes.

Okay, stopp mal kurz.

Jetzt machen wir mal was an dieser Stelle, was wir eigentlich nicht machen.

Wir gehen jetzt ausnahmsweise mal nicht weiter in die Tiefe.

Also Wagner ist tot, eine Stichwunde, es sieht nach Selbstmord aus, aber die genauen Umstände

von Wagner ist tot, die haben Antonius und Martin bei ihren Recherchen lange beschäftigt.

Vor allem die Frage, kann vielleicht Schlomo etwas mit dem Tod zu tun gehabt haben, oder

nicht?

Schaut euch auf jeden Fall den Film an, den die beiden dazu gemacht haben.

Am Schluss gibt es dazu auch noch ein paar Infos, aber jetzt noch mal zurück zu Schlomo.

Antonius, was bedeutet dieser Tod denn für Schlomo?

Hat er das Gefühl, das ist jetzt gerecht?

Die Frage kann ich nicht richtig beantworten, das weiß ich nicht.

In dieser ganzen Frage, da ist es so, dass Schlomo immer etwas wahrgebleibt und das

ist etwas, da findet man von ihm unterschiedliche Antworten, da scheint er so etwas, da hat er

so ein bisschen, so eine fast spielerische Art, Antworten zu geben.

Okay, aber genau das ist ja eine Riesenfrage, die uns auch immer wieder beschäftigt.

Es gibt immer weniger Menschen, die zur Rechenschaft gezogen werden können, dafür was sie im

Holocaust getan haben, aber immer wieder fragen wir uns ja, wie kann es da überhaupt Gerechtigkeit

geben?

Und ich glaube, das ist ja so eine Frage, die man dann hat, was bedeutet dieser Tod von

Wagner da?

Ich hab da für mich auch keine Antwort, ist das jetzt, also was würde jetzt was bedeuten,

ist jetzt das, dass sich selbst richten, ist es auch ein Richten, kann ich natürlich auch

sagen, derjenige, der selber über sein Selbstmord entscheiden darf, wenn es dann einer ist,

der hat einen Privileg, was alle Leute in Sobibon nicht hatten, die durften nicht entscheiden,

wann sie aus dem Leben scheiden wollen, das hat jemand anders für sie entschieden.

Und das war auch egal, ob da jemand irgendwie klein war oder alt oder groß und klein oder

93 oder 25 oder ein Jahr alt, diese Entscheidungen haben alles die Werte und so getroffen und

diejenigen, die dafür verantwortlich waren, dass die Juden da überhaupt ankamen in Zügen.

Also auch bei diesen ganzen Diskussionen jetzt über, wie alt darf jemand noch sein, um ihn

anzuklagen, heutzutage würde ich sagen, wie alt musste denn ein Juden 1941 sein, um nicht

in einen Vernichtungslager gebracht zu werden und da gibt es keine Antwort darauf.

Da wurde einfach jeder unabhängig vom Alter oder sonst irgendwas, wurde verfolgt und

insofern weiß ich nicht genau, warum es jetzt anders sein sollte.

Antonius, danke, dass du uns von dieser Geschichte erzählt hast.

Ich bedanke mich.

Ich verstehe die Leute, die sind ganz miede von Sobibon, weil so einer Gericht tut der

Mann, ich habe das bevorgesagt, tut er alles überleben, aber doch ich denke, das ist

unsere Pflicht, da soll immer werden, immer erinnern, damit wir keine anderen Holocaust

nicht haben.

Und ich glaube, dass die Zeiger haben gesagt, wir kommen nicht, aber wenn wir es brauchen,

die werden noch einmal kommen und noch zehnmal, noch hundertmal.

Das war unsere Folge für heute, je bei 11km der Tagesshop-Podcast.

Mit der Geschichte von Stanislav Schmeißner und seiner Suche nach Gerechtigkeit, vielleicht

auch nach Rache, zumindest hat er immer wieder Andeutungen gemacht.

Die ganze Geschichte von Schlomo erzählen Antonius Kempmann, Martin Kaule und Willem

Konrad in ihrer dreiteiligen Filmserie Schlomo, der Goldschmied und der Nazi.

Die findet ihr in der ARD-Mediathek und den Link dazu in den Shownotes.

Und in der Audiothek findet ihr uns, FKM, und den fünfteiligen Podcast über Schlomo.

Autor der Folge, Marc Hoffmann, mitgearbeitet, hat Hans-Christoph Böhringer, Produktion,

Florian Teichmann und Hannah Brünjes, redaktionelle Leitung, Lena Götler und Fumiko Lipp.

FKM ist eine Produktion von BR24 und NDR Info.

Mein Name ist Victoria Michalsack. Wir hören uns. Tschau.

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11KM macht gerade eine Osterpause bis Montag, den 17. April. Bis dahin empfehlen wir Folgen, die ihr vielleicht verpasst habt - heute eine, über einen Mann, der den Mörder seiner Familie wiedergetroffen hat, ein 11KM-Podcast vom 27. Januar. Stanislaw Szmajzner, genannt Shlomo, kommt mit 15 Jahren in das Vernichtungslager Sobibor. Dort begegnet er dem brutalen SS-Mann Gustav Wagner. Shlomos Familie wird ermordet in der Gaskammer, er selbst überlebt den Holocaust, auch weil Wagner ihn als Goldschmied auswählt: Er soll Schmuck herstellen für die SS. Jahrzehnte später, in einer Polizeistation in São Paulo, Brasilien, steht Shlomo wieder Wagner gegenüber, der Bestie von Sobibor. Sucht Shlomo, der Überlebende, nach Gerechtigkeit – oder nach Rache?

Der Investigativreporter Antonius Kempmann vom NDR hat mit seinem WDR-Kollegen Martin Kaul über Jahre hinweg Shlomos Geschichte zusammengetragen und die Indizien dafür gesammelt, wie die Konfrontation zwischen dem Überlebenden und dem Nazi-Verbrecher schließlich endete. Ein dreiteiliger Fernsehfilm von NDR/WDR erzählt das Leben Shlomos, sein Überleben und seine unwahrscheinliche Flucht aus Sobibor, das schicksalshafte Treffen in Brasilien. In einem fünfteiligen Podcast (ebenfalls WDR und NDR) folgen die Journalisten den Spuren Shlomos und gehen der Frage nach, was er mit den Gerüchten um Wagners Tod zu tun hat.



Der Link zur Filmserie „Shlomo – Der Goldschmied und der Nazi“

https://www.ardmediathek.de/serie/Y3JpZDovL25kci5kZS80ODY2



Der Link zur Podcastserie in der ARD-Audiothek:

https://www.ardaudiothek.de/sendung/shlomo-der-goldschmied-und-der-nazi/12295737/



An dieser 11KM-Folgen waren beteiligt:

Autor: Marc Hoffmann

Mitarbeit: Hans Christoph Böhringer

Produktion: Florian Teichmann und Hanna Brünjes

Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler

Host: Victoria Michalczak

11M – der tagesschau-Podcast ist eine Koproduktion von BR24 und NDR Info. Die redaktionelle Verantwortung für diese Episode trägt der NDR.