FALTER Radio: Russlands Rolle in Nahost und Putins Revanche - #1018
FALTER 10/22/23 - Episode Page - 1h 1m - PDF Transcript
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Falter Radio, der Podcast mit Raimund Löw.
Herzlich Willkommen meine Damen und Herren hier im Kreisgefahrraum. Ich freue mich auch,
dass zu sehr und zu sehr das Fernsehsender wie 24 dabei sind und zu Hörerinnen und
zu Hörerinnen im Podcast Falter Radio. Putin's Revanche, das ist der Titel dieser Sendung.
Wir besprechen wieder russische Präsident, das bedrohlichste Regime der Welt
geschaffen hat. Vor kurzem war das anders, aber Putin noch gern gesehener Gast in
Wien und in Halb-Europa. Jetzt überzieht er das Nachbarland Ukraine mit
Tod und Zerstörung. Ukraine kriegt den Russland angezettelt wird, wird dieser
Tage etwas in den Hintergrund getränkt durch die Katastrophe der Konfrontation im
Nahen Osten nach dem palästinensischen Angriff von Gaza aus. Wo der mächtige
Kriegs-Herr Putin steht, wo seine Stärken sind, wo seine Schwächen sind,
das erklärt uns in dieser Sendung. Michael Thumann, guten Tag Herr Thumann.
Guten Tag, freue mich, dass ich bei Ihnen bin.
Michael Thumann ist Korrespondent der Zeit, der deutschen Wochenzeit und Zeit und
Autor eines Buches Revanche, wie Putin das bedrohlichste Regime der Welt
geschaffen hat. Da haben wir den Titel davon genommen und er ist eine der
wichtigsten Stimmen im deutschen Sprachraum, um Russland zu erklären und
die Beziehung zwischen Deutschland und Russland ist eine ganz wichtige
für die Entwicklung Europas. Wir führen dieses Gespräch Donnerstag den 12. Oktober
2023. Die brennende Frage zurzeit ist Herr Thumann, die nach Ostkrise mit
den neuen Krieg zwischen Israel und den Palästinenden ist. Was genau
passieren wird in den nächsten Tagen, wissen wir nicht. Hat sich eigentlich
Präsident Putin schon geäußert zu dieser Katastrophe? Ja, er hat sich etwas
unscheinbar und nicht wirklich ins Gedächtnis geprägt mit dem, was er
gesagt hat. Er hat nämlich alle Seiten zur Beendigung der Gewalt aufgerufen und
aus seinem Mund etwas Neues und hat insofern versucht eine mittlere
Position einzuhalten. Diese Position unterscheidet sich ein wenig von der
russischen Debatte, die längst in das Lager von Hamas, aber doch zumindest
immer betont, wie nah man dem Iran steht. Der Polizidenzerpräsident Abbas
bereitet eine Reise nach Moskau vor, heißt das von polizidenzischer Seite.
Was verfolgt Russland für eine Politik im Nahen Osten? Wendet sich Russland von den
doch guten Beziehungen, die es zu Israel gegeben hat, immer ab und geht in Richtung
der Allianz mit den Polizidenzern? Diese Stimmen, von denen ich eben gerade
sprach, sind Stimmen, die kommen aus der Duma, die kommen aus der politischen
Elite von den von führenden Analysten und eben auch von Leuten, die am Ende nie
das letzte Wort haben. Das hat selbstverständlich Putin, aber zum
Beispiel der Verteidigungsexperte in der Duma für die Partei Einheitliches
Russland von Putin hat gesagt, es zeige sich hier im Nahen Osten wieder die
Teilung der Welt, mit der Russland ohnehin schon konfrontiert sei.
Da stünde Amerika mit seinen Verbündeten und auf der anderen Seite ist
Russland und China und natürlich Iran und Russland wissen ganz genau, wo es in
diesem Konflikt steht. Das ist also viel, viel eindeutiger als Putin selber
sich geäußert hat und ich habe den Eindruck gewonnen aus der Diskussion
der letzten Tage, dass sich tatsächlich so eine Art Konsens herausschielt, dass
man eben tatsächlich nicht vielleicht zwingend direkt der Hamas, aber auf
jeden Fall dem Widerstand gegen Israel Zuspruch gibt, womöglich Israel, der
Hamas auch geholfen hat. Ich habe heute ein Video gesehen, wo Hamas-Kämpfer durch
die zunächst die Mauer aufspringen und dann durch die Mauer dringen und dann
halt tatsächlich auf Russisch, der die Aufforderung war, nehmt Deckung, wenn ihr
da durchgeht. Das hört es sich an, als gäbe ist eine wie auch immer geartete
russische Militärberatung, aber ich sage auch gleich, es ist ein Video gewesen,
also insoweit da kann man auch immer natürlich viel dran drehen und machen,
wie wir wissen. Die Frage ist am Ende, wird sich Putin doch noch mal anders
positionieren, weil er kann solche Debatten dann natürlich auch ganz schnell
drehen und jeder Analyst, der vorher das eine behauptet hat, behauptet dann
schnell das Gegenteil, wenn er merkt, der Wind weht plötzlich voran.
Widerstand gegen die israelische Besatzung, das ist eine Sache, was da hier
passiert ist, ist ein Pogrom riesigen Ausmaßes, ein Kriegsverbrechen, das eine
Zäsur ist. In den Stellungnahmen der arabischen Staaten fällt auf, dass das
völlig ausgeblendet wird, ist überhaupt kein Thema. Wie ist das in Russland, wird
das wahrgenommen, diese Dimension eines solchen Menschheitsverbrechens?
Leider nicht, es ist genauso wie in vielen arabischen Staaten, dass man
tatsächlich weder die Dimension des Verbrechens noch die ganz klare
Tötungsabsicht von Zivilisten in massenhafter Weise, also eben wirklich
ein terroristischer, ein mehrere terroristischer Anschläge an verschiedenen
Orten, das wird überhaupt nicht thematisiert und diskutiert, sondern es
wird als ein, es wird tatsächlich offen von Krieg gesprochen und hier gäbe es
zwei Kombatanten und genau diese Gleichsetzung ist natürlich auch schon
von, da liegt das Unrecht eigentlich schon, auch in der Beschreibung des
Ganzen, weil diese Gleichsetzung verbietet sich natürlich angesichts
dieser massiven Terroranschläge, die es gegeben hat. Aber in Russland wird
das leider nicht reflektiert. Putin's relative Zurückhaltung rührt meiner
Ansicht nach daher, dass er natürlich zu Nittan Yahu in den letzten Jahren ein
relativ gutes, gängiges Gesprächsverhältnis aufgebaut hat und
sicherlich wägt, inwieweit er dieses Gesprächsverhältnis weiterführen kann
oder halt eben in irgendeiner Form modifizieren, aber dass ihm vielleicht
Israel auch nicht ganz abhanden kommt, denn es war natürlich für ihn immer
wichtig, auch in West-Jerusalem, in Tel Aviv, in Haifa Gesprächspartner zu haben.
Und er weiß natürlich auch, da ist eine russische Diaspora, zu einem Teil hat
der Zugang zu einem Teil, sind es seine Gegner. Darüber wird in Moskau übrigens
jetzt derzeit auch stark hergezogen, im Sinne von ihr seid abgehauen nach dem
Februar 22, weil ihr nicht in einem Land leben wollte, das Krieg führt und da
habt ihr jetzt was ihr gesucht habt und passt mal auf, dass ihr nicht auch noch
eingezogen habt. Es hat ja in den letzten Jahren intakte Kommunikationskanäle
immer gegeben zwischen dem israelischen Militär, dem russischen Militär.
Die Israelis greifen immer wieder Ziele in Syrien an, da heißt es, da wird
immer vorher wird den Russen signalisiert, wer planen jetzt dort und dort
eine Aktion, um zu verhindern, dass es zu direkten Zusammenstößen gibt, was ja
auch zwischen Russland und den USA in Syrien immer wieder der Fall ist.
Was für ein Gewicht hat Russland überhaupt in der Region?
Das Gewicht ist natürlich durch die Invasion in Syrien 2015 enorm gewachsen
und sie sprechen es völlig richtig an. Das war eine ganz wichtige Abstimmung.
Alle Aktionen der Israelis in Syrien sind immer mit der russischen Seite
koordiniert worden. Ich weiß nicht, wie sie das jetzt machen und ob diese
Koordinierung weitergehen kann oder ob sie vielleicht doch irgendwann, und das
wäre natürlich sicherlich für beide, für Russland wie für Israel ein großes
Problem, wenn es dann tatsächlich mal zu einem Zusammenstoß in Syrien käme, der
wesentliche Ort, über den Russland seine Macht projiziert im Nahen und
im Mittleren Osten ist natürlich Syrien. Und da haben sie auch keine Absicht
rauszugehen, was ich nur bezweifle ist, dass Russland derzeit in der Lage ist,
seine Präsenz dort erheblich zu erweitern, weil sie natürlich sehr, sehr
stark gebunden sind in der Ukraine und gleichzeitig es ihnen auch schwerfallen
wird, mal eben aus dem Schwarzen Meer Schiffe in das östliche Mittelmeer zu
verlagern, denn in beiden Fällen handelt es sich dann eben um eine Marine im
Kriegseinsatz und da dürfte wiederum dann die Türkei bedenken haben und nach
der Konvention von Montrönen 1936 hätte sie auch alles recht diesen
Kriegsschiffen dann die Durchfahrt durch den Bosporus zu verweigern.
In den israelischen Medien, wo diskutiert wird, wie das kommen kann zu diesem
Desaster wird beschrieben, dass es eigentlich so etwas wie einen
eingefrorenen Konflikt gegeben hat zwischen Hamas und der Regierung in
Jerusalem, die Regierung in Jerusalem hat erlaubt, das Finanzmittel zu
Hamas gehen, hat Arbeiten und die Genehmigung gegeben, in besetzten
Gebieten zu arbeiten und das ist etwas, was man in vielen Teilen der Welt
sieht. Früher gefollene Konflikte werden heiß.
Man hat das im Kautikasus gesehen, wo der Konflikt im Berg Karabach.
Er irgendwie jahrelang eingefroren war, heiß wurde.
Man sieht das am Balkan, wo wir zur Zeit die Gefahr haben, dass es eine
serbische Militär- und serbische Militäraufmarsch gegen den Kosovo gibt.
Das geopolitisch nützt wahrscheinlich Russland oder ist Russland eine
Macht vielleicht, die das sogar begünstigt, eine Eskalation in
verschiedenen Ecken der Welt, weil Umruhe in der internationalen Politik zur
Zeit der russischen Position in der Welt hilft.
Ich glaube, da kommen zwei Dinge zusammen.
Also erst mal völlig richtig, dass das alles spielt Russland in die Hände.
Russland spielt natürlich auch der Druck auf die Ölpreise jetzt in die Hände,
die steigen plötzlich wieder.
Und das ist ja ganz wichtig für die russische Kriegführung in der
Ukraine. Gleichzeitig glaube ich, dass diese Situationen, die wir jetzt haben
mit einem großen Landkrieg in der Ukraine und einer Fokussierung auf diesen
Konflikt natürlich ganz viele Akteure nachdenken lässt, ob man nicht in dieser
Situation eben mal die Decke glattzieht, etwas, was man schon länger vorhatte.
Die Begünstigung Russlands lässt sich natürlich schwer nachweisen.
Vielleicht werden wir irgendwann mehr Evidenz bekommen.
Aber ich denke, dass in diesem Falle natürlich es gibt ein enges Abstimmungsverhältnis
zwischen Tehran und Russland.
Tehran liefert Waffen an Russland, Raketen und Drohnen, Kurzstreckenraketen, die für
Russland gerade die Drohnen hat Russland ja auch schon umfassend eingesetzt.
Insofern denke ich, in diesem Abstimmungsverhältnis kann man einfach
schon sehen, wie weit diese Achse Moskau-Tehran schon gedien ist und das
natürlich wiederum dieser terroristische Angriff der Hamas nicht ohne in irgendeiner
Form Unterstützung oder zumindest ein Go aus Tehran vonstatten gehen konnte,
ist auch ziemlich klar.
Ich bin mir sicher, dass man in Tehran nicht überrascht war, sondern natürlich
eingeweiht war.
Und insofern gab es da, glaube ich, dann schon über die Grenzen hinweg gehendes
Kopfnicken.
Wenn wir auf Kosovo schauen, wissen wir natürlich auch, dass sich Alexander
Wucic auch mit Moskau immer wieder abstimmt, wenngleich auch immer wieder
Gen-Europa signalisiert, dass er gerne natürlich den Kandidatenstatus Serbians
ausbauen möchte zu einem EU-Beitritt und in dieser Balance ständig laviert.
Der Mann, der dort im Kosovo Radolcevic, der dort im Kosovo angegriffen,
die die kosovarischen Polizisten angegriffen hat, ist aus seiner eigenen
Partei beziehungsweise der Stellvertreter von der Wucic Partei im nördlichen
Kosovo auch darbestienen, also Zusammenhänge und mögliches Kopfnicken
über die Ländergrenzen hinweg.
Aber wie gesagt, ich glaube auch die Akteure selber haben sehen derzeit eine
Chance innerhalb oder in einer Lage, multipler Konflikte,
multipler Ablenkungen, sich zu denken.
Da komme ich jetzt vielleicht besser durch, als wenn alle Welt nur auf mich schaut
in dieser Lage.
Der große Einschnitt in der Geopolitik war natürlich der Angriff
vom 24. Februar 2022.
Da beginnt es im Fasse im russischen Krieges gegen die Ukraine.
Er hat in der Ukraine alles verändert, hat auch in Russland sehr, sehr viel verändert.
Sie leben in Russland, sie berichten über Russland.
Was ist für sie die allergrößte Veränderung dieser Krieg für Russland gebracht hat?
Die allergrößte Veränderung ist eigentlich der Abbruch der,
wir sind noch nicht beim Abbruch der diplomatischen Beziehungen, die existieren noch.
Aber es ist im Grunde genommen für die russische Bevölkerung weitestgehend die Brücke
nach Europa abgebrochen.
Und es findet im Lande eine Wende nach Osten, statt die von allen Seiten
und von Putin selber hier ausständig betont wird, eine Abwendung von Europa,
die in Russland in dieser Umfasstheit keine Präzedenz in der Neuzeit hat.
Auch unter Stalin, auch in der frühen Sowjetunion, die sich ja gewissermaßen
von auch von Europa zunächst einmal abschottete Stalin, der dann den Sozialismus
in einem Land baute, gab es einfach engste Beziehungen zu bestimmten Ländern.
Deutschland hat mit Russland zum allgemeinen Entsetzen und vor allem der Franzosen und
Engländer 1922 den Rapallo-Vertrag abgeschlossen.
Stalin hat im Zweiten Weltkrieg ganz eng natürlich mit den westlichen Alliierten zusammengearbeitet
und hat umfassende Waffendieferung bekommen, ohne die er diesen Krieg so nicht hätte gewinnen können.
Das heißt also, Russland hatte immer zu bestimmten europäischen Nächten enge Beziehungen,
während es zu anderen Nächten schwächere oder ganz schlechte Beziehungen hatte oder einen Krieg führt.
Die kommunistischen Parteien in Westeuropa waren ja auch ein Faktor der der sowjetischen
Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Absolut.
Die Kommentaren waren ein enges Band und insofern führt Putin hier tatsächlich eine Abwendung
von Europa durch, die eben auch Spür bei einem Lande ist und die ich als als jemand,
der natürlich viele Freunde und Bekannte in Moskau hat, die ja mit Europa ganz eng verbunden waren,
die auch selbst oft hingereist sind und jetzt halt eben feststellen, das geht einfach nicht mehr.
Und übrigens natürlich nicht nur, weil die Russen selbst, die russischen Behörden selbst das so
wahnsinnig erschwert haben, sondern weil auch die Europäische Union ihrerseits eben jetzt die
Einreise mit den Kennzeichen. Also es gibt halt eben tatsächlich viele, viele Dinge,
bürokratische Maßnahmen, die die Europäische Union mittlerweile eingeleitet hat und insbesondere
natürlich auch die Nachbarländer, die baltischen Staaten und Finnland, die dann die Einreise sehr
erschweren. Und das ist ein großer Verlust. Und das spürt die Bevölkerung und die wissen noch nicht,
wo die Reise dahingeht, diese Reise nach Osten, weil China ist irgendwie weit weg und es hat auch,
es haben auch nur sehr wenige Russen überhaupt einen Bezug zu China.
Abkehr von Europa, das ist natürlich auch Abkehr von jeder Art von demokratischen Ideen,
jeder Art von Anerkennung von Vielfalt, jeder Art von einem politischen Gedanken,
von einer politischen Gedankenwelt, die in Russland schon seit den Revolutionen,
wenn ich wüsste, da gab es schon viele Jahre, die irgendwie auch Revolutionen waren, präsent waren.
Aber wohin, worauf zieht sich Russland da geistig, ideologisch zurück auf Russentum,
auf was bedeutet russischer Nationalismus für die Menschen, was sind die Kerninhalte des
russischen Nationalismus, auf den sich Putin hier zurückzieht? Putin ist ja eigentlich von seiner
Herkunft hier kein Nationalist, sondern er ist das, was ich als neuen Nationalisten bezeichnen würde.
Ein weitverbreitetes Phänomen, Taip Erdogan ist auch so einer, Viktor Orban ist so einer, der hat
ja mal als Liberaler angefangen, der Viktor Orban und Taip Erdogan kommt halt aus der islamistischen
Bewegung, eben bewusst kein Nationalist, kein türkischer Nationalist gewesen. Putin selbst aus
den Geheimdiensten sowjetisch geprägt, kommt gar nicht aus diesem auch intellektuellen russischen
Nationalismus. Die haben sich das alle irgendwann mal geliehen, diese Ideologie und zwar zur Machterhalt.
Und bei Putin würde ich sagen, da war dieser Umschwung 2012, als er wieder ins Präsidentenamt
zurückkehrte und damals halt feststellen musste, es stehen Tausende von Menschen, 10.000 auf der
Straße demonstrieren gegen mich und wollen mich nicht wieder in diesem Amt sehen. Und das war ein
Moment, wo er den Hebel umlegte und plötzlich anfing, sich mit dieser Ideologie auseinanderzusetzen,
darüber zu schreiben, seine Aufsätze zu schreiben, in denen er ja auch sein Verhältnis zu Ukraine dann
zum Schrecken der Welt geklärt hatte, ein Jahr bevor er nun neuerlich einmarschierte. Der
putinische Nationalismus ist eine Art von, den hat er sich zusammengesteckt aus einerseits
ethnisch nationalistischem Gedankengut und andererseits aber dem imperialen Gedanken,
der natürlich dann immer auch mit einbezieht, dass Russland nicht nur aus Russen besteht,
sondern das halt eben unter russischer Herrschaft, andere Völker leben, deren Kultur man selbstverständlich
respektiert und fördert, aber die alle russisch zu sprechen haben und sich natürlich einem russischen
Nationalismus unterzuordnen haben. Und letztendlich ist er in dieser Ideologie, die er da aufbaut,
die er nun anreichert mit einem natürlich strengen antiwestlichen Spin gleichzeitig dann, was er
als und was seine Spindoktoren dann auch immer als typisch westlich bezeichnen. Also wir sind
alle LGBTQ, wir lösen sich die Familien auf, bei uns weiß keiner mehr, wer Mutter und Vater ist
und diese Behauptung, die russische Propaganda täglich im Fernsehen breitritt und putin
behauptet das halt eben auch und dagegen definiert er nun dieses konservative Imperium, dass sich halt
eben weil der Westen so verdorben ist und nicht mehr weiß, wo vorne und hinten ist, sich von
diesem abwendet. Und insofern ist es eigentlich so ein Amalgam einer noch nicht ganz bis ins Ende
auskontorierten Ideologie, die sich langsam herausmendelt, von der ich aber glaube, dass sie
durchaus Bestand haben könnte, weil eben jetzt mittlerweile auch durch neue Schulbücher zum
Beispiel man eben auch versucht die die jungen Russen damit einzubeziehen, sodass es nicht
einfach nur das Privileg der 70-Jährigen um putin herum ist dieses Zuglauben zu behaupten und
weiterzutragen, sondern man will sicherstellen, dass auch die künftigen Generationen so denken,
ob das gelingt am Ende, das muss man sehen, aber der Versuch zumindest ist da.
Mein Name ist Lena Schilling, ich bin Klimaaktivistin und Autorin und heute sehr
gespannt auf diesen Freitag in der Arena nicht beim Bier, sondern beim politischen Tag.
Mehr hören Sie im Ökostrom AG Podcast Freitag in der Arena. Zu finden auf oekostromat.com und
überall, wo es Podcasts gibt.
Putin war nicht immer so, nach Elzin und dem Chaos, des Elzins, des Umbaus, des
Staatssozialismus in der Sowjetunion, im chaotischen und der chaotischen Einführung der
Marktwirtschaft. Das Kapitalismusnache ist der Putin gekommen, hat Stabilität versprochen,
den Leuten und viele, die auch durchaus gewusst haben, er kommt aus dem KGB, haben
gefunden, ist das jetzt eine Erholung für uns. Wir haben so chaotische Jahre, wir brauchen
etwas eine Erholung und damals in der Zeit war der Putin ja durchaus auch offen dem Westen
gegenüber. Es gibt eine berühmte Rede im Deutschen Bundestag, hat er sich ganz auf Deutsch
gehalten und zumindest teilweise auf Deutsch gehalten, wo alle begeistert waren. Er hat
den amerikanischen Besuchern gesagt, Russland könnte in der NATO, durch der NATO beitreten
und die waren etwas erstaunt über diese Idee. Also der Putin von heute ist offenbar nicht
der Putin nach dem Beginn seiner Präsidentschaft. Sie haben die Demonstrationen 2012 genannt,
das ist ein Punkt, der ihn zum Umschwenken, zum Kurswechsel gebracht hat. War das alles
oder es gibt die große Diskussion irgendwann, am Alltag der Westen war so schirch zu Russland
und das war ein Punkt, wo dann die russischen Eliten gesagt haben, das geht nicht mehr mit
dem pro-westlichen Kurs. Was waren die wichtigsten Faktoren, dass Putin so geworden ist ab 2012?
Es gab natürlich ein Angebot von Putin, er war ja einer der Ersten, der nach dem 11.
September in den USA anrief und sagte, lasst uns gemeinsam gegen den Terror kämpfen. Das war
damals sein Gedanke, dass er die Terroranschläge in den Vereinigten Staaten benutzt, um sich
selber an den Zug mit seinem Tschettinenkrieg anzuhängen. Der ja in Russland auch als ATO
antiterroristische Operationen bezeichnet wird und natürlich einen ganz anderen Charakter und
eine ganz andere Art des Terrores hatte, weil es hier natürlich letztendlich um eine abtrünnige
Republik ging und darum diese abtrünnige Republik auf jeden Fall in der russischen
Föderation zu halten. Was ihn in den Folgejahren, und da hat er sicherlich mit der amerikanischen
Administration Schwierigkeiten gehabt, wie auch viele in Europaschwierigkeiten gehabt haben. Sie
erinnern sich an den Irak Krieg, der natürlich eine Entfremdung brachte. Ich glaube aber,
dass all dieses für ihn nicht wesentlich war, sondern für ihn war wesentlich immer der
Machterhalt, der innere Machterhalt und damit hat er auch schon sehr früh begonnen. Er hat ja
als er 1999 an die Macht kam und dann halt eben Anfang 2000 zum Präsidenten gewählt wurde. Da hat
er ja dann so Fortschritte eingeleitet, um seine innenpolitischen großen Gegner, Oligarchen zu
entmachten, die nicht loyal zu ihrem wahren Medien unter Kontrolle zu bringen, eigenständige
Gouverneure unter Kontrolle zu bringen oder aus dem Amt zu bringen. Und deshalb komme ich immer
wieder auf dieses Schlüsseljahr 2011-2012, weil das halt eben für ihn eigentlich der lange
plante Weg zurück ins Präsidentenamt war und eben auch für eine Amtszeit, in der er sich
einiges vorgenommen hatte, weil er den Eindruck hatte, dass der eigentliche Umbau Russlands
unter Medvedev nicht richtig vorangekommen sei. Und für ihn war halt eben tatsächlich dieses
Schockerlebnis und dass man sich natürlich im größeren Zusammenhang vorstellen muss,
denn das war ja kein Einzelerlebnis, sondern es war der arabische Frühling, hatte begonnen,
die Aufstände in der arabischen Welt. Er selbst hatte gesehen, wie in der Ukraine eine
orangene Revolution stattgefunden hatte, wie davor noch Eduard Schiewat-Narze, der alte
Außenminister der letzte Sowjetische, der von Gorbatschow, der den georgischer Präsident war
aus dem Amt abtreten musste. Das heißt also, er sah, Revolution, Revolte von der Straße ist
möglich und das jetzt hier vom Kreml. Und das war für ihn, glaube ich, ein ganz entscheidender Moment,
um das Programm zu wechseln. Und er hat immer mit Erzählungen gearbeitet. Und ich glaube,
Sie haben ganz richtig die Stabilisierung Russlands, war eine wichtige Erzählung seiner ersten Zeit.
Die nächste Erzählung war dann in den späten 2000, dann frühen Zehnerjahren, das war der relative
Wohlstand, der durch diesen plötzlich für ihn hatte, er gar keinen Einfluss drauf. Dieser steigende
Ölpreis, der einfach Russland plötzlich volle Kassen bescherte, mit dem man ganz viel machen
konnte. Und das war für ihn der Moment, wo er merkte, ich brauche wieder eine neue Erzählung. Und die
Erzählung eines Anschlussfiegen Nationalismus, Patriotismus in Russland war für ihn tatsächlich
eine, die sehr, sehr erfolgreich ist und mit der er bis heute arbeiten kann.
Wer entscheidend in Putin's Russland, in der Sowjetunion war das relativ klar, es hat den
Politbüro gegeben, dort musste sich Brechnev mit seinen Politbüro-Mitgliedern einigen, ob man
jetzt in Afghanistan interveniert oder nicht in Afghanistan interveniert. Es hat den Zentralkomite
gegeben, wenn das Politbüro keine klaren Entscheidungen getroffen hat, hat man versuchen müssen.
Im Zentralkomite eine Mehrheit zu finden. Wie ist das heute? Wenn jetzt gesetzt den Fall,
irgendjemand hofft, es gibt einen Kurswechsel in Etraide, Ukraine. Wo ist das Politbüro-Putin,
wo irgendjemand sagen könnte, das ist eine Sackgasse, schauen wir, dass wir einen Sieger
klären und draus finden, wer entscheidet? Das ist halt das, was mir Angst macht, muss ich ehrlich
sagen. Dieses Politbüro war ja im Grunde genommen auch ein Garant einer gewissen Verlässlichkeit,
dass da halt mehrere zusammensitzen und der eine auch den anderen so ein bisschen beobachtet,
auch wenn natürlich der Generalsekretär das letzte Wort hatte. Bei Putin ist es so, dass man
eigentlich ironisch sagt, in Russland ist es sein Politbüro, das ist eigentlich seine
Gemäldegalerie, wo hier Peter der Große in Anlacht und dort Katharina die Große sitzt und mit
denen verständigt er sich über den großen historischen Bogen, also unter seines gleichen
Gewissermaßen. Weil natürlich, wir alle wissen, er hat keinen Stellvertreter, er hat auch keinen
Natur, natürlichen Nachfolger. Dimitri Medvedev, der ehemalige Präsident, der jetzt halt eben von
rechts außen schreit und nach Nuklearschlägen in alle Richtungen ruft, ist es gewiss nicht,
weil der mittlerweile selber in der Elite sozusagen so ein bisschen als Schreihals angesehen
wird und nicht mehr als Präsidenziabel gilt. Aber es ist eben auch keiner in seiner unmittelbaren
Umgebung, der ihm wirklich das Wasser reichen könnte oder sagen könnte, also, weil, Ludia,
hör mal da, musst du nochmal nacharbeiten oder das wird dich ein bisschen anders. Das kann sich
keiner erlauben. Insofern ist er von Abnickern und Ja-Sagern umgeben, die er dann auch regelmäßig
ja auch vor aller Augen disavuiert, wie den Chef des Auslandsgeheimdienstes, sie erinnern sich alle
an diese Sitzung des Sicherheitsrats kurz vor dem Überfall auf die Ukraine. Oder wie er es zugelassen
hat, dass eben auch tatsächlich seinen Verteidigungsminister Scheu-Gu und der Generalstabchef
Gerassimoffen und wirklich ein halbes Jahr von Militärbloggern und von Prigorgin dem abgestürzten
Söldnerführer mit Schmutz beworfen wurden. Er ging da nicht zwischen. Scheu-Gu ist eigentlich auch
eine Art heute, eine ganz schwache Figur und Putin fördert das und lässt es zu und ist letztendlich
eben von schwachen Figuren umgeben. Ich nehme einen raus und das ist Nikolai Patruschev, der Chef
des Sicherheitsrats. Der ist auch ein Mann in den Siebzigern, einer der kein Schrei-Hals, der ist
nicht auf Twitter und so weiter, sondern ist im Grunde genommen auch eher, ich sag mal so Generation
ohne Smartphone wie Putin ja auch und in vielerlei Hinsicht ähnliche Ansichten vertritt und ich
könnte mir vorstellen, wenn er sich mit jemandem zuerst berät, nachdem er sich im Kreise der
Gemäldegalerie beraten hat, dann mit Patruschev oder dem sagt er dann, ich möchte das eigentlich so
und insofern er entscheidet um die Frage dann schlussendlich zu beantworten, er entscheidet
natürlich allein und aber Patruschev wäre glaube ich einer, den er dann als erstes anschaut.
Eine Entscheidung, ein Startschiff der Anatom macht, der alleine entscheidet, das ist natürlich
wirklich etwas, was einem Angst machen kann. Anschließend daran, so jemand lässt zu,
dass in seinem Land im Fernsehen jeden zweiten Tag fantasiert wird, dass man einen Atomkrieg
anzetteln sollte oder müsste, oder wie er jetzt schneller vernichtet wird mit Atomwaffen,
Berlin oder London, das gehört zu dem Teil, dessen Russland macht uns Angst.
Ist, sind diese Vernichtungsfantasien Ausdruck eines wirklichen Denkens der russischen
Elite oder ist das reines Theater, das man nicht ernst nehmen muss?
Eine Mischung von Beidem. Also es hat sich tatsächlich etwas verändert und der Sowjetunion
hätte man sich nie erlaubt, so locker über den Einsatz von Nuklearwaffen zu sprechen. Das
folgte ganz bestimmten Schritten und man war sich eigentlich, wie ich glaube, viel
verantwortungsvoller bewusst darüber, was man da eigentlich in der Hand hielt. Das ist bei den
heutigen Akteuren in Russland viel weniger der Fall, denn schon alleine das Ständige Reden
darüber ist ja schon eine Art von Eskalation, die wir bisher nie gekannt haben, was mich
übrigens dann auch zusammen mit dem Verlag zu dem Untertitel bewegte, denn all das, was Russland
als zunehmend totalitäre Diktatur heute seinen eigenen Menschen antut, der Überfall auf die
Ukraine, das könnte man womöglich auch noch in anderen Ländern der Welt diagnostizieren,
aber das wiederum in Verbindung mit steten Atomdrohungen ist wirklich das, was uns große
Sorgen machen muss. Wenn wir aber schauen zunächst einmal, also nicht Putin alleine hat hier den
Atomkoffer Gerassimov, der Generalstabchef hat auch einen, also es müssen gleichzeitig die Hebel
hochgeschoben werden, um einfach nur, dass wir wissen, also Putin kann da nicht eben mal im
Schlaf gegenkommen und dann geht es schon los, sondern da bedarf es mehrer synchronisierter
Abläufe immerhin. Und ich glaube, dass dieses nukleare Gerede nicht die Vorstufe ist zum
tatsächlichen Einsatz der Waffe, sondern ist tatsächlich darauf gerichtet, uns Angst zu machen.
Und natürlich insbesondere, also in Moskau wissen alle, dass sich gerade die Deutschen ganz
besonders große Sorgen machen. Und natürlich ist, deshalb sind diese Dinge auch immer auf deutsche
Debatten durchaus abgestimmt. Das heißt, also wenn gerade wieder in Deutschland ein neues Waffensystem
diskutiert wird, dann steigt, steigt die Frequenz und Lautstärke dieser Drohung. Wie überhaupt
Deutschland ein ganz wichtiges Ziel an trossischer Propaganda ist. Es ist aber auch gleichzeitig
so, dass sie damit natürlich mit dieser, mit dieser Drohung insgesamt einschüchtern wollen,
auch die Ukraine einschüchtern wollen, wo sie dann gemerkt haben, die lassen sich davon nicht
einschüchtern. Und insofern ist es eine Kriegslist. Wir sind aber noch nicht in einer erhöhten Stufe
oder näher geraten an dem tatsächlichen Einsatz dieser Waffen. Und wenn wir vielleicht fragen,
wo könnte, wann könnte es dazu kommen? Ich würde sagen, wenn tatsächlich für Putin's Macht eine
Bedrohung entsteht, für seine persönliche Macht, wo er glaubt, dass er, dass er durch den Einsatz
dann vielleicht noch einer taktischen Nuklearwaffe in der Ukraine für sich dann wiederum die
Situation verbessern könnte. Ich glaube, das ist für ihn wesentlich wichtiger. Derzeit ist
er, glaube ich, sehr fern davon, dass er glaubt, durch den Einsatz einer nuklearen Waffe in der
Ukraine könnte er im Felde einen Vorteil erbringen. Gibt es in Russland einen halb Jahre nach dem
Beginn des umfassenden Krieges noch Stimmen gegen den Krieg? Es hat ja in den Tagen unmittelbar nach
dem 24. Februar Demonstration eingegeben. Es hat wie die Mobilmachung, diese Teilmobilmachung vor
einem Jahr beschlossen wurde, hat wahnsinnig viele Leute gegeben, die ins Ausland gegangen sind.
Gibt es noch Stimmen gegen den Krieg oder sind die inzwischen alle im Gefängnis?
Also, die Stimmen gibt es, aber man hört sie nicht. Und die Stimmen, wie soll ich sagen,
äußern sich manchmal auch wortlos. Die wissen ja alle, dass es mittlerweile schon schwierig
geworden ist, in Russland einfach nur einen weißen Zettel hochzuhalten auf der Straße,
weil sich alle gleich vorstellen können, was draufstehen könnte. Und deshalb sehen
halt eben mittlerweile auch viele vom Zettel ab. Aber es gibt, und das in meiner unmittelbaren
Nachbarschaft, im Moskauer Zentrum, es gibt Denkmäler für ukrainische Dichter. Alessia Ukrainka,
eine feministische, revolutionäre Dichterin oder auch Taras Shevchenko. Und was die Moskauer
Bevölkerung macht, ist tatsächlich nach einfach ganz besonders eklatanten, empörenden Angriffen
auf zivile Objekte, auf Wohnhäuser in der Ukraine. Obwohl in den russischen Staatsmedien darüber
nicht berichtet wird, verbreitet sich das dann doch über Telegramme und soziale Medien,
wo man dann russische Exilmedien wahrnimmt, die das natürlich berichten. Und dann gehen
die Menschen hin und legen in der Nacht am Abend Blumen dorthin. Und diese Blumen, das sind die
Stimmen. Und es ist dann manchmal auch zu beobachten, wie es dann zwischen dem Straßenpersonal,
also Moskauer ist ja so Diktaturen, sind ja eine sehr saubere Angelegenheit. Also mein Berlin ist
sehr schmuddelig gegen Moskau. Heute früher war das umgekehrt, als ich da studierte. Aber Moskau
kann man wirklich heute von der Straße essen. Es ist unglaublich. Und mal nebenbei die Blumen
noch mitzunehmen, ist da eine leichte Übung mit einem Besenschwung. Und dann liegen aber gleich
wieder Neue da. Und diese kleine Konkurrenz und Blumen sind natürlich nicht verboten. In dieser
Konkurrenz liegt natürlich dann schon ein Ausdruck eines Widerstands. Und es ist schwer zu sagen,
wie viele Menschen es sind. Aber deutlich ist, es gibt immer noch zahlreiche Russinnen und Russen,
die nicht einverstanden sind. Die bekanntesten Sprecher der Opposition, Alexei Nawalny,
der aus Deutschland zurückgekommen ist und dann Flughafen verhaftet wurde,
der wieder zurückgekommen ist, ist für viele, viele Jahre im Gefängnis Karamur sein,
von der Liste, der ebenfalls eine Oppositionspolitiker ist und viele andere. Ich glaube,
MSI International sagt, es sind mehrere Tausend politische Gefangene jetzt in
Russland. Wie ist deren Situation und was wissen die Menschen? Das weiß die Öffentlichkeit von den
Botschaften dieser Leute. Nawalny kommuniziert ja immer wieder mit der Öffentlichkeit. Man kann
auf Twitter den Nawalny Kanal folgen und dann bekommt man Nachrichten, die über seine Anwälte
weitergegeben werden. Nawalny hat einen Weg gefunden, tatsächlich Botschaften rauszubringen und sie
sagen, es sind die Anwälte. Und das ist tatsächlich ein Weg, den die gefunden haben,
sodass man tatsächlich über ihn immer wieder erfährt. Schlimm ist es vor allem für diejenigen,
die halt vorher sehr offen kommuniziert haben und sie erwähnten Karamur sah, der eben auch ein
aktiver Politiker, der halt eben auch wie Nawalny nach Russland zurückgekehrt ist und alle
Warnungen überhört hat, wirklich viele sagten, mach es nicht und er ist gefahren und er ist dann
tatsächlich auch sofort verhaftet worden. Ich kenne seine Anwältin sehr gut, die ihn regelmäßig
besucht und die mir jetzt gerade vor einer Woche erzählt, dass er halt sehr unter gesundheitlichen
Problemen leidet. Er ist ja vergiftet worden in den zehn Jahren und aller Wahrscheinlichkeit nach
auch durch eine Vergiftung, die ihm beigebracht wurde durch den russischen Staat, durch den
Geheimdienst und an den Spätfolgen leidet er bis heute und insofern bekommt nicht die entsprechenden
Medikamente und natürlich seine Familie lebt im Ausland. Darunter leidet er auch sehr und natürlich
hat er auch Angst, dass er einfach seine Kinder nie wieder sieht. Das ist schon eine sehr, sehr
bedrückende Situation. Es gibt andere wie einen jungen Studenten, Dimitri Ivanov, ein Mathematikstudent,
Ruchbegabter, der stand kurz vor dem Matheexamen, also wirklich so eine, wo man so sagt, eine der
Hoffnungen des Vaterlandes, wo man sagt, so sollte sich Russland wünschen. Der hatte halt einen sozialen
in den sozialen Medien einen Chat eröffnet nach dem Überfall gegen den Krieg und aufgrund
dessen wurde er dann halt eben verhaftet, verurteilt. Er saß schon in mehreren Straflagern, von ihm
habe ich jetzt wiederum gehört, auch von Maria Esmond seiner Anwältin, dass er in eine Zelle
gesteckt wurde zusammen mit vollkommen verwahrlosen Schlafgefangenen. Die Zelle roch wohl ganz
erbärmlich und dann hat er gesagt, kommt Jungs, das wollen wir uns doch hier nicht bieten lassen,
das lasst uns mal aufräumen. Und dann hatte er innerhalb kürzester Zeit, die überzeugt, die
Zelle zu schrücken, die Pritschen decken, zu wechseln, kommt den Wert an, gesagt, die müsst
ihr mal waschen und dann hatten die in kürzester Zeit die Zelle hergerichtet. Das fanden die Werte
an, anfangs noch ganz gut und dann sagte ihn übrigens da und da, darüber müsst ihr euch
beschweren, da müsst ihr eine Erklärung abgeben, das geht so und so und dann fing die plötzlich an
eine Erklärung zu schreiben und dann wurde er wiederum verlegt als Störenfried. Also manche in
ihrer Energie treiben das dann halt auch dort weiter und ich finde es ganz bewundernswert,
welchen unglaublichen Mut manche haben und nicht aufgehen. Wenn man die politischen Diskussionen
in Russland verfolgt ist, der Eindruck, es ist eine sehr entpolitisierte Bevölkerung, die mehr
oder weniger in ihrer Mehrheit das glaubt, was die Führung sagt, es gibt eine Minderheit,
dagegen was die Führung tut und es gibt vielleicht auch eine Minderheit, die ist fanatisch jetzt
gegen die Ukraine und viel Krieg gegen den Westen. Warum ist es der Führung gelungen diesen Krieg
gegen die Ukraine der eigenen Bevölkerung zu verkaufen? Das ist ja die Ukraine sind ein
Brudervolk, es gibt wahnsinnig viele Familien, das haben russisch-ukrainische Familien, es ist
ja tatsächlich, es gibt eine geteilte Geschichte, das ist nicht ein fremdes Land. Warum wird das ignoriert,
wenn wie jetzt ein furchtbarer Raketenangriff auf eine Cafeterie, wo gerade eine Trauerfeier
stattfindet, mit 50 Toten stattfindet, in der Süd-Ukraine, bombarden aus von Flüchtlingen,
in einem Theater durchgeführt, in unglaublichen Opfern. Warum wird das ignoriert und schafft es die
Regierung doch, die Mehrheit der Bevölkerung irgendwie entweder stillzuhalten oder auch
hinter sich zu bringen? Ja, wir sprachen ja eben schon kurz über die Minderheit, was man immer
wieder sagen muss, eben wenn so was passiert, es gibt dann gewisse Äußerungen des Protestes,
durch die Blume gesprochen, aber in der Tat, warum folgen die Russen diesen furchtbaren Krieg,
in ihrer überwältigen Mehrheit drei Punkte. Erstens des Staatsfernsehen, es gibt eine übergrößer
als in vielen anderen, denn dann doch ein Folgen des Staatsfernwiss zu 80 Prozent sehen regelmäßig das
Staatsfernsehen, haben es als Hauptinformationsquelle und sind im Wesentlichen überzeugt, dass das,
was die da erzählen, auch richtig ist. Und insofern konnten sie dann in wechselnden
Putinischen Erzählungen folgen. Es ging ja, sie erinnern sich erst um Denazifizierung und
Entmilitarisierung, eine Beseitigung eines faschistischen Regimes. Das habe ich dann auch immer
sofort gehört, also es war immer interessant, wenn ich dann im Fernsehen den Abend zuvor etwas
hörte und dann am nächsten Tag im Taxi von hier nach dort saß, ins Gespräch kam und ich hörte
genau die gleichen gestanzten Formeln dann wiederum vom Taxifahrer. Da merkt man, welche
Wirkung das hat. Aber die Erzählungen wechseln eben auch und mittlerweile ist die Erzählung viel
mehr, das ist unsass, das sind unsere historischen Territorien und das steht uns zu. Dem folgen
die Menschen. Warum folgen sie dem? Es ist in einem zunehmend totalitären Land wie Russland
ganz schwierig und wie soll ich sagen, einfach auch unbequem abzuweichen von dieser Meinung. Oder
umgekehrt gesagt, es ist einfach wahnsinnig bequem, sich in den Sessel des allgemeinen Konsenses
zu setzen und sich es darin bequem zu machen. Und nichts ist angenehmer mit dem Nachbarn überein
zu stimmen und wenn man dann auch weiß, der Nachbar denkt über einen genauso, man fällt nicht
weiter auf und geht unter in der Masse. Und ein drittes Element, was glaube ich auch wichtig ist
und dann vielleicht mehr so in die russische Geschichte zurückgreift, das ist eines, das
halt eben doch leider in Russland eine Tendenz ist, sich mit dem Herrscher abzufinden beziehungsweise
sich auch mit ihm in irgendeiner Form das zu übernehmen, was er sagt, wenn er den in irgendeiner
Form eine äußere Stabilität herstellt. Und dieser Deal funktioniert bisher, weil Putin es geschafft
hat, doch die Auswirkungen des Krieges von der Bevölkerung in den großen Städten im Westen
des Landes auf jeden Fall, wo sehr wenige Menschen bisher eingezogen wurden, von der Bevölkerung
fernzuhalten und eben für die Familien, wo die Söhne eingezogen werden oder sich auch
verpflichtet haben, als sogenannte Kontaktniki, als Vertragsoldaten, das wiederum mit sehr viel
Geld dann zu entlohnen, auch für die Familien. Was Sie beschreiben, ist das so etwas wie eine
imperiale Nostalgie und schon auch vielleicht ein Überleben, Überlegenheitsgefühl der Russen,
dass sozusagen die Russen als Herrscher Nation jetzt vorbestimmt sind über alle möglichen
anderen, vom Kaukasus bis über Sibirien, vielleicht auch bis zum Baltikum. Diese Region zu beherrschen,
ist das der Kern dessen, dass eigentlich alle finden, sie sind. Russland ist ein Imperium,
ist vorbestimmter Imperium und das wird jetzt dieses Recht zu herrschen der Russen als auch
historische, vielleicht auch ethnische Gruppe über andere. Ist das, spielt das eine Rolle?
Also wenn ich jetzt hier so als russischer Nationalist neben Ihnen sehr esse, würde ich Ihnen sofort
widersprechen und sagen, nein, wir wollen überhaupt nicht über andere herrschen, sondern wir sind
natürlich mit Ihnen in einem Staat und das ist eine ganz harmonische Angelegenheit und schauen Sie
mal die Dagestaner, das sind die Umfragen immer 100 Prozent für Putin, für den Krieg und die
schicken auch noch ihre Söhne in den Krieg. Es ist ein Nicht-Wahrnehmen-Wollen der eigentlichen,
in der eigenen Rolle. Es ist eine psychologische Gesamtlage, wenn ich jetzt mal so in die
anderen Nese gehe, würde ich sagen, es ist tatsächlich ein Krankheitsbild, das sehr stark von,
was man im Russischen nennt, Abida, Kränkung geprägt ist, weil man der Auffassung ist,
die anderen haben uns unrecht getan und das ist eigentlich unser gutes Recht. Man hat uns die
Ukraine weggenommen. Ich würde dann sagen, die Ukrainer ertreisteten sich, ihr Land Russland
wegzunehmen 1991, aber es ist genau dieses Empfinden, dass man eigentlich grundsätzlich von
der Geschichte benachteiligt wurde und dass man die historisch angestammten Grenzen in der
maximal größten Ausdehnung eben ab 1945 bis 1991 war. Und alles, was in dieser Zeit von Moskau
aus beherrscht wurde oder kontrolliert wurde, das ist eigentlich nasch, unseres. Und genau dieses
ist, glaube ich, diese Geisteshaltung, die muss man begreifen, dabei würden sie von sich weisen,
dass sie, wir sind keinem. Das sagen zwar manchmal so nationalistische Fernsehtorker, die reden dann
eben von Imperia. Aber in der Regel weisen sie das eigentlich zurück und sagen, das sind
unsere angestammten Rechte und das Interessante ist, dass sie genauso, weil Russland ist ja auch
ein Kolonialreich gewesen und verhält sich halt eben auch in vielerlei Hinsicht heute wie ein
Kolonialreich, dass sie auch diesen Gedanken von sich weisen und sicher jetzt im globalen Kampf
um die Meinungsvorherrschaft in der Welt sicher auf die Seite der Antikolonialisten schlagen und
in Afrika überall gegen die neokolonialistischen westlichen Mächte mitantreten. Das, was Sie
beschreiben, ist ja so etwas wie eine ideologische Konterrevolution auch gegenüber im Vergleich
zu 1898 und 1899. Es hat ja in der Gorbatschowzeit diese Volksfronten entstanden in den Sowjet
Republik, auch in der Ukraine. Ruch war in der Ukraine eine Volksbewegung, die ukrainisch-nationalistisch
nicht unbedingt gegen die Sowjetunion war, aber für Ukraine ist es selbstbewusst. Im Beutigung
genauso. Und das ist ja damals in Moskau von den Demokraten durchaus begrüßt worden. Die
Yeltsin an der Sache auf sowieso haben das gut gefunden und fanden ja, Russland braucht auch so
etwas wie eine Volksfront, eine Art Demokratisierung. Also das ist dann eine wirklich gedankliche
Konterrevolution in Richtung, ist das in Richtung auch imperialen faschistischen Denkens. Es gibt
ja dieses Symbol Z, das in der Angst machend ist und wo man sich denkt, das geht jetzt in die Richtung
von faschistischen Symbolen. Ich denke, es ist genau so in der Tat, es ist eine Revolte, es ist
eine Revolte gegen die Öffnung Russlands zum Westen, eine Revolte gegen die Freiheit, die man
damals von Moskau aus anderen Völkern gewährte und sich zumindest in einigen Staaten und zumindest
nicht auf breiter Front militärisch wieder einmischte. Wir haben es ja durchaus gesehen,
also Moldau ist zweigeteilt, wie wir wissen, Transnistrien, sie haben den Abhasen geholfen. Aber
diese Zeit sieht man an als einer, die eine Zeit des unverzeihlichen Hinweggebens von
geopolitischen, geostrategischen Assets war und das will man zurückdrehen. Ist es faschistisch?
Dieses Z ist tatsächlich ein bisschen verdächtig mit seinen Haken und trotzdem denke ich, womit wir
es hier zu tun haben, ist es eigentlich vielmehr ein eigentlich ursprünglich russischer und
sowjetischer imperialer Gedanke. Es gibt natürlich Parallelen zu den faschistischen Bewegungen der
30er Jahre, aber ich würde trotzdem das nicht als Faschismus bezeichnen. Und würde auch sagen, es
gibt vielleicht an einem Beispiel auch einen Unterschied, weil es gibt ja Historiker wie Timothy
Snyder, den amerikanischen Historiker, der sagt, das ist halt eben Faschismus und deshalb sind
gerade die Deutschen aufgerufen, dagegen was zu tun. Und ich halte das für ein politisch
hergeleitetes, hergequältes Argument. Es gibt viele Gründe, Kanzler Scholz aufzurufen hier und da,
was zu tun oder schneller zu tun, aber das ist ein schlechter Grund, weil ich bin jetzt gerade
ausgereist am vorigen Wochenende. Da saßen Ukrainer im Bus. Die wurden leider an der Grenze
vielfältig gefilzt und gequält und mussten ihre Handys öffnen, vernommen von den russischen
Grenzbanken. Es war wirklich schmerzhaft mit anzusehen, aber sie sind am Ende rausgekommen.
Sie sind übrigens auch eingereist. Es waren Ukrainer, die haben Verwandte in Russland nahe der
ukrainischen Grenze in Belgorod. Also gerade mal über die Grenze gehüpft auf der anderen Seite.
Die kamen aus Kharkiv und hatten die dort besucht. Das möge man sich mal vorstellen unter den
Bedingungen des vom deutschen Reich beherrschten Osteuropas, dass man dort eben ein und ausreisen
konnte, ganz undenkbar. Das heißt, das Verhältnis zu den Ukrainern ist natürlich nicht eines
gegenüber Menschen, auf die man dann als Herrenmensch herabblickt und die man sozusagen dann
kolonialisiert, sondern es ist vielmehr einer erdrückenden Umarmung, die fordert, sich Russlands
Herrschaft unterzuordnen, aber die auf die die Menschen der Ukraine anders blickt als die Nationalsozialisten,
das zum Beispiel getan haben. Und ich sehe halt eben deshalb einen großen Unterschied. Aber wenn
wir auf diese sowjetisch-imperiale kommen, das ist eine Tradition, die heute viele wieder
beleben wollen, in der putinischen Elite, die er selber wiederbelebt und in dieser Tradition
sieht er sich. Und es fällt ihm ja auch deshalb so leicht, weil er in dieser Tradition ja auch
aufgewachsen ist und mal in Dresden als residentes, sowjetischen Auslandsgeheimdienstes gesessen hat.
Also er war ja im Grunde genommen ein wichtiger Repräsentant dieser sowjetisch-imperialen
Attitüde. Michael Thumann, danke für diese Insights. Ich verabschiede mich von allen,
die uns im Fernsehsender W24 folgen. Ich verabschiede mich von allen, die uns auf
UKW hören, Falta Radio und vielen anderen digitalen Netzwerken. Danke für ihr Interesse und bleiben
Sie uns gewogen.
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Wie der russische Präsident das bedrohlichste Regime der Welt geschaffen hat, bespricht Raimund Löw mit ZEIT-Korrespondent Michael Thumann im Bruno Kreisky Forum.
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