11KM: der tagesschau-Podcast: Rana Plaza: Die Trümmer der Fast Fashion

tagesschau tagesschau 4/28/23 - Episode Page - 27m - PDF Transcript

Guten Abend meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur Tagesschau.

Bangladesch, 25 Kilometer nördlich von der Hauptstadt entfernt, in der Stadt Shavar.

Es ist der 24. April 2013.

In Bangladesch ist am Morgen ein 8-stöckiges Haus in sich zusammengestürzt.

In den Trümmern des Geschäftsgebäudes in Shavar starben nach Polizeianlagen.

Mehr als 1100 Menschen sind damals gestorben, Tausende wurden verletzt im Rana Plaza.

So hieß dieses Geschäftsgebäude.

Die meisten Opfer sind Frauen, die in Textilfabriken auf mehreren Etagen arbeiteten.

Gestern sollen Risse an dem Gebäude entdeckt worden sein, so ein Polizeisprecher.

Trotz Warnungen hätten die Fabrikbesitzer ihre Angestellten zur Arbeit dort gezwungen.

Rana Plaza.

In dieser Folge von 11km erklären wir, wie dieser Name zum Symbol geworden ist

für Menschen unwürdige Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie.

Seit Rana Plaza kann eigentlich keiner mehr wegschauen.

Kein Unternehmen, kein Konsument.

Ihr hört 11km der Tagesschau-Podcast ein Thema in aller Tiefe.

Mein Name ist Hannes Kunz.

Ihr hört mich, wenn Viktoria Michalsack mal nicht kann.

Heute ist Freitag der 28. April.

Vor 10 Jahren.

Das war Gabor Hallas für die ARD in Südostasien Korrespondent,

als Rana Plaza zum Trümmerhaufen wurde.

Die Wolken dieses Einsturzes haben ihn journalistisch über die Jahre begleitet.

Bis heute.

Gabor, viele von uns werden sich vielleicht noch erinnern an die Bilder nach dem Einsturz,

an diesen riesigen, grauen Trümmerberg, wo kurz davor noch das Rana Plaza stand.

Was hast du als erstes gesehen an, was kannst du dich erinnern?

Als ich dann da war, war es so, dass man immer noch diesen riesigen Trümmerberg gesehen hat.

Aber man konnte in das Nachbargebäude reingehen.

Und das Nachbargebäude war auch eher so ein Rohbau.

Und dann konnte man eben auf diese Schuttberge schauen.

Mittlerweile war da auch wie so ein kleiner See, weil das Wasser sich da gesammelt hat.

Und dann sind wir durch diesen Rohbau gegangen.

Und auf der anderen Seite haben wir dann Ausgang gefunden.

Und dann standen wir plötzlich auf diesen Trümmerbergen.

Und ich weiß noch, dass ich dann angefangen habe, da zu suchen.

Ich habe ganz, ganz viele Kleidungsstücke da noch gefunden mit diesen Labels,

wo man auch gesehen hat, so internationale Marken.

Und das fand ich total gruselig, weil man halt diese fertigen Kleidungsstücke da noch gesehen hat.

Du hast ja auch mit einer der Näherinnen dort gesprochen.

Erzähl mal, wer war das?

Ja, das waren die junge Frauen.

Die hieß Jasmine und die hat dort gearbeitet und ist dann auch verschüttet worden.

Und war auch wirklich ziemlich schwer verletzt.

Also hatte mehrere Platten im Rücken, konnte sich kaum bewegen.

Also konnte dann eben auch nicht mehr arbeiten.

Und die haben wir dann eben da besucht.

Die lebte da mit ihren Kindern, mit ihrer Mutter, mit ihrem Mann.

Und hatte halt plötzlich die Arbeit verloren.

Der hat ja nicht nur ihre Arbeit verloren.

Das ist ja noch viel mehr, oder, dass verloren gegangen ist.

Die war damals auf jeden Fall auch schwer traumatisiert

und hat natürlich auch in uns irgendwie Hoffnung gesetzt,

dass jetzt endlich Hilfe kommt.

Also das war Monate nach dem Einsturz.

Und sie wartete halt darauf.

Die hatte kein Geld mehr.

Die mussten einen Kredit aufnehmen zu wahnsinnigen Wucherzinsen.

Und die waren halt echt in großer Not.

Man muss natürlich wissen, dass die Näherinnen, die da gearbeitet haben,

für die war ja, wenn sie das Glück hatten, also das Glück, um Unglück das zu überleben,

dann war ja plötzlich der gesamte Verdienst weg.

Und die haben ja oft mit dem wenigen Geld, was sie da verdient haben,

ganze Familie ernährt.

Und deswegen war es für die natürlich eigentlich auch nicht möglich,

jetzt mal so ein paar Jahre zu überbrücken.

Und eine Unfallversicherung gibt es da nicht.

Also man ist dann sozusagen von einem Tag auf den anderen die Arbeit los.

Und viele waren ja auch schwer verletzt und mussten die Krankenhauskosten bezahlen.

Also auch das ist natürlich ein Riesenthema gewesen.

Trotz vieler Belege behauptet Kik noch im vorigen Mai, also kurz nach der Katastrophe,

man habe schon seit Jahren keine direkten Geschäftbeziehung zu Rana Plaza.

Dann aber für nun Helfer in den Ruinen haufenweise auffällige Blusen

aus der damals aktuellen Kollektion der Kik-Werbe-Ikone Verona Port.

Wir haben dann damals aus Deutschland, ich war vorher kurz in Deutschland,

und wir haben den eine Bluse mitgenommen, die Kik in der Kollektion hat.

Die war ziemlich auffällig, die war sehr bunt und hatte noch so ein Zebra-Muster.

Die hast du dir besorgt, weil du wissen wolltest, ob sie in Rana Plaza genäht worden ist,

nämlich mal an, und diese Bluse, die hast du dann Jasmin nach Bangladesch mitgebracht.

Wie hat sie darauf reagiert?

Ich weiß noch, diese Reaktion war sofort, also man hat sofort gesehen, ja, ja, die kenne ich.

Die habe ich genäht, sagt sie. Wo habt ihr die her?

Wir haben so viel für Kik gemacht, aber die interessieren sich nicht für uns.

Jetzt, wo wir Hilfe bräuchten, kommt keiner.

Sie waren nie hier, sie haben nie gefragt, wie viele von uns überhaupt noch leben.

Es interessiert sie nicht, wie unser Leben jetzt aussieht.

Wie war für dich dieser Moment?

Ich fand ihn wahnsinnig beeindruckend, emotional,

und ich fand noch eine andere Situation da ziemlich verstörend,

weil das Interview ging dann weiter und die Bluse lag dann da irgendwie auf dem Tisch

und dann haben die Kinder, die noch relativ klein waren, diese Bluse genommen

und haben angefangen mit dieser Bluse zu spielen, also so eine Art Modenschau gemacht

und haben die sich angezogen und sind da so ein bisschen hin und her stolziert,

und man merkt da so ein bisschen, das war eigentlich irgendwie ein leichter Moment,

aber trotzdem irgendwie auch ein sehr trauriger, tragischer,

weil ich meine, diese Bluse und diese Verbindung zu dieser Fabrik stand ja auch für diese Not,

dieser Familie, und das passte irgendwie nicht so zusammen,

und das fand ich irgendwie eine wahnsinnig verstörende Situation.

Es waren ja über 30 Unternehmen, die zu der Zeit dort produzieren haben lassen.

Wer das alles war, das hat sich allerdings erst so nach und nach rausgestellt,

erst dann nämlich als die Helferinnen und Helfer, genauso wie du damals,

Kleidung gefunden haben, Logos, Etiketten, C&A war mit dabei, Kappa, Mango, Bennetten,

die deutschen Adler, NKD, Kick, wie haben denn die nach diesem Einsturz reagiert?

Die haben langsam reagiert, und ich fand damals zu langsam,

und da sind insgesamt 27 Millionen Euro durch die Unternehmen eingezahlt worden.

Das klingt jetzt wahnsinnig viel, aber wenn man sich das mal ausrechnet,

das kann man ja ganz einfach machen, das sind 1.100 Menschen damals ums Leben gekommen,

die haben alle Angehörigen, dann sind 2.500 Leute verletzt,

und wenn man das jetzt mal zusammennimmt und die 27 Millionen durch die Betroffenen teilt,

dann kommt man auf so eine Summe von 7.500 Euro pro Person, und das ist natürlich nicht viel.

Wenn man überlegt, die müssen da vielleicht, das waren ja auch sehr junge Frauen,

die hatten ja das Leben vor sich, und die müssen ja jetzt das gesamte Leben,

können vielleicht nicht mehr arbeiten und müssen von diesem Geld leben,

und dann sind 7.500 Euro auch im Bangladesh für mehrere Jahrzehnte

natürlich wahnsinnig wenig Geld.

Und Sie haben sehr lange auf dieses Geld gewartet, richtig?

Noch warten tausende Opfer auf Entschädigungen.

Blutige Billigkleidung.

Ein Jahr nach dem Einsturz des Rana Plaza.

Bisher ist fast nur Geld aus Bangladesh selbst an die Opfer geflossen.

Rosina erhält lediglich vom Staat eine Entschädigung rund 90 Euro im Monat.

Hilfe hat Rui Abekommni erhalten, nicht vom Staat und nicht von dem Unternehmen.

Wir haben für Walmart gearbeitet, für Kick und Gap, diese großen Unternehmen.

Wir hatten über einen Dutzend Auftraggeber, jahrelang haben wir für die gearbeitet.

Doch das interessiert jetzt niemanden mehr.

Keinen Cent haben wir bislang von denen bekommen.

Sie haben darauf Jahre gewartet, ja.

Und die Arbeit war natürlich sofort weg, und es war ja auch so,

dass die nicht nur die Arbeit verloren hatten, die waren ja teilweise

eben auch schwer verletzt und hatten auch Kosten.

Die mussten ja irgendwie die medizinischen Kosten bezahlen,

und das sind natürlich auch riesige Summen.

Und deswegen ist es natürlich auch so, dass dann eben viele vielleicht auch

Kredite aufnehmen mussten zu wahnsinnig hohen Zinsen.

Und das hat die halt einfach in den Ruinen gestürzt.

Und dann ist es natürlich, hilft es kaum, wenn man dann irgendwie

zwei, drei Jahre später vielleicht Geld bekommt.

Weißt du, was aus Jasmine geworden ist, hat sie danach Hilfe bekommen?

Sie hat in der Tat Hilfe bekommen, weil Zuschauerinnen, Zuschauer,

die den Beitrag gesehen haben, wollten dann spenden.

Also wir können jetzt ja nicht selber spenden annehmen,

aber wir haben es dann irgendwie geschafft, so eine Art Konto-Nummer rauszufinden,

wo die Leute dann Geld überweisen konnten für diese Familie.

Und die haben sich dann zwei Kühe gekauft.

Das klingt jetzt so ein bisschen witzig, lustig, aber das ist eigentlich total gut,

weil es dieser Familie halt einen Lebensunterhalt erstmal ermöglicht hat.

Also Kühe kann man Landwirtschaft betreiben, kann die Milch verkaufen.

Und das hat ihnen so ein Neustart ermöglicht, aber eben einen Neustart

zu diesem Moment eben nicht durch Gelder, die von den verantwortlichen Firmen

gezahlt worden sind, sondern durch Leute, die gesagt haben, die den Beitrag gesehen haben

und gesagt haben, wir wollen da unbedingt helfen.

Da würde ich jetzt nicht nur uns sehen, sondern die gesamte Berichterstattung.

Ich meine, da hat er die Welt hingeschaut.

Bis jetzt haben wir 21 Menschen festgenommen.

Die Besitzer der Fabriken sitzen im Gefängnis.

Dabei würden mir zwei bis fünf Prozent mehr für ein T-Shirt schon reichen.

Diese Konzerne machen große Gewinne, aber wir haben davon nichts.

Ich habe seit dem Einsturz vom Rana Plaza Angst, in einer großen Fabrik zu arbeiten.

Ich habe Angst davor, dass die Wände einstürzen.

Ich habe es versucht, gemeinsam mit meiner Schwester.

Aber wir hatten einfach nur Angst.

Hier fühle ich mich besser.

Das hier ist nur ein kleines Gebäude.

Da haben sich irgendwie Spitzenpolitiker damals auch die Bundeskanzlerin geäußert.

Das hat natürlich wahnsinnig einen Druck entfacht, auch durch Berichterstattung.

Und das war sicherlich auch ein Grund, warum sich halt was ändern musste.

Auch wenn das sehr lange gedauert hat, das war ja so, dass das schon immer ein Thema war,

die Sicherheit der Textilfabriken.

Es gab ja diesen großen Brand in Pakistan kurze Zeit davor.

Da war Kick auch im Fokus, weil Kick da produzieren hat lassen.

Und das war so, dass sie auch gesagt haben, wir sind uns gar nicht sicher,

ob wir da produzieren haben lassen.

Man muss ja wissen, dieses System ist so, dass diese großen Unternehmen beauftragen,

dann eine Firma in Bangladesh und die hat dann wieder Subunternehmen.

Und so geht das weiter.

Und manchmal kann man dann gar nicht nachvollziehen,

unter welchen Bedingungen da produziert wird.

Und das ist halt auf der einen Seite ein Problem.

Auf der anderen Seite muss man halt sagen, man kann es halt auch ganz gut verdrängen,

wenn man es halt nicht wissen will, wie wird da produziert.

Und insofern ist da auch in dem Fall erstmal abstretend da gewesen.

Also wir sind uns gar nicht sicher, ob wir da produziert haben, war eher so die Aussage.

Diese Katastrophe hat ja nicht nur ein Schlaglicht auf die Sicherheit vor Ort gelegt,

sondern auch auf die Arbeitsbedingungen in der Textilfabrik.

Wie sah denn damals so ein typischer Fabrikalltag aus?

Das war so, wenn man morgens sehr früh in diese Vororte gefahren ist.

Diese Textilfabriken sind ja so um Dakar, um die Hauptstadt herum.

Und wenn man in diese Vororte gefahren ist, dann kam ein wirklich endlose Schlangen von Näherinnen.

Das hörte gar nicht auf.

Und die sind frühmorgens dahin.

Und dann sind sie meistens spätabends erst wieder rausgekommen.

Also das war so der...

Frühmorgens heißt 5, 6 oder man fängt man da an?

Ja, bestimmt so gegen 6.

Also die Sonne war gerade aufgegangen.

Es war so in der Dämmerung und abends war es schon dunkel, wenn die rausgekommen sind.

Also wir haben mal zwei Näherinnen über einen Tag begleitet.

Also wir haben sie zu Hause abgeholt.

Dann konnten wir mit der Kamera natürlich nicht bis zur Fabrik mitgehen,

weil das wäre für die zu gefährlich geworden,

weil es ist auch natürlich nicht in Ordnung aus Sicht der Fabrikbesitzer,

dass die mit uns reden.

Also haben wir die morgens abgeholt zu Hause noch

und so sind die ersten Meter mitgegangen

und dann haben wir abends total lange gewartet, bis sie wieder raus kamen.

Und von morgens um 6 bis abends um 8 waren die in der Fabrik.

Aber wenn man jetzt sagt, man möchte in so eine Fabrik rein,

dann ist es natürlich schwierig.

Und das ist auch oft so, wenn man dann irgendwie reinkommt,

dann ist es halt irgendwie die Vorzeigepfabrik.

Also eine Fabrik, die nicht unbedingt die Realität zeigt, so was damals.

Und wir sind dann einmal, als wir diese beiden Näherinnen begleitet haben

und die in der Fabrik waren den Tag über,

haben wir dann einfach mal an so einem Fabriktor geklopft

und haben gesagt, wir würden hier gerne rein.

Wir haben gedacht, ja, kann man ja mal versuchen.

Zu unserer Überraschung kam dann auch wirklich der Chef raus.

Die Manager sitzen ein paar Straßen weiter,

nur wenige Minuten, dann kommt einer von ihnen vor das Tor.

Alles sei in Ordnung, sagt er, die Firma zahle pünktlich,

die Sicherheitsstandards seien gut.

Und natürlich hätten die Näherinnen einen Wochenende,

aber er will uns doch nicht hineinlassen.

Nicht jetzt, es sei gerade ungünstig, sagt er und verschwindet wieder.

Und dann kommt er wieder und flüstert.

Er mache Verluste und die westlichen Auftraggeber würden zu wenig zahlen.

Wir haben immer noch Defizit.

Wir versuchen es, wir geben wirklich unser Bestes,

damit wir die Vorschriften einhalten.

Und ja, es ist sehr schwer für uns, die Löhne zu zahlen.

Was müssten die dann verdienen,

damit sie einigermaßen über die Runden kommen?

Ja, es ist jetzt schwer, da eine Summe zu nennen,

was aber immer wieder gesagt wird.

Und das finde ich auch eine krasse Zahl,

dass man sagt, wenn man jetzt nur 50 Cent pro Kleinungsstück mehr bezahlen würde,

was ja für uns wirklich ein kleiner Kleckerbetrag wäre,

dann könnte man den schon ein viel besseres Leben ermöglichen.

Und das finde ich schon immer wahnsinnig erschütternd.

Wie ist es mit den Arbeitsbedingungen? Haben die sich verbessert?

Ich war jetzt natürlich ein paar Jahre nicht da,

aber was die Kollegen erzählen und was man jetzt so in diesen Tagen liest,

ist, dass sie sich schon verbessert haben.

Also es gibt jetzt mehr den Blick darauf,

dass da überall Feuerlöscher sind, dass die Notausgänge groß sind.

Also da hat sich, glaube ich, durch diesen Blick der Welt

nach Bangladesh schon etwas getan,

zumindest in den Fabriken, die man sich angucken kann.

Aber es wird immer noch Fabriken geben,

wo man vielleicht dann auch nicht mit der Kamera oder mit dem Mikrofon reinkommt

und wo die Bedingungen nicht gut sind.

Also würdest du sagen, ein zweites Rana Plaza wäre heute schon noch mal denkbar?

Also ich glaube, es wäre weniger wahrscheinlich als damals,

aber ausschliessen würde ich es nicht.

Die Unternehmen, es gab ja nach dem Einsturz so ein internationales Abkommen.

200 Firmen haben da ungefähr sich selbst verpflichtet,

Standards einzuhalten, Kontrollen zuzulassen und so weiter.

Hat dieses Abkommen denn was bewirkt?

Das hat alles was bewirkt.

Und vor allem hat das was bewirkt der Druck.

Und ich glaube, das ist auch etwas, wie es funktionieren kann.

Also wenn er durch einen internationalen Druck

und dadurch, dass wir als die Leute,

die diese Klamotten dann kaufen, sagen, irgendwie, das wollen wir so nicht.

Und auch, dass darüber berichtet wird,

dass da eine Öffentlichkeit ist, dass man hinschaut.

Ich glaube, dann bewirkt sich was.

Und nur so ist das ja auch zustande gekommen.

Aber es geht ja wirklich sehr, sehr langsam.

Also wenn ich mir überlege, wie lange das in Deutschland

zum Beispiel mit dem Lieferkettengesetz gedauert hat,

das ist ja jetzt gerade erst in Kraft getreten.

Das Lieferkettengesetz, vielleicht nochmal kurz zur Erklärung.

Das soll ja jetzt deutsche Unternehmen mit in die Verantwortung nehmen,

auch wenn sie im Ausland produzieren lassen.

Vor dem Lieferkettengesetz war das nämlich nicht der Fall,

also dass sich die Unternehmen zum Beispiel darum kümmern mussten,

dass auch im Ausland die Menschenrechte eingehalten werden,

wenn für sie produziert wird.

Da konnten deutsche Unternehmen bislang sagen,

wissen wir nicht, wie die Arbeitsbedingungen vor Ort sind.

Da sind wir auch nicht zuständig.

Aber jetzt, am 1. Januar, da ist dieses Lieferkettengesetz

bei uns in Kraft getreten,

endlich muss man sagen, nach jahrelangen Diskussionen.

Solange hat das gedauert, bis die Politik da ein Gesetz erlassen hat.

Also das finde ich auch schon sehr heftig.

Das ist so lange ging und so viel Streit gab,

weil es ja eigentlich klar ist,

dass es so nicht weitergehen konnte.

Wir haben diesen Streit wahrgenommen jetzt sozusagen

auf der anderen Seite, jetzt im ARD-Hauptstadtstudio,

vorher als Korrespondent.

Wie nimmt man da so diesen jahrelangen Streit

über so ein Lieferkettengesetz wahr?

Ich fand den wahnsinnig zynisch,

weil wenn ich mich erinnere, dass damals argumentiert wurde,

ja, man kann den Unternehmen ja nicht so viel zumuten.

Und das war ja auch noch die Coronazeit,

und das man gesagt hat, naja, die Firmen,

die haben schon so viel Probleme

und so viel Unsicherheiten durch die Pandemie.

Und jetzt müssen sie vielleicht auch noch haften

für Arbeitsbedingungen in Bangladesch,

für die sie nichts können.

Dann zurückerinnert und überlegt, wie das war,

wenn man die Näherin da getroffen hat

und unter welchen Bedingungen die da gearbeitet haben,

wie dreckig das denen ging.

Dann finde ich, ist das komisch damit zu argumentieren,

dass eine Firma in Deutschland jetzt vielleicht

auch so eine große andere Belastung hat

und dass sie das finanziell nicht stemmen können.

Das ist halt einfach so weit weg

und das zeigt halt, wie wenig das oder wie klein

auch das Interesse wirklich war,

weil ich finde immer, natürlich muss man sich

auch als Unternehmen dafür interessieren,

wie man die Kleidung hergestellt und wie sieht es da vor Ort aus?

Ich meine immerhin, es wird nachjustiert,

dieses Lieferkettengesetz ab nächstem Jahr

wird es enger gefasst.

Auf EU-Ebene ist ja auch gerade eines in Arbeit,

das strenger sein soll als das Deutsche.

Da geht es dann um Haftungsfragen zum Beispiel

oder dass die gesamte Lieferkette überprüft werden muss.

Trotzdem gibt es da auch schon wieder die Kritik,

dass es zu viele Schlupflöcher gibt.

Wie blickst du da drauf?

Wieso ist es so schwer, die Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen?

Da ist natürlich einfach auch immer der wirtschaftliche Druck dahinter.

Also natürlich ist es so, dass ein Unternehmen sagt,

okay, wenn wir jetzt für all diese Schäden haftbar sind,

dann lohnt sich das für uns nicht mehr

und dann können wir nicht weiter überleben.

Und da ist natürlich, glaube ich, auch viel Lobbyarbeit da.

Und das ist halt immer schwierig

in so einem Gesetzgebungsprozess.

Aber spätestens seit Rana Plaza muss doch klar sein

für die Unternehmen, die können da nicht mehr wegschauen, oder?

Die können nicht mehr wegschauen

und das ist, glaube ich, auch schon angekommen.

Natürlich ist immer so die Frage, wie viel gibt man

oder wie sehr gibt man diesen öffentlichen Druck nach?

Also sagt man, ich gebe jetzt Geld

oder ist man am Ende verpflichtet,

wirklich auch für die Schäden zu haften?

Weil da geht es natürlich dann um sehr viel Geld

und da wären sich einige Unternehmen sicherlich immer noch.

Rana Plaza ist bei uns zum Symbol geworden

für die Schattenseite der Fast-Fashion-Industrie.

Für die Seite, die wir beim Shopman liebsten ausblenden,

für die Ausbeutung und so weiter.

Wie ist es denn vor Ort?

Hat die Katastrophe denn da einen ähnlichen Stellenwert?

Es war natürlich ein großes Thema,

auch weil die Welt dahin geschaut hat

und weil natürlich auch ein Land wie Bangladesh,

man muss sagen, ich glaube die Textilbranche

hat 80% Anteil am Export,

ein Land wie Bangladesh lebt davon

und natürlich kann es sich so ein Land jetzt auch nicht leisten,

dass jetzt die internationalen Firmen sagen,

die Bedingungen sind da nicht in Ordnung,

wir gehen vielleicht lieber woanders hin.

Also insofern hat das eine Riesenrolle gespielt,

aber vor allem eben, weil diese Textilindustrie da so mächtig ist.

Es gibt schon auch eine Bewegung, die aufbegehrt,

es gibt auch Gewerkschaften,

wir haben damals auch mit Gewerkschaftern gesprochen.

Zuerst sind die internationalen Firmen verantwortlich,

weil sie haben eine Menge Gewinn gemacht.

Also sind sie auch verantwortlich.

Sie müssen wissen, wen sie da beauftragt hat.

Das ist nicht die Sache von Gewerkschaftern oder den Arbeiter.

Die sind schon laut, die sind da, die machen Demonstrationen,

also das ist schon so, aber gegen diese Macht,

dieser Textilunternehmer sind die auch wenig angekommen

und die Bedingungen waren ja wirklich katastrophal,

also dass die Gebäude nicht in Ordnung waren wie Rana Plaza,

das ist da ja schon vorher Risse gab,

dass auch Näherinnen gesagt haben, aber dann trotzdem nichts passiert ist.

Also sowas hat man hingenommen, aber es gab ja auch andere Dinge,

eben also so die klassiker vergitterte Fenster,

verschlossene Notausgänge, keine Feuerlöscher

und das hat halt dazu geführt,

dass die Näherinnen da auch in wirklich unsicher

oder unter unsicheren Bedingungen gearbeitet haben

und das haben eigentlich alle gewusst

und trotzdem haben es alle hingenommen.

Es war halt keine Möglichkeit zu sagen, ich bleibe jetzt zu Hause,

weil das hätte natürlich bedeutet, dass sie den Job los geworden wären.

Du hast ja vorhin gesagt, es hat alles wahnsinnig lange gedauert.

Wie sieht es denn mit der strafrechtlichen Aufarbeitung aus?

Es gab doch dann auch einen Prozess, jahre nach dem Unglück,

da wurden mehr als 40 Menschen angeklagt wegen Mordes,

auch der Besitzer des Rana Plaza

und diesen Angeklagten wird vorgeworfen,

dass Mitarbeiter gezwungen haben sollen,

in dem Gebäude also in Rana Plaza zu arbeiten

und das obwohl sie wussten, dass es einstürzen könnte.

Das hat lange gedauert

und dieser Prozess war ja auch für mehrere Jahre unterbrochen.

Offiziell hat man gesagt, man muss jetzt die Verhöre führen

und das ist etwas, was lange dauert,

aber es zeigt eben auch,

dass diese Textilindustrie wahnsinnig mächtig ist

und dass die natürlich auch Einfluss hat und versucht zu lobbyieren

und dadurch sich Dinge eben auch einfach wahnsinnig in die Länge ziehen.

Einfluss auch auf die Politik vor Ort,

also ist es so, dass die gar nicht so unbedingt Interesse hat,

dass die Wahrheit ans Licht kommt, dass die Strukturen sich verändern?

Ich denke schon, dass sie auch Einfluss auf die Politik haben,

weil es einfach ein sehr mächtiger Wirtschaftszweig ist

und ein Land wie Bangladesh hat natürlich kein Interesse daran,

dass diese Textilindustrie, dass man der groß schadet

oder dass sie vielleicht am Ende sogar ein Stück weit zusammenbricht,

die haben einen riesen Anteil am Exportgeschäft

und davon lebt natürlich so ein Land auch.

Ich glaube, Bangladesh ist das Land in der Welt nach China,

wo die meisten Klamotten produziert werden.

Also da sieht man, wie wichtig diese Industrie ist

und wie mächtig die auch ist.

Also es gibt natürlich schon auch den Wunsch in Bangladesh, das aufzuarbeiten

und natürlich wird auch schon geschaut, welche Verantwortung tragen

die Unternehmer, die da vor Ort diese Firmen haben,

die Fabrikbesitzer, also das schon,

aber natürlich wird auch geguckt, wie verhält sich der Westen

und wie läuft das mit der Entschädigung?

Also ich würde sagen, da ist die Schuldfrage so ein bisschen verteilt.

Jetzt haben wir über die Arbeitsbedingungen gesprochen,

über die Sicherheit, die Firmen, die Politik,

über wen wir noch nicht geredet haben, sind wir,

wir, die wir am Ende sehr so gern günstig kaufen

und uns über das fünfte günstige Oberteil freuen.

Achtest du denn stärker darauf, was du für Klamotten kaufst,

seit Rana Plaza?

Also ich schaue auf jeden Fall immer rein, was steht da drin

und dann, jetzt habe ich mich halt auch dabei,

dass ich halt denke, ah, okay, das ist Glück gehabt,

hier steht nicht Bangladesh, hier steht vielleicht irgendwie Türkei

und dann denke ich, dann werden die Arbeitsbedingungen da vielleicht besser sein,

obwohl ich es natürlich nicht weiß.

Und dann, im zweiten Gedanken denke ich an auch einen Satz zurück,

den eine Näherin zu uns mal gesagt hat,

kauft bitte weiter Kleidung aus Bangladesh.

Wir brauchen die Arbeit, wir brauchen Aufträge aus Europa.

Wenn jetzt keiner mehr bei uns bestellt,

wie sollen wir dann überleben?

Aber die Auftraggeber aus dem Westen, die müssen Druck machen.

Das ist halt auch so ein Gedanke,

der mitschwingt, weil es ja auch so eine Frage ist,

wo man nicht wirklich weiß, wie kann man es eigentlich lösen.

Ich glaube, wir können weiter Druck machen.

Also die Öffentlichkeit hat ja in diesen zehn Jahren

schon auch ein bisschen was bewegt, es hat sich ja was getan

und ich denke, das ist der einzige Weg.

Ich glaube schon auch, dass der Gedanke richtig ist,

nicht Bangladesh zu boykottieren,

weil dann würde man diesen Näherinnen natürlich die Lebensgrundlage nehmen

und das ist ja auch nicht das, was wir wollen.

Wie können wir denn Druck machen?

Können wir Druck machen als Verbraucherinnen und Verbraucher?

Wir können da weiter hinschauen, das ist halt total wichtig

und ja, als Verbraucherinnen und Verbraucher

ja, man kann natürlich dann gucken,

welche deutsche Firma produziert oder lässt besser produzieren.

Es gibt ja mittlerweile auch Labels,

die zumindest darüber Aufklärung geben,

wie wird da produziert, wird da nachhaltig produziert.

Also einfach finde ich ein Interesse zeigen

an den Bedingungen, sich dafür interessieren,

nicht einfach irgendwie Dinge wahllos kaufen,

ist aber natürlich auch einfach gesagt,

weil es ist ja auch oft so, wenn man wenig Geld hat,

dann bleiben ja auch nicht so viele Alternativen.

Danke dir, Gabber.

Gerne.

FKM ist eine Produktion von BR24 und NDR Info.

Mein Name ist Hannes Kunz.

Nächste Woche hört ihr uns wieder am Dienstag.

Geht's bei FKM weiter.

Ich wünsche euch einen schönen 1. Mai.

Und falls ihr über den Feiertag noch mehr Hörstoff braucht,

der Gast dieser Folge von FKM, Gabo Hallers,

ist nicht nur ARD-Korrespondent im Hauptstadtstudio,

sondern moderiert auch den Podcast mal angenommen.

Darin geht's um politische Ideen

und wie sie umgesetzt werden könnten.

Vor allem aber geht's um nachhaltige Ideen.

Beispielsweise stellt Gabo die Frage,

was passiert, wenn Fleisch nur noch aus dem Labor kommt,

mal angenommen, ein weiterer Podcast der Tagesschau,

gibt es alle 2 Wochen Donnerstags immer in der ARD-Audiothek

und überall, wo es Podcasts gibt.

Viel Spaß beim hören.

Ciao.

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Rana Plaza. Dieser Name ist zum Symbol geworden für menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie. Seit Rana Plaza kann eigentlich keiner mehr wegschauen: Kein Unternehmen, kein Konsument. Zehn Jahre ist es her, dass das achtstöckige Gebäude Rana Plaza in Bangladesch eingestürzt ist. Über tausend Menschen sind dabei umgekommen, die Bilder der Trümmer gingen um die Welt. Viele der Näherinnen, die überlebt haben, sind nach wie vor wegen ihrer Verletzungen arbeitsunfähig. Die Textil-Unternehmen, die damals in Rana Plaza produzierten, haben nur sehr langsam Verantwortung übernommen und geringe Entschädigungen gezahlt, weiß Gabor Halasz, damals Südostasienkorrespondent der ARD. Darunter auch etliche deutsche Firmen. In dieser 11KM Folge erzählt Gabor Halasz davon, wie er die Katastrophe erlebt hat und welche Bedeutung sie für die Textilbranche nach wie vor hat.



Gaborz Halasz und ein Team des ARD-Magazins ‘Panorama’ haben damals recherchiert:

https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2014/Keine-Entschaedigung-aus-Deutschland-fuer-die-Opfer-in-Bangladesch,textiltod113.html



An dieser Folge waren beteiligt:

Folgenautor:in: Azadê Peşmen 

Mitarbeit: Katharina Hübel

Produktion: Alex Berge, Jonas Teichmann, Konrad Winkler und Jürgen Kopp

Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler

11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info. Die redaktionelle Verantwortung für diese Folge liegt beim BR.



Mehr über die Entwicklungen nach dem Rana Plaza-Unglück, findet ihr auch in der ARD Audiothek beim Podcast “Das Thema” von hr-Info:

hr-iNFO Das Thema · Wie fair kann billig sein? Die Modebranche zehn Jahre nach Rana Plaza · Podcast in der ARD Audiothek



In Rana Plaza sind viele Frauen schwer verletzt worden. Wie es ihnen heute geht und was das mit Frauenrechten zu tun hat, könnt ihr in der ARD Audiothek nachhören:

SWR2 Kultur aktuell · Zehn Jahre nach dem Einsturz des Rana Plaza in Bangladesh: Viele Frauen leiden heute noch · Podcast in der ARD Audiothek



Gabor Halasz, 11KM-Gast dieser Folge, moderiert auch den Podcast „mal angenommen“. Hier geht es um politische Ideen und wie sie umgesetzt werden könnten, vor allem geht es um nachhaltige Ideen. Beispielsweise stellt Gabor die Frage, was passiert, wenn Fleisch nur noch aus dem Labor kommen würde. “mal angenommen”, auch ein Podcast der tagesschau, gibt es alle zwei Wochen donnerstags in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt:

https://www.ardaudiothek.de/sendung/der-tagesschau-zukunfts-podcast-mal-angenommen/71374876/