11KM: der tagesschau-Podcast: Rammstein-Recherche: Die Welle rollt
tagesschau 6/15/23 - Episode Page - 34m - PDF Transcript
Da gibt's gerade dieses eine Thema. Und das ist gefühlt überall.
Gegen den Sänger der Band Rammstein Till Lindemann sind schwerwiegende Vorwürfe erhoben worden.
Mehrere junge Frauen berichten nach Recherchen von NDR und Süddeutscher Zeitung von Machtmissbrauch
und sexuellen Übergriffen am Rande von Konzerten.
Rammstein Fans und Nicht-Fans diskutieren. Alles nur ein Missverständnis, übertrieben.
Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Rammsteinsänger Lindemann.
Dabei geht es um einen Anfangsverdacht auf einen Sexualdelikt und um Betäubungsmittel.
Und jetzt hat auch noch das Musiklabel Universal reagiert.
Man habe die Marketing- und Promotion-Aktivitäten für die Rammsteinalben bis auf Weiteres ausgesetzt.
Eine vollumfängliche Aufklärung der Anschuldigungen, auch durch die Behörden, sei unbedingt erforderlich, heißt es.
Details könnt ihr nachlesen auf tagesschau.de
Aber was kommt da noch? Was stimmt eigentlich von den Anschuldigungen? Was nicht?
Ihr hört 11km, der Tagesschau-Podcast. Ein Thema in aller Tiefe. Heute mit der Mission Orientierung im Fall Rammstein.
Und das machen wir mit Daniel Drepper. Er leitet die Recherchekooperation von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung.
Er und seine Kolleginnen und Kollegen haben die Recherchen zu dem Fall maßgeblich vorangetrieben.
Und er hilft uns jetzt dabei durchzusteigen. Mein Name ist Victoria Michalsack.
Und ein kleiner Transparenzhinweis noch. Das Gespräch haben wir geführt, bevor rauskam, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Hallo Daniel. Hallo.
Daniel, hattest du vor dieser Recherche eigentlich schon einen Bezug zu Rammstein?
Ich hatte nichts mit Rammstein zu tun. Ich habe die Musik von außen am Abgesehen nicht gehört.
Ich bin auch kein Fan dieser Musikrichtung. Ich habe auch nie als Musikjournalist gearbeitet.
Das war tatsächlich komplettes Neuland.
Ja, aber du hast dich eben schon mit Missbrauchsfällen beschäftigt und kennst eben investigativen Journalismus sehr gut.
Und deswegen bist du dann aufs Thema Rammstein gekommen. Was wissen wir denn jetzt über dieses System Rammstein?
Ja, ich glaube, man muss ein bisschen unterscheiden zwischen dem, was in sozialen Medien verbreitet wird,
wo sich ja auch viele Leute äußern können, ohne dass man jetzt gleich die Belege mitgeliefert bekommt und dem, was wir recherchiert haben.
Und deswegen finde ich es wichtig, nochmal zusammenzufassen, was belegt ist und was vielleicht noch nicht ganz durchbelegt ist
und wo Gerüchte im Internet unterwegs sind, wo man auch nicht ganz sagen kann, was steckt da eigentlich hinter.
Und was wir zeigen konnten in unserer Recherche war, dass es offenbar ein System gibt, bei dem Frauen ganz gezielt zugeführt sein sollen.
Zu Aftershow-Partys, die besonders für Talindemann veranstaltet wurden.
Da gab es Menschen aus dem Umfeld von Talindemann, die diese Frauen vor den Konterraten schon angesprochen haben.
Da haben wir auch ganz viele Screenshots und Belege für, dass die ganz bewusst ausgewählt wurden
und dass die Frauen dann eingeladen wurden in WhatsApp-Gruppen mit 20, 30, 40, 50 Personen in diesen Gruppen.
Das waren dann alles Frauen, die für diese Konzerte ausgewählt wurden, die dann in diese Row Zero durften, die auf die Pre-Shows und oder auch auf die After-Shows durften.
Die Row Zero, diese sogenannte, das ist so eine Reihe direkt vor der Bühne, also so eine Art VIP-Bereich, in das man dann nach diesen Recruiting reingekommen ist, ne?
Genau, die nullte Reihe vor der ersten Reihe, die wirklich direkt vor der Bühne ist, die ist eigentlich so ein bisschen so eine Art Abstand wegen der Feuer-Shows,
dass da irgendwie so ein bisschen sicherheitsmäßig auch nicht alle Leute direkt an der Bühne stehen und die wird dann dafür genutzt,
offenbar regelmäßig junge Frauen dahin zu loten.
Ja, und den Stein ins Rollen gebracht hat die Nord-Iren Shelby Lynn.
Die habt ihr bzw. Kollegen von dir aus dem Rechercheverbund auch besucht und mit ihr gesprochen.
Kannst du noch mal knapp zusammenfassen, was genau hat sie gesagt, was ihr passiert sein soll?
Ja, sie hat auf Instagram und Twitter veröffentlicht, dass sie sagt, sie sei und da sei sie sich, fast 100% sicher,
im Umfeld des Konzertes, das sie damals besucht hat von Rhein-Western in Vilnius, sei sie gespiked worden, wie sie sagt.
Ich dachte, es wäre nur ein Afterparty mit Rammstein-Fans, guter Musik nachher.
Ihr seien Drogen ins Getränk vermutlich gemischt worden und dann sei sie komplett neben sich gewesen,
hätte gar nicht mehr richtig mitbekommen, was passiert.
Ich bin 100% sicher, das habe ich jemals gedreht.
Ich fühlte mich nie als Exakt in meinem ganzen Leben.
Und dann sei sie eingeladen worden in der Pause des Konzertes.
Ich habe einen Solo gespielt oder ein DJ gespielt, und sie sei gebeten worden, hinter die Bühne zu kommen,
um dann dort, so sagt sie es, mit Tillyne man Sex zu haben.
Sie habe das abgelehnt, er sei wütend geworden und am nächsten Tag hätte sie dann gesehen,
dass sie viele blaue Flecken hat und sie kann sich nicht erklären, wo die herkommen.
Also der Vorwurf ist der Faktor von ihr.
Sie sagt, sie sei unter Drogen gesetzt worden und sei dann ihm zugeführt worden,
um mit ihm Sex zu haben, was sie abgelehnt habe und was dann auch so funktioniert habe.
Im Netz konnte man dazu auch diesen Clip von Shelby Lynn finden.
Da hat sie ja ziemlich emotional auch sehr schwerwiegende Vorwürfe gegen Tillyne man geäußert.
cockramstein fuck them.
I swear to god Tillyne man ist a piece of shit that wanted to fuck me.
And because I said no, he got angry.
What the fuck, fuck Ramstein.
Diese Vorwürfe von Shelby Lynn, die bestreiten Ramstein und Tillyne man ganz klar.
Aber das hat's ins Rollen gebracht.
gebracht. Genau, und dadurch hat sich eigentlich alles entwickelt, dass sich ganz, ganz viele
Frauen da gemeldet haben und gesagt haben, ja ich kenne diese Systematik, ich kann das
auch bestätigen, mir ist Ähnliches passiert und dadurch hat sich diese Diskussion ergeben
jetzt in den letzten Wochen. Ja, also die Band bestreitet diese Vorwürfe, da könnte man
jetzt meinen, okay, da steht jetzt einfach mal Aussage gegen Aussage, das ist jetzt festgefahren,
aber die Veröffentlichung hat es richtig hohe Wellen geschlagen, es wird gerade breit diskutiert,
auch gesellschaftlich in Deutschland und es ist eben nicht vorbei. Inwiefern ist diese
Recherche anders als andere? Also einmal muss man ja sagen, dass über das, was jetzt Shelby
Linn zum Beispiel veröffentlicht hat im Netz, aber auch andere Personen hinaus, wir ja ganz bewusst
in relativ Zeiten auch eine Recherche gemacht haben, wo wir sagen, wir sprechen mit ganz vielen
Frauen darüber und versuchen dieses Muster auch zu belegen und zu schauen, gibt es mehrere
Frauen aus mehreren Städten, die nichts mehr zu tun haben, die die gleichen Dinge beschreiben
und können wir das dann aufschreiben und das ist so, dieses System der Rekrutierung, das haben
uns mehrere Frauen tatsächlich ähnlich oder gleich laut beschrieben, wir haben mit März
und Dutzend Frauen gesprochen und es gibt halt auch ein zweites Level an Vorwürfen und das sind
Frauen, die sagen, ja wir haben sexuelle Handlungen mit Telemann gehabt, wir hatten mutmaßlich sex
mit Telemann, das sind zwei verschiedene Frauen, die das beschreiben, die eine sagt, ich hatte Sex
und es war sehr gewaltvoll und sehr schlimm für mich, ich habe zwar nicht klar Nein gesagt, aber
er hätte eigentlich wissen müssen, dass das so nicht geht und ich beschreibe das im Nachhinein als
Übergriff und die andere Frau sagt, sie sei nicht bei Bewusstsein gewesen und er habe auf ihr
gelegen und als sie aufgewacht sei, habe er gefragt, soll ich aufhören und sie sagt, ja womit
wolltest du aufhören, ich war doch nicht bei Bewusstsein. Also das sind so zwei Fälle, die wir
dann bewusst auch beschrieben haben, weil sie noch mal zeigen, dass es halt über dieses Zuführen von
Frauen offenbar hinausgehen könnte. Eine Fan-Kultur, über die wir sprechen müssen? Schon seit Monaten,
kursieren auf Social Media Erzählungen von solchen angeblichen Vorfällen auf Ramstein-Konzerten.
Die Fans fragen sich angesichts der schieren Masse an Vorwürfen, ob sie ihre Lieblingsband nicht
jetzt doch boykortieren soll. Groupies und ihre Stars schon immer ein besonders enges Verhältnis, auch
bei Ramstein. Und sie werfen die Frage auf, wie sicher generell vor allem Frauen auf Konzerten
und Aftershow-Partys sind. Und wie war diese Recherche für dich und für euch auch? Also ich
glaube, das ging ja jetzt auch alles sehr schnell und auch die Reaktionen, ich würde jetzt mal denken,
die waren glaube ich heftiger als bei anderen Recherchen, oder? Ja, was ich super spannend fand,
war, dass die Recherchen halt ganz krass unter einem Brennglas der Öffentlichkeit stattgefunden
haben. Das, was die Shell Belinda veröffentlicht hat, hat ja für sehr viel Wiederhall gesorgt und
sehr viele Menschen, egal ob Fans oder Interessierte oder Leute, die sich mit MeToo machen,
das braucht auch auseinandersetzen, haben das beobachtet öffentlich. Und es war ja so,
dass wir sehr früh gesagt haben, wir interessieren uns für diesen möglichen Vorfall. Wir wollen
wissen, gibt es andere Frauen, die ähnliche Erfahrung gemacht haben? Meldet euch bei uns. Und
dadurch ist natürlich auch so ein bisschen nochmal mehr Aufmerksamkeit darauf gekommen,
weil die Leute gesehen haben, es gibt große Redaktionen, die recherchieren dazu. Das wird
spannend. Mal sehen, was die rausfinden. Ja, häufig dauern so Recherchen ja Monate. Jetzt ging
das aber vergleichsweise schnell, dass ihr was veröffentlicht habt, ne? Ich glaube,
durch diese öffentliche Recherche war das für uns Vor- und Nachteile. Der Vorteil war,
Leute wissen, dass wir da zu recherchieren. Frauen können sich bei uns melden. Es war quasi
schneller möglich, mit Menschen zu sprechen. Gleichzeitig war dadurch auch so ein gewisser
öffentlicher Druck da, weil Leute das Gefühl hatten, ja, wann kommt denn jetzt eigentlich eine
Recherche, die das entweder belegt oder widerlegt? Wir wüssten gerne mehr darüber. Und das war
uns schon klar, dass das irgendwie unter einer großen Aufmerksamkeit steht, wenn wir da was
veröffentlicht. Welche Rolle spielen da auch soziale Medien in dem Fall? Das ist ja auch so,
ne? Auf der einen Seite helfen die total, das weiter zu verbreiten, nicht nur um Menschen zu finden,
sondern auch um eure Veröffentlichung natürlich weiter zu verbreiten. Auf der anderen Seite
spielt sich ja gerade auf Social Media, spielt sich ja riesengroße Diskussionen ab. Ist das so eine
Doppelrolle? Also erst mal wäre diese Recherche überhaupt nicht möglich gewesen ohne soziale
Medien, weil sich jemand wie Shelby Lynn, die so hätte äußern können. Und wahrscheinlich auch,
wenn sie damit zu einer Zeitung gegangen wäre, ganz klassisch vor 20, 30 Jahren auch kein Gehör
gefunden hätte, weil es einfach ein Einzelfall ist, der schwer zu belegen ist. Und sie hat aber gesagt,
mir ist das egal, ich gehe damit jetzt raus, ich erzähle egal, was die Konsequenzen sind,
meine Geschichte. Und dadurch hat sich ja überhaupt erst die Möglichkeit ergeben, dass andere Frauen
sagen, hey, ich glaube mir ist Ernig ist passiert. Ich habe Ernig Erfahrung gemacht, ich möchte
diese gerne teilen. Und deshalb hat sich überhaupt nur dieses Muster auch ergeben. Und natürlich
ohne Social Media wäre es für uns auch nicht möglich gewesen, so auf uns aufmerksam zu machen
und zu sagen, hey, wir interessieren uns dafür, bitte meldet euch bei uns. Postet nicht nur anonym
irgendwas, meldet euch nicht nur bei Shelby, sondern sagt uns Bescheid, weil wir sind Journalisten,
die sich damit auskennen und wir würden da gerne was zu machen. Ja, und es gibt ja viele Stimmen
in der Öffentlichkeit, wenn wir jetzt mal dazu kommen, auch auf Social Media, die so ein bisschen
in die Richtung gehen, das weiß man doch, das ist doch klar, die Frauen wissen doch,
worauf sie sich einlassen. Oder dass man auch sagt, das ist das ganz normale Verhältnis
zwischen Groupies und Stars. Wenn man hier eingeladen wird, dann weiß man, was auf ihn zukommt. Drogen
und Sex. Wenn man dann sagt, okay, hey, wir wurden total überrascht, das ist einfach ein Hahn
herweilgezogen. Ja, wir finden die Musik einfach cool. Und was da geschieht, gerade mit den Frauen,
das finde ich einfach nur lächerlich, weil wenn ich da vorne stehe, weiß ich als Frau, warum ich da stehe.
Das waren Fans vor dem zurückliegenden Rammsteinkonzert in München. So ähnliches kann man ja auch viel
in den Kommentarspalten lesen aktuell. Hast du das auch so wahrgenommen, solche Äußerungen?
Ich finde es total wichtig, dass man da sehr differenziert drauf schaut. Es ist völlig klar,
dass erst mal jede erwachsene Person selbst entscheiden kann, mit wem und unter welchen
Umständen und wie sie Geschlechtsverkehr haben möchte. Gleichzeitig muss man, glaube ich,
in diesen Diskussionen sehr klar auseinanderhalten, unter welchen Umständen kommt es dazu. Ist es
möglicherweise so, dass Frauen ganz bewusst manipuliert worden sein könnten, dort Ja zu sagen,
zu etwas, zu dem sie vielleicht unter anderem Umständen nicht ja gesagt haben oder zumindest
wurden möglicherweise die Bedingungen erschwert abzulehnen. Es ist ja grundsätzlich schon so,
dass es nicht immer leicht ist, Nein zu sagen zu Dingen. Und gerade wenn man dann so ein großer
Fan ist, sehr junge Person vielleicht, die noch nicht so viel Erfahrung hat, auf einmal vor dem
großen Idol steht, möglicherweise gabs Feueralkohol, möglicherweise gabs Feueraufdrogen,
möglicherweise ist man von Bekannten und oder Freundinnen isoliert worden im Sinne von,
dass man auf die Aftaschauparty eingeladen wurde, aber die Leute, die einen aus Konzert begleitet
haben, nicht. Also es gibt so ganz viele Aspekte, die einen dann auch in eine Position bringen, wo
es nicht leichter wird, Nein zu sagen und wo Leute vielleicht auch überrumpelt worden sind. Also
werden ja einen Fall, wo wir eine Person hatten, die sagt, ja, ich habe nicht klar Nein gesagt,
aber ich habe eigentlich vorher gedacht, wenn mich jemand hier danach fragt, ob ich Sex haben
möchte, dann ist das vielleicht nach dem Konzert auf dem Weg ins Hotel. Ich kann mir das irgendwie
aussuchen. Ich habe da mehrere Schritte, wo ich dann überlegt, an welche Abzweigung nehme ich und
nicht vor dem Konzert, irgendwie mal eben schnell um die Ecke in der Umkleide und direkt geht es los
und ich weiß gar nicht, was mir geschieht, so wie sie es beschreibt zumindest. Also das sind alles
Sachen, die glaube ich in seiner sehr schwarz-weiß AB Diskussionen online nicht die Berücksichtigung
finden, die sie meiner Ansicht nach bräuchten. Ja, es wirkt so, als ob viele da aus ihrem
jeweiligen Lager heraus argumentieren. Also auch wenig zugänglich sind für die Perspektive der
jeweils anderen. Also es kommen zwei Sachen. Das eine ist, die Leute schreiben so ja, das geht
gar nicht, nur weil das schon seit Jahren zumindest in ähnlicher Form vielleicht von anderen Bands
praktiziert worden sein sollen, nur weil es diesen Mythos Groupie gibt, nur weil wir das vielleicht
in der Vergangenheit normalisiert haben, heißt das nicht, dass das in Ordnung ist und vor allem
sollten die Fälle zutreffen, die sich da in der Spitze zugetragen haben sollen. Dann ist es sowieso
problematisch, so finde ich viele Zuschriften und dann gibt es natürlich ganz viele, die sagen,
was soll der Quatsch eigentlich, warum diskutieren wir darüber, dass da alles Erwachsene personen,
die hätten noch nein sagen können. Also ich finde schon, dass das ein relevanter Teil von Leuten ist,
die sich da aussehen. Ja, und gerade wenn es dann darum geht, dass da sexuelle Handlungen ohne
Zustimmung stattgefunden haben sollen oder sogar sexualisierte Gewalt, dann habe ich jetzt so
aus Social Media mitbekommen, dass viele vor allem Ramstein-Fans da betonen, dass es ja die
Unschuldsvermutung erst mal gibt. Die sagen, das sind ja erst mal nur Anschuldigungen ohne
richtige Beweise. Das habe ich oft gehört. Wie habt ihr, wie hast du das wahrgenommen?
Ja, ich finde interessant zu beobachten, dass es offenbar ein eingeschränktes Verständnis bei
manchen gibt darüber, welche Funktion wir als Journalistinnen haben und welche Funktion wir
als Presse haben. Wir sind ja nicht diejenigen, die die Presse mit Teilung der Staatsanwaltschaft
abdrucken, wenn die irgendwas rausgefunden hat, sondern wir können ja selber recherchieren,
selber geschichten veröffentlichen und vor allem ist das auch unsere Aufgabe. Das nennt sich
Verdachtsberichterstattung. Wir tragen Indizien zusammen, Belege zusammen und wenn die ein klares
Bild zeichnen, Muster zeichnen und wir genug Belege zusammen haben, dann können wir auch
veröffentlichen und unabhängig davon auch, ob das überhaupt strafrechtlich relevant ist. Wir
können Wahles schreiben, das muss nicht am Ende auch in der Verurteilung münden. Und das finde
ich total schwierig. Natürlich gilt die Unschuldsvermutung, natürlich ist es eine Verdachtsberichterstattung.
Natürlich bin ich kein Staatsanwalt, aber gleichzeitig muss auch klar sein, wenn wir als
JournalistInnen mit einem großen Team von Leuten für diese Fälle genug Anknüpfungstatsachen,
Indizien, Belege zusammengetragen haben, so dann ist es auch in Ordnung, diese Berichterstattung zu
machen und dann kann sich jeder sein eigenes Bild machen.
Es gibt so ein bisschen auch diese Haltung in der Öffentlichkeit, habe ich das Gefühl, dass
man sagt, es gibt ja nur einen Anfangsverdacht, es sind ja nur Anschuldigungen, ähnlich wie das
vielleicht zuletzt bei Tilschweiger war, es werden oft Parallelen gezogen zu anderen Fällen, wo
falsche Anschuldigungen veröffentlicht wurden, zum Beispiel zum Fall Kachelmann. Ihr habt das
Gefühl, dass das in dem Fall doch durchaus genug belegt ist. Ja, wir machen uns natürlich sehr
viele Gedanken darüber, was wir veröffentlichen und was wir nicht veröffentlichen und wir nehmen
nicht einfach eine Geschichte von jemandem, die wir gehört haben und schmeißen die am nächsten Tag
in die Zeitung, sondern wir gucken natürlich nach Mustern und nach sich wiederholenden auch
glaubwürdigen Aussagen. Die Frauen kennen sich nicht, die Frauen kommen aus unterschiedlichen
Ländern, die waren auf unterschiedlichen Konzerten, an unterschiedlichen Zeitpunkten,
an unterschiedlichen Orten, erzählen immer wieder gleiche oder sich sehr stark ähnelnde
Geschichten, haben auch Belege für diese Dinge, zeigen die WhatsApp-Screenshots, haben Fotos
gemacht, haben Videos gemacht, bringen uns Freundinnen, bekannte Leute, die mit auf dem
Konzert waren, die genau das Gleiche bestätigen und dann versichern sie es noch an Eides statt.
Die Frauen können nicht einfach leichtfertig irgendwas behaupten, sondern das ist schon
was, was das sehr stark unterstreicht. Ja, die riskieren damit auch was, ne? Die riskieren was,
es ist ein Mittel für uns zu schauen, wie sicher sind sich die Frauen in dem, was sie erzählen und
wenn es dann gleich mehrere sind, die ähnliche Situationen und Erfahrungen bestätigen,
dann sind wir irgendwann an einem Punkt, wo wir sagen, jetzt können wir mit dieser Geschichte
herausgehen, weil wir sind zu diesem Zeitpunkt, sind wir da weit so nahe gekommen, wie wir kommen
können. Ja, und die Band bleibt weiterhin bei der Aussage, dass das alles nicht stimmt. Die Vorwürfe
haben sie weit von sich gewiesen und dann kamen aber immer mehr Reaktionen auf eure Veröffentlichung.
Frauen, mit denen ihr nicht gesprochen habt, die sich dann aber gemeldet haben, zum Beispiel,
die bekannte YouTuberin und Influencerin Kaila Scheiks, die hat er gesagt, sie hat ähnliche
Erfahrungen auf einem Ramstein-Konzert gemacht, auch das hat wieder hohe Wellen geschlagen.
Ja, also Kaila Scheiks war ja auch eingeladen worden auf ein Ramstein-Konzert in Berlin.
Wow, das ist echt ein schweres Video. Ich war im Juni 2022 beim Ramstein-Konzert und wurde dort
in der Halbzeit von einer russischen Frau namens Alena Makewa angesprochen und gefragt, ob ich
zur Afterparty mitkommen will. Was danach passiert ist, war sehr beängstigend. Und sie
beschreibt eigentlich das, was auch immer wieder andere bei uns in den Recherchen beschrieben
haben, dass sie dann halt nach dem Konzert auf diese Extra-Party, die nicht die eigentliche
After-Shop-Party ist, sondern eigentlich eine Extra-After-Shop-Party für Talindemann ist,
dass sie dahin geführt worden sein soll, dass sie dort in einem kleinen Raum saß. So beschreibt sie
es mit mehreren Frauen, dass sie das Gefühl hatte, die Frauen seien nicht mehr ganz bei sich
teilweise, dass sie ihr Handy abgeben musste. Das ist eine sehr sexualisierten Charakter hat und sie
das Gefühl hatte sie da eigentlich so ein Stück Fleisch, was quasi im Angebot darliegt für Talindemann.
Jetzt gerade kommt sehr viel raus, wovor ich sehr angst hatte, als ich in der Situation war und
anderen Mädchen ist leider viel, viel schlimmer ergangen als mir und ich möchte hiermit meine
Plattform und Reichweite nutzen und darüber berichten. Und dieses System, was sie da auch
beschreibt, das ist ja das, was auch in diesen letzten Veröffentlichungen von Talindemann gar nicht
mehr angegriffen wird, die sagen tatsächlich nur ja, die KO-Tropfen sind unwahr, aber das System
selbst und wie das beschrieben wird von immer mehr Frauen, das wird gar nicht mehr bestritten. Das
ist zumindest jetzt in den letzten Äußerungen auch in der Unterlassung an uns, aber auch in dem,
was die Kanzler Herr Scherzberg man zuletzt veröffentlicht hat, nicht mehr explizit bestritten
worden. Das ist also zumindest der Eindruck, den ihr habt aufgrund der Schreiben und der
Veröffentlichung, die ihr kennt. Zu den Unterlassungen kommen wir vielleicht gleich noch. Jetzt nochmal
zurück zu der Frau, die das Ganze ausgelöst hat und sich geäußert hat, Sherby Lynn. Die bekommt
auch viel Solidarität im Netz, das muss man auch mal sagen, also viele Leute sagen, das ist ganz
mutig und unterstützen sie, aber dann setzt jemand ein Kopfgeld auf sie aus, 200.000 Dollar. Das
klingt jetzt erstmal total kurios. Was bedeutet das in diesem Zusammenhang ein Kopfgeld? Ich glaube,
dass die sehr, sehr, sehr viele Bedroh bekommen hat, seitdem sie das veröffentlicht hat. Sie hat
auch selbst in verschiedenen Kontexten von Morddrohungen gesprochen, schon in den ersten Tagen.
Und dann ist auf Social Media dieser Post aufgetaucht, 200.000 auf den Kopf von Sherby Lynn. Ich denke mal,
dass allgemeine Verständnis war schon, da ja Leute möchten, dass sie stirbt, weil sie diese Band
so angreift und weil sie quasi davon ausgehen, die lügt, die versucht einfach nur unsere
Idole kaputt zu machen, die versucht diese Musik kaputt zu machen. Es gibt zumindest die Chance,
dass sowas eskaliert und deshalb kann ich mir kaum vorstellen, unter was für ein Druck die steht und
wie viel Mut sie haben muss, um diese Geschichte weiter zu erzählen, weil sie natürlich in einem
Shitstorm ist wahrscheinlich gar kein Ausdruck für das, in was sie da reingegraten ist durch ihre
Veröffentlichung. Und dann hat die Band auch Stellung genommen. In einer ersten Stellungnahme
haben sie die Anschuldigung von sich gewiesen und ein paar Tage später erscheint dann ein Post auf
der Instagram-Seite der Band. Der hat eine etwas andere Tonalität. Da steht so im Wortsinn,
man sei gegen Vorverurteilungen jeglicher Art. Ja, das Statement, das kam ein paar Tage später
raus. Das kam nach unserer Berichterstattung raus. Da wurde dann mehr oder weniger impliziert. Man
solle allen ihre Sicht lassen und auch die, die diese Erfahrungen beschreiben, die Mut,
was sich betroffenen, die sollte man nicht vorverurteilen. Das wirkte so sehr weich und so ein
bisschen fast mit Samtansch. Schon so ja, diese Menschen, die haben auch hier recht auf ihre
Sicht, das war eigentlich eine interessante Wendung, so ein bisschen finde ich, von dem,
was vorher kommuniziert wurde. Gleichzeitig war das für uns auch ein bisschen absurd, weil wir
mehr oder weniger zeitgleich von den Anwälten von Lindemann und Rammstein Unterlassungsbegehren
bekommen haben, dass wir Teile unseres Textes nicht mehr veröffentlichten sollen. Kannst du das noch
mal genau erklären? Was heißt das genau? Ja, wir haben Post bekommen gleich am Tag der
Veröffentlichung am Abend von den Anwälten, die bestimmte Passagen unseres Textes gerne nicht
veröffentlicht sehen würden. Das nennt sich Unterlassungsbegehren. Sie haben quasi argumentiert,
dass das nicht in Ordnung sei, dass wir das so veröffentlicht haben und wir haben dann
relativ Zeit, da gibt es zwar knappe Fristen ausführlich argumentiert, warum das in Ordnung ist,
dass wir das veröffentlicht haben. Und jetzt schauen wir mal, was weiter passiert. Wir sind
da aber sehr optimistisch, dass das, so wie wir das gemacht haben, auch völlig in Ordnung ist,
weil wir das auch nicht zum ersten Mal machen. Und wer sind diese Anwälte, die da jetzt in diesem
Fall dabei sind? Ja, es gibt eine Kanzlei, die sich so beginnend um Rammstein und Lindemann
gekümmert hat, sich jetzt immer noch um Rammstein kümmert und dann gibt es eine zweite Kanzlei,
die sich sehr öffentlichkeitswirksam jetzt um Teile Lindemann kümmert. Die nennt sich Scherz Bergmann,
die Kanzlei, und die haben auch eine Pressementeilung rausgegeben, dass sie jetzt Teile Lindemann
vertreten in medienrechtlichen Fragen und auch gegen alle vorgehen wollen, die in ihren Augen
unzulässige Verdassbrüchstattung gemacht haben oder Vorbefelsintern veröffentlicht haben. Also damit,
die das nicht mehr öffentlich so sagen, das ist natürlich das gute Recht von Teile Lindemann
und von Rammstein, sich auch gegen falsche Behauptungen zu schützen oder dagegen vorzugehen und
dafür auch Anwälte zu nehmen, klar. Aber gleichzeitig macht das natürlich auch was mit den
mutmaßlich Betroffenen. Das stelle ich mir für die auch echt nicht leicht vor. Also es ist natürlich
schwierig, wenn man als Einzelperson im Internet irgendwelche Sachen veröffentlicht, weil man da
dann einfach eine sehr, sehr starke Beleglage haben muss, um das Verteidigung zu können oder sehr
vorsichtig formulieren muss. Wir als Medien haben es ein bisschen einfacher, weil wir ja die Fälle von
mehreren Betroffenen zusammentragen können und das als Presseprivileg auch eine Verdachtsbrüchstattung
machen können. Plus wir haben Juristen im Haus, plus wir haben irgendwie die Erfahrung, wie man
sowas macht. Das heißt, für Leute, die jetzt selbst was zu dem Fall veröffentlichen wollen,
ist es glaube ich nicht so leicht. Da muss man sich schon gut Gedanken machen, wie man das machen
möchte. Man kann sich natürlich weiter an uns wenden und wir können schauen, welche Art von
Berichterstattung möglich ist. Wir merken aber natürlich, dass solche sehr öffentlichkeitswirksam,
ziemlich aggressiven Pressemitteilungen von der ganz live von Teile Lindemann dafür sorgen,
dass Frauen sich Gedanken darüber machen. Was heißt das jetzt eigentlich, wenn die alle
verklagen wollen, verklagen die auch mich. Und klar können wir denen erklären, nee, wenn ihr
mit uns sprecht, ist das in Ordnung. Wir können euch schützen, ihr seid unsere Quellen. Wir als
Journalisten stellen uns davor. Wir können euch anonymisieren, euch droht da nichts. Aber das ist
natürlich was, was man erstmal den Leuten erklären muss und ich kann mir vorstellen, dass Leute
dann sich auch nicht bei uns melden, weil sie vielleicht Angst davor hatten. Ja, und was droht
denn da eigentlich? Also wenn man jetzt Post vom Anwalt bekommt, so wie ihr oder meinetwegen auch
als Privatperson, aber bei so einer Abmahnung, was kann da passieren? Ja, in den allermeisten Fällen
geht es eigentlich darum, dass die Kanzlei bestimmte Passagen eines Textes oder ein Tweet oder
ähnliches aus dem Netz haben möchte. Und dann kann man entweder sagen, ja okay, wir nehmen den
halt aus dem Netz, zahlt 1500 Euro etwa, manchmal auch ein bisschen mehr an Anwaltsgebühren und
damit ist die Sache vom Tisch. Wir als Medium wollen natürlich unsere Sachen nicht aus dem Netz
nehmen, sondern verteidigen die und dann wird es halt ein bisschen komplizierter. Dann braucht man
halt selber Anwälte, die das quasi dann auch aufbereiten. Man verteidigt sich das vor Gericht,
da können die Kosten dann auch relativ schnell relativ hochgehen. Wenn man da durch mehrere
Instanzen miteinander streitet, manchmal kommt das ja vor, dass das sich dann auch über Monate und
Jahre zieht, dann können das auch 10.000 Euro werden, die das am Ende kostet. Und dafür ist es
halt gut, wenn man dann ein Medium hinter sich hat, dass solche Sachen durchfechtet. Ja, gerade wenn es so
hoch hergeht, wie jetzt im Fall von Rammstein, hast du so ein bisschen das Gefühl, dass sich da
etwas verselbstständigt hat, seitdem ihr ja aktiv mutmaßlich Betroffene aufgerufen habt,
sich bei euch zu melden? Als wir an dem Montag vor knapp zwei Wochen diesen Tweet veröffentlicht
haben oder als ich den Tweet abgesetzt habe und den Instagram post, wir suchen Menschen, die
Erfahrungen haben mit Rammstein und Zero Zero, bitte meldet euch bei uns. Hätte ich niemals gedacht,
dass das so eine krasse Welle machen würde und dass so viele Menschen sich melden würden,
dass wir jetzt 14 Tage später immer noch so intensiv darüber diskutieren. Ich bin großer
Fan davon, immer wenn es möglich ist, Leute um mithilfe bei Recherchen zu bitten, so Hilfe
uns zu recherchieren, finde ich ist ein sehr starker Satz für Journalistinnen, weil wie sollen
Menschen sonst wissen, dass wir was dazu machen, wenn wir es nicht sagen? Und es hat in diesem Fall
einfach in verschiedene Richtungen hin, war es extremer als sonst. Das haben sich viel mehr Menschen
gemeldet als normalerweise, dass bei solchen Geschichten der Falle sehr viel schneller haben
sich die Frauen gemeldet. Es gab sehr viel mehr Mut, was nicht betroffen, als es normalerweise in
solchen Fällen der Fall ist, zumindest wenn man den Aussagen der Frauen glauben darf. Aber es gab
auch insgesamt eine viel viel größere Diskussion darum und das habe ich auf jeden Fall unterschätzt
ganz am Anfang, was für ein großes Ding das ist und werden wird. Und jetzt ist es natürlich so,
dass wir sagen, ja wir haben jetzt die erste große Recherche zu veröffentlicht. Wir wollen
natürlich der Verantwortung gerecht werden, die wir haben, dadurch dass wir als erstes eine große
Veröffentlichung hatten und dass sich so viele Menschen bei uns gemeldet haben. Und deshalb gibt's
im Moment auch kaum anderes Thema für die KollegInnen und mich. Ja, also dass sich da so viel mehr
Frauen gemeldet haben, als gedacht, dass diese Diskussion so groß wird, das war glaube ich nicht
nur du nicht erwartet. Du hast vielleicht schon ein bisschen mehr darüber nachgedacht. Weißt du,
woran es gelegen haben könnte? Ich glaube, dass es eine krasse Kombination aus verschiedenen
Aspekten ist. Es ist eine sehr, sehr, sehr erfolgreiche Band. Es ist eine Band, die vorher schon sehr
stark polarisiert hat, wo es Leute gibt, die die wahnsinnig lieben und Leute, die die eh schon ganz
schlimm finden. Dann ist alles, was sich um sexualisierte Gewalt, Männerfrauen, Mitu, Machtmissbrauch
dreht, ist was, was sehr emotional diskutiert wird, was auch in Deutschland immer stärker
diskutiert wird über die vergangenen Jahre, wo heute ganz anders diskutiert wird als noch vor
wenigen Jahren. Und ich glaube, dass sich ganz viel von diesen verschiedenen Welten daran zeigt,
die sind aufeinandergeprallt, diese ganz extremen Positionen. Und dann kam halt dazu, dass anders
als vielleicht sonst, in diesem Fall auch sehr schnell journalistische Recherchen gefolgt sind,
die dem Ganzen auch ein anderes Fundament gegeben haben für die Diskussion. Also ich meine,
92 Stunden nach meinem Feed war die Recherche draußen. Wenige Tage später kamen Kolleginnen der
Welt am Sonntag, eine Woche später der Spiegel mit einem großen Titel, zwischendurch ganz viel
Berichterstattung drum herum. Also das ist glaube ich selten, dass an einem Beispiel entzündet,
so emotionale Diskussion, so intensiv, sowohl auf solche Medien als auch in Medien geführt wird.
Ja und jetzt rollt diese Welle, was meinst du, was kommt da noch?
Wir recherchieren auf jeden Fall weiter. Wir sprechen auch weiter mit Personen,
die sich bei uns melden. Ich glaube, dass wir auf zwei Ebenen noch Diskussionen haben werden.
Das eine ist die faktische Ebene. So was gibt es möglicherweise noch für Erfahrungen,
die Menschen mit uns besprechen wollen, über die wir dann berichten? Gibt es da vielleicht noch
Erweiterungen der Vorbefür? Das kann ich gar nicht sagen. Das muss man abwarten. Da müssen wir schauen,
was Menschen uns erzählen und wie diese Erzählungen belegbar sind. Und die zweite Ebene ist diese
Diskussions- und Meinungsebene. So was ist noch in Ordnung? Was geht gar nicht? Wie besprechen wir
solche Themen? Muss sich gesellschaftlich was verändern? Ich glaube, dass da auch noch sehr,
sehr, sehr viel sehr roh ist in der Diskussion und dass das noch sehr viel weitergehen kann,
wie wir da diskutieren. Meinst du, das hat Konsequenzen auch für andere Bands? Zum Beispiel,
was unsere Sicht auf das Verhältnis von Groupies und Stars angeht? Oder eben auf diese Form von
Umgang von Männern und Frauen in verschiedenen Machtsituationen? Inwiefern meinst du, könnte
das uns verändern? Ich glaube auf jeden Fall, dass uns das verändert. Ein Beispiel finde ich
spannend. Es gab eine Bewegung schon in den letzten Jahren, die nannte sich Deutschrap Me Too. Das war
ein Instagram-Kanal, wo Personen Fälle anonymisiert gesammelt haben und veröffentlicht haben aus
dem Deutschrap. Und da gab es aber nie, finde ich, eine ausreichende, große journalistische
Recherche, eine Berichterstattung darüber, obwohl eigentlich die Fälle an sich, die dann
anonymisiert waren und von diesen Aktivistinnen gesammelt wurden, krass waren, entheilen und
einfach eine Diskussion hätten auslösen können und müssen. Und das finde ich ganz spannend,
dass die sich jetzt umgenannt haben in Music Me Too Germany, also ausgeweitet haben über den
Deutschrap hinaus, mehr auf die ganze Musik sehe. Und ich glaube, dass diese ganze Debatte auch
breiter und stärker wird. Und ich vermute, dass es ein bisschen davon abhängt, was in der
Recherche und in der Berichterstattung zu Rammstein möglicherweise noch kommt, wie stark diese
Debatte noch wird und bleibt. Aber grundsätzlich bin ich mir sicher, dass ich dieses Bild,
die haben das doch aller gewollt, warum haben die nicht nein gesagt, das ist ganz normal,
ist doch klar, dass Musiker das nutzen, dass das zwar in manchen Köpfen noch drin ist,
aber in sehr viel weniger, als das vor zehn Jahren waren. Und es wird auch in zwei Jahren
noch mal anders diskutiert werden, als es jetzt diskutiert wird. Also ich bin mir ziemlich
sicher, dass diese Bewegung, das neu zu diskutieren, die in den vergangenen Jahren langsam anlief,
mit diesem Fall noch mal sehr viel stärker wird. Ich bin da sehr gespannt, sagen wir mal so,
auf die nächsten Wochen. Und wenn es was Neues gibt, dann kommst du wieder zu uns, oder?
Das mache ich sehr gerne, ja. Bis dann, tschüss. Vielen Dank euch, bis bald.
Das war 11km der Tagesschau-Podcast, heute mit Daniel Drepper, Leiter von der Recherchekooperation
von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung. An der Recherche beteiligt sind ebenfalls Jakob Jadser,
Sebastian Erb, Laura Herdreiter, Lena Kampf, Ralph Wiegandt, Elena Kuch, Sebastian Pellekopf
und Isabel Schneider. Die Links zu den wichtigsten Veröffentlichungen legen wir euch wie immer in
die Shownotes. 11km findet ihr in der AID-Audiothek und überall dort, wo es Podcast gibt. Folgen
Autor ist Stefan Beutting, mitgearbeitet hat Mark Hoffmann, Produktion, Viktor Werresch,
Hanna Brünjes und Ursula Kierstein, Radaktionsleitung, Lena Gürtler und Fumiko Lipp.
11km ist eine Produktion von BR24 und NDR-Info. Mein Name ist Victoria Michaelzack.
Wir hören uns in der nächsten Folge 11km. Tschüss!
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Mit brachialem Deutschrock sind sie erfolgreich. Jetzt steht Rammstein wegen schwerer Vorwürfe im Rampenlicht. Ein Social-Media-Post der Nordirin Shelby Lynn hat eine regelrechte Welle von Veröffentlichungen, Anschuldigungen und Reaktionen ausgelöst. Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt, es gehe um Vorwürfe aus dem Bereich der Sexualdelikte und der Abgabe von Betäubungsmitteln. In dieser 11KM-Folge sortieren wir die Lage, mit Investigativ-Journalist Daniel Drepper von der Recherchekooperation NDR/WDR/SZ. Er erzählt, wie er und sein Team die Vorwürfe gegen Rammstein unter Zeitdruck überprüfen und wie sie trotz juristischen Gegenwinds weiterrecherchieren.
Vorwürfe gegen Rammstein und Lindemann: Worum geht es?
https://www.tagesschau.de/thema/rammstein
Ressort Investigation im NDR:
https://www.ndr.de/nachrichten/investigation/Ressort-Investigation-im-NDR,investigation102.html
An dieser Folge waren beteiligt:
Folgenautor: Stephan Beuting
Mitarbeit: Marc Hoffmann
Produktion: Hanna Brünjes, Victor Veress,
Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler
11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info. Die redaktionelle Verantwortung für diese Episode liegt beim BR.