11KM: der tagesschau-Podcast: Podcast 11KM: Hilfe!! Wo ist all das Ärztezeug hin?
tagesschau 7/3/23 - Episode Page - 26m - PDF Transcript
Nicht größer als eine Walnuss. So klein ist ein Baby-Herz. Wenn es kaputt ist, sind Säuglinge
in Lebensgefahr. Vor allem dann, wenn Ärzten und Ärztinnen etwas fehlt, was sie zur Rettung brauchen.
Vom Pflaster bis zum Katheter. All das sind Medizinprodukte und die werden offenbar knapp.
Der Grund ist eine EU-Verordnung. Die ist zwar gut gemeint, aber über dieses Aber hat BR-Reporterin
Mira Bartelmann wochenlang recherchiert. Für das BR-Politikmagazin Controvers. Ihr hört FKM
der Tages Show-Podcast. Ein Thema in aller Tiefe. Mein Name ist Victoria Michalsack. Heute ist
Montag, der 3. Juli. Und Mira nimmt uns mit. An den Ort, der Kinder retten soll, so gut es geht.
Nur das Gut wird gerade schlechter. Dieses Mädchen, da war im Mutterleib schon klar, dass das Mädchen
mit einem Herzfehler auf die Welt kommen wird. Dieses Mädchen hat sich per Spontangeburt selbst auf die Welt
gekämpft und leider ist es nach ungefähr 2 Tagen blau angelaufen. Ich habe mit dem Vater gesprochen
und ich muss sagen, ich stand einer doch erschöpften Person gegenüber. Das war ein Moment, den ich mir
niemanden wünscht, weil wir waren zu 2 da, meine Frau und ich. Und plötzlich ist das Kind blau
angelaufen. Alle Werte auf diesen Monitoren sind runtergesagt. Plötzlich standen 5 Leute um das
Bett herum. Es war klar, dass die Sauerstoffversorgung nicht in Ordnung ist. Und dann wurde das Baby
ganz schnell in ein sogenanntes Katheter-Labor gebracht. In einem Katheter-Labor, wie der Name
schon verrät, finden Katheter Eingriffe statt. Und dann wurden wir auch relativ kurz danach
ausgeschickt, um dieses Manöver eben ermöglichen zu können. Und dann ungefähr mit diesem Ballon
so ein kleines Löchchen gerupft wird, um die Sauerstoffversorgung zu verbessern. Ein Katheter,
das ist so eine Art Schlauch. Genau, man muss sich vorstellen, das ist ein dünner, sehr biegsamer
Schlauch. Das ist eigentlich etwas ganz Bananes, wenn man sich das so anschaut. So ein bisschen wie
so ein durchsichtiger Strohhalm, nur im Durchmesser viel kleiner. Und was wird damit gemacht mit dem
Schlauch? Wo kommt er hin? Bei dem Fall von dem kleinen Mädchen musste ein Schlauch von der Leiste
bis zum Herzen geschoben werden durch diese empfindlichen Ardern, der im Durchmesser zu groß
war. Die Ärzte mussten den Eltern hinterher erklären, wir haben nicht den passenden Schlauch im
Katheter-Labor vorrätig gehabt. Wir mussten einen Katheter verwenden, der eigentlich für ihre kleine
Tochter zu groß war. Und was heißt das? Was kann da passieren? Das ist gefährlich. Die Ardern
von einem Säugling sind extrem klein und extrem dünnwandig und das ist einfach ein großes Risiko,
dass man so eine Ader verletzt, dass innere Blutungen auftreten. Also das kann ganz schnell zu einem ganz
hoch risikoreichen Eingriff werden. Hochrisiko heißt lebensgefährlich? Lebensgefährlich. Und du
hast da vor Ort mit einem Kinderkardiologen auch gesprochen. Was sagt er denn dazu,
dass dieser Schlauch nicht da war? Ja, ich durfte den Professor Sven Dietrich besuchen und der hat
mich in das Katheter-Labor geführt. Der hat gesagt, das müssen Sie sich jetzt mal selber anschauen. Hat
dann Wandschränke wirklich vom Boden bis zur Decke geöffnet. Und dann sagt sie, sehen Sie her,
das sind eigentlich unsere Vorratskammern. Hier bedienen wir uns während des Eingriffs und die
müssten proppevoll sein, diese Schränke. Und das sind sie einfach nicht. Es ist tatsächlich so,
dass mittlerweile einige langjährige Produkte komplett vom Markt verschwunden sind. Und andere
sind im Moment nur mit Sonderzulassung erhältlich. Aber dass ich jetzt sage, geben Sie mir doch bitte
mal das und das aus dem Schrank. Und dann die Antwort kommt, das ist alle oder das haben wir
nicht mehr oder da haben wir Lieferschwierigkeiten. Das gab es bis vor zwei Jahren praktisch nicht.
Und er sagt, es ist überhaupt kein gutes Zeichen. Wir müssen hier auf alle Eventualitäten
vorbereitet sein. Eigentlich laufen wir auf eine Versorgungslücke hinaus.
Wo sind wir überhaupt? In welcher Klinik spielt diese Geschichte? Wir sind in der Kinderkardiologie
der Universitätsklinik Erlangen. Das ist eine Klinik der maximalen Versorgungsstufe. So ist der
offizielle Begriff. Okay, das zeigt echt diese Versorgungsnot, weil wenn nicht die den passenden
Schlauch haben, wer dann? Aber diese Katheter für Säuglinge, ist das jetzt eigentlich ein Sonderfall
oder ist es jetzt nur ein Beispiel von vielen für so ein Materialmangel in Kliniken? Ein riesiges
medizinisches Fachgebiet ist ja die Orthopädie. Und auch hier gibt es beginnende Probleme.
Ich war bei einer Operation dabei von Knie und Oberschenkel. Auf dem OP-Tisch war ein Mann, der war
Ende 50. Der hatte zig Jahre davor einen schweren Verkehrsunfall. Also der Oberschenkel sah irgendwie
aus wie so eine gedrehte Kerze. Also Wahnsinn. Total schlecht verheilt.
Operiert hat der Professor Johannes Beckmann am Klinikum beim Herzige Bruder in München. Er hat
gesagt, er hat wirklich sich reingehängt, um eine Prothese zu finden. Und es gibt gerade mal noch
einen Hersteller, wo er so ein Teil auftreiben konnte. Das ist jetzt eine Chance nochmal. Und da
gibt es genau ein Produkt jetzt, was ich noch auftreiben konnte. Das könnte rein theoretisch
wirklich auch betroffen sein, dass wir das in Zukunft nicht mehr machen können.
Also wir haben jetzt gehört Kardiologie, Orthopädie. Was sind sonst noch Situationen,
wo Medizinprodukte fehlen können? Welche Produkte sind das? Das gibt mehrere hunderttausend,
die in der EU zur Anwendung kommen. Grundsätzlich muss man sich vorstellen, Medizinprodukte,
das ist alles außer Medikamente. Also wenn man sich eine Hausarztpraxis vorstellt, da gibt es
Mulbinden, da gibt es Pads, da gibt es die Liege, auf der man liegt, das Stethoskop, das Pflaster,
das Ultraschallgerät, das Röntgengerät, bis hin zum Herzschrittmacher. Und wieso sind die jetzt
knapp? Weil es eine neue Medizinprodukteverordnung der Europäischen Union gibt. Die Europäische
Union wollte mehr Sicherheit. Wir haben sichere Regeln gebraucht. Die alten Regeln waren nicht
streng genug, um die Probleme, die wir hatten, zu verhindern. Also die Medizinprodukteverordnung
wurde 2017 vom Europäischen Parlament mehrheitlich beschlossen und seitdem immerhin drei Mal
abgeändert. Also da kann man schon dran sehen, da Haarpads und da gibt es einfach enorme
Schwierigkeiten. Ich meine, dass Medizinprodukte geprüft werden müssen ordentlich, das ist ja
klar. Was ist denn jetzt an dieser neuen Verordnung oder an diesem neuen Vorgang so schwierig?
Die Medizinprodukte sind in verschiedene Risikoklassen eingeteilt. Also ein Pflaster ist nur
Risikoklasse 1, da kann jetzt nicht so viel passieren. Und der Herzschrittmacher ist die höchste
Risikoklasse, weil das ein Medizinprodukt ist, das in den Körper eingeführt wird und dort
verbleibt, möglichst jahrelang. Und das Problem ist, gerade diese Hochrisikoprodukte, die sollen
alle mittels klinischer Studien, mit einer aufwendigen Evaluierung, mit einer Qualitätskontrolle
neu zertifiziert werden. Ein Verfahren, das für die Hersteller hochaufwendig ist, die müssen erst
belegen, was sie da herstellen möchten, die müssen die Wirksamkeit belegen, Studien durchlaufen,
klinische Studien zum Teil, die dauern ja an sich schon Monate lang, je nachdem, wie schnell man
seine Fallzahlen zusammen hat. Also wir haben Hersteller, Ärzte erklärt, wir haben einfach ein
bürokratisches Monster vor uns. Also das heißt, es geht jetzt nicht hier um eine Verordnung für neue
Produkte, wenn die zugelassen werden, wenn die auf den Markt kommen, dass die sicher geprübt
werden, sondern es geht darum, dass alles, was auf dem Markt ist, dass das neu zertifiziert werden soll.
Genau, das ist der Knackpunkt. Man muss sich vorstellen, wenn man jetzt eine Kniprothese
neu zertifizieren lassen möchte, nach dem neuen Verfahren, das dauert gut und gerne mal ein
Jahr, dass manche Hersteller auch einfach aufgeben. Einfach aufgeben. Irgendwie denkt man ja, naja,
gut, klar müssen Produkte generell in der EU gewissen Standards entsprechen und es klingt ja
gut und richtig, dass man aufpasst, womit zum Beispiel operiert wird oder was uns eingesetzt wird,
aber wieso ist das so schwierig, so eine Zertifizierung zu machen? Ja, da kann ich gern ein Beispiel
erzählen. Ich war in Nordrhein-Pfalz bei Hamburg bei einem familiengeführten, mittelständischen
Medizinprodukte-Hersteller. Die stellen Prothesen her, die ganze Produktpalette, sage ich mal,
und unter anderem die sogenannte Sattelprothese. Die Sattelprothese brauchen Menschen, die ein
Problem an der Hüfte haben und am Oberschenkel knochen. Und wenn man eine Sattelprothese braucht,
dann brennt es wirklich. Dann geht es darum, kann der Mensch sein Bein behalten oder nicht. Hü oder
Hot. Und diese Sattelprothese, die gibt es jetzt nicht mehr. Das ist nicht mehr zugelassen. Das wäre
eine Katastrophe. Heißt das dann zum Beispiel würde jemand sein Bein verlieren, wenn die Prothese
nicht da ist? Ja. Wahnsinn, okay. Wir stehen vor Amputationen. Wir stehen vor unnötigen
Operationen am offenen Herzen. Und das liegt nicht daran, dass die Produkte nicht gut wären. Das
liegt an Bürokratie, kann man das so sagen? Das kann man so sagen. So, das muss ich mir noch mal
genauer erklären. Lass uns mal bei diesem Beispiel in Nordrhein-Pfalz bleiben. Da hast du ja, glaube ich,
mit Norbert Ostwald gesprochen. Das ist der Geschäftsführer vom Prothesenhersteller da. Und der
sagt jetzt, unsere Sattelprothese, die kriegen wir nicht mehr durch dieses neue bürokratische
Prozedere hinter diesem extrem sperrigen Wort Medizinprodukteverordnung. So, warum genau? Wo
genau ist das Problem? Um diesem Verfahren gerecht zu werden, hätte die Firma mehrere Kliniken
finden müssen, die an einer klinischen Studie teilnehmen wollen. Jetzt hat aber keine Klinik,
keine Forschungsstelle, irgendein Interesse, ein Produkt und an Wirksamkeit am Patienten zu
dokumentieren oder gar zu erforschen, wenn es schon total etabliert ist. Da kann man sich ja
überhaupt nicht grofilieren. Das ergibt einfach überhaupt keinen Sinn. Das geht mal ganz schnell
in viele hunderttausend Euro bis zu einer Million oder noch mehr Euro. Das ist ein großer Aufwand,
eine Studie zu machen mit einem Produkt, das nicht zugelassen ist. Und dann gibt es ein
zweites Problem. Also für ein einzelnes Produkt, da fallen wirklich aktem ordnerweise Material an.
Und nur mal als Beispiel eines unserer letzten zugelassenen Implantatssysteme hatte 850 Dokumente,
die wir eingereicht haben. Das war unter der alten Verordnung und unter der neuen Verordnung sind
das 1300. Daran kann man sehen, wie viel größer der Aufwand ist. Das muss ja alles geschrieben
und bearbeitet werden und das macht die Produkte am Ende für die Patienten nicht besser. Und diese
ganze Dokumentation muss ja irgendwie durchführen und das sind sogenannte benannte Stellen und auch
die müssen zertifiziert werden und es ist in Europa noch nicht gelungen. So viele benannte
Stellen auf die Beine zu stellen. Das heißt, selbst wenn ich als Hersteller sage, ich durchlaufe
dieses Medizinprodukte-Verordnungsverfahren jetzt, ich will einfach, dass meine Produkte-Patienten in
der EU weiter zur Verfügung stehen, dann müssen sie monatelang warten, bis sie überhaupt geprüft
werden können, weil es nicht genügend Prüfstellen gibt. Ich kann nur so
sagen, ich war wirklich fassungslos von Recherche-Gespräch zu Recherche-Gespräch. Ich war dann auch in
Berlin bei Marc-Pierre Möll, der ist vom Bundesverband Medizintechnologie. Das ist ein
Verband, der mehrere hundert Medizinprodukte-Hersteller repräsentiert und der Verband geht
davon aus, dass 30 Prozent aller Medizinprodukte in der EU künftig nicht mehr verfügbar sein werden.
30 Prozent, ein Drittel. Kleine mittelständische hoch-innovative Unternehmen, Hidden Champions und
die können diese Regulierungen nicht stemmen. Und da gibt es mehrere Möglichkeiten und eine
Möglichkeit, dass dann viele sagen, ich verlasse den Standort Deutschland. Die sagen, wir melden
unsere Produkte nicht mehr für die EU an, sondern wir gehen gleich in die USA.
Wenn man ein US-Zertifikat für sein Produkt hat, hat es einen großen Vorteil. Man ist automatisch auf
vielen Märkten, großen Märkten, Absatzmärkten automatisch zugelassen. Nur nicht in der EU.
In der EU gilt das US-Zertifikat nichts.
Okay, wir in Europa haben anscheinend beim Versuch, unsere Medizinprodukte sicherer zu machen, dafür
gesorgt, dass wir demnächst viel weniger haben, vielleicht zu wenig, weil logischerweise die Anbieter
nicht mehr in der EU anbieten wollen, weil sie weggehen. Jetzt frage ich mich, warum musste diese
neue Verordnung denn überhaupt her? Warum tun wir uns in Deutschland und in der EU so einen Behörden
Wahnsinn an, wenn es doch ein Schuss in uns Knie ist offenbar, wenn uns das Probleme macht?
Also es gab einen wirklich großen Auslöser, das muss man wirklich sagen, der sogenannte Brustimplantate,
Skandal, der ist bestimmt vielen noch in Erinnerung.
Ein Skandal um minderwertige Brustimplantate hat die französische Regierung zu einem
bislang einzigartigen Aufruf veranlasst. Das Gesundheitsministerium empfahlt Frauen, sich Silikon-Kissen
des Herstellers PIP herausoperieren zu lassen. Die französische Firma hatte anstelle von teure
medizinischen Silikon ein möglicherweise gesundheitsgefährdendes Billigprodukt verwendet.
Und als das Publik wurde, war klar, allein in Frankreich müssen 30.000 Frauen noch einmal
unter das Messer diese Brustimplantate, diese Kissen, müssen raus.
Der Skandal um minderwertige Brustimplantate hat die EU-Kommission wach.
Frauen, minderwertige Silikon-Kissen-Infremap debießen darauf hin, dass auch ohne Reste
die Implantate entfernt ist. Die EU fordert strengere Qualitätskontrollen.
Und das war die Idee, dass man eine neue Verordnung braucht, damit so was nicht mehr passieren kann,
um das zu verbessern. Ist ja eine gute Idee.
Ist eine gute Idee. Wir haben aber alle Gesprächspartner gesagt, wir haben es hier mit einem kriminellen
Hersteller zu tun. Also das ist ein Einzelfall. Aber dass jetzt Produkte, die seit Jahren
und Jahrzehnten erfolgreich etabliert im Einsatz sind, einfach komplett von vorne neu
erfasst werden müssen, mit klinischen Studien belegt werden müssen, das ist einfach eins
drüber. Das ist einfach viel zu viel. Man hat ja im Laufe eines Reporterlebens
doch einige Themen auf dem Tisch und oft berichtet man über Stillstand oder darüber, dass es
beim Thema keinen Fortschritt gibt. Aber ich erlebe hier einen Rückschritt, eine Verschlechterung
der medizinischen Versorgung in Deutschland. Das fand ich doch ziemlich herausragend.
Da läge es doch jetzt auf der Hand zu sagen, hey, wir hatten eigentlich gute Absichten,
aber das funktioniert so anscheinend überhaupt nicht in der Praxis. Ganz im Gegenteil, dann
müsste man es vielleicht doch anders machen. Ich meine, das muss doch den Verantwortlichen
in der EU schon längst bekannt sein. Also es gibt ja Hersteller, Ärzte, Kliniken, Patientenvertreter,
Lobbyisten. Würde ich jetzt zumindest denken, dass die da Bescheid sagen oder nicht? Was hast du da erlebt?
Ja, also ich hatte einen Termin mit dem Stefan de Kerstmecker. Das ist der Sprecher der
Kommissarin für öffentliche Gesundheit. Also die sind maßgeblich für diese Medizinprodukte
verordnungverantwortlich. Er hat mir auch erklärt, die Hersteller haben jetzt auch mehr Zeit für
die Zertifizierungen. Das haben sie verstanden, diesen Flaschenhals. Aber baldige Veränderungen
sind nicht angedacht. Man will das jetzt mal fünf Jahre so laufen lassen und dann evaluieren.
Hören Sie, wir werten auch dieses Gesetz in einigen Jahren nochmal aus. Wenn wir dann sehen
können, wie sich die Sache entwickelt hat, was das für die Hersteller und für die Zulassungsstellen
bedeutet. Also das heißt, in diesen Jahren könnte sich diese Abwanderung einfach fortsetzen und
dann eben auch eine Abhängigkeit von der Industrie, die dann hier gar nicht mehr gegeben ist. Also die,
ja, also ich glaube, wenn man es einfach laufen lässt und dann mal guckt in ein paar Jahren,
dann wird es einfach ganz viele Hersteller geben, die sagen, wissen Sie, wir haben uns das alles
angeschaut, wir haben uns das gut überlegt, aber wir sind in den USA super aufgehoben. Es ist für
uns ein gangbarer Weg. Aber das muss doch nicht nur auf EU-Ebene Kreise ziehen, sondern auch in
Deutschland, also beim Bundesgesundheitsministerium zum Beispiel. Was sagen die denn dazu? Können
die sich da nicht einmischen? Ich habe bei meinen Gesprächen erfahren, dass auch der
Bundesgesundheitsminister sich durchaus mit Briefen an Brüssel gekümmert hat, sich immer wieder
eingeschaltet hat, aber er wollte trotz meiner zahlreichen Anfragen mir dazu kein Interview geben.
Und was hat das Gesundheitsministerium gesagt? Haben die gesagt, wir haben keine Zeit oder
wir möchten darüber nicht reden? Keine Zeit, terminische Gründe. Und ich habe viele Slots angeboten.
Du hast mit wem geredet, der genau dabei war von Anfang an und diese Verordnung mitentwickelt
hat. Was sagt er denn dazu? Genau, mit Dr. Peter Liese, er ist selber Arzt und Abgeordneter
CDU aus Nordrhein-Westfalen und ich muss sagen, das war ein Interview, das ich da geführt habe,
das habe ich eigentlich auch noch nie erlebt. Dass es so schlimm wird, da muss ich auch zugeben,
habe ich nicht geahnt und dann muss ich dann einfach sagen, das hat sich nicht bewährt weg damit.
Ich glaube, man kann jetzt schon sagen, es ist zu kurz gedacht, es ist ein großes, großes Eigentor.
Mira, du sagst jetzt, wir dürfen hier eigentlich nicht mehr jahrelang warten. Jeder von uns kann
auf einem OP-Tisch landen und schlimmstenfalls gibt es dann nicht die Prothese oder nicht den
Katheter, den wir gerade brauchen. Also es müsste sich schnell was ändern in Sachen Medizinprodukte
vor Ordnung, sagst du. Wie meinst du denn, könnte das gehen? Ich meine, dass die europäische Kommission
dringend gefragt ist, die ganzen Kritiker, die ganzen Praktika noch einmal anzuhören. Es gab
ja zig Runden und sich zu überlegen, ja, wie können wir diesen Brain-Drain und den Hersteller
Drain aufhalten? Man muss sich das bewusst machen. Ich hätte auch die Hoffnung, dass Ursula von der
Leyen als Kommissionspräsidentin und Ärztin sich da einschaltet. Das wäre wahrscheinlich schon ein
Gamechanger, wenn sie sich das Thema einfach schnappt und öffentlich macht und sagt, das ist was,
da müssen wir dringend dran arbeiten und wir wollen die Hersteller hier halten.
Wie ist denn eigentlich die Geschichte mit dem herzkrankten Kind ausgegangen? Das herzkranke Kind
konnte nach zwei Wochen entlassen werden. Ich durfte bei dem Entlassungsgespräch dabei sein. Die
Eltern, die saßen schon auf gepackten Taschen und haben sich auch zu Hause gefreut. Und der Professor
Dietrich hat der Familie erklärt, sie nehmen ein gesundes Kind mit nach Hause. Das hat zwar
schon viel mitgemacht, aber rein theoretisch kann ihre Tochter, wenn sie denn möchte, später mal
Leistungssportlerin werden. Ihre Tochter ist jetzt repariert am Herzen und damit ist sie eigentlich
auch gesund, nicht nur eigentlich, sondern sie ist gesund. Und das ist etwas dieser Stress, der muss
jetzt abfallen und eigentlich nur einmal im Jahr dann zur Kontrolle geht und zwischendurch bitte ein
ganz normales Leben führt, inklusive Leistungssport. Ich meine, das ist ja eine monatelange
Anspannung, die die einfach hinter sich lassen konnten. Aber jetzt geht es ja gut und jetzt wird
es wahrscheinlich genug geschlafen. Es hat aber in den ersten 14 Tagen, wie ich finde, schon einiges
erlebt. Von der spontanen Geburt sich selbstständig auf die Welt gekämpft über einen Notfallkatheter-Eingriff
mit einem Durchmesser zu breiten Schlauch, der eigentlich nicht zu dem Körper dieses Mädchens
gepasst hat, bis hin zu einer Operation am offenen Herzen. Glück gehabt, Mira, danke, dass du uns
davon erzählt hast. Sehr gerne. Bis dann. Bis dann, ciao. Das war Mira Bartelmann. Sie hat für das
BR-Politikmagazin Controvers recherchiert. Den Link zu ihrem Film findet ihr in den Shownotes.
Uns, FKM, findet ihr in der ARD-Audiothek. Autorin dieser Folge ist Lisa Henschel. Mitgearbeitet hat
Hannes Kuns. Produktion Christiane Gerhäuser-Kamm, Eva Erhardt, Christoph von der Werf. Redaktionsleitung
Lena Göttler und Fumiko Lipp. FKM ist eine Produktion von BR24 und NDR Info. Mein Name ist
Victoria Michalser. Wir hören uns morgen wieder. Und zum Schluss haben wir noch ein Podcast-Tipp für
euch. Abenteuerdiagnose vom NDR. Da geht es um Menschen mit rätselhaften und ungewöhnlichen
Symptomen und ihren oft langen Weg zur Diagnose. In Folge 21 geht es um Jennifer B. Die ist eine junge
Mutter und kriegt plötzlich kaum noch Luft. Da wird ganz schnell klar, irgendwas stimmt mit
ihrem Herzen nicht. Am Ende bringt anscheinbar nebensächliches Detail die Ärzte auf die richtige
Spur. Hört doch mal rein. Abenteuerdiagnose, der Medizin-Crimi-Podcast. Natürlich in der ARD-Audiothek.
Den Link findet ihr in unseren Shownotes.
Copyright WDR 2021
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Von Prothesen bis Kathetern – in Deutschland mangelt es in Kliniken und OP-Sälen. Das Problem: Eine neue EU-Verordnung: “Medizinprodukteverordnung”. Die sorgt dafür, dass Ärzte an Grenzen stoßen und Hersteller abwandern. Und die EU? Die wartet erstmal ab. In dieser 11KM Folge nimmt uns BR-Reporterin Mira Barthelmann mit in OP-Säle, zu Herstellern, Ärzten und hinter die Kulissen der Politik. Wieso ist das Thema nicht längst öffentlicher Skandal? Und was müsste sich - schnellstmöglich - ändern?
Link zu ihrer Recherche für BR Politikmagazin Kontrovers:
https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/kontrovers/neue-eu-regelung-gefaehrdet-buerokratie-die-gesundheitsversorgung-kontrovers-22-maerz-2_x-100.html
Unser Podcast-Tipp “Abenteuer Diagnose”:
https://1.ard.de/AD_S2_F21_Babyblues
An dieser Folge waren beteiligt:
Folgenautorin: Lisa Hentschel
Mitarbeit: Hannes Kunz
Produktion: Ursula Kirstein, Ruth-Maria Ostermann, Eva Erhardt, Christoph van der Werff
Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler
11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info. Die redaktionelle Verantwortung für diese Folge trägt der BR.