11KM: der tagesschau-Podcast: Nahostkonflikt: Ein Handschlag, kein Frieden

tagesschau tagesschau 9/13/23 - Episode Page - 31m - PDF Transcript

Im Westjordanland dreht sich die Gewaltspirale immer weiter.

Israelische Siedler haben gestern Abend dutzende Häuser und Autos von Palästinensern in Brand gesetzt.

Nach einer israelischen Militäraktion auf Ziele im Gaza-Streifen

hat die militante Palästinenser-Organisation islamischer Jihad Israel mit dutzenden Raketen angegriffen.

Ein gewaltsamer Konflikt seit 75 Jahren.

Weit über 10.000 Tote auf beiden Seiten bei Israelis und Palästinensern.

Dabei hätte es sie schon einmal gegeben, die Chance auf Frieden.

Genau heute vor 30 Jahren mit einem historischen Handschlag.

In dieser FKM-Folge fragen wir, was aus dem Oslo-Abkommen wurde.

Das mit der zwei Staatenlösung Frieden bringen sollte.

Und welche Lösungen es heute für Israelis und Palästinenser geben könnte.

Mit Jan-Christoph Kitzler, IED-Korrespondent in Tel Aviv.

Ihr hört 11 km der Tagesschau-Podcast.

Ein Thema in aller Tiefe.

Mein Name ist Victoria Kobmann.

Heute ist Mittwoch, der 13. September.

Jan, herzlich willkommen.

Hallo.

Jan, als Allererstes.

Warum heißt das Oslo-Abkommen?

Eigentlich Oslo-Abkommen, wenn es gar nicht in Oslo beschlossen wurde.

Das fand ich erst mal komisch.

Das stimmt.

Unterzeichnet wurde das in Washington,

also auf dem Rasen des Weißen Hauses, im Rosengarten.

Aber Oslo war trotzdem wichtig,

weil davor, damit das überhaupt zustande kommen konnte,

gab es eine ganze Reihe von geheimen Verhandlungen,

zwischen Palästinensern und Israelis.

Da gab es ja überhaupt keine offizielle Diplomatie

zwischen beiden Seiten.

Oslo hat sich da eben angeboten und gesagt,

wir bieten dafür einen Raum.

Und diese Verhandlungen fanden zum großen Teil eben in Oslo statt.

Deswegen heißt das immer noch, die Oslo-Abkommen.

Das ist ja nicht nur das eine, was da unterzeichnet wurde,

damals eben vor 30 Jahren,

sondern noch ein weiteres und noch eine Reihe anderer Abkommen.

Aber Oslo und das, was Norwegen damals gemacht hat,

war auch aber auch Washington vor 30 Jahren eigentlich.

Und warum war das so wichtig?

Was stand da drin in diesem Abkommen?

Den Erfolg, den wollte sich Bill Clinton,

der war damals US-Präsident, natürlich nicht nehmen lassen.

Das war ein historischer Moment.

Wir sehen ja alle dieses Bild.

Jassir Arafat und Yitzhak Rabin reichen sich die Hand.

Das war ein Erzfeinde.

Da zwischen steht Bill Clinton total stolz

und nicht auf die beiden.

Das war eine Sensation damals.

Das war der Traum vom Ende der Gewalt im Nahen Osten.

Die Palästinenser erkennen Israel an.

Israel erkennt die Palästinenser an.

Das war der Traum.

Wir bewegen uns hin zu einer zwei Staatenlösung.

Es wird den israelischen Staat geben,

der sicher ist vor palästinensischem Terror

und auch in der Region sicher ist.

Es wird aber auch einen palästinensischen Staat geben

und damit Souveränität für die Palästinenser

und ein Ende der Besatzung.

Viele hatten damals wirklich die Hoffnung, das ist Frieden.

Zwei Staatenlösungen.

Wir haben Israelis und Palästinenser damals drauf geschaut.

Fangen wir mal an mit den Israelis vielleicht.

Wie waren da die Reaktionen damals?

Zweierlei.

Es gab auf der einen Seite viele Menschen,

die hier in Israel totale Hoffnung hatten auf Frieden.

Die haben natürlich auch mit der Gewalt gelebt, mit der Bedrohung.

Die haben gesehen, Israel ist ein bedrohter Staat

und in seiner Existenz überhaupt nicht sicher.

Die haben gesagt, wir brauchen Frieden mit den Palästinensern.

Das war damals schon eine große Bewegung.

Und dann gab es aber natürlich die, die gesagt haben, das ist Verrat.

Wenn man sich mit den Palästinensern einigt

und wenn man den Palästinensern im Staat gibt,

wo doch, das ist meistens dann religiös motiviert,

dass das gelobte und den Juden versprochene Land ist.

Da gab es Leute, die gegen diesen Frieden gehetzt haben

und die gesagt haben, nein, das was jeder macht,

das ist Verrat an der Sache des Staates Israel.

Denn der bezieht sich auf das ganze gelobte Land.

Du hast auch ganz konkret dich mit Leuten unterhalten,

die sogar damals dabei waren.

Wen hast du da getroffen?

Das war total interessant.

Eine wichtige Figur auf israelischer Seite ist Jossi Bailin.

Der war damals stellvertretender Außenminister.

Er ist wirklich ein friedensbewegter Mann.

Der wohnt hier in Tel Aviv, war in seiner Wohnung,

habe sich da empfangen zwischen ganz vielen Büchern.

Das ist so ein Grand-Signor der israelischen Linken.

Der war Minister in mehreren Regierungen

und hatte eben diese Idee,

wir müssen miteinander reden, direkt.

Und er war damals eigentlich der große Treiber dieser Oslo-Gespräche,

die dann zu den Abkommen geführt haben.

Und der hat mir gesagt, naja, das war für ihn damals schon echte Sensation.

Dann gab es eben diese geheimen Verhandlungen,

bei denen am Anfang keiner wusste, gibt es da überhaupt Vertrauen?

Gibt es da überhaupt eine gemeinsame Basis?

Und dann ein paar Monate später hat er mir gesagt,

standen wir eben vor dem weißen Haus

und haben das Ganze unterschrieben.

Ein tolles Gefühl, der war da wirklich noch heute total beeindruckt davon.

Und die palästinensische Seite?

Auch da gab es Hoffnung, muss man schon sagen.

Ich habe mit Diana Buto zum Beispiel gesprochen.

Diana Buto, das ist die spätere Sprecherin

der palästinensischen Befreiungsorganisation.

Und die, die PLO,

die hat das erste Oslo-Abkommen ja auch unterzeichnet.

Das war dieser historische Handschlag mit Yassir Arafat,

damals einer der Vorsitzenden der PLO

und Yitzhak Rabin, dem israelischen Ministerpräsidenten.

Wie hat Diana Buto das damals erlebt?

Wir hat damals noch studiert und war damals in den USA

und hat auch mir beschrieben, wie sie das damals im Fernsehen gesehen hat

und wie sie dann total euphorisch waren.

Jetzt gibt es Frieden und wir können zurückkehren.

Ich fühlte mich sehr glücklich, weil ich dachte,

dass das eine neue Ära wäre.

Ich war sehr glücklich.

Ich erinnere mich noch,

dass ich die Filme auf der TV schaue

und die Filme wirklich überwältig war.

Ich war über Jahre Teil des Verhandlungsteams der Palästinenser

und lebt jetzt zwischen Ramallah,

was ja der Sitz der palästinensischen Autonomiebehörde ist

und Haifa, lehrt an der Harvard-Universität.

Dieser Fernsehmoment von dem Oslo-Abkommen,

also viel bewegt, war Diana Buto.

Und ich glaube, das war auch international so eine krass große Hoffnung, oder?

Dass das der Moment sein könnte,

von dem an dieser Konflikt wirklich endlich befriedet werden könnte, oder?

Das waren ja nicht nur die Israelis und Palästinenser,

sondern das hat, glaube ich, auch die Welt darauf geschaut.

Das war Weltgeschichte.

Das war ein großer Moment.

Das hat damals alle umgetrieben.

Und das zeigt sich auch daran,

dass hier Arafat Shimon Peres, der war Außenminister

und Yitzhak Rabin, die haben ja 94,

dann den Friedensnobelpreis sogar dafür bekommen.

Das Oslo wurde heute Nachmittag der Friedensnobelpreis verliehen.

Das war ein großes welthistorisches Ereignis

und mit ganz viel Hoffnung verbunden

in ganz vielen Ländern auf der Welt.

Aus der Hand des Vorsitzenden des Nobelkomitees

nahmen die drei Politiker ihre Preise entgegen.

Also dieser Preis wurde ja verliehen in der Hoffnung,

dass das jetzt auch wirklich passieren wird,

dass die Lösung auch wirklich umgesetzt wird.

Genau, es gab nur einen kleinen Schönheitsfehler.

Wichtige Fragen waren eben nicht geklärt.

Das ist das Problem.

Also es wurde nur gesagt,

zu allgemein sind wir uns darüber einig,

dass es dahin geht, es wird ein palästinensisches Staat geben.

Beide Staaten, Israel und der palästinensischen Staat

erkennen sich gegenseitig an.

Und wir machen uns auf dem Weg und dafür gibt es auch einen Plan.

Aber wichtige große Fragen wurden ausgeklammert.

Die großen Fragen waren, was wird eigentlich die Hauptstadt?

Da gibt es das Problem,

sowohl Israelis als auch die Palästinenser

legen sehr großen Wert darauf, dass das Jerusalem ist.

Was wird aus Jerusalem überhaupt?

Was wird aus den Siedlungen?

Und wie gehen wir damit umwohl?

Verlaufen eigentlich die eigentlichen Grenzen?

Und wie kommen wir dann tatsächlich zu einer Art von Staatlichkeit?

Und die dritte große Frage ist,

was ist eigentlich mit den ganzen Flüchtlingen,

zum Beispiel im Libanon, in Jordanien,

da wohnen ja hunderttausende Flüchtlinge oder Vertriebene

aus den palästinensischen Gebieten.

Und die wollen wieder zurück.

Und das war auch eine wichtige Frage,

aber der ist keine Einigung gab.

Es waren sauerhaften Konflikte,

die da bis heute immer wieder auftauchen.

Das, wovon man immer wieder hört,

Jerusalem, die Aufteilung natürlich genau vom Land

und das Verfahren mit den Flüchtlingen, die Siedlungspolitik,

das ist ja bis heute das, worum gestritten wird.

Was waren denn so die einzelnen Momente,

in denen diese Idee von der zwei Staatenlösung

dann ins Wanken gekommen ist?

Also nach dem großen Moment der Euphorie,

da dachte man auch so vielleicht zu zwei Jahre etwa so,

wir kommen da weiter und wir sind da auf dem Weg

und es gab dann eben diesen Plan,

1999 soll es den palästinensischen Staat geben.

Das war vorgesehen und da waren sich eigentlich alle drüber einig,

mehr oder weniger.

Der erste Schritt war, dass die palästinensische Führung

überhaupt zurückgekommen ist in die palästinensischen Gebiete.

Also Arafat hat vorher bis 1994 im Mexil gelebt, in Tunesien

und war gar nicht da, da kamen die zurück

und haben dann sozusagen auch das Land wieder symbolisch quasi

so ein bisschen in Besitz genommen.

Und die Palästinenser wurden dann irgendwann auch international anerkannt.

Also das hat für die Palästinensern ihre Vertretung schon was verbessert

in den ersten Jahren und man war da wirklich auf dem Weg.

Aber dann gab es eben schon nach zwei Jahren

die ersten richtigen Tiefschläge

und einer war dann die Ermordung von Yitzhak Rabin.

Israel trauert um Yitzhak Rabin.

Der Ministerpräsident ist gestern Abend auf einer Kundgebung

in Tel Aviv von einem fanatischen jungen Juden

mit mehreren Schussen tödlich verletzt worden.

Rabin war ja eine ganz zentrale Figur für diesen Oslo-Friedensprozess.

Warum?

Das war der, der immer wieder auch dafür eingetreten ist

und gesagt hat, wir brauchen Frieden mit den Palästinensern.

Und es fand dann eben am 4. November 1995

eine große Kundgebung statt auf dem zentralen Platz

hier in Tel Aviv vor dem Rathaus.

Der heißt heute Rabinplatz und das war eine Friedensdemo.

Und da hat Rabin eine Rede gehalten

und hat gesagt, die Mehrheit der Israelis möchte den Frieden.

Da waren viele Menschen, da waren über 100.000 Menschen, das war groß.

Und da hatte man auch gedacht, naja, stimmt vielleicht,

die Mehrheit der Israelis will den Frieden.

Und dann ist er runtergegangen von der Rednertribüne,

ist seinem Auto gegangen und auf dem Weg dahin wurde er von Jigal Amir.

Das war ein israelischer Jurastudent, Terrorist erschossen.

Was hat das damals gemacht mit der Stimmung auch in der Bevölkerung?

Also man muss verstehen, es gab in den Wochen vor dieser Demonstration

richtig harte Hetze von der Opposition in Israel, auch von Ultrarechten.

Die haben diesen ganzen Prozess abgelehnt, die haben Rabin als Verräter beschimpft.

Und mit vorne dabei war übrigens einer, den wir heute gut kennen,

Benjamin Litanyahu, der war damals schon Chef des Likudblocks

und ist heute wieder Israel als Ministerpräsident.

Er wurde dann im Frühjahr nach der Wahl 96 zum ersten Mal

israelischer Ministerpräsident und Nachfolger von Rabin.

Und das war natürlich dann auch ein großer Einschnitt,

wenn so jemand an der Regierung ist, was heißt das für den Friedensprozess?

Da waren viele Leute schon nicht mehr so optimistisch.

Benjamin Litanyahu und Likud, also die konservative Partei in Israel,

da sind wir dann drei Jahre nach dem Abkommen von Oslo.

Der Plan nach dem ersten Osloherabkommen war ja,

1999 sollen die Palästinenser einen eigenen Staat haben.

1996, nach dem Mord an Rabin,

ist Daniel aber jetzt Litanyahu in Israel an die Macht gekommen.

Wie geht es ab hier weiter für den Friedensprozess

und für die Zweistaatenlösung?

Litanyahu war jemand, der gesagt hat,

wir dürfen keine Zugeständnisse machen an die Palästinenser.

Der wollte damals natürlich auch eine Wahl gewinnen

und hat damit Stimmung gemacht, der war damals populistisch unterwegs,

ist ja heute auch noch der Ministerpräsident,

der Israel bisher am längsten regiert hat und das hat damals angefangen.

Und was heißt das jetzt für die Zweistaatenlösung,

mit der so viel Hoffnung verbunden war?

Ja, die Frist ist verstrichen.

Und das war natürlich dann so ein Knackpunkt für viele Palästinenser,

die in dieses Datum, was da angevisiert war, Hoffnung gesetzt haben.

Die gesagt haben, ja, dann haben wir endlich unseren Staat

und wir sind wieder eine Nation.

Und das hat für viel Frust gesorgt.

Und dieser Frust, der hat sich dann auch wieder in Gewalt entladen.

Und dann ist im Herbst 2000 die zweite Entifade ausgebrochen.

Und das war eine ganz, ganz schlimme Zeit mit vielen Tausenden Toten auf beiden Seiten.

Da hat dann Yassir Arafat, der vorher noch eben die Verträge unterschrieben hat,

dann den bewaffneten Widerstand angeführt.

Es gab ganz schlimme Terroranschläge auf Busse, auf Restaurants,

auf Feiern in Israel.

Es gab harte militärische Einsätze der israelischen Armee in den besetzten Gebieten.

Das war Krieg.

Und das hat fünf Jahre gedauert.

Und spätestens da haben viele gesagt,

dass das mal irgendwie ein Friedensprozess war,

das verdient diesen Namen eigentlich nicht mehr.

Entifada ist ja so ein Wort dafür.

Für diesen gewaltsamen Konflikt kommt aus dem Arabischen

und heißt erheben, loswerden, abschütteln.

Also da ging es auch irgendwie darum,

für alle mal etwas loszuwerden.

Also da war nicht mehr viel miteinander zugehen und weiter vorankommen.

Es gab also ganz schön viele Unruhen,

die den Oslo-Friedensprozess

und die geplante zwei Staatenlösungen immer unwahrscheinlicher gemacht haben.

Eine Sache, für die es schon damals keine Lösung gab,

ist der israelische Siedlungsbau.

Das bis heute ein riesengroßer Konflikt herrt.

Das ging aber schon Jahrzehnte vor dem ersten Oslo-Abkommen los.

Das haben wir eben schon mal kurz angerissen.

Das sind ja diese israelischen Städte und Dörfer,

die eben in den von israelischen Truppen besetzten Gebieten

im Westjordanland und in Ostjerusalem gebaut werden.

Welche Rolle hat das gespielt im Laufe der Zeit?

Also das spielt bis heute eine Rolle

und das steht bis heute in der zwei Staatenlösung

oder einem richtigen Frieden im Weg.

Und da muss man einfach sagen,

dass in den letzten Jahren auch weiter Fakten geschaffen wurden.

Also Mitte der 90er-Jahre, kann man sagen,

lebten in den besetzten Gebieten in Ostjerusalem

etwa 150.000 Israelis in Siedlungen.

Heute sind es rund 700.000.

Also das ist richtig massiv ausgebaut worden.

Das Westjordanland ist zerschnitten durch diese Siedlungen.

Da gibt es dann auch die großen Straßen

und die machen natürlich den Palestinians das Leben immer schwieriger,

weil sie die zum Teil nicht benutzen dürfen,

weil es viel Sicherheit gibt und diese Siedlungen bewacht werden.

Das ist schon etwas, was dem Frieden jetzt eigentlich schon

dauerhaft entgegen steht, weil das immer weiter ausgebaut wird

und die neue Regierung, die jetzt an der Macht ist,

hat das in den letzten Monaten auch weiter vorangetrieben.

Da wurden so viele neue Wohnungen genehmigt wie lange nicht mehr.

Ja, du warst auch in solchen Siedlungen nochmal vor Ort.

Kannst du uns das mal beschreiben, wie es da ist?

Ja, das ist zunächst mal, es sind das schöne Orte.

Die sind oft an strategischen Orten, also Zeugler,

das sind schön gebaute Häuser, das wird massiv subventioniert

auch vom israelischen Staat.

Ein wichtiges Motiv ist nicht nur dieses Land zu besiegeln,

sondern da gibt es einfach auch günstigen Wohnraum im Verhältnis zu Tel Aviv.

Ja, wenn man dann da Leute trifft, dann ist das ganz unterschiedlich.

Es gibt auf der einen Seite die Leute, die sagen,

ja, ich wohne da und ich habe es nicht weit nach Tel Aviv

und kann da arbeiten und wohne aber in der Natur und habe es schön.

Also schön, aber auch schwer bewacht.

Wie kann man sich das vorstellen?

Da gibt es eine Schranke, die leben hinterm Zaun,

weil die natürlich sich fürchten vor Terroranschlägen.

Aber das ist natürlich nicht ein Leben, wo man einfach mal so hingehen kann,

wo man will.

Darunter leiden die Menschen natürlich auch.

Und dann gibt es natürlich die, die haben eine Mission.

Und so eine Frau habe ich getroffen.

Alice Siemann, die spricht Deutsch, weil sie in München geboren ist

und ist jetzt wirklich eine ganz überzeugte Siedlerin

aus einer religiösen Mission.

Wir lieben diese Erde, wir lieben dieses Land

und wir werden immer hier bleiben.

Und es macht nichts, was der Staat der Verwalter uns sagt

und ich, was die Nicht-Juden hier machen,

wenn sie uns umbringen und so weiter.

Niemals, niemals wird das uns aus Israel bringen.

Und auch was die Amerikaner sagen und was die Europäer sagen,

die verstehen das gar nicht.

Schaut euch doch mal nur die Geschichte an.

Und dann seht ihr, dass das Volk Israel,

dass das etwas, das die ganze Zeit überlebt

und überlebt und überlebt.

Und wir sind hier, um hier zu bleiben.

Und dann sagt sie eben noch, naja, ganz egal,

was der Staat von uns will, was die Nicht-Juden hier machen,

das ist unser gelobtes Land.

Und wir gehen hier nicht mehr weg.

Ja, da sieht man, wie extrem dieser Haltung auch zum Teil ist.

Diese Aufteilung in Juden und Nicht-Juden, wie sie sagt,

in ein Wir und die, da sind die Fronten total verhärtet.

Wie sieht das denn die andere Seite, die palästinensische?

Ja, ich war in Burka.

Das ist ein Ort mit ein paar Tausend Einwohnern, fast eine Stadt.

Die sind ganz in der Nähe von so einer Siedlung

und die erleben immer wieder, wie es da auch zu Gewalt kommt.

Es gibt halt radikale Siedler,

die dann auch den Palästinensern, die in der Nähe sind,

das Leben zur Hölle machen.

Die dann kommen und Autos anzünden, Geschäfte, die Steine werfen.

Und jetzt gerade haben sie in Burka einen jungen Mann zu Grabe getragen.

Der wurde erschossen.

Und da ging es um einen Fall,

da hatten Siedler ihre Schafe weiden lassen auf palästinensischem Land.

Die Palästinenser kamen und wollten sie da vertreiben

und auf einmal wurde geschossen und der Mann ist gestorben.

Das passiert oft und ständig

und das ist so ein bisschen wie Wilder Westen.

Also daneben auch Siedler, radikale Siedler,

das ist recht in ihre eigenen Hände.

Das ist ein Bauer, der hat Land auf einem Gebiet,

wo jetzt radikale Siedler wohnen.

Und der hat gesagt, ich komme da nicht hin.

Ich sterbe, ich werde erschossen oder geschlagen,

wenn ich da hinkomme.

Das ist ihm auch mehrmals passiert.

Und die Siedler werden in der Regel von israelischem Militär auch beschützt.

Also das ist auch ein Zustand, der mit Rechtstaat nicht zu tun hat.

Wie ist der Niederland?

Wie ist denn jetzt heute der Blick auf die Zwei-Staaten-Lösung?

Wie stehen die Menschen vor Ort heute zu dieser Idee?

Also das Einfachste, was man machen kann,

ist sich mal hier die Wahl ergeben,

in Israel anzuschauen.

Da muss man sagen, wer hier jetzt antritt,

mit der Idee von der Zwei-Staaten-Lösung

und von Friedensverhandlungen mit den Palästinensern

oder neuen Initiativen Frieden zu machen

mit den Palästinensern, der gewinnt hier keine Wahl.

Es gewinnt die Hardcore-Kräfte, es gewinnt Rechte,

Ultrarechte, Rechtsextremisten,

ultrareligiöse Kräfte, nationalreligiöse Kräfte.

Das sind nicht die Leute, die auf Einigung mit den Palästinensern setzen.

Und dieser Trend hat sich in den letzten Jahren total verschärft.

Das Lager derer, die wirklich Frieden wollen

und die vielleicht auch noch eine Zwei-Staaten-Lösung glauben,

ist immer kleiner geworden.

Also wir haben ja eben schon mal gesprochen

über Josi Bellin und Diana Buturi, die du getroffen hast.

Die hatten ja damals so eine große Hoffnung,

die haben so sehr daran geglaubt,

als dieses Oslo-Abkommen vor 30 Jahren unterschrieben wurde.

Wie schauen die heute darauf auf die Idee von der Zwei-Staaten-Lösung?

Also wenn man sich so anschaut, was international gesagt wird,

auch zum Beispiel von der Bundesregierung,

dann muss man feststellen, da wird ja immer noch gesagt,

wir glauben an die Zwei-Staaten-Lösung,

das ist die beste Lösung, das ist das,

was hier Frieden in der Ost bringt.

Und da wird so ein bisschen drüberhin weggesehen,

wie die Situation eigentlich gerade ist.

Und Josi Bellin hat mir gesagt, er findet das total zynisch.

Denn wenn ihm jemand sagt, ich bin für die Zwei-Staaten-Lösung,

dann hat er gesagt, ist das für ihn fast viele Beleidigung.

Das heißt, der das sagt, der meint es nicht ernst.

Er fragt wirklich, wie soll das heutzutage gehen?

Und er findet diese Bekenntnisse zu Zwei-Staaten-Lösungen

von vielen Staaten, auch von Deutschland eigentlich ziemlich hohl.

Hole Bekenntnisse ohne Substanz.

Und er meint wirklich, man muss da inzwischen ein bisschen weiter denken.

Auch diese Bundesregierung ist davon überzeugt,

dass die verhandelte Zwei-Staaten-Lösung

noch immer die beste Option für Frieden und Sicherheit

von Israelis und Palästin-Nensern gleichermaßen ist.

Das war Bundesaußenministerin Annalena Baerbock vor fast 1,5 Jahren.

Und die anderen westlichen Länder stehen die auch

weiterhin hinter der Zwei-Staaten-Lösung?

International ist das ein Wunsch, auf jeden Fall.

Auch der wichtigste Player hier, vielleicht die USA, die sagen das ständig.

Aber wenn man's hart sieht,

dann könnte man das auch ein bisschen als faule Ausrede verstehen.

Denn es wird dann immer gesagt, na ja, wir haben ja den Plan in der Schublade

und wir haben die Idee, wir müssen das halt jetzt nochmal fertig verhandeln

und fertig bekommen.

Und es ist eigentlich eine Ausrede in der jetzigen Situation, nicht zu machen.

Was sind denn Ideen, was man stattdessen versuchen sollte?

Woran glauben die Menschen denn da vor Ort?

Also fangen wir mal mit Diana Buto an, der Palästin-Nenserin.

Das ist eine schlaue Frau, die unterrichtet Jura in Harvard

und die hat eine ganz radikale Lösung.

Die sagt, also wir kommen mit der Zwei-Staaten-Lösung nicht weiter.

Wir kriegen vielleicht auch keinen palästinensischen Staat hin,

so wie wir hier organisiert sind als Palästinenser.

Ihre Lösung ist, wir müssen einen Staat haben.

Einen Staat vom Jahr dann bis zur Mittelmeer.

Das, was sie will, ist ein radikaler Vorschlag.

Sie sagt, wir sollen so ehrlich sein und sagen, machen wir aus dem ganzen einen Staat,

aber dann bitte ein Staat mit gleichen Rechten für alle,

für Palästinenser und für Israelis.

Und das darf dann eben kein Apartheitsstaat sein,

also mit unterschiedlichen Rechten für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen,

sondern es müsste dann ein Staat sein mit gleichen Rechten für alle.

Großes Problem, das wäre dann kein jüdischer Staat mehr.

Israel ist ja in seinen Gesetzen und auch in seinen Selbstverständnissen,

in jüdischer Staat.

Das heißt aber auch, dass Juden die Mehrheit sein müssen.

Und wenn man jetzt Palästinenser und Israelis zusammenwirft,

dann sind die Juden nicht mehr in der Mehrheit.

Insofern ist das ein Szenario, was eine Idee ist,

aber ehrlich gesagt nicht besonders realistisch, finde ich.

Ist das da jetzt auch die vorherrschende Meinung

oder gibt es jetzt noch mehr Vorschläge oder Ideen als Alternative zur Zwergstaatenlösung?

Also bei vielen Palästinensern ist das die vorherrschende Meinung,

die sich da Gedanken machen, weil sie einfach keine Chance sehen,

mehr eine eigene Staatlichkeit zu verwirklichen.

Aber es gibt noch Leute, die machen sich andere Gedanken.

Z.B. Jossi Berlin selbst, der hat sich auch mit Palästinensern zusammengetan

und hat mal überlegt, wie können wir dann die zwei Staatenlösung irgendwie erhalten,

aber auch gleichzeitig weiterentwickeln, so dass wir wirklich zusammenkommen.

Und sein Modell, was er entwickelt hat, das haben die zusammen aufgeschrieben,

damit ziehen die jetzt auch durch Hauptstädte der Welt und sagen,

das ist doch eine gute Idee, ist das Modell einer Föderation.

Das heißt, also es gäbe zwei Staaten, deshalb wäre es schon so eine Art zwei Staatenlösung,

aber die leben zusammen oder existieren zusammen unter dem Schirm einer Föderation,

haben ganz viele Verbindungen wirtschaftlich und auch in anderer Hinsicht.

Und das Modell, was die dafür haben, ist auch ein bisschen das Modell der EU.

Ich mach's mal an den Siedlungen deutlich.

Also die Siedler wären dann israelische Staatsbürger,

aber mit ihrem Wohnsitz in einem palästinensischen Staat.

Das kann man in der EU ja auch machen.

Ich kann deutscher sein, aber in Italien arbeiten, zahl denn da meine Steuern.

Und so wäre das ein bisschen auch, dass man sagt, okay, wir müssen dann diese Siedlungen,

das ist immer eine große Frage, wir müssen die Siedlungen nicht räumen,

das wird eh nicht klappen, sondern die können da bleiben, sind israelische Staatsbürger,

aber zahlen ihre Steuern einen palästinensischen Staat.

Das wäre das Modell der Föderation.

Das müsste natürlich erstmal akzeptiert werden von beiden Seiten.

Ganz genau, das ist das Thema.

Und er sieht natürlich auch, dass es mit der jetzigen Regierung undenkbar ist,

aber er hofft schon, dass dann irgendwann demnächst hier mal auch Kräfte der Mitte

an die Regierung kommen, mit denen man dann solche Fragen wieder verhandeln kann.

Jetzt zur Zeit in der politischen Situation ist es unmöglich.

Trotzdem finde ich es total spannend, dass man sich diese Gedankengänge mal anschaut,

diese anderen Lösungen, die es dann noch geben könnte.

Gibt's da noch mehr?

Na ja, dann gibt's noch die Totalpragmatiker, will ich mal sagen.

Das Stichwort ist hier Shrinking the Conflict, also den Konflikt Schrumpfen.

Und die nennen sich auch so ein bisschen lustig, die Shrinker.

Das ist so eine kleine Gruppe von ja auch wichtigen Vordenkern,

da sind auch Politiker dabei und die sind so ein bisschen unter der Hand

und versuchen diesen Gedanken voranzubringen.

Der da heißt, lass uns die ganzen großen Fragen ausklammern.

Wir sind uns eh nicht darüber einig, was wird mit Jerusalem, was mit den Flüchtlingen.

Und wenn wir darauf hinarbeiten, diese Fragen lösen zu wollen,

dann enden wir in dem Zustand der totalen Lähmung.

Und da kommen wir nicht voran.

Und deswegen sagt er, na ja gut, dann lass uns doch auf dem Weg dahin schon mal ein paar Sachen machen,

die die Situation verbessern, die zum Beispiel den Palästinenser mehr Autonomie geben,

die die Besatzung, die ein Problem ist, die menschenrechtswidrig ist, die zu viel Gewalt führt,

die das verringert, die dafür sorgt, dass sich die Palästinenser wirtschaftlich besser entwickeln können.

Lass uns doch mal Schritte in die Richtung machen.

Und die Idee ist dann, wenn wir den Konflikt so schrumpfen,

dass es dann irgendwann zu dem Zustand kommt, wo man vielleicht dann in der Lage ist,

auch wieder über die großen Fragen zu reden.

Okay, also sozusagen kleinschrittige Realpolitik, wo man erstmal die ganz großen Fragen aus dem vorlässt.

Genau, das ist eine Minderheit von Leuten, die das will.

Aber das ist ein interessanter Gedanke, der vielleicht was verbessern würde.

Die staatlichen Ambitionen der Palästinenser wären damit erstmal unter vom Tisch.

Und das ist natürlich ein Problem für die palästinensische Seite.

Die finden diesen Ansatz zynisch und die trauen auch nicht solchen Theorien,

weil sie sagen, langfristig wird sich für uns dann nichts verbessern.

Da geht es nur darum sozusagen, dass Israel die Besatzung optimiert vielleicht.

Aber wie sieht es denn in der Regierung gerade aus?

Was davon ist jetzt eigentlich das, was wahrscheinlich verfolgt wird auch in nächster Zeit?

Also diese Regierung hier, die verfolgt eine totale Strategie, nämlich Ausbau der Ersiedlungen,

mehr Besatzung in den besetzten Gebieten, keine Zugeständnisse an die Palästinenser.

Da darf man nicht mal über Friedensverhandlungen oder dergleichen reden.

Ehrlich gesagt ist das Land gerade so beschäftigt, auch mit Dingen wie der Justizreform und solchen Fragen,

dass zurzeit auch der Nahostkonflikt, der wird gemanagt, der wird irgendwie verwaltet,

aber da geht keiner mit irgendeiner strategischen Idee oder vielleicht einer Vision oder vielleicht sogar einem Traum ran.

Das ist hier einfach nur Konflikt, Verwaltung, Management überleben.

Also die großen Hoffnungen und Träume von vor 30 Jahren vom Oslo-Abkommen, die sind heute in Weiterferne.

Jan, danke dir.

Danke euch.

Mach's gut.

Das war FKM heute mit Jan-Christoph Kitzler, DMA-ID-Korrespondenten in Tel Aviv.

Seine Recherchen im Westjordanland und seine Interviews mit israelischen und palästinensischen Vordenkern

könnt ihr auch im Radiofeature zum Jahrestag des Oslo-Abkommens hören.

Den Link findet ihr in den Schornungs.

Morgen geht's bei FKM um Erdbeben.

Warum lassen sich solche schweren Beben wie letzte Woche in Marokko nicht wirklich vorhersagen?

Und dass selbst in Regionen, in denen ganz klar ist, das nächste Beben kommt ganz sicher.

Istanbul liegt genau in so einer Region.

Der türkischen Millionenmetropole droht ein gewaltiges Beben.

Nur wann genau ist eben unklar?

Wie bereitet man sich auf sowas vor?

Oder ist es für Istanbul längst zu spät?

Das klären wir morgen bei FKM, der Tagesschau-Podcast in der AID-Audiothek

und überall, wo es Podcasts gibt.

Autorin der heutigen Folge ist Friederike Wipfler.

Mitgearbeitet haben Stefan Beutting, Katharina Hübel und Jasmin Brock.

Produktion Fabian Zweck, Jacqueline Bredcek, Konrad Winkler, Christine Dreyer und Eva Erhardt.

Redaktionsleitung Lena Gürtler und Fumiko Lipp.

FKM ist eine Produktion von BR24 und NDR Info.

Mein Name ist Victoria Kopmann, wir hören uns morgen wieder.

Und noch ein Hör-Tipp von Bayern 2 Radio Wissen und SWR2 Wissen

gibt's neu einen Psychologie-Podcast, Wie wir ticken.

Den findet ihr exklusiv in der AID-Audiothek.

Wie wir ticken.

Wie wir ticken.

Euer Psychologie-Podcast.

Große Gefühle und kleine Abenteuer, Liebe und die Kunst, sich zu streiten.

Wie kann Versöhnung gelingen?

Was macht Frauen Freundschaften aus?

Was hilft gegen das ewige Aufschieben?

Solche Fragen beantwortet der neue Psychologie-Podcast der beiden Podcast-Champions,

Radio Wissen und SWR2 Wissen.

Lebensnah und wissenschaftlich fundiert.

Nimmt euch unser Podcast, Wie wir ticken, mit in die Welt der Psychologie.

Wir fragen, wie Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen entstehen.

Und warum?

Wir reden über Sehnsüchte und Süchte.

Wir klären auf über psychische Erkrankungen, gehen zurück in die Kindheit.

Und wir sagen, wie ihr euch und andere besser verstehen könnt.

Wie wir ticken.

Euer Psychologie-Podcast von Radio Wissen und SWR2 Wissen.

Alle Folgen findet ihr in der AID-Audiothek.

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Heute vor 30 Jahren, ein historischer Moment: Das erste Oslo-Abkommen wurde im Rosengarten des Weißen Hauses unterzeichnet, zwei Gegner schüttelten sich die Hände. Die Vision: Eine Zweistaatenlösung für Israelis und Palästinenser:innen. Die Hoffnung in den Oslo-Friedensprozess war riesig. In den letzten 30 Jahren sind jedoch jede Menge Träume geplatzt, an die Zweistaatenlösung glaubt in Nahost kaum noch jemand. Die Probleme von damals sind immer noch dieselben. Israel-Korrespondent Jan-Christoph Kitzler erzählt in dieser 11KM-Folge, wie es dazu kam und fragt nach alternativen Lösungen für den Frieden.



Hier geht es zum ARD Radiofeature von Jan-Christoph Kitzler in der ARD Audiothek:





Und hier noch der Link zu unserem Hörtipp in der ARD Audiothek, der neuen Psychologie-Podcast “Wie wir ticken”:

https://www.ardaudiothek.de/episode/swr2-wissen/tipp-wie-wir-ticken-euer-psychologie-podcast/swr2/94761426/



An dieser Folge waren beteiligt:

Folgenautor:in: Friederike Wipfler

Mitarbeit: Stephan Beuting, Katharina Hübel

Produktion: Fabian Zweck, Jacqueline Brzeczek, Konrad Winkler und Eva Erhard.

Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler

11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info. Die redaktionelle Verantwortung für diese Episode trägt der NDR.