Echo der Zeit: Korruptions-Verdacht bei der Ruag

Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) 8/23/23 - 42m - PDF Transcript

Radio-SRF Echo der Zeit mit Matthias Kündig Und das beschäftigt uns am Mittwoch

dem 23. August. Weiteres Ungemach für den Schweizer Rüstungskonzern Ruag. Diesmal geht es um

mutmaßliche Korruption beim Handel mit Panzerersatzteilen. Mehr Informationen zu unseren

Recherchen gibt's gleich als erstes. Dann erstet selber nicht auf der Bühne und spielt

dennoch die Hauptrolle, wie der russische Präsident Putin den Gipfel der Bricksstaaten dominiert.

Ein scheinbar unbescholtenes Ehepaar mit hübschem Vorgarten, das aber im Geheimen für

Russland spioniert. Immer häufiger fliegen sogenannte Schläfer der russischen Geheimdienste auf.

Die russischen Dienste sehen sich in einem existenziellen Kampf um den Platz von Russland in der

Welt und das lässt sie sehr hohe Risiken eingehen, auch sehr aggressive Operationen durchführen.

Sagt der Geheimdienste-Experte Adrian Henne im Echo-Gespräch. Und einst tummelten sich in

der ukrainischen Hafenstadt Odessa die Reichen und Schönen. Seitdem immer wieder russische Raketen,

die statt angreifen, sind Clubs und Hotels aber meist leer.

Früher hatten wir hier viele Touristen, sagt ein Hotelchefin in Odessa, im heutigen Echo der Zeit.

Die Rüstungsfirma Ruak kommt nicht aus den Negativschlagzeilen. Am Montag hat der Bundesbetrieb

über neue Ungereimtheiten informiert bei Geschäften mit ausrangierten Leopard-Eindpanzern. Jetzt zeigen

Recherchen von Radio SRF, es geht um mutmaßliche Korruption im Handel mit Ersatzteilen zum Leopard-1.

Aus dem Bundeshaus Dominic Meier. Pferden ist eine beschauliche Kleinstadt im norddeutschen

Bundesland Niedersachsen und Schauplatz von Ermittlungen rund um Ruakgeschäfte mit Leopard-1-Panzern,

genauer mit Ersatzteilen für diese Panzer. Es soll zu Bestechung gekommen sein. Die zuständige

Staatsanwaltschaft bestätigt Recherchen von Radio SRF und schreibt, Zitat. Bei der Staatsanwaltschaft

Pferden, Zentralstelle für Korruptionsbekämpfung, wird ein Ermittlungsverfahren gegen fünf deutsche

Staatsangehörige wegen des Verdachts der Untreue, der Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen

Verkehr geführt. Gegenstand sind Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dem Handel mit Ersatzteilen

für militärisches Gerät. Seit 1,5 Jahren sind die deutschen Ermittlerinnen und Ermittler

an der Arbeit. Zweimal haben sie die Schweizer Volkreich um Rechtshilfe ersucht. Das Bundesamt

für Justiz und die Schweizer Bundesanwaltschaft bestätigen das auf Anfrage. Die Rechtshilfe

gestützt auf das zweite Gesuch ist derzeit noch am Laufen. Die ganze Panzeraffäre geht

zurück auf einen Rüstungshandel vor sieben Jahren. Die Ruak kaufte damals in Italien

100 Leopard 1 und dazugehörige Ersatzteile, schon damals mit der Idee, die Panzer oder

Panzerteile später weiter zu verkaufen. Welche Rolle die fünf Beschuldigten genau spielten

beim späteren Handel mit diesem Gerät, wie es zur mutmaßlichen Korruption kam? Diese

Frage lassen sowohl die Staatsanwaltschaft Pferden als auch die Ruak heute unbeantwortet.

Nach Informationen von Radio Esref ist auch ein früherer Ruak-Mitarbeiter im Visier der

Strafverfolgungsbehörden. Doch auch dazu äußern sich Ruak und Staatsanwaltschaft nicht. Ruak-Sprecher

Silvan Gruber aber sagt, wir von Ruak haben Kenntnis dieses Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft

in Pferden und wir unterstützen die Untersuchung. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Die Leopard 1-Affäre also wird auch zur mutmaßlichen Korruptionsaffäre und das ist noch nicht die

ganze Geschichte. Unabhängig davon erhebt ein deutsches Logistikunternehmen Anspruch auf

25 der Panzer. Die Firma hatte sie offenbar gekauft, aber nicht abgeholt. Trotz dieser

großen rechtlichen Unklarheit wollte die Ruak Anfang dieses Jahres sämtliche verfügbaren

Panzer nach Deutschland verkaufen mit Endziel Ukraine. Der Bundesrat allerdings lehnte dieses

politisch heikle Geschäft ab. Das umstrittene Ukraine-Geschäft also, die Ansprüche einer

deutschen Firma auf 25 der Panzer und seit heute bekannt die Korruptionsermittlungen. Die Liste von

Problemen bei der Ruak ist lang. Hinzu kommt, dass der Konzern seit kurzem führungslos ist. Die

bisherige Chefin musste nach umstrittenen Äußerungen zur Schweizer Neutralität zurücktreten. Die

Ruak selbst und Verteidigungsministerin Viola Amherd haben Anfang Woche je eine Untersuchung

in Auftrag gegeben zu den Wiren beim Rüstungsbetrieb. Dominik Meier hat recherchiert. Nun zur

Nachrichten über sich des Tages von Konrad Musch und da geht es zunächst um den Grundsatz

Keine Gewalt in der Erziehung. Diesen will der Bundesrat ins Zivilgesetzbuch schreiben. Eltern

würden dadurch verpflichtet, bei der Erziehung ihrer Kinder keine körperliche Bestrafung oder

andere formende Gewalt einzusetzen. Gewalt gegenüber Kindern ist heute schon verboten. Die Kinder

sind durch das Strafrecht geschützt. Mit einer neuen Gesetzesbestimmung im Zivilgesetzbuch soll

außerdem die Prävention gestärkt werden, teilt der Bundesrat mit. Etwa sollen so Beratungs- und

Hilfsangebote ausgebaut oder der Zugang dazu verbessert werden. Die Ausbildung von Pflegefachleuten

soll ab Mitte 2024 mit Bundesgeldern gefördert werden. Das hat der Bundesrat entschieden. Er will

bis zu 1 Milliarde Franken zur Verfügung stellen und schlägt auch weitere Maßnahmen vor, um den

Mangel an Pflegefachleuten zu bekämpfen. Die Maßnahmen gehen nun in die Vernehmlassung. Der

Bundesrat schreibt, er wolle so einen wichtigen Teil der Pflegeinitiative rasch umsetzen. Die

Initiative wurde vom Volk im November 2021 angenommen. Die Schweizerische Post hat im ersten

Halbjahr 2023 weniger verdient. Sie hat von Januar bis Juni 118 Millionen Franken Gewinn gemacht.

Das sind gut 140 Millionen Franken weniger als im selben Zeitraum des Vorjahres. Als

Begründung gibt die Post unter anderem an, dass erneut weniger Briefe und Pakete verschickt

worden sein und auch die Einkünfte aus dem Zahlungsverkehr seien zurückgegangen. Heute

morgen sind wieder erste Güterzüge durch den Basistunnel gefahren, knapp zwei Wochen nach dem

Unfall am Gott hat. Eine der beiden Röhren sei um Mitternacht wieder in Betrieb genommen worden,

sagt die SBB. Wer ins Tessin reisen will, muss aber weiter mit längeren Fahrzeiten rechnen,

denn die Züge im Personenverkehr werden bis auf weiteres über die Gott hat Bergstrecke umgeleitet.

Mit der nächsten Meldung verlassen wir kurz die Erde. Als viertes Land ist Indien am Nachmittag

erfolgreich auf den Mond gelandet. Die unbemannte Raumsonde Chandrayaan 3 setzte sanft in der

Nähe des Südpols des Mondes auf, wie in einer Liveübertragung der indischen Weltraumbehörde

zu sehen und zu hören war. In den nächsten zwei Wochen soll ein Mondroboter nun das Gebiet am Südpol

erkunden und nach Wasser suchen. Fachleute erwarten von der Mission zwar keine großen

wissenschaftliche Erkenntnisse, für die indische Raumfahrt ist sie aber ein prästischsträchtiger

Erfolg, denn erstmals war eine Landung am Südpol des Mondes erfolgreich. Das Geschlecht und den

eigenen Namen beim Standesamt unkompliziert ändern lassen. Das soll künftig für Menschen in

Deutschland möglich sein. Die deutsche Regierung hat das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz auf den

Weg gebracht. Aktuell können Geschlecht und Vornamen in Deutschland erst nach einem

psychologischen Gutachten und einem Gerichtsentscheid geändert werden. Kritik am neuen Gesetz in

Deutschland gibt es von der Opposition. Diese befürchtet, dass sich Menschen Vorteile erschleichen

könnten, wenn sie ihren Geschlechzeintrag einfach ändern können. In Spanien hat der Chef der

konservativen Volkspartei Alberto Nunez Fejo gut einen Monat Zeit, um eine Regierung zu bilden.

Den Auftrag dazu hatte der bisherige Oppositionsführer von König Felipe erhalten. Nun hat die Präsidentin

des spanischen Unterhauses angekündigt, dass das Parlament erst ab dem 26. September über eine

mögliche Regierung unter Fejo diskutieren werde. So soll er genügend Zeit für Verhandlungen mit

anderen Parteien erhalten. Bei den Parlamentswahlen vor einem Monat wurden die Konservativen von

Fejo zwar stärkste Kraft, kamen aber auf keine Mehrheit im Parlament. Die Börsendaten von 18

Uhr 9 geliefert von 6. Der Swiss Market Index schließt bei 10.974 Punkten ein Plus von 0,9 Prozent.

Der Dow Jones Index in New York steigt um 0,4 Prozent. Der Euro wird zu 95 Rappen 40 gehandelt,

der Dollar zu 87 Rappen 87. Nun noch zum Wetter und das dürfte wohl sonnig und heiß bleiben,

Konrad Muschk. Ja, am Abend ist es meist klar und es bleibt warm. Morgen ist es zunächst sonnig,

tagsüber bilden sich aber vermehrt Quellwolken und vor allem über den Bergen entstehen lokale

Gewitter. Es bleibt aber heiß bei 31 bis 36 Grad. Zum Gipfel der Bricksstaaten in Südafrika.

Vladimir Putin ist zwar nicht nach Johannesburg gereist, denn der russische Staatschef hätte

dort wegen des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs gegen ihn mit seiner Verhaftung

rechnen müssen. Doch der Kremlchef ist am Gipfel per Videoschaltung überaus präsent. Es gelingt ihm

verblüffend gut, dem Gipfel seinen Stempel auch zu drücken und seine Lesart des russischen Kriegs

gegen die Ukraine durchzusetzen. Aus Johannesburg berichtet Fredyk Steiger. Eine Tanzgruppe

begrüßt Russlands Außenminister Sergei Lavrov bei seiner Ankunft auf dem Johannesburger

Flughafen. Der gibt sich jovial und wippt ein paar Takte mit. Später darf er dann aufs traditionelle

Gipfelfamilienfoto mit den Staatschefs der übrigen Bricksmitglieder Brasilien, Indien,

China und Südafrika. Doch nicht Lavrov spricht für Russland auf dem Spitzentreffen, sondern

Präsident Vladimir Putin selber, der sich regelmäßig zuschalten lässt. Er nutzt die

Plattform, um das westliche Vormachtstreben zu geißeln und spricht von Neokolonialismus.

Seine imperialistisch motivierte Invasion in die Ukraine deutet er, um in einem Verteidigungskrieg

gegen den alles dominierenden Westen. Das habe Russland sozusagen zum Angriff gezwungen.

Putin soll sich gewaltige Ärgert haben, auf dem Bricks Gipfel nicht physisch präsent

sein zu können. Es gelingt ihm nun aber bestens, die Kreml Anliegen auf die Agenda zu setzen.

Für die drei demokratischen Bricks mit Glieder Brasilien Südafrika und Indien ist der Krieg

gegen die Ukraine weit weg. Mal direkt, mal indirekt werfen sie den besten vor,

ihm zu viel Gewicht beizumessen und Konflikte in der dritten Welt zu ignorieren.

Brasiliens Präsident Luis Ignacio Lula da Silva spricht zwar von den Folgewirkungen des

Konflikts, auch auf sein Land, doch kein Wort der Missbilligung an Moskau Adresse ist von ihm zu hören.

Es müsse nun rasch ein Waffenstillstand her, ob schon das schwierig sei.

Dass die Ukraine dabei de facto schon mal rund 20% ihres Staatsgebiet preisgebe,

lässt er unerwähnt. Südafrikas Präsident Siridramaphosa hat für

Russland sogar Lob übrig. Stets habe es enge Beziehungen zu afrikanischen Ländern gepflegt.

Russia has always had really good and meaningful relations with African countries.

Indiens Premier Narendra Modi hält sich in der Ukraine Frage bedeckt,

er will seine Schaukelpolitik zwischen China und dem Westen fortführen.

Allein die Tatsache, dass der Ukraine-Krieg auf dem Bricks Gipfel kein großes Thema ist,

ganz anders als vor drei Monaten auf dem Treffen der G7-Staaten,

darf Putin als Erfolg verbuchen. Der Aufruf der EU, die Bricks Länder

müssen die russische Invasion verurteilen, ist chancenlos. Es wird am Ende kein Wort der Kritik

an Moskau in der Gipfel-Erklärung auftauchen. Der Hauptgrund ist natürlich, dass sich China,

die dominierende Macht innerhalb der Bricks, immer entschiedener an Russland Seite stellt.

Präsident Xi Jinping kritisiert die Pervertierung des Völkerrechts durch den Westen scharf.

Er greift explizit die USA an. Sie seien der Feind der Schwellen und Entwicklungsländer.

Xi will die Bricks Gruppe umbauen und ausweiten zur mächtigen Gegenkraft zu westlichen Organisationen,

so mächtig, dass sie möglichst bald global den Ton angibt. In Russland,

das dringend verbündete braucht, findet er für dieses Unterfangen einen willigen Alliierten.

Washington gibt sich nach außen gelassen. Sicherheitsberater Jake Sullivan will die

Bricks nicht als geopolitischen Rivalen sehen.

Dafür sei die Bricks Gruppe zu uneinig.

Ein bisschen klingt das Nachpfeifen im Wald. Die USA wollen entweder nicht sehen oder nicht

einräumen, dass da ein ernstzunehmender Herausforderer heranwächst.

Sie hören da sicherer Zeit auf Radio SRF mit diesen weiteren Schauplätzen.

Mali wurde alte Konflikt zwischen der Tuareg und der Armee wieder zu eskalieren droht.

Ungarn, wo Schweizer Unterstützungsmillionen hinfließen, obwohl der Umgang der Ungarischen

Regierung mit Hilfsgeldern Fragen aufwirft. Die russischen Geheimdienst-Zentralen, wo man

auf riskante Aktionen setzt, um im Ausland an geheime Informationen zu kommen. Und Odessa,

die vormals russisch geprägte Stadt in der Ukraine, wo die Wut auf Russland mit jedem

Raketenangriff größe wird. Dazu eine Reportage am Schluss dieses Echerer Zeit.

Seit dem Militärputsch vor knapp einem Monat schaut die Welt gebannt auf Niger. Dabei gehen

beunruhigende Nachrichten aus dem Nachbarland Mali etwas unter. Denn dort droht seit einigen

Wochen der alte Konflikt zwischen den Tuareg und der Mali-Shanamä neu aufzuflammen. Zur Erinnerung,

vor gut zehn Jahren kämpften die Tuareg im Norden Malis mit Waffengewalt für die Unabhängigkeit.

2015 wurde dieser Konflikt befriedet und dafür Unoblauhelme stationiert. Dieses Frühjahr

wurde das Friedensabkommen von 2015 aber aufgekündigt. Und auf Druck der Mali-Shanamä

müssen sich die Unoblauhelme vorzeitig aus dem Land zurückziehen. Die Tuareg berichten nun sie

sein von malischen Truppen und seltenen der Wagnergruppe angegriffen worden. Die Mali-Shanamä

spricht hingegen davon, sie habe bloß einen Angriff von Terroristen abgewährt. Ich habe Ulf Lessing

von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mali gefragt, was über diese gewaltsame Auseinandersetzung

gesichert sei. Ja, gesichert ist nur, dass es eben eine Auseinandersetzung gab zwischen Tuareg und

der Margenamä angeblich auch unter Beteiligung von Russen. Was sich da jetzt abspielt, ist einfach,

die UNO hat bislang das Friedensabkommen mehr oder weniger durchgesetzt. Die UNO hat geholfen,

so einen Waffenstillstand zu erhalten und man merkt jetzt, dass sich das alles auflöst und es wird

zu mehr solchen Vorfällen in den nächsten Monaten kommen. Bis Ende Jahr müssen sich die Unoblauhelme

jetzt vollständig aus Mali zurückziehen. Ist das der Hauptgrund, weshalb nun eben die gewaltsamen

Auseinandersetzungen wieder aufflammen? Ja, die UNO wurde viel kritisiert, dass sie eben nutzlos

sei, wen ich gebracht habe. Aber man merkt schon, dass die Präsenz schon noch eine gewisse Stabilität

gebracht hat. Jetzt haben wir eben Tausende Jobs gefunden dort und die UNO hatte den Start

wegen der Ersatz. Und jetzt, wo sie sich zurückziehen, da werden jetzt in den nächsten Wochen sehr

viel Menschen arbeitslos werden, viele Dienstleistungen eingestellt. Ich habe auch selbst schon Anrufe

gekriegt von Berufsschülern oder anderen Menschen, die von der UNO gefördert wurden. Also

da wird sehr viel Frust jetzt kommen und das wird dann sicherlich auch von den Turek ausgenutzt

werden und gleichzeitig versucht die Malenscharmee im Norden aktiver zu werden. Also es wird mehr

Konflikte geben. Ich habe es bereits erwähnt. Der Aufstand der Turek begann vor über zehn

Jahren. Sie wurden einen unabhängigen Staat. Zeitweise verbündeten sie sich auch mit islamistischen

Gruppierungen. 2015 dann das Friedensabkommen, das dann mit der Stationierung von UNO-Blauenhelmen

auch umgesetzt wurden. Wie hat sich seither die Situation der Turek im Norden Malis verändert?

Die Hoffnung der Turek auf einem eigenen Staat, die haben sich nicht erfüllt. Da gibt es auch

sicherlich auch keinen Rückhalt in der Bevölkerung. Es gab 2015 dieses Friedensabkommen, das sie

erwähnen. Das wurde aber an beiden Seiten, zum einen von den bewaffneten Gruppen, den Turek und

der Malischen Regierung, nicht wirklich umgesetzt. Da sollte eine gemeinsame Armee gegründet werden

und mehr Rechte für die Ture im Norden Autonomie. Das ist alles nicht geschehen. Und es gab bislang

das Einzige, was passiert ist, dass es eben keine Kämpfe gab zwischen beiden Seiten.

Die derzeitigen Machthaber in Mali sind ja vor zwei Jahren durch einen Putsch an die Macht gekommen.

Welche Politik verfolgen Sie gegenüber den Turek? Also es sieht so aus, das optimalische

Armee im Norden wieder mehr Präsenz zeigen will. Man fühlt sich gestärkt durch die

ganzen Rüstungsgeschäfte mit Russland. Da hat man Hubschrauber-Jets bekommen, eben die Söldner

auch noch dazu und neue Waffen. Es sieht so aus, dass, ob man jetzt militärisch stark im Norden

zeigen will, es gab wohl sogar auch schon Überlegungen, Richtung Qidals vorzustoßen. Das ist

sozusagen das Heimatgebiet der Turek. Und den Zwischenfall, den Sie am Anfang erwähnten,

ist eben auch ein Beispiel dafür. Eigentlich sollte die Malsch-Armee dort nicht auftauchen,

bevor es eben eine gemeinsame Armee gibt, so wie das 2015 beschlossen wurde. Und so

von fühlen sie die Pro-Turek provoziert und die Malsch-Regierung fühlt sich gestärkt,

da jetzt wieder als Ordnungsmacht mehr einzugreifen. Sie haben bereits Russland erwähnt und die

Wagner-Söldner welche Rolle spielen, die dort ganz konkret im Norden mal ist?

Also bislang waren die Russen hauptsächlich im Zentrum tätig auf Wunsch der Malier, weil dort

die Jihadisten aktiver sind. Und sie hatten auch mal eine Präsenz im Norden, waren da aber nicht

sehr aktiv, auch deswegen, weil eben die UNO noch da waren. Man wollte sich nicht gegenseitig in die

Quere kommen, aber es sieht nun so aus, dass, ob die Russen auch im Norden mehr machen und auf

jeden Fall haben sie den Maliern mehr Selbstbewusstsein gegeben, jetzt auch im Norden militärisch mehr zu

akkieren. Im Juni wurde in Mali eine neue Verfassung vom Volk gutgeheißen. Diese zentralisiert den

Staat stärker und gibt dem Staatspräsidenten mehr Macht. Was heißt das für den Konflikt mit

den Turek, die ja eigentlich Autonomie oder sogar die Unabhängigkeit möchten? Ja, die Turek waren

dagegen. Das war auch in der Grunde, warum sie das Abkommen verschiedener Turegruppen gekündigt haben,

weil sie eben sehen, dass in der Verfassung jetzt nicht festgelegt wird, dass sie Autonomie und

mehr Rechte bekommen. Und ja, sie fühlen sich benachteiligt, weil sie eben seit Unabhängigkeit

sagen, der Staat findet verabzähltlich im Süden, im Bamako-Stadt, nicht im Norden, wo es wenig

Staatspräsenz gibt. Und die Verwassung hat den Konflikt jetzt noch mal ein bisschen angeheizt.

Bei dieser Gemengelorge läuft das unweigerlich auf einen neuen Bürgerkrieg hinaus.

Also es wird im Norden ungemütlicher sicherlich, es wird möglicherweise nie gar die Nachbarstaat

betreffen. Die Hauptstadt Neme ist viel näher am Norden dran als in Südmali. Ich glaube nicht,

dass es der Konflikt jetzt bis Richtung Süden-Bamako geht, aber sicherlich in Nordmali und auch

in Zentralmali und Teilen in Niga, da wird es sicherheit ungemütlicher werden in den nächsten

Monaten. Das war Ulf Lessing, erleitet für die Konrad-Adenauer-Stiftung das Regionalprogramm Sahel

und ist in Mali stationiert. Die Konrad-Adenauer-Stiftung steht der deutschen CDU nahe.

Über eine Milliarde Franken gibt die Schweiz in den nächsten Jahren in Ost- und Südeuropa aus,

der Schweizer Beitrag für gute Beziehungen mit der Europäischen Union. Davon gehen 90,

fast 90 Millionen an Ungarn. Die EU hingegen hat Gelder für Ungarn eingefroren und auch

Norwegen hat sich nach einem Streit finanziell zurückgezogen aus dem Land. Sowohl der EU als

auch Norwegen missfällt das autoritäre Gebaren der ungarischen Regierung gegenüber Nicht-Regierungs-

Organisationen. Warum hat die Schweiz einen anderen Weg gewählt? Dazu die Recherche von

Ost-Europa-Korrespondentin Sarah Novotny. Nicht-Regierungs-Organisationen stören die

ungarische Regierung. Denn viele NGO arbeiten für Minderheiten, für Asylsuchende oder Homosexuelle,

oft mit Geld aus dem Ausland. Viele stehen für weltweite Vernetzung und sogenannte

Regenbogenfamilien. Ungarns Regierungschef Viktor Orban aber will das Gegenteil. Nationalstadt,

traditionelle Familie. Szilard Nemet, Vizesefte-Partei von Viktor Orban, sagte in einer Rede, was die

Regierung von NGO hält. Und es geht darum, dass die Organisationen mit allen Mitteln unterdrückt

werden. Ich glaube, sie müssen von hier verschwinden. Auf jeden Fall macht die ungarische Regierung

den NGO das Arbeiten schwer, durch Gesetze, durch finanzielle Benachteiligung. Darüber beklagen

sich alle NGO in Ungarn. Darüber beklagt sich am Telefon auch Andraschnun. Er ist Chef des

Hilfswerks Autonomia, eine mittelgroßen Organisation, die für die Roma-Minderheit arbeitet. Es gibt

die Tendenz, nicht Regierungsorganisationen an den Rand zu drängen. Geld bekämen auffällig oft

Organisationen, die der Regierung nahestünden, Kirchen zum Beispiel. Das Problem dabei sei nicht

nur, dass er kein Geld bekommt, sagt Andraschnun. Das Problem sei auch, dass Korruption blühe,

wenn niemand die Regierung kontrollieren könne. Und wichtig, oft verschwende die Regierung Geld,

wenn sie allein entscheide. Ein Beispiel. Mit EU-Geld wollte Ungarn die 300 ärmsten

Roma-Dörfer im Land unterstützen. In diesen Dörfern gibt es einen staatlichen Sozialdienst,

dessen Budget ist aber lächerlich. Statt diesen staatlichen Dienst nun mit EU-Geld auszubauen,

hat eine regierungsnahe Organisation mit dem EU-Geld einen zweiten Parallelenservice aufgebaut.

Geldverschwendung, sagt Andraschnun. Hätte die Regierung NGO gefragt, die sich

auskennt, hätten diese ihr geraten, den staatlichen Sozialdienst zu verbessern. Die EU und Norwegen

teilen Andraschnuns Bedenken. Die EU hat Milliarden eingefroren, auch weil sie den Umgang der

ungarischen Regierung mit Nichtregierungsorganisationen inakzeptabel findet. Und Norwegen hat sich

finanziell ganz zurückgezogen aus Ungarn, weil die ungarische Regierung eine NGO,

obwohl bestens geeignet den Zuschlag für ein norwegisches Projekt nicht gab. Die

Schweiz aber lässt sich nicht bei ihren, gibt in den nächsten Jahren fast 88 Millionen Franken

aus in Ungarn. Der Brokern ist beim Außendepartement zuständig für den Schweizer Beitrag. Wir haben

keine Bedingungen, die erfüllt werden müssen, um mit deinem Land zusammenzuarbeiten. Natürlich

gelten aber Prinzipien wie gute Regierungsführungen Transparenz. Gerade plant der Bund zusammen mit

der ungarischen Regierung, die Programme und Vorhaben, in die ihr Geld stecken will. Fix ist

noch nichts. Aber für der Brokern ist klar, der Vorwurf, die Schweiz unterstütze den

zweifelhaften Umgang der ungarischen Regierung mit NGO, indem sie in Ungarn investieren,

dieser Vorwurf sei unfair. Wir analysieren ja auch die politische Situation in Ungarn und sehen

schon, dass gewisse Rechte aus angeschränkt betrachtet werden können. Und deshalb habe

die Schweiz mit Ungarn vereinbart, dass sich alle fachlich geeigneten Organisationen an der

Umsetzung der Programme beteiligen können. Es soll also faire Ausschreibungen geben. Überall dort,

wo das sinnvoll sei. Zum Beispiel, wenn es um Minderheiten sozial schwacher oder um Berufsbildung

geht. Wir haben natürlich schon ganz klar die politische Botschaft auch ausgesendet. Wir möchten

alle gleich behandelt sehen, ohne politische Färbung. Tatsächlich schreibt die ungarische

Regierung auf Anfrage von Radio SRF, man lege großen Wert auf den Einbezug der Zivilgesellschaft.

Für NGO-Chef Andraschnun sind das nur leere Worte. Er sagt, er werde vertrüstet, wann immer er bei

der Regierung Nachfrage, wie NGO den Schweizer Beitrag mitgestalten könnten. Ohne Mitgestaltung

und vertragliche Garantien hätten Nichtregierungsorganisationen wenig Chancen,

Schweizer Geld zu bekommen. So bestehre die Gefahr, dass sich die Schweiz von der

ungarischen Regierung übertölpeln lasse. Der Burakern vom Außendepartement hat davor keine

Angst. Sie lobt die Zusammenarbeit mit Ungarn. Sagt auch, die Schweiz würde Maßnahmen ergreifen,

sollte es nicht laufen wie vereinbart. Sprich, vorhaben stoppen. Die EU und Norwegen haben sich an

Ungarn die Zähne ausgebissen. Die Schweiz hofft, dass sie mit ihrem Pragmatismus weiterkommt.

Ein argentinisches Ehepaar, das nach Slowenien auswandert und dort dann unter dem Verdacht für

Russland Spionage zu treiben verhaftet wird. Oder ein Brasilianer mit österreichischen

Wurzeln, der im griechen Land festgenommen wird. Auch er soll für einen russischen Geheimdienst

Informationen beschafft haben. In letzter Zeit gab es immer wieder Meldungen über scheinbar

unbescholtene Bürgerinnen und Bürger unterschiedlichster Nationalitäten, denen Spionage

für Russland vorgeworfen wird. Was steckt dahinter? Darüber habe ich mit dem Schweizer Historiker

Adrian Hennig gesprochen. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Geschichte der Geheimdienste. Er hat mir

zunächst bestätigt, dass seit dem Ukrainekrieg tatsächlich mehr russische Spione bzw. sogenannte

Schläfer aufgeflogen sind. Ja, diese Häufung gab es auf jeden Fall in diesen nun anderthalb Jahren.

Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine sind ja mindestens ein halbes Dutzend solcher Fälle

bekannt geworden. Und im ganzen Jahrzehnt vor dem Februar 2022 ist mir nur ein einziger Fall bekannt

von einem russischen Schläfer, der in Italien aufgeflogen war. Also diese sehr starke Zunahmer

von bekannten Fällen, die ist auf jeden Fall Tatsache. Und gibt es eine Erklärung für diese

Häufung? Ja, es gibt zwei Erklärungen für diese Häufung. Die eine ist, dass die westlichen

Sicherheitsbehörden, westlichen Nachrichtendienste nun ein stärkes Augenmerk auf diese illegale russische

Spionage haben und diese auch schärfer verfolgen, entsprechend schärfer dagegen vorgehen. Die andere

Erklärung wäre auf russischer Seite, dass die russischen Nachrichtendienste als Folge auch des

Krieges in der Ukraine und als Folge dessen, dass sehr viele westeuropäische Staaten eine hohe

Zahl von als Diplomatenakreditier der russischen Spione ausgewiesen haben, dass sie jetzt quasi

aus Ersatz verstärkt auf die Schläfer, auf die unter falschen Identitäten eingesetzten Spionen

und dass es durch diese stärke Aktivierung von solchen Schläfern, von solchen illegalen Spionen

eben jetzt auch zu einer größeren Zahl von Verhaftungen kommt. Meine Vermutung ist, dass

es wahrscheinlich eine Kombination von beiden ist. Sie haben es bereits gesagt. Seit Ausbruch des

Ukrainekrieges sind bereits 450 russische Diplomaten aus westlichen Staaten ausgewiesen worden. Viele

von ihnen sollen eben unter diplomatischem Deckmantel für Russland spioniert haben. Heißt das,

dass damit Russlands Geheimdienste blinde geworden sind? Ja, das ist tatsächlich ein größer Schlag

für die russischen Dienste. Diese stark geben auf die Spionage an den Botschaften an Konsolaten

durchaus diplomatengetannte offizielle Spione gesetzt haben. Diese Massenausweisungen in Europa,

die haben den russischen Diensten auf jeden Fall zugesetzt, weil sie auch sehr gezielt waren.

Also es wurden nicht einfach Diplomaten ausgewiesen, sondern sehr spezifisch eben wichtige

Mitarbeiter der Spionagestationen an den entsprechenden diplomatischen Vertretungen,

die die Funktionsfähigkeiten dieser Spionagebasen in Europa tatsächlich stark beeinträchtigt haben.

Nun, wir haben es eingangs gesagt, vermehrt setzt Russland offenbar jetzt auf diese

klassischen Schläferzellen. In den meisten Fällen sind es nicht russische Staatsangehörige. Weshalb?

Ja, weil die natürlich weniger verdacht erregeln. Das ist eine lange Diskussion, gerade auch im russischen,

sogar bereits im sowjetischen Schläferprogramm vor einigen Jahrzehnten, soll man russische

Staatsbürger einsetzen. Der Vorteil ist natürlich, dass die eher loyal sind. Die statistisch gesehen

läuft man mit russischen Staatsbürger eine geringere Gefahr, dass die dann überlaufen. Aber der

Nachteil ist natürlich, dass sich weniger gut als zum Beispiel westeuropäische oder amerikanische

Staatsbürger ausgeben können, dass sie als Russinnen eher eben verdachte Regen in ihren

Zielländern. Und deshalb gibt es eine Tradition, die in die Sowjetunion zurücklegt, dass man eben

nicht russische Staatsbürger rekrutiert für Schläferaufgaben. Wenn wir uns ganz konkret die

Arbeit dieser Schläfer anschauen, welche Art von Informationen können diese getarnten Normalbürgerinnen

und Bürgern Russland überhaupt beschaffen? Das kommt natürlich sehr darauf an, was für eine

falsche Engentität sich ein solcher Schläfer angelegt hat oder ein solcher illegaler, mit

welcher Mission er geschickt wird, in welchem Umfeld er sich bewegt. Am Einfall der Bekrankungen ins

letztes Jahr betraf einen Politikwissenschaftler, der eingeschleust wurde, an die Nordische

Universität Trömsow in Norwegen. Der sollte Informationen über die norwegische Sicherheitspolitik

in der Arktis beispielsweise dann so aufklären. Dann gibt es Schläfer, die versuchen, über

persönliche Kontakte beispielsweise ins Umfeld von hohen Politikern zu kommen. Ein russischer

Schläfer in den USA, der 2010 aufgeflogen ist, hatte Kontakte zu einem persönlichen Freund,

der damaligen amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton geknüpft. Das kann sehr unterschiedlich

sein und kommt dann wirklich darauf an, wer der Schläfer ist, mit welcher falschen Identität

ausgerüstet wird. Ganz grundsätzlich, wie wichtig ist eigentlich heute im Zeitalter von

Internet und Hacking die physische Spionage überhaupt noch? Ja, das ist eben ein großer

Irrtum, dass die nicht mehr oder kaum mehr nötig sein im Zeitalter von Cyberangreifen.

Tatsächlich ist die klassische menschliche Spionage, das sogenannte Human Intelligence immer

noch sehr, sehr wichtig, auch für die russischen Dienste beispielsweise gerade im Bereich der

Wissenschafts- und Technologiespionage. Die läuft sogar nach wie vor weitgehend eben über traditionelle

menschliche Quellen. Fast jeder Staat verfügt ja über Geheimdienste, nicht nur Russland. Wie

arbeitet Russland im Vergleich zum Beispiel mit den USA oder Großbritannien? Gibt es da Unterschiede?

Das einmal eins der Spionage, die Gesetze der Spionage, die sind grundsätzlich dieselben,

ob jetzt davon amerikanischen oder russischen Diensten sprechen. Was man aber sicher sagen kann,

ist die russischen Dienste seit 2014 ungefähr seit der Zunahme der geopolitischen Spionage und

noch viel stärker seit der Eskalation des Krieges in der Ukraine im vergangenen Jahr. Die russischen

Dienste sicherlich sehr, sehr risikoreiche Operationen durchführen, dass das Tempo auch der

Operationen sehr, sehr hoch ist und dass das teilweise dann auch auf die Qualität oder auf

die Absicherung dieser Operationen geht. Also hier gibt es sicher einen Unterschied. Die russischen

Dienste sind im Prinzip in einem Kriegsmindset. Im Moment sie sehen sich in einem existenziellen

Kampf um den Platz von Russland in der Welt und das lässt sie sehr hohe Risiken eingehen,

auch sehr aggressive Operationen durchführen und da unterscheiden sie sich sicher derzeit auch von

den westlichen Geheimdiensten. Sagt der Schweizer Historiker und Geheimdienstfachmann Adrian Henny.

Um die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine geht es auch im nächsten Beitrag.

Konkret um die Auswirkungen des Krieges auf die Stadt Odessa. Die ukrainische Hafenstadt am

Schwarzen Meer wird immer wieder von russischen Raketen angegriffen, mit weitreichenden Folgen.

Der Hafen ist geschlossen, die Touristen bleiben weitgehend weg. Viele Bewohnerinnen und Bewohner

bleiben aber trotzdem. Das zeigt die Reportage von Auslandredaktor David Nauer aus Odessa.

Das Ibiza ist eine Institution in Odessa. Ein Strandklub direkt am Meer. Hier liegen

normalerweise tagsüber die schönen und reichen an der Sonne. Nachts wird wild gefeiert, getrunken,

geflörtet, getanzt. An diesem Abend aber wirkt das Ibiza troßlos. Kaum ein Mensch ist da. Die Besse

trönen über die leere Tanzfläche, über den geschlossenen Pool und die verweisten Liegestühle

rüber zum Meer. Der Krieg hat diesen Ort über Borden der Lebensfreude in eine Ödnis verwandelt.

Odessa ist eigentlich eine Perle am Schwarzen Meer. Die Altstadt gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Rund eine Million Menschen leben hier, unterschiedlichster Herkunft. Neben Ukrainer und Russen ist

Odessa auch Heimat für viele Juden, Armenier, Rumänen. Linguafranca in Odessa ist seit jeher

russisch. Doch Russland ist nun der Feind. In der Kathedrale von Odessa feiert ein einsamer

Priester einen Gottesdienst. Nur die Kapelle im Keller kann derzeit ohne Gefahr benutzt werden.

Die Kirche selbst ist im Juli von einer russischen Rakete schwer beschädigt worden.

Ich war zu Hause, es gab Raketenalarm und dann hörte ich eine laute Explosion, erzählt Vater

Miroslav. Ich fuhr sofort los und war aus einer der ersten vor Ort. Überall lagen Trümmer,

ein Teil des Kirchenschiffs brannte. Ich wollte mit einem Feuerlöscher die Flammen bekämpfen,

aber das war aussichtslos. Deswegen rettete ich, was zu retten war. Vater Miroslav steht

in der zerstörten Kathedrale. Das Dach hat große Löcher, das regnet rein. Prächtige Goldordnamente

verkohlt, Fresken von Raketen, Splittern verunstaltet, ein paar Säulen stehen bedrohlich schief. Unbeschadet

und überlebt dagegen hat die Kasperska Ikone der Mutter Gottes, die Schutzpatronin von Odessa.

Ich habe die Ikone selbst rausgetragen, sie blieb unbescheidigt und das ist ein wahres Wunder,

denn sie lag im Epicentrum der Explosion. Der Angriff auf die Kathedrale von Odessa ist doppelt

verständlich. Das Gotteshaus gehört zu ukrainisch orthodoxen Kirche, die lange den Patriarchen

von Moskau unterstand. Die Russen haben also quasi ihre eigenen Glaubensbrüder angegriffen.

Wie steht Vater Miroslav zu dieser Verbindung seiner Kirche nach Russland?

Christen sollen nicht töten, Christen sollen den Frieden predigen. Mit Kriegsbeginn haben wir

sämtliche Kontakte abgebrochen zu denen, nach denen sie gefragt haben. Der Kirchenmann nennt

Russland nicht einmal beim Namen aus Werdersland, der Teufel. Dabei hat Odessa russische Wurzeln.

Die Stadt wurde 1794 von Tsarini Katarina der Großen gegründet. Der Kreml erhebt deswegen

bis heute Anspruch auf Odessa. Eine Erroberung der Stadt war zu Beginn des Krieges ein wichtiges Ziel

der Russen gewesen, scheiterte aber. Nun mit ihren Angriffen haben sich die Russen sämtliche

Sympathien verspielt. Mit jeder Rakete, mit jedem Luftalarm wächst unser Hass auf alles,

was aus Russland kommt, sagt Hennadi Trukhanov, der Bürgermeister von Odessa. Er selbst ist ein

gutes Beispiel für den Stimmungswandel in der Stadt. Trukhanov war einst Politiker der

pro-russischen Partei der Regionen. Nun muss er sich mit den Folgen der russischen Angriffe

auseinandersetzen. Ich war vor unserem Interview gerade in einem Wohnhaus, das von einer russischen

Rakete getroffen wurde. Die Leute haben alles verloren. Wir müssen jetzt die Trümmer wegräumen

und den Betroffenen eine Unterkunft organisieren. Der Krieg hat Odessa eine neue Welle des

Patriotismus gebracht. Auf den Straßen hört man so viel ukrainisch wie wohl nie in der Geschichte

der Stadt. Doch Optimismus strahlt Odessa keinen aus. Seit Kriegsbeginn steht der Hafen so gut wie still,

weil Russland ihn mit Kriegsschiffen blockiert. Und Touristen sind kaum unterwegs. Das kann auch

die Mitglieder bestätigen, der in der zentralen Fußgängerzone einen Kaffee-Stand betreibt.

Mit jedem Angriff habe ich weniger Kunden. Manche getrauen sich wohl nicht mehr aus dem Haus,

andere verlassen die Stadt. Und Touristen? Ach, das können sie gleich vergessen.

Woher sollen die denn kommen in diesen Zeiten? Viele Odessiten wollen dennoch bleiben.

So etwa die Familie von Geli, die ein kleines Hotel betreibt. Die Frau mit aus erbetschanischen

Wurzeln sitzt auf der Hotelterrasse und erzählt.

Früher hatten wir viele Touristen. Doch die kommen seit Kriegsbeginn nicht mehr.

Nun wohnen Journalisten und Geschäftsleute bei uns. Dazu kommen manchmal Flüchtlinge aus anderen

Teilen der Ukraine. Überhaupt, sagt Geli, sei die Solidarität in der Stadt sehr groß gewesen,

vor allem bei Kriegsbeginn. Aber inzwischen haben viele Leute selbst nicht mehr genug.

Die Reserven sind aufgebraucht. Jeder muss auch schauen, dass er, dass seine Familie durchkommt.

Der Krieg dauert schon eineinhalb Jahre. Bei jedem Luftalarm gerät Geli in Sorge.

Und ihre Kinder, ihre Familie, das Hotel, das zählt an den Kräften.

Wir leben von einem Tag zum nächsten. Ich hoffe auf Frieden.

Ich hoffe so sehr, dass dieser Krieg bald endet.

Sagt Geli und wischt sich drinnen aus dem Gesicht.

Das war die Rapportage von David Nauert zum Schluss dieser 6. Zeit,

am Mittwoch, dem 23. August, mit Redaktionsschluss um 18.41 Uhr.

Verantwortung für die Sendung ist Lukas Schneider.

Für die Nachrichten Mario Sturni, mein Name Matthias Kündig.

Das war ein Podcast von SRF.

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