11KM: der tagesschau-Podcast: Klimakleber: Eine Hand auf der Straße, ein Bein im Knast

tagesschau tagesschau 7/14/23 - Episode Page - 29m - PDF Transcript

Mit einem großen Bolzenschneider durchtrennt ein Mann den Stacheldraht über einem Eisenzaun.

Dabei spricht er direkt in die Kamera.

Eine Störung, die hier leider notwendig ist.

Der Mann hängt sich eine blaue Ikea-Tasche um, lehnt eine Leiter an den Eisenzaun, klettert nach oben und springt auf das abgesperrte Gelände einer Ölpumpstation.

Der Versuch einer Sabotage, selbst gefilmt, die wird den Aktivisten der letzten Generation ein Jahr später wieder einholen.

In dieser Folge von 11km nehmen wir euch mit zu einer Razzia und in den Gerichtssaal.

Ihr erfahrt, wie sich Aktivisten der letzten Generation vor Gericht verteidigen und ob ein hartes Vorgehen der Justiz sie eher abschreckt oder anstachend.

Hier ist 11km der Tagesschau-Podcast.

Ein Thema in aller Tiefe.

In der ARD Audiothek.

Unsere letzte Folge vor der Sommerpause.

Und zwar mit BR-Wissenschaftsreporterin Anna Daneka.

Sie hat Aktivisten der letzten Generation über Monate begleitet und Protestforscher getroffen.

Unter anderem für den dreiteiligen Podcast Inside Klimaprotest.

Mein Name ist Victoria Michalsack.

Heute ist Freitag, der 14. Juli.

Anna, herzlich willkommen. Hallo.

Wer ist das, der sich da gefilmt hat?

Das ist Wolfgang Metzeler Kick.

Der ist Ende 40.

Kommt aus Agatariit.

Das ist so ungefähr 60km südlich von München.

Vom Beruf ist er Ingenieur für technischen Umweltschutz.

Hat unter anderem auch in München gearbeitet, bei verschiedenen Automobilzulieferern.

Und jetzt arbeitet er nicht mehr und ist eigentlich Vollzeitaktivist bei der letzten Generation.

Wie ist das denn gekommen?

Ja, er ist schon sehr lange politisch aktiv, vor allem in der Linkenszene.

Vor knapp 20 Jahren hat er zum Beispiel schon mal Schlagzeilen gemacht

auf einer Anti-Sicherheitskonferenz-Demo in München.

Also dort, als Demo-Clown aufgetreten ist.

Okay, was ist denn Demo-Clown?

Muss mir noch mal bitte in Erinnerung rufen.

Das war so eine Phase von kreativen Protestformen,

wo Menschen sich auf Demonstrationen als Clowns verkleidet haben,

um das ganze Geschehen satirisch zuzuspitzen, würde ich mal sagen.

Also Wolfgang Metzeler-Kick war auch bei der anarchistischen Pogo-Partei assoziiert.

Das ist ja auch so eine Spaß- und Satire-Partei.

Aber er hat sich einfach durch sein Studium auch bedingt schon immer für die Umwelt interessiert.

Und hat sich auch immer wieder intensiv mit dem IPCC-Bericht des Weltklimarrats auseinandergesetzt.

Und dort wird ja auch ziemlich drastisch beschrieben, was passiert,

wenn wir nichts gegen die Klimakrise tun.

Und wie er dann eigentlich zur letzten Generation gekommen ist,

ist indirekt über Fridays for Future.

Er hat nämlich einen 13-jährigen Sohn.

Und so ist er während der Friday for Future Bewegung,

als es dann die Parents for Future gab, zu dem Parents for Future gegangen.

Und dann als die ersten Aktivisten der letzten Generation im Herbst 2021

in einen Hungerstreik getreten sind.

Sie wollten mit den jeweiligen Kanzlerkandidaten der Parteien sprechen.

Da hat sich Wolfgang Metzeler-Kick dann gedacht.

Und solchen Menschen kann man es probieren.

Wenn die Leute wirklich bereit sind, das eigene Leben zu riskieren, dann macht es Sinn.

Ein Aktivist hat wirklich so lange nichts gegessen, bis er fast gestorben wäre.

Und da hat er sich gedacht, wenn Menschen so motiviert sind, etwas gegen die Klimakrise zu tun,

dann könne er damit machen.

Ist er auch einer der Klimakleber?

Also hat er sich festgeklebt auf der Straße?

Ja, er war sogar bei der allerersten Blockadeaktion der letzten Generation

in Berlin Ende Januar 2022 dabei.

Er ist noch nicht geklebt, aber seit März 2022 klebt er.

Und er sagt immer mit einer Rettungsgasse, also, dass die in der Mitte nicht kleben

und dass er sich am Ende wegtragen lässt.

Und ja, er hat auch andere Sachen dann ausprobiert.

Zum Beispiel war er auch in Frankfurt zusammen mit einem anderen Aktivisten im Fußballstadion unterwegs.

Was haben die da gemacht?

Er war gemeinsam mit Simon Lachner, das ist ein Mitstreiter von ihm,

der ist 25 Jahre alt, inzwischen auch ein Freund von ihm geworden, war er dort im Fußballstadion.

Und als das Spiel dann so drei bis vier Minuten gelaufen ist,

sind die runter von der Zuschauer-Tribüne aus Feld gelaufen,

über die Bande gesprungen und haben sich mit so metall verstärkten Kabelbindern

ans Tor gebunden, um den Hals und um den Torpfosten.

Keine ausgebremsten Autofahrer, sondern wütende Fußballfans.

Riesenwut bis hin zu Purung pass.

Die Beliebtheitswerte der letzten Generation, die sind ziemlich schlecht in der Bevölkerung.

Wir haben noch mal eins bei Umfragen rausgesucht, zum Beispiel eine Umfrage

vom NDR aus dem Januar, demnach sind bei Befragten die Meinung wirklich

sehr, sehr ablehnend gegenüber der letzten Generation.

Von den Befragten finden 52 Prozent, die Aktionen überhaupt nicht angemessen,

21 Prozent eher nicht angemessen.

Also ein großer Teil ist dagegen, in einer Umfrage vom Spiegel heißt es,

vier Fünftel der Deutschen lehnen das ab.

Genau, also Protestforscher sagen, ich habe da zum Beispiel mit Simon Teune gesprochen,

der sagt, das Protest gar nicht unbedingt angenehm sein muss,

sondern das Protest genau dafür da sei Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Es geht nicht darum, möglichst akzeptabel für viele zu sein,

sondern es geht darum, einen Konflikt sichtbar zu machen,

ihn zuzuspitzen und damit auch diskutierbar zu machen.

Das hat wiederum dazu geführt, dass politisch Verantwortliche sich in der Situation sein,

dass sie darauf reagieren müssen und dass sie das nicht einfach so weiterlaufen lassen können,

was eigentlich in der Regel mit Protesten passiert, dass sie ignoriert werden.

Und das ist ja auch das, was die letzte Generation sehr stark immer in den Vordergrund stellt.

Sie wollen eine Störung provozieren, die nicht ignoriert werden könnte.

Und dementsprechend wollen sie diese Alarmfunktion eben einnehmen.

Ja, genau. Darüber haben wir schon mal gesprochen in einer Folge über die letzte Generation.

Verlinken wir euch noch mal einen Show-Notes.

Da geht es nämlich ganz besonders darum, wie die letzte Generation tickt,

also wie die von innen aufgebaut sind.

Heute geht es aber um die Konsequenzen von diesen Provokationen,

denn wie ist das denn bei Wolfgang?

Das bleibt ja nicht ohne Konsequenzen.

Nee, für jede Aktion folgt jetzt ein Gerichtsprozess.

Also für die einzelnen Straßenblockaden gibt es Anklagen wegen Nötigungen,

wegen der Pipeline ist er angeklagt, wegen Störungen öffentlicher Betriebe,

Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung.

Und Wolfgang Metzeler Kick hat ungefähr 70 Aktionen jetzt schon gemacht,

hat sich 70 Mal schon irgendwo festgeklebt oder hingebunden.

Vor ein paar Tagen habe ich ihn sogar zufällig auf der Straße kleben sehen,

als ich in die Arbeit gefahren bin.

Also die Zahl wächst stetig.

Simon Lachner, der, mit dem er sich zusammen an den Torpfosten gebunden hat,

sagt, er hat mit der letzten Generation 40 bis 50 Aktionen durchgeführt.

Und ja, der Folgen halt jetzt auch dementsprechend 40 bis 50

bzw. 70 Gerichtsprozesse.

Und bei einer dieser Verhandlungen warst du auch dabei?

Genau, zwei Verhandlungstage, Simon Lachner hatte sich an ein Gemälde geklebt

in der alten Pinakothek in München.

In Berlin wurde eine Aktivistin für das Hinkleben an den Rahmen

schon zu einer viermonatigen Haftstrafe verurteilt, ohne Bewährung.

Und das drohte eben da auch Simon.

Ja, das Amtsgericht München, das ist so ein 60er, 70er Jahrebaus- und Betongebäude.

Und ja, die Angeklagten sitzen links.

Das heißt, Simon, ein anderer, der sich auch hingeklebt hat

und ein anderer Mitangeklagter, der gefilmt hat,

saßen links, jeweils mit ihrem Anwalt hinter ihnen,

die Richterin vorne, die Staatsanwältin rechts.

Und es war eine Gepresse auch da.

Oft verteidigen sich die Aktivistinnen selbst.

Die letzte Generation hat auch ein großes Legal-Team,

ein Legal Wiki online, wo sie sich mit Prozessführungen auseinandersetzen,

sich auch gegenseitig Tipps geben.

Und da kennen sie sich bei den jeweiligen Paragrafen,

vor allem beim Vorwurfnötigungen, schon ziemlich gut aus

und versuchen da auch alle rechtlichen Winkel auszuspielen.

An dem Tag hatte Simon, weil es ein bisschen anders gelagert war,

der Prozess einen Anwalt dabei.

Und der hatte halt gefordert Freispruch für die Aktivistinnen,

denn auch die Geschichte würde die Aktivistinnen im Nachhinein freisprechen.

Und ja, im Prozess ist es dann so, sie versuchen,

das Gericht auch als Aktionsplattform zu nutzen.

Also Simon hat erst mal einen längeren Vortrag über seine Politisierung

und die Klimakrise gehalten.

Einer seiner Mitangeklagten, der die Aktion gefilmt hat im Museum,

hat auch einen längeren Text vorgelesen, hat angefangen zu weinen

über seine Angst bezüglich der Klimakrise gesprochen.

Also die letzte Generation versucht da auch nochmal im Gericht

auf Emotionen auch abzuziehen, derjenigen, die im Gerichtssaal sitzen

und auch darüber berichten sollen danach.

Und wie ist es denn dann ausgegangen für Simon?

Wie war das Urteil?

Das Urteil war 160 Tagessätze, also 2400 Euro Strafe für Simon Lachner.

Was er so mittelmäßig fand, er hat sich auch das Urteil angehört

und ist dann rausgestürmt aus dem Gerichtssaal,

hat sich die Begründung gar nicht mehr angehört,

was die Richterin so ein bisschen enttäuscht hat.

Sie meinte nur, jetzt habe ich Ihnen so lange zugehört.

Das war ja ein zweitägiger Prozess.

Aber ja, Simon meinte, er müsse das sich jetzt nicht mehr anhören

und er hat auch gesagt, es ist immer wieder dasselbe,

die Begründung, warum er schuldig sei.

Das kostet ihm dann zu viel Nerven.

Wieso ist er da rausgestürmt?

Es klingt so, als ob er sauer war.

Ja, ich glaube, dass es auch so ein Art Zeichen war,

dass er dann nochmal setzen wollte als Zeichen seines Protestes,

dass er das nicht akzeptiert, eigentlich diesen Urteilsspruch.

Was hätte er sich erhofft? Freischspruch.

Ja, das ist das Interessante.

Er hat dann nach dem Gerichtsprozess zu mir gesagt,

wenn schon kein Freischspruch, dann lieber Gefängnis.

Ja, Gefängnis wäre im Blick auf die Sache besser gewesen,

weil dann wieder eine Debatte hochbrandet.

Dann gibt es Zeitungsartikel wieder darüber,

dass jetzt jemand für sechs Monate ins Gefängnis gekommen ist.

Kannst du nicht sagen, dass du jetzt enttäuscht bist,

dass du nicht ins Gefängnis kommst?

Es ist total schwierig.

Ich bin da in einem Zwiespalt.

Also taktisch, wenn man jetzt hier den Taktik Simon hat

und hier den Simon als Mensch einfach, der auch Ängste hat,

dann würde dieser Simon sagen,

hätte es immer ordentlich draufgeschlagen.

Und dieser Simon so, ich bin schon froh.

Krass.

Für diese Aktivisten ist die Möglichkeit, ins Gefängnis zu gehen,

auch um Aufmerksamkeit zu erzeugen, eigentlich eingepreist.

Und diese Prozesse, die sind ja schon fast Business as usual.

Du hast schon gesagt, das waren eigentlich alle schon dran gewöhnt.

Und auch wir haben uns daran gewöhnt,

dass das in den Medien thematisiert wird,

dass diese Prozesse stattfinden.

Aber dann ist was Ungewöhnliches passiert.

Ende Mai war das.

Ja, dann kam eine bundesweite Ratia.

Hausdurchsuchungen bei sieben Mitgliedern der letzten Generation.

Mit einer Ratia sind Polizei und Staatsanwaltschaft

in mehreren Bundesländern gegen Klimaaktivisten

der Gruppe letzte Generation vorgegangen.

Dabei durchsuchten die Beamten Räume, beschlagnahmten Konten

und sperrten die Webseite der Aktivisten.

Die Generalstaatsanwaltschaft München

verdächtigt die Gruppe,

eine kriminelle Vereinigung gegründet zu haben.

Also, die Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen sieben Personen,

und zwar wegen Paragraf 129 STGB,

bilden einer kriminellen Vereinigung.

Da kommen wir später noch drauf.

Ein großer Aufschlag jedenfalls.

Das war ja gleich morgens um 7 Uhr früh,

dass die Ratia stattgefunden hat.

Und dann habe ich Simon Lachner und Wolfgang Metzeler-Kick gefragt,

ob sie denn davon betroffen sind.

Und Wolfgang Metzeler-Kick hat mir geschrieben,

ja, meine Freundin, also die Wohnung seiner Freundin,

in der er auch die meiste Zeit lebt, wurde durchsucht

und der Durchsuchungsbeschluss ging aber gegen ihn.

Heute Morgen durchsuchten Ermittler, wie hier in Berlin

und in anderen Städten,

Wohnungen und Geschäftsräume der letzten Generation.

Neben Fällen von Nötigung wird auch wegen versuchter Sabotage

an der Ölpipeline Trieste Ingolstadt in Bayern ermittelt.

Wolfgang Metzeler-Kick hatte es selbst gar nicht mitbekommen,

weil er zu dem Zeitpunkt gar nicht in München war,

sondern in Berlin wegen einem Gerichtsprozess.

Er hat am Tag zuvor eine Straße blockiert,

die A 100, wohl für mehrere Stunden,

ihm musste die Hand samt Her von der Straße gelöst werden.

Und deswegen hatte er am nächsten Tag eigentlich ausgeschlafen.

Ja, und dann war ich hier nur früher auf,

ich meiste, ja, gut, ausschlafen.

Ah, vielleicht sollte ich doch mal sehen, die gucken

und während des Ruch fährt, ist die erste Nachricht irgendwie,

was mit Haustau suche.

Was Haustau suche?

Ja, und dann...

Ah, ist der Leiser gemerkt?

Okay, weil Claudia war ja Haustausucher.

Und seine Freundin und er haben mir dann,

als er wieder zurück in München war, erzählt, wie es so war.

Also, seine Freundin Claudia meinte,

dass die Polizisten ganz früh morgens eben geklingelt haben.

Und sie eigentlich dann schon wusste, okay, jetzt ist es soweit,

weil für Wolfgang war es jetzt nicht so überraschend wohl,

dass ihnen eine Haustausuchung irgendwann mal trifft.

Und dann hatte sie wohl noch ein Anwalt angerufen,

als die Polizei aber dann schon drin war.

Und dann wurde jedes Zimmer einzeln durchsucht,

alle Schränke, sie hat mir auch Fotos gezeigt.

Da sieht man dann, wie so ein paar Kleiderberge rumliegen.

Und ja, es wurde auch einiges sichergestellt.

Was denn?

Wir haben verschiedene Sachen sichergestellt beziehungsweise beschlagnahmt.

Die beiden haben ja auch das Verzeichnis über diese Gegenstände gezeigt.

Und da stand unter anderem drin eben Handys, USB-Sticks,

Festplatten, wohl auch von Claudia, der Freundin von Wolfgang Meister der Kick,

aber auch Aktionsmaterial, also Aktionsplakate,

Flipchartblätter, Sekundenkleber, Sitzkissen und Wärmepads.

Sitzkissen, warum Sitzkissen?

Die Aktivisten der letzten Generation haben bei den Aktionen

teilweise ein Sitzkissen dabei, wo sie sich dann auf die Straße setzen,

dass es gemütlicher ist sozusagen.

Waren diese Sitzkissen, die sie mitgenommen haben, wirklich im Einsatz?

Oder haben die denen jetzt einfach nur die Sitzkissen zu Hause weggenommen?

Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.

Okay, schade.

Das sind eben Beweismittel.

Möglich ist das auch gewesen mit dieser Durchsuchung, weil eben ermittelt wird,

wegen Paragraf 129.

Jetzt müssen wir einmal glaube ich klären, was ist das?

Was ist dieser Paragraf 129, STGB und warum ist der so umstritten?

Also Wolfgang Meister der Kick und die anderen sind wegen des Anfangs

Verdachts des Bilden einer kriminellen Vereinigung angeklagt.

Also in dem Beschluss steht, dass die Aktivisten immer wieder bewusst

und zielgerichtet Straftaten begehen würden, um die öffentliche Aufmerksamkeit zu erreichen

und in ihrem Sinne auf dem Klimawandel aufmerksam zu machen.

Aber das ist ja sehr umstritten, denn die Frage ist ja,

was ist eine kriminelle Vereinigung und ist die letzte Generation einer?

Das ist ja eigentlich gemacht, dieses Gesetz für Vereinigungen wie die Mafia.

Jetzt ist die Frage, lässt sich dieser Paragraf auf die letzte Generation anwenden?

Die letzte Generation weist diesen Vorwurf natürlich zurück.

Sie sagen, das primäre Ziel sei nicht Straftaten zu begehen,

sondern das primäre Ziel sei auf die Klimakatastrophe aufmerksam zu machen.

Ja und das ist nämlich wichtig, denn es ist anscheinend so,

um eine kriminelle Vereinigung zu sein, muss das Ziel sein, die Straftat zu begehen.

Wenn man aber die Straftat begeht, um ein anderes Ziel zu erreichen,

in dem Fall jetzt die Politik zur Einhaltung von Klimazielen zu bewegen,

dann gilt es vielleicht nicht so, das ist glaube ich auch gerade unter Juristen total umstritten, oder?

Derzeit ist es so, dass es gerade Ermittlungen sind,

um einen Anfangsverdacht zu erhärten oder eben nicht.

Und das muss dann eben auch weitergeguckt werden von Gerichten, ob sich das dann hält oder nicht.

Das Wort Anfangsverdacht sagt es eigentlich schon ganz gut, warum es auch umstritten ist.

Es braucht ein Anfangsverdacht, damit eben schon relativ weit greifende Mittel eingesetzt werden können,

zum Beispiel Telefonüberwachung der Aktivistinnen.

Das ist ja jetzt auch passiert.

Das Presse-Telefon von der letzten Generation ist überwacht worden.

Also das heißt, die Kritik ist so ein bisschen, naja, das geht jetzt ein bisschen schnell,

weil es ist schon ein Anfangsverdacht, es braucht kein Beweis

und schon kann man bei wem die Leitung anzupfen, sowas.

Sind das dann auch deine Gespräche gewesen, die da aufgezeichnet wurden?

Ich weiß es noch nicht, Schwarz auf Weiß, Wolfgang Metzeler Kick weiß wohl aus seinen eigenen Gerichtsakten,

zu dem Pipeline-Fall, dass sein Telefon überwacht wird.

Das heißt, es kann auf jeden Fall sein, aber wenn dann würde ich noch Bescheid bekommen,

hieß es auf meine Anfrage auch bei der Generalstaatsanwaltschaft München.

Ja, wenn kann das dann aber auch dauern, weil das Gesetz sagt,

dass eine Benachrichtigung, ob man jetzt mit abgehört wird,

muss erst erfolgen, sobald das ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks möglich ist.

Hm, könnte aber schon gut sein, dass deine Gespräche abgehört worden sind,

ob du da mit einer kriminellen Vereinigung telefoniert hast, also wie hat sich das so für dich angefühlt?

Ja, noch weiß ich es nicht, Schwarz auf Weiß, was genau abgehört wurde und wie,

aber klar, es ist generell unangenehm, wenn man denkt, man spricht zu zweit

und dann hört noch jemand, da tritt das zu.

Warum wurde gerade die Wohnung von Wolfgang bzw. die von seiner Freundin durchsucht?

Weil er eben beschuldigt wird, öffentliche Betriebe gestört,

Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch begangen zu haben.

Das war dieser Versuch, im April letzten Jahres eine der zentralen Ölpipelines zu sabotieren.

Also die Ölversorgungslinie in Bayern, die das gesamte Rohöl für die Raffinerien in Bayern liefert.

Und das hat er ja auch extra auf Social Media gepostet.

Hallo, Wolfgang Metzler, letzte Generation.

Ich bin hier bei Rundstedtse und Niederambach.

Es ist eine Störung, die hier leider notwendig ist,

weil die Normalität in der wir erleben leider tödlich ist.

Das hat nicht geklappt, es war ein Versuch, aber allein der Versuch ist strafbar

und deswegen ist er wohl auch mit aufgenommen, in diese Anschuldigung

eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben.

Kritiker sagen, das ist schon ein überzogen hartes Vorgehen der bayerischen Exekutive,

diese Gruppe so einzustufen und zu überwachen.

Die Staatsanwaltschaft München sagt in ihrer Pressemeldung vom Mai,

es gehe auch um das organisierte Sammeln von Spenden zur Finanzierung von Straftaten.

Die Repression nehmen auf jeden Fall zu, schreckt das ab?

Also an den Reaktionen jetzt von Simon Lachner oder Wolfgang Metzler-Kick

konnte ich es nicht sehen, dass sie abgeschreckt sind,

eher andersrum sie intensivieren jetzt noch ihren Protest.

Wenn es eine Methode gäbe, die angenehm wäre und was erreicht,

würde ich doch lieber das machen, aber leider ist das hier das Einzige, was mir einfällt.

Ja, aber gleichzeitig provozieren sie jetzt glaube ich auch eine stärkere Reaktion

auch des Staates nochmal der Behörden, so sagen sie es zumindest

bei aktuellen Planungssitzungen.

Da wollen sie ab Mitte August mit 100 Personen mindestens 30 Tage lang

in Bayern in verschiedenen Städten Straßenblockaden machen

und wollen eigentlich provozieren, dass so viel wie möglich KlimaaktivistInnen

auch ins Gefängnis kommen.

Außerdem planen sie auch gegebenenfalls die Stellen, wo die Leute in den Urlaub fahren,

zu blockieren, das heißt die Nadelöhre in den Süden zu blockieren.

Nadelöhre in den Süden, das ist die Autobahn nach Italien, oder?

Ja, die verschiedenen Autobahnen nach Österreich runter, Italien etc.

Das hatten sie zumindestens angedacht.

Okay, also das klingt wie jetzt noch mal kurz vor knapp vor möglichen Kipppunkten,

bevor das Ziel nicht mehr erreicht werden kann, noch mal richtig aufdrehen.

Sie müssen ja auch ihren Protest so ihrer Theorie nach intensivieren,

damit es weiterhin Aufmerksamkeit gibt.

Ja genau, also die geben jetzt nochmal richtig Gas,

beziehungsweise lassen die Autofahrer auf die Bremse treten.

Und da ist jetzt natürlich die Frage, wie geht man damit um?

Als Gesellschaft, aber eben auch als Politik, also diese Proteste,

die regen die Menschen massiv auf, die stoßen auf sehr große Ablehnung

und viele Menschen fühlen sich genötigt, fühlen sich in ihrem Alltag sehr eingeschränkt.

Was würdest du denn sagen?

Ist so ein Vorgehen wie von der Staatsanwaltschaft Bayern richtig?

Oder ist es auch nicht gut?

Also ich habe auch mit verschiedenen WissenschaftlerInnen gesprochen

und genau die gleiche Frage gestellt.

Ich habe mit Katrin Höffler von der Universität Leipzig gesprochen

und die meinte eben, dass ein härteres Vorgehen,

oder wenn man auch die AktivistInnen als Kriminelle oder Terroristen beispielsweise bezeichnet,

dass es sich dann die Menschen sogar noch stärker ausgegrenzt fühlen könnten

oder noch unmächtiger fühlen würden.

Und dann könnte das eben eine Spirale eigentlich in den Gang setzen.

Im Bereich von den Protesten kann ein mehr an Repression härtere Strafen

nicht nur unwirksam sein, sondern es kann sogar kontraproduktiv sein,

indem es quasi noch den Protest verhärtet, sag ich mal,

vielleicht Richtung, die nicht sein müsste.

Denn die Menschen fühlen sich noch stärker ausgegrenzt, noch unmächtiger,

dann könnten sich auch die Mittel verschärfen.

Jetzt gerade fordert die letzte Generation den Staat zum Handeln auf,

lehnt den Staat nicht ab.

Aber wenn man das Gefühl hat, man wird gar nicht gehört, nicht verstanden,

dann könnte das natürlich auch in eine andere Richtung eine Spirale in Gang setzen.

Okay, also das heißt immer weiter gegeneinander, das schaukelt sich hoch.

Und am Ende streiten wir uns um Protestmethoden.

Ich glaube, da geht halt auch oft verloren dann, worum es den Aktivisten eigentlich geht

und eigentlich auch der Bevölkerung ja irgendwo auch,

dass man eben Klimaschutzmaßnahmen etabliert,

mit dem wir alle zurechtkommen und die eben auch demokratisch legitimiert durchgesetzt werden.

Ja, das glaube ich nämlich auch, dass auch viele der Befragten

und das zeigen auch die Umfragen gegen Klimaschutz gar nichts haben,

aber eben gegen das Vorgehen der letzten Generation.

Und du hast also auch den Eindruck, dass das die Aktivisten nicht so auffällt, diese Repression.

Was sagen denn die beiden, die du getroffen hast, Simon und Wolfgang, dazu werden die weitermachen?

Die beiden werden auf jeden Fall weitermachen, haben sie gesagt.

Und wie lange das Hänge auch vom Zustand der Klimakatastrophe ab, so haben sie es mir gesagt.

Sie würden aufhören, wenn sie denken, dass gewisse Kipppunkte erreicht sind.

Das heißt, was wäre für die einen Grund aufzuhören?

Einen Grund aufzuhören für die beiden wäre, wenn sie denken,

dass so ein gewisser Point of No Return erreicht ist.

Simon sagt zum Beispiel, das könnten 10 bis 20 Monate schon sein,

dass die Entscheidung eigentlich durch sei, ob man den richtigen Weg eingeschlagen habe

und auch Wolfgang Metzeler Kick sagt.

Ich würde weiterhin alles machen, um dieses zu spät zu verhindern.

Erst wenn es zu spät bei mir so massiv anklopft, dass ich es einfach akzeptieren muss,

werde ich halt auch irgendwann vielleicht nur noch mit dem Schild am Straßenrand stehen

und akzeptieren, dass es zu spät ist.

Also die sagen ganz klar, wir würden nur aufgeben,

wenn wir die Klimaziele meinen, nicht mehr erreichen zu können.

Aber alles vorher, das hält uns nicht auf.

Anna, danke, dass du uns davon erzählt hast.

Danke euch.

Das war FKM mit der Frage, was das rigide Vorgehen der Generalstaatsanwaltschaft München

bei den Klimaaktivisten der letzten Generation bewirkt.

Anna Dannecker hat Aktivisten in den vergangenen Monaten begleitet.

Ihre kontrovers Story für den BR findet ihr genau bei den dreiteiligen Podcast

Inside Klimaprotest, wie immer in den Show notes.

In Annas Podcast-Serie hört ihr auch,

mit welcher Motivation sich anarchistische Aktivisten und Aktivistinnen

der Klimabewegung anschließen.

In der ID-Audiothek findet ihr auch uns FKM.

Autor dieser Folge ist Moritz Ferle.

Mitgearbeitet hat Jasmin Brock.

Produktion Fabian Zweck, Christoph von der Werf, Florian Teichmann und Eva Erhardt.

Redaktionsleitung Lena Gürtler und Fumi Kullib.

FKM ist eine Produktion von BR24 und NDR Info.

Mein Name ist Victoria Michalsack.

Und heute sage ich mal nicht bis Montag, sondern bis September.

FKM geht in die Sommerpause.

Wir nehmen zwar eine kurze Auszeit,

aber die Journalistinnen und Journalisten der AID sind natürlich weiter

an neuen Geschichten für euch dran.

Die hört ihr dann bei uns ab Anfang September.

Falls ihr es noch nicht gemacht habt, abonniert uns jetzt unbedingt,

dann verpasst ihr den Wiedereinstieg am 1. September nicht.

Und empfiehlt uns gerne über den Sommer weiter.

Ich wünsche euch eine gute Zeit.

Bis dann, ciao!

Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.

Kleben auf dem Rollfeld - die Letzte Generation hat es wieder getan. Anfeindungen von Urlaubern, Autofahrern und Anklagen vor Gericht ernten die Klimaaktivisten der Letzten Generation für ihren umstrittenen Protest schon lange und wissen damit umzugehen. Seit Ende Mai ist aber bekannt: Die Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt wegen des Anfangsverdachts einer “kriminellen Vereinigung” und lässt Wohnungen durchsuchen und Telefongespräche abhören. Stachelt das an oder schreckt das ab? In dieser 11KM-Folge berichtet BR-Reporterin Anna Dannecker, wie die Letzte Generation mit dieser neuartigen Repression umgeht.



“Inside Klimaprotest” - die dreiteilige Podcast-Reihe von Gast Anna Dannecker bei IQ Wissenschaft und Forschung in der ARD-Audiothek:

https://1.ard.de/inside-klimaprotest-podcast?11km



Film vom Politikmagazin Kontrovers "Inside Klimaprotest: Wie tickt die letzte Generation?":

https://1.ard.de/inside-klimaprotest-story?11km



Klima, Kleben, Knast – hinter den Kulissen der “Letzten Generation”:

https://1.ard.de/11KM_Letzte_Generation



An dieser Folge waren beteiligt:

Folgenautor: Moritz Fehrle

Mitarbeit: Jasmin Brock

Produktion: Florian Teichmann, Christoph van der Werff, Alexander Gerhardt

Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler



11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info. Die redaktionelle Verantwortung für diese Folge liegt beim NDR.