Thema des Tages: Kärnten-Wahl: Die SPÖ hat ein Problem

DER STANDARD DER STANDARD 3/5/23 - Episode Page - 16m - PDF Transcript

Ich bin Jold Wilhelm, das ist Thema des Tages, der Nachrichten-Podcast vom Standard.

Kärnten hat gewählt. Bei den Landtagswahlen am Sonntag konnte die SPÖ Platz 1 verteidigen.

Allerdings müssen die Sozialdemokraten Herbe Verluste hinnehmen. Die FPÖ kann Platz 2 mit rund 24 % halten

und die ÖVP freut sich dank deutlicher Zugewinne auf Platz 3.

Den Einzug in den Landtag nicht geschafft haben hingegen die Grünen und die Nios.

Was dieses Ergebnis für Kärnten und auf Bundesebene bedeutet und welche Konsequenzen es noch haben dürfte,

darüber sprechen wir heute.

Michael Völker, du leitest das Ressort Innenpolitik und Chronik beim Standard

und hast mit deinem Team diese Wahlen in Kärnten natürlich ganz genau beobachtet.

Die SPÖ hat Platz 1 gehalten, muss aber ein starkes Minus hinnehmen.

Ist es ein Sieg oder eine Niederlage für die SPÖ?

Ich glaube, man kann ganz klar sagen, dass das eine Niederlage ist und zwar in dem Ausmaß doch ein bisschen überraschend.

Landeshauptmann Peter Kaiser hat das Wahlziel ausgegeben, über 40 % zu sein.

Das war ein Risiko, aber ein wohlkalkuliertes Risiko.

Die SPÖ ging eigentlich fix davon aus, dass es möglich sein wird, dieses Ergebnis zu erreichen.

Sie haben es jetzt ganz knapp offenbar nicht erreicht, also es sind nicht 39 % und Minus 9 % Punkte.

Das ist schon eine recht bittere und schmerzhafte Niederlage für die SPÖ.

Was heißt denn dieses Ergebnis für SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser?

Naja, das ist die Frage. Ich meine erst nach wie vor mit großem Abstand erster und die SPÖ ist stärkste Kraft.

Also sie wird, wenn sich da jetzt nicht eine Koalition gegen sie bildet, wieder den Landeshauptmann stellen.

Sein persönliches Wahlziel hat er nicht erreicht.

Er ist ein sehr integerer Politiker.

Ich weiß nicht, wie ernst er jetzt seine Ankündigung oder sein Wahlziel nimmt.

Ob er da jetzt in eine dritte Amtsperiode startet oder einen Nachfolger sucht.

Ich gehe davon aus, dass er trotz dieser Niederlage weiter Landeshauptmann bleiben möchte.

Du, das Top-Thema dieser Wahl war die landesweite Teuerung.

Landesweit muss man sagen, weil es ja nicht nur Kärnten betrifft.

Eigentlich ein Thema, das den Sozialdemokraten liegen müsste.

Wieso sehen das die Wählerinnen in Kärnten nicht so eindeutig?

Naja, es liegt ihnen noch dieses Thema und es hat ihnen sicherlich geholfen,

das zweite große Thema, das in Österreich quasi bei jeder Wahl immer so ein bisschen mitschwenkt,

ist das sogenannte Ausländerthema, also Migration und Asyl.

Das hat sicherlich auch eine Rolle gespielt, wenn gleich nur in einem geringerem Ausmaß.

Also die SPÖ hatte aus diesem Teuerungs-Thema etwas machen können, gerade in Kärnten,

aber sie hatte es nicht voll umsetzen können.

Dann kann man, glaube ich, auch sagen, dass die Führungsdebatte, die von außen hereingetragen wurde,

mit Sicherheit auch eine Rolle gespielt hat.

Bleiben wir gleich dabei. Denkst du, wird dieses Ergebnis in Kärnten die Diskussionen

rund um die Bundesparteispitze um Pamela Rendi-Wagner weiterbefeuern?

Naja, die Erwartungshaltung von Rendi Wagner war, glaube ich, dass in Kärnten zwar ein Verlust eintreten wird,

aber dass sich die ein Grenzen halten wird und dass das Ergebnis doch deutlich über 40 Prozent sein wird.

Mit dieser Erwartungshaltung ist sie nach Kärnten, nach Klagenfurt gereist und wollte dort heute mit jubeln.

Daraus wird so nichts.

Und ich glaube, dass es für sie persönlich auch Konsequenzen haben wird.

Die Führungsdebatte wird an Fahrt aufnehmen.

Ihre Gegner haben sich formiert und haben jetzt neuen Stoff bekommen.

Und ich glaube, ihr großer Herausforderer Hans-Peter Doskozil wird da jetzt mit noch mehr Werf

diese Debatte einsteigen und wird sich einbringen, als derjenige, dem es eher gelingen kann,

die FPÖ in der Bundespolitik in Schach zu halten und für die SPÖ ein gutes Ergebnis zu erzielen.

Das war jetzt die zweite schwere Niederlage in Folge.

Muss sich die Partei neu aufstellen?

Ja, die Partei muss sich neu aufstellen.

Das kann man auf mehreren Ebenen diskutieren.

Man kann das personell diskutieren, man kann das inhaltlich diskutieren.

Die personelle Diskussion ist schon voll in Fahrt.

Sie wird medial auch sehr intensiv geführt, aber sie wird auch in der Partei geführt.

Es gibt vor allem außerhalb von Wien eine große Unzufriedenheit mit der Führung und mit der Performance der Parteichefin.

Aber es gibt auch inhaltlich viele offene Fragen.

Die SPÖ positioniert sich in nicht allen Themen ganz klar.

Und ja, das Teuerungsthema ist eines, das hier in die Hände spielt, aber das könnte man noch viel deutlicher und klarer besetzen.

Auch das Mietendema ist eines, das die Menschen sehr bewegt, wo sich die SPÖ zwar drauf setzt,

aber wo es ihr möglicherweise nicht gut genug gelingt, sich verständlich zu machen.

Mehr zu lachen nach dieser Wahl hat der kernten Koalitionspartner der SPÖ die ÖVP.

Die ÖVP konnte Ergebnisse tatsächlich auf knapp 20% verbessern und auf Platz 3 kommen damit.

Dabei haben ja die Umfragen nicht so gut ausgeschaut. Wie erklärst du denn diese Überraschung?

Also das war tatsächlich eine Überraschung. Wir hatten eigentlich alle mit einem, wenn auch kleinem, aber doch mit einem Minus für die ÖVP gerechnet.

Jetzt hat sie ein kleines Plus vorne. Sie hat einen Spitzenkandidaten namens Martin Gruber, den außerhalb von Kernten niemand kennt.

Und ich bezweifle sogar, dass in den Kernten jeder kennt. Ein sehr unauffälliger Spitzenkandidat, der aber offenbar seine Sache ganz gut gemacht hat.

Und so ganz können wir uns das positive Abschneidende der ÖVP jetzt, glaube ich, noch nicht erklären.

Irgendeine Theorie?

Na ja, die Bundespolitik hat hier einen Einfluss. Also würde mich wundern. Ich glaube, die Kernten mögen offenbar nach der Aufregung der vergangenen Jahrzehnte jetzt doch wieder in ruhigerem Fahrwasser unterwegs sein.

Und da sind die Typen wie Kaiser und Gruber dann vielleicht doch Leute, die das bieten können. Und irgendwie Krawall und Aufregung gab es genug.

Ja, und thematisch gab es tatsächlich ein landespolitisches Thema, nämlich den Streit um den Flughafen in Klagenfurt, wo sich die ÖVP sehr intensiv draufgesetzt hat und offenbar hat das die Leute eigentlich erreicht und interessiert.

Du hast vorhin schon angesprochen, ob die ÖVP auf Bundesebene dem Ergebnis der ÖVP in Kernten tatsächlich zuträglich war.

Das ist nicht so sicher, würde ich mal sagen. In den Umfragen schneidet die ÖVP ja bundesweit gar nicht so gut ab aktuell.

Ist das eine erste Trendwende für die ÖVP auch auf Bundesebene? Könnte dieses Kerntenergebnis die ÖVP auf Bundesebene beflügeln?

Ich möchte das jetzt nicht ausschließen. Ich hätte das nicht so gesehen. Aber wenn man drüber nachdenkt, ja, es kann schon sein, dass sich die ÖVP da, wenn zwar auf niedrigem Niveau, aber doch stabilisiert.

Und nächste Woche ist ja die Kanzlerrede von Karl Nehammer angesetzt. Das soll ja auch ein weiterer Schritt sein, da eine Trendwende einzuleiten.

Also jedenfalls scheint die Abwärtsbewegung einmal aufgefangen zu sein.

Dann würde ich sagen, machen wir an dieser Stelle eine kurze Werbeunterbrechung und danach sprechen wir über das Ergebnis der FPÖ und was dieses Ergebnis in Kernten für die Landes- und Bundesregierung bedeuten könnte. Bleiben Sie dran!

Schaffen wir es noch, die Erderhitzung zu stoppen? Wie verändert künstliche Intelligenz unser Leben? Wie werden wir in einer heißeren Welt leben, arbeiten, holauben? Und wann fahren Autos autonom? Ich bin Alicia Prager und ich bin Florian Koch.

Um solche und viele weitere Fragen geht es im Podcast Edition Zukunft und Edition Zukunft Klimafragen. Wir sprechen mit Expertinnen und Experten und diskutieren Lösungen für die Welt von morgen. Jeden Freitag gibt es eine neue Folge.

Michael, die Partei, die sich bei den letzten Wahlen stark im Aufschwung befunden hat, war ja die FPÖ. Bei den Kerntenwahlen konnte sie den zweiten Platz mit komfortabelem Abstand zur ÖVP halten. Das Ergebnis aber nicht wirklich ausbauen.

Dürfen sich die Freiheitlichen über diesen zweiten Platz freuen? Nein, ich glaube, Sie können sich nicht darüber freuen. Sie haben Ihr Ergebnis im wesentlichen Gehalten, aber man sieht auch, Sie treten auf der Stelle. Die FPÖ hat bundesweit sehr starken Aufwind.

Das wird aus allen Umfragen auch klar ersichtlich und man hat gesehen, was für ein Plus in Niederösterreich auch möglich war. In Kernten gab es dieses Plus in dem Ausmaß nicht. Das mag auch an einem farblosen Spitzenkandidaten liegen, aber auch die bundespolitischen Themen sind da vielleicht weniger durchgeschlagen.

Die Freiheitlichen haben den Kernten auch mit dem Asylthema probiert. Das ist bei ihrer Wählerschaft nach wie vor das stärkste Argument, aber er stand offenbar nicht so im Vordergrund.

Rund 25% der Stimmen, so wie schon bei der Niederösterreich Wahl vor ein paar Wochen, ist das das Maximum für die FPÖ?

Laut Umfragen ist das nicht das Maximum, also da ist noch mehr Trainern, aber ich glaube, es kommt auf die Kombination auf Spitzenkandidat und Themenlage an.

Über deutlichere Zugewinne freut sich das Team Kernten bei den Landtagswahlen. Womit konnte man den Punkten und rund 10% erreichen?

Gerhard Köfer ist doch etwas hinter den Erwartungen geblieben. Man hat damit gerechnet, dass er zweistellig wird. Es stand sogar im Raum, dass er den dritten Platz erreichen könnte und die ÖVP auf den vierten Platz verdrängt.

Das ist nicht eingetreten, aber dennoch diese Liste hat ein deutliches Plus erreicht. Köfer hat sich als sehr geschickter und talentierter Populist präsentiert.

Er schaut doch den Vergleich mit Jörg Heidern nicht, im Gegenteil erreitet ein bisschen auf dieser Welle. Das mag auch mit ein Grund sein, warum die freiheitlichen Kernten nicht von der Stelle kamen.

Also Köfer ist in dem Lager der FPÖ-Wähler unterwegs und hat ein durchaus akzeptables Wahlergebnis erzielt, das muss man sagen.

Schlecht sieht es für die Grünen aus. Sie haben den Einzug in den Landtag nicht geschafft. Woran lag das denn?

Ja, das Abschnitten für die Grünen ist tatsächlich blamabel. Das zweite Mal hintereinander ist es ihnen nicht gelungen, in den Landtag einzuziehen.

Sie haben die fünf Prozent Tür, die nicht überspringen können. Das ist doch überraschend und muss ein Alarm-Signal für die Grünen auf Bundesebene sein,

für Werner Kogler und für sein Team. Die müssen sich da ganz dringend etwas überlegen.

Also offenbar kommt die Regierungsarbeit, die in Wien geleistet wird. Entweder wird sie nicht wahrgenommen oder sie wird nicht angenommen und geschätzt.

Also es gibt offenbar keinerlei bundespolitischen Rückenwind für die Grünen in Kernten, die es aus eigener Kraft nicht geschafft haben, dort relevante Themen zu setzen, die die Leute interessiert haben.

Also natürlich das Klimathema stand auch im Wahlkampf bei den Grünen im Vordergrund, aber irgendwie ist es ihnen nicht gelungen, die Wählerinnen da wirklich mitzunehmen.

Woran scheitert es bei den NEOS?

Statt Landgefälle würde ich sagen, also die NEOS sind einfach eine sehr urbane Partei, die sich extrem schwer tun, am Land Fuß zu fassen und dort überhaupt auch nur Strukturen aufzubauen. Und da merkt man einfach auch ganz deutlich, wie wichtig es ist, auch am Land oder gerade am Land irgendwie in Kontakt mit den Bürgern zu treten.

Und das gelingt halt nur, wenn du auch tatsächlich ausreichend Leute in der Bewegung hast, die dann auf der Straße präsent sind oder die im Ort präsent sind, die Leute ansprechen können und die man auch wahrnimmt.

Und diese Strukturen konnten die NEOS noch nicht so aufbauen, dass sie dann da wirklich einen Wahlerfolg einfangen können. Und die Themenlage, glaube ich, kam ihnen auch nicht wirklich ins Gegen.

Michael, was heißt denn das Ergebnis für die Kärtner Landesregierung? Bleibt es bei einer Koalition aus SPÖ und ÖVP?

Ich glaube, das ist noch nicht ausgemacht. Also ja, die SPÖ ist stärkste Partei, aber es sind andere Koalitionen möglich. Also logisch wäre eine Neuauflage der Koalition mit der ÖVP.

Aber natürlich bieten sich zumindest am Papier die Freiheitlichen an, das Team Köfer hat ausgeschlossen, Kaiser zum Landeshauptmann zu machen.

Ich nehme an, daran werden sie sich halten. Das schenkt die Möglichkeiten ein wenig ein. Aber ich würde jetzt einmal davon ausgehen, dass die SPÖ weiterhin den Landeshauptmann stellt.

Du hast es vorhin schon angesprochen, aber was denkst du denn, welche Schlüsse wird die türkisgrüne Bundesregierung aus dieser Wahl in Kärnten ziehen?

Die türkisgrüne Bundesregierung ist ein wenig von den Themen getrieben, die sie sich nicht selber aussuchen. Also das Mitthema und die Inflation und die Teuerung.

Das sind Themen, die die Leute enorm bewegen und wo sehr starke Ängste vorhanden sind. Also die Bundesregierung kann sich ihre Themen nicht aussuchen,

sondern die sind vorgegeben und die müssen sie gut abarbeiten. Das Klimathema ist natürlich eines, das im Hintergrund da ist, aber das die Leute lange in ihrer Realität nicht so bewegt.

Da geht es darum, ob ich mir die Miete noch leisten kann und ob ich mir das Leben noch leisten kann. Und da ist vor allem die ÖVP gefordert, Antworten zu finden.

Und die Grünen müssen schauen, wie sie sich da einbringen können und sich verständlich machen können und alleine der Streit um den Flug der Abgeordneten Nina Tomaselli von Wien Richtung Pregens,

der da jetzt entbrannt ist, zeigt, wie fragil das Klima in der Koalition auch ist und es wird nächstes Jahr gewählt.

Und man könnte davon ausgehen, dass der Wahlkampf jetzt langsam in die Gänge kommt und der ändert natürlich dann auch einiges.

Das durchaus überraschende Ergebnis in Kärnten wird also auch Auswirkungen auf die Bundesparteien haben, nicht zuletzt auf die Regierung und auch auf die größte Oppositionspartei, die SPÖ.

Vielen Dank für diese Analyse, Michael Völker.

Danke auch.

Und das war's mit dieser Sonderfolge von Thema des Tages zur Kärntenwahl.

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Ich bin Joel Wilhelm, Baba und bis zum nächsten Mal.

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Jetzt anhören: Wir analysieren das Ergebnis der Landtagswahl. Was es für Kärnten und auf Bundesebene bedeutet und welche Konsequenzen es noch haben dürfte

Kärnten hat gewählt. Bei den Landtagswahlen am Sonntag konnte die SPÖ Platz eins verteidigen. Allerdings müssen die Sozialdemokraten herbe Verluste hinnehmen. Die FPÖ kann Platz zwei mit rund 24 Prozent halten und die ÖVP freut sich dank deutlicher Zugewinne auf Platz 3. Den Einzug in den Landtag nicht geschafft haben die Grünen und die Neos.

Was dieses Ergebnis für Kärnten und auf Bundesebene bedeutet und welche Konsequenzen es noch haben dürfte, darüber sprechen wir heute.

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