FALTER Radio: Karl Seitz, der Architekt des Roten Wien – #1008

FALTER FALTER 9/30/23 - Episode Page - 52m - PDF Transcript

Hallo, hier spricht Florian Klenk. Ich bin der Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung

Falter und ich möchte Sie gerne einladen auf die erste Falter Arena. Können wir den

Journalistinnen und Journalisten noch trauen? Darüber wollen wir diskutieren.

Mehret Baumann von der neuen Zürcher Zeitung wird dabei sein, der Medienkritiker Stefan

Nigemeier aus Berlin, der ZIP2 Encomain Martin Thür und ich als Chefredakteur des Falter

werde mitreden. Moderiert wird die Veranstaltung von Raymond Löw und Eva Konzet wird einen Vortrag

darüber machen, was der Falter in Sachen Journalismuskritik geleistet hat. Die Musikerin Anna Marbo

wird auf der Bühne spielen. Kommen Sie vorbei am 1. Oktober im Wiener Stadtzahl in der

Marihilferstraße um 11 Uhr. Tickets unter falter.at slash arena oder stadtzahl.com

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Falter Radio der Podcast mit Raimund Löw

Herzlich willkommen meine Damen und Herren im Falter Radio. Wir sprechen heute über

eine Persönlichkeit der 1. Republik, die wenig bekannt ist, die sich aber bei näherem

hinschauen als relevanter für die heutige Zeit herausstellen kann als das auf den 1.

Blick erscheint. Das geht um Carl Seitz. Das ist der Bürgermeister des roten Wien gewesen

von 1923 bis 1934. Seitz ist ein Sozialdemokrat, der anders als ein christlich sozialer Vorvorgänger

in Wien, Carl Lueger, wenig Emotionen auslöst und für den es auch keine umstrittenen Denkmäler

gibt, anders als bei Lueger. Das Leben der Menschen in Wien beeinflusst Carl Seitz aber

bis heute, was in der Zeit errichtet wurde. Vieles davon ist heute noch da und wir sehen

es an, wir benutzen es jeden Tag. Erstmals gibt es jetzt eine umfassende Biografie von

Carl Seitz, sie ist im Falter Verlag erschienen und verfasst hat sie Alexander Spritzendorfer,

den ich im Podcaststudio des Falter in der Wiener Innenstadt begrüßen darf. Herzlich

willkommen. Herzlichen Dank für die Einladung. Herr Spritzendorfer Carl Seitz gilt es nicht

gerade die aufregendste sozialdemokratische Persönlichkeit, weil dazwischenkriegsseit,

das war ja die Zeit des Austromaxismus, die österreichischen Sozialdemokraten haben

einen dritten Weg gesucht zwischen Bolschewismus und Sozialdemokratie, es hat brillante Theoretiker

gegeben, in der Seiz war nicht unbedingt einer dieser brillanten Theoretiker, was hat sie

als Autor an der Persönlichkeit als Seiz fasziniert? Also ich würde dem Eingangsstätent gern

schon einmal ziemlich widersprechen wollen, weil ich ganz im Gegensatz eigentlich die

Figur von Carl Seitz, also seine ausgesprochen schillernde Wahrnehmung in der Recherche,

er war ja nicht nur Bürgermeister des Roten Wien, er war der erste Staatspräsident der

Republik, er war langjähriger Nachfolger vom Viktor Adler als Parteivorsitzender der

Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, er war der erste sozialdemokratische Abgeordnete

im niederösterreichischen Landtag und er war der erste und einzige sozialdemokratische

Abgeordnete, der über die dritte Kurie in den Reichsrat gewählt wurde, also in vielerlei Aspekten

und Hinsichten ein Vorreiter, ein Protagonist und mit einer unglaublich schillernden Wite,

es stimmt allerdings, dass er sozusagen hinter diesen starken Persönlichkeiten von mir als

Autobauer oder auch Carl Renner, der praktisch eine zeitgleiche Lebensspanne wieder Seiz hatte

und halt in der zweiten Republik eine sehr viel wichtigere Rolle gespielt hat als der Seiz,

ein bisschen in den Hintergrund geraten ist, meiner Überzeugung nach völlig zu unrecht und

es ist so ein bisschen meine Mission, diese hochinteressante Figur und Persönlichkeit ein

bisschen vor den Vorhang zu heben, zu holen, vielleicht Einsatz noch dazu. Wir finden in

vielen sozialdemokratischen Biografien schwarze Flecken, ich sage es einmal Renner und Anschluss

oder viele sozialdemokratische Protagonisten und Antisemitismus, da gehört ja Renner auch ein

bisschen dazu, das gibt es alles beseits nicht. Aus heutiger Perspektive muss man sagen, war

unglaublich moderner Politiker, Pazifist, Feminist, Dinge, die für einen Jahrgang 1869 alles andere

als selbstverständlich sind. Und wir werden den Vorhang ein bisschen lüften heute auch in dieser

Sendung. Ich freue mich sehr, dass der jemalige Bundespräsident transfischer in die Falterredaktion

gekommen ist. Herzlich willkommen. Danke für die Einladung. Herr Fischer, Karl Seitz war ja,

muss ich schon gesagt, ein Parteivorsitzender der Sozialdemokratie. Also jemand wie Bruno

Kreiske oder Andreas Babler heute, jemand der die Partei führt, ist er irgendwie aus dem kollektiven

Gedechnis des Böhnen in der zweiten Republik verschwunden? Das glaube ich nicht, ich meine,

in der Sozialdemokratie hat Karl Seitz einen fixen Platz und er hat, wie schon gesagt,

einen dadellosen politischen und auch persönlichen Lebenslauf. Er ist im Jahr 1945 vielleicht ein

paar Monate zu spät nach Wien gekommen. Seine Konzentration aus dem. Naja, er war zuletzt in

Deutschland nicht mehr im Konzentrationslager, aber in einem kleinen Dorf hat er so die ersten

Nachkriegs-Tagewochen über sich hinwegrollen lassen. Das war sehr schwierig. Sein Gesundheitszustand

war ja nicht mehr der Beste. Aber die Popularität von Karl Seitz ist auch noch in die zweite Republik

hinein gerettet worden oder hat hineingestrahlt. Also in dem Buch wird ja sehr anschaulich geschildert,

wie seine etappenweise Rückkehr aus Deutschland nach Österreich mit Stationen in Salzburg und in

Linz und so von nach 1945 doch bejubelt wurde in der Sozialdemokratie, die gerade wieder im

Entstehen waren. Wahrscheinlich war er im Jahr 1945 mit, wie schon gesagt, 76 Jahren schon doch zugeprächlich,

er war ja auch krank, um eine sehr belastende Funktion zu übernehmen. Theodor Körner war

schon als Bundespräsident, als Wiener Bürgermeister installiert und er hat dann doch manche politische

Meinungsverschiedenheit gehabt mit der neuen Führung und der Scherfhelmer etc., sodass er so langsam aus dem

politischen Leben ausgeschieden ist und er ist ja dann auch bald gestorben, ich glaube 49 oder 50. Aber Karl Seitz ist eine

zentrale Figur vor allem des roten Wien und da ist er in Sozialdemokratie, obwohl viele glauben,

Otto Bauers sei der Partei-Versitzende gewesen, es war Karl Seitz und er hat dieses Amt mit Augenmaß

und mit Schouveränität ausgeübt. Ich begrüße die Historikerin Gabriele Hauch, hallo. Gabriele Hauch ist

Professorin an der Uni Wien für Geschichte der Neuzeit mit dem Schwerpunkt Fraungeschichte, ob da

Fraungeschichte in unserer heutigen Diskussion auch eine Rolle spielt werden, wir sehen, aber Gabriele hat

in der Sozialdemokratie nach 45 die Bemühungen gegeben, möglichst wenig mit der Zeit vorher zu

tun zu haben, also hat so etwas gegeben wie einen bewussten Bruch mit dem Austromaxismus, war 45, was

erklären würde, dass das vielleicht auch Karl Seitz nicht die Bedeutung im kollektiven

Gedächtnis hat, dem vielleicht gebührt? Ja, es hat sicher Protagonisten gegeben in der neu

entstehenden sozialistischen Partei Österreichs, die einen Zusammenschluss aus den sogenannten

Auslandsozialdemokraten war und den revolutionären Sozialisten einen Bruch zu machen mit dem Austromaxistischen

Traditionen, aber ob es wirklich so einen bewusster Bruch war, bin ich mir nicht ganz sicher, was allerdings

sicher ist, ist, dass die Austromaxistische Ideologie eigentlich das ganze Leben in gewissen

Organisationen, in gewissen Bahnen für die Sozialdemokratie, für einen Sozialismus oder für

die Demokratie ganz konkret in der ersten Republik organisieren wollte und dieses quasi den ganzen

Menschen umfassende Konzept haben auch die Nationalsozialisten übernommen, haben auch

die Stalinisten übernommen gehabt, also von daher glaube ich war nach 45 dann diese Kulturbewegung, die

der Austromaxismus ja auch war eigentlich auch diskreditiert. Jetzt die Zeit der Ersten Republik war

eine Zeit großer politischer Polarisierung, großer politischer auch bewaffneter Sonderseizungen, wie

wir wissen dann ja 34, war der Karl Seitz für christlich-soziale Gabriele auch in dieser polarisierten

Zeit so etwas wie ein Feindbild, wie wir haben in den politischen Gegner gesehen. Karl Seitz war

sicher einer der nicht zur sogenannten, zum sogenannten rechten Parteiflügel in der Sozialdemokratie

gehört hat, wie Helmer oder Renner. Von daher war Seitz auch für die christlich-sozialen, die ja

quasi die Nachfolge, also die ÖVP, die Nachfolgeorganisation der christlich-sozialen, die

Nachfolgeorganisation auch von Kern, von den Kernmannschaften könnte man sagen, dass Austrofaschismus

waren, ein Feindbild. Alexander Spritzen darf ein bisschen über die Person des Seitz, wie sie überhaupt

zur Politik gekommen, wie sie in die Politik hineingekommen und was hat ihnen ausgezeichnet

jetzt im Verhältnis zur Linkenflügel oder Bauerrechtenflügel Karl Renner auch zu den

Massen sozusagen zur Bevölkerung, wie sie in die Position gekommen. Also der Seitz war ein

brillanter Redner, der seine Reden immer frei geformt hat und auf das jeweilige Publikum auch

wirklich sehr gut eingehen konnte und ursprünglich wollte er Arzt werden, das ist ihm leider

verwährt geblieben, weil sein Vater sehr früh gestorben ist und er dann in einem Wiener Weisenhaus

aufgewachsen ist, hat dann ein Stipendium für eine Lehrerausbildung in St. Pölten bekommen und

ist dort schon als pronossierter und guter Redner aufgefallen. Und im Endeffekt, also er ist dann

Lehrer geworden und im Endeffekt muss man sagen, hat ihn der Viktor Adler eigentlich zu einer

Kandidatur in Floridsdorf, das hat damals noch zu Niederösterreich gehört, fast gezwungen. Also

der Seitz spricht selber von einem Befehl, er wollte nicht kandidieren. Er war Adler der historische

Führer der Sozialdemokratie, begründer der Sozialdemokratie, ohne den es die Sozialdemokratie

nicht gegeben hätte. So ist es, also der Einiger vom Heinfeld, 1888-1989. Und der Seitz hat ja als

Lehrer in Wien schon extreme Konflikte mit dem Karl-Lueger gehabt, der es sicher zur Ehre

angerechnet hat, dass keine Schönerianer und keine Sozialdemokraten in seiner Stadt Lehrer werden

können, dementsprechend waren Leute wie Otto Klöckl oder auch Karl Seitz auf der, und dann für uns

einen Abschussliste. So ist es christlich-sozialer Bürgermeister von Wien und er hatte schon

zwei Disziplin-Au-Verfahren und ein drittes Disziplin-Au-Verfahren hätte für ihn berufsaus als

Lehrer bedeutet. Also es war ein großes Risiko für ihn als Kandidat hier anzutreten und hat sich

dann aber doch überreden lassen und ist mit, glaube ich, 37 Stimmen Vorsprung in der Stichwahl

dann gewählt worden und ist damit der erste und einzig. Wir reden jetzt von den Wahlen 1911 nicht?

1901 von Reichsratwahlen 1901, das war sozusagen sein Einstieg in die Politik. Und hat dann eine

sehr, sehr rasante Karriere gemacht als Repräsentant der Sozialdemokraten im Reichsrat, also im

Parlament des Kaisers, wenn man und dann nach dem Krieg im Roten Wien. Inwiefern,

Heinz Fischer ist das typisch für die Sozialdemokratie, der vor Kriegszeit vor dem

zweiten Weltkrieg diese individuelle Entwicklung. Ja, was mir aufgefallen ist, wie ich im Parlament

war, ist, dass die sozialdemokratische Fraktion auch in der zweiten Republik ganz besonders stark

rekrutiert hat, Lehrer und Eisenbahner. Also zum Beispiel Abgeordnete aus Kärnten habe ich

ja zeitlang, hat es nur gegeben, die Lehrer Lukta Witz-Lukas und so weiter und die Eisenbahner

Sukranek, Kerstnik und so. Das waren schon zwei Karrierschienen, wo die Sozialdemokratie besonders

stark war. Und das Phänomen bei SEITS ist ja für mich, dass er eben am Anfang die Fahne der

sozialdemokratischen Erziehung und der Lehrer und der Schule und der Schulreform hochgehalten hat.

Dann ist er in der provisorischen Nationalversammlung und in der konstituierenden Präsident geworden

und seine Einreihung unter die Staatsoberhäupter erfolgt ja deshalb, weil eine verübergehende

Zeit bis 1920 vorgesehen hat, dass es gar keinen eigenen Präsidenten gibt als Nachfolger des

Kaisers, sondern dass der Präsident und ganz am Anfang das Präsidium der Nationalversammlung die

Rolle des Staatsoberhauptes aussieht. Und das dritte, was mich so fasziniert hat oder immer noch

fasziniert ist, dass SEITS, die Wiener SPÖ und das Rathaus und die Funktion des Wiener Bürgermeisters

kombiniert hat mit einer Mitgliedschaft im Nationalrat, mit der Funktion des Parteivorsitzenden,

des Viktor Adler-Nachvorsitzenden und er war ja auch an der Spitze der Parlamentsfraktion. Also er hat

eine wirklich starke Funktion, eine Multifunktion, die sich derhaltige Wiener Bürgermeister oder auch

seinen Vorgänger nicht angetan hat. Aber nicht nur der jetzige, sondern alle anderen Bürgermeister

seit 1945, ob das der Marek oder Slavic oder Graz oder Harpelwan oder andere Jonas, haben sich auf

die Wiener Ebene konzentriert und eventuell ein Nationalratsmandat auch gehabt, aber sie haben

nie Bundespartei, Klub, Bürgermeister und Wiener Landespartei. Vielleicht haben sie damit etwas

verpasst, eine Möglichkeit in der Bundespolitik, eine Bedeutung der Rolle zu spielen, oder?

Ja, seitens hat ja eine Bedeutung. Ja, ja, aber die in der zweiten Republik, die Bürgermeister,

nicht getragen. Ich glaube, die zu viele Ämter zu kumulieren, würde heute nicht funktionieren und

man darf ja nicht vergessen, die Sozialdemokratie ist 1889 gegründet worden. Zur Jahrhundertwende

war sie erst elf Jahre alt und im Jahr 1918, wie sie schon an die Spitze des Staates gelangt ist,

war sie 11 plus 18, ist 29 Jahre alt. Das heißt, so wie heute eine Partei, die 1992 oder was gegründet

wurde. Gabriele auch? Ja, ich wollte noch etwas zu den Karrieren der Sozialdemokratie sagen, die in

der Monarchie begonnen haben. Für mich ist Karl Seitz das typische Beispiel, das Finden eines

begabten Buben. Ja, also als begabter Bube hat er eine ganz andere Entfaltungsmöglichkeit gehabt,

wie begabte Mädels. Also, Kymnasien gab es nicht für Mädels, bis in die 1890er Jahre und dann

auch für sehr privilegierte, reiche Mädels in Privatmädchen, Kymnasien. Aber was die Sozialdemokratie

gerade vor der ersten Republik ausgezeichnet hat, war eben auch das Finden und das Fördern

von begabten jungen Frauen, wie etwa Adelheid Bobb oder Anna Boschek, die führende Gewerkschafterin.

Die haben, die eine hat drei Jahre Volksschule gehabt, die andere hat vier Jahre Volksschule gehabt.

Und da hat sich innerhalb der Führung der Eliten der Sozialdemokratie sich richtig so

Ausbildungsgruppen gebildet. Also Anna Boschek ist vom Gewerkschaftsführer Anton Hueber quasi

adoptiert worden. Adelheid Bobb ist quasi von der Familie Adler adoptiert worden und hat dort

bürgerliches Benimm, ordentliche Rechtschreibung, sich ausdrücken etc. gelernt. Und dadurch konnten

solche, also wirklich könnte man sagen aus proletarischen oder auch aus sub-proletarischen

Verhältnissen stammende junge Frauen wirklich ganz tolle politische Karrieren dann in der

Ersten Republik machen. Und das ist etwas, was die Sozialdemokratie wirklich auszeichnet.

Es ist bereits erwähnt worden der Karl-Lueger, Bürgermeister, Vorvorbürgermeister von Seidzer

und die Ondertwende, der mit Antisemitismus seine Massenbasis gewonnen hat, verteidigt hat,

stabilisiert hat. Und der Antisemitismus war in der ganzen Ersten Republik ein großes Gift. Wie

hat sich da Karl Seitz positioniert, dass er sich geäußert wie, ist er in diesem Umfeld aktiv gewesen?

Also der Seitz musste sich ja selber wiederholt und vermehrt Antisemitischen Angriffen oder war

wiederholt Antisemitischen Angriffen ausgesetzt, obwohl er ja kein Jude war. Also in seiner Witte

ist mir da überhaupt nichts bekannt, was hier gegen ihn sprechen könnte. Ganz im Gegenteil war

er es, der sich nach seiner Rückkehr 1945 sehr intensiv bemüht hat, Leute wie den Oscar

Pollack oder vor allem auch den Hugo Breitner, da gibt es am berührenden Strichverkehr zwischen,

ja das ist wirklich tragisch, zwischen dem Hugo Breitner ehemaliger Finanzstadtrat des Roten

Wien, der sozusagen durch diese Steuer überhaupt die finanzielle Grundlage für die Ermöglichung

dieser enormen Gemeinde baut. Und ein Hassobjekt für die christlich-sozialen. Also da ist Seitz sozusagen

wirklich geradezu vorbildlich oder wie ich vorhin gesagt habe aus heutiger Sicht muss man sagen

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Jetzt der Heinz-Wischer Antisemitismus, das Gift der ersten Republik, aber ganz frei davon war die

Sozialdemokratie auch nicht, oder? Ja, das ist ein spannendes Kapitel und ich glaube es ist ein

trauriges Kapitel, dass die Sozialdemokratie in der ersten Republik unter den Antisemitischen

Vorwürfen gegen Ottobauer und gegen Daneberg und gegen andere sehr gelitten hat und natürlich

diesem Antisemitismus verurteilt hat, aber sich auch vor ihm gefürchtet hat und es gibt genügend

Literaturen, Briefe und Dokumente die nachweisen, dass Scherf und Renner und Helmer und vielleicht

auch andere einerseits ihren alten Genossen und Kampfgefährten freundlich gegenüber gestanden

sind, aber gleichzeitig Angst gehabt haben, wenn jetzt zu viele der ehemals jüdischen und als

jüdisch bekämpften Funktionäre wieder zurückkommen, dass nach 45, dass das Kapitel oder die

Tragödie des Antisemitismus wieder angeführt wird und darum wissen wir heute und dieses

heute geschichtlich unwiderlegbar, dass Helmer und auch Scherf vorsichtig waren oder sehr selektiv

gesagt haben, den Oscar Bullack, den brauchen wir schon, glaube ich, obwohl er ein Jude ist und

auch weil die Engländer das wollten und der Karl Czernitz kann auch zurückkommen und ist der

kleine Möbel und bei Kreisky hat man ihm gesagt, er ist am besten, da hat niemand davon Antisemitismus

irgendwie gesprochen, aber man hat sich gedacht, vielleicht sollte er lieber auch eine Zeit in

Stockholm noch bleiben und Kreisky ist ja bis, glaube ich, 50 oder 49, 50, war der noch in

Schweden gelebt. Also das ist ein trauriges Kapitel gewesen und in dem Buch wird das ja auch

angesprochen und wird eben auch der Briefwechsel mit dem Breitner geschildert, den man so lange

hingehalten hat, bis man ihm dann grünes Licht gegeben hat und zwei Wochen später oder eine

Woche später ist er gestorben. Also das war wirklich ein tragisches und schwieriges Kapitel.

Gabriel auch sich diesem Antisemitismus zu widersetzen oder auch, sagen wir, der Polarisierung,

das war ja auch ein Teil der Polarisierung in der ersten Republik zu widersetzen,

wie schwer war das und wo steht da Karl Czernitz, wo würden Sie ihn da einordnen?

Na ja, auf der einen Seite, glaube ich, muss man auch sagen, dass es für jüdische Männer und

jüdische Frauen, die in der Sozialdemokratie waren, in der ersten Republik ja gar nicht so

selbstverständlich war, sich als jüdisch zu definieren, sondern viele haben sich eigentlich

gar nicht als Juden oder Jüdinnen, sie sind ausgetreten aus der Kultusgemeinde, eigentlich

als Weltbürger und Weltbürgerinnen definiert. Wir haben zum Beispiel, also das Beispiel von

Kete Leichter, die Karl Seitz sehr geschätzt hat, Kete Leichter, die Leiterin der Frauenabteilung,

der Wiener Arbeiterkammer, selbstjüdische Herkunft hat sich überhaupt nicht als Jüdin

definiert und hat doch eigentlich bekannt, sie kennt überhaupt keinen Antisemitismus,

sie hat das überhaupt nie erlebt. Es gibt aber gleichzeitig, es gibt auch Interviews mit

ihrer damaligen Sekretärin, Frau Denck, die gesagt hat, natürlich ist sie von Antisemiten

bekämpft worden, etwa als sie als Betriebsrätin für die Arbeiterkammer kandidiert hat, sind

antisemitische Vorwürfe gekommen. Aber das war irgendwie ein Blinderfleck, das wollte

sie und auch andere eigentlich gar nicht hören. Von daher hat es eigentlich diese offene Auseinandersetzung

über Antisemitismus innerhalb der Sozialdemokratie gar nicht polarisierend gegeben.

Das war ja ein Mechanismus, der Heber schrieb mit Kete Leichter, den sie in der zweiten

Republik bei Grupp Bruno Kweiske auch gegeben hat, die Auseinandersetzungen um sein jüdisch

sein und was das auslöst und so, das hat einfach weggeschoben, da wollte er nicht darüber reden.

Also ich habe auch Interviews mit alten Sozialdemokratinnen gemacht, etwa Gina Stadler, die EFrau

von Karl Stadler, die mir erzählt hat, wie schrecklich das für sie und ihre Jugendgruppe,

VSM-verein, sozialistischer Mittelschüler, auch war als Skalizien, die wirklich orthodoxen

Juden und Jüdinnen nach Wien gekommen sind, die auf dem ersten Blick als jüdisch erkennbar waren

und auch Rückschritt etc. symbolisiert haben. Also es ist irgendwie wirklich eine schwierige

Situation, die nicht offen diskutiert worden ist in der ersten Republik. Die Sozialdemokratie in

der ersten Republik hat versucht, die Republik zu verteidigen, die Demokratie zu verteidigen,

war aber gleichzeitig auch schon radikal, austromaxistisch, wollte den Sozialismus einführen. In

einer Stadt in Wien, in einem Land vielleicht auch und in der ganzen Welt sowieso, das war

ein bisschen schwieriger und diese Rolle hat schon auch zur Polarisierung beigetragen. Es gibt

die berühmte Szene beim Brand des Justizpalastes 1927, wo aus Empörung über ein Gerichtsurteil

gegen zwei Frontkämpfer, rechtsextreme Frontkämpfer, die in Kinderschossen hatten,

die freigesprochen wurden und das ist von der Wiener Arbeiterschaft, das entzeichnet der

Klassenjustiz, der parteilichen Klassenjustiz angesehen worden. Es hat Proteste gegeben und

der Justizpalast ist im Brand geraten, was einen furchtbaren Blutbad geführt hat.

89 tote Klage.

Der Polizeichef im Wien gesagt hat, da muss man was schießen. Jetzt gibt es ein Bild des

Kanzleites, wo er versucht, den Löschwagen der Wiener Feuerwehr den Weg zu bahnen, dort hin,

ist aber nicht gelungen. Aber man sieht, er versucht verzweifelt, den einen Börtenarbeit dann

sozusagen bitte lasst die Feuerwehr durch, damit man den Justizpalastbrand stoppen könne.

Eins Fischer, wie schwer war das, sich dieser Radikalisierung zu widersetzen und warum in

wiefern ist es gelungen oder dann eher doch nicht gelungen beim Justizpalastbrand, ist es nicht gelungen?

Also ich glaube, da müssen wir schon zwei Ebenen unterscheiden. Das eine ist die ideologische Frage

und das zweite ist die emotionale Ebene. In der ideologischen Frage hat es das Konzept und

den Begriff des Austromaxismus gegeben. Das war eine coherente politische Philosophie, die in der

österreichischen Sozialdemokratie entwickelt wurde, die vielfach kritisiert wurde, die aber auch

auf der anderen Seite, und das soll man nicht vergessen, das Resultat hatte, dass die kommunistische

Partei in Österreich immer eine Mini-Partei geblieben ist. In Deutschland haben die Kommunisten

25, 30, 33 Prozent der Stimmen gehabt. In Österreich haben sie nie ein einziges Mandat im

Nationalrat erobert. Das ist die politische Seite. Die emotionale Seite ist, dass sich der Kampf

zwischen links und rechts immer mehr zugespitzt hat, dass es immer mehr Todesopfer gegeben hat,

schon in den 20er Jahren, so durch Raufereien und Schissereien. Und dann ist da ein Kind in

Schattendorf und ein Kriegsinvalider sind durch Schüsse aus einem Haus heraus getötet worden.

Dann war der Prozess und dann hat das Urteil gelautet, Freispruch. Selbst der Berichterstatter,

der bürgerlichen Zeitung, die Presse war schockiert, wie man in seinen Berichten nachlesen kann.

Und die Arbeiter haben gesagt, das ist aber, das kann nicht sein, dass ein Kind erschossen wird,

und man sagt Freispruch. Und das hat einen Zorn auch bei der rechtsstehenden Sozialdemokraten oder

erfahrenen Betriebsräten uns weiter ausgelöst. Und es ist zu dieser Demonstration gekommen,

die dann eindeutig entglitten ist der Parteiführung, und Karl Seitz, der mutig war und sich auf einen

Feuerwehrwagen gestellt hat und zum Gebäude hingelangen wollte, mit diesem Feuerwehrauto umzulöschen.

Das ist dieses Feuerwehrautos, Sampzeitz und auch in die drauf waren, ist abgewiesen worden,

ist beschimpft worden, dass Seitz ist, als Bremser empfunden worden und die Katastrophe hat,

beflügelt durch einige andere Aspekte ihren Lauf genommen und es sind dann 98 tote Menschen auf den

Straßen gelegen und viele verletzt worden. Und das hat wiederum einen starken emotionalen Schub auf

beiden Seiten ausgelöst. Seppel und Schober sind als die großen Feinde rechts empfunden worden,

aber auch Seitz und andere und Ottobauer als die Feinde auf der linken und der Hasse sind

immer größer geworden. Der Spritzendorfer konnte man sich dieser Polarisierung nicht

wieder setzen, wäre das eine gesellschaftliche, damals auch gesamte europäische Polarisierung

war oder hat man da etwas übersehen, etwas falsch gemacht? Ich denke auch ein bisschen im Hintergrund,

wir haben heute auch eine ziemliche Polarisierung in ganz Europa, in Österreich auch. Und wenn wir uns

die Polarisiers ansehen, wie das damals gescheitert ist, gut, das sind jetzt andere Verhältnisse,

es gibt keine bewaffneten Informationen, das ist nicht nach einem Weltkrieg, aber trotzdem. Die

Polarisierung heute ist auch beunruhigend. Die Polarisierung damals war die unvermeidlich.

Vielleicht darf ich den Bogen so versuchen, dass ich sage, ich glaube die heutige Zeit würde mehr

Politiker von einer inneren Einstellung, Überzeugung und auch dem Willen und der Bereitschaft zum

Brückenbau brauchen, wie es Karl Seitz war. Ich würde der Frau Doktorin auch insofern ein bisschen

widersprechen wollen, als ich nicht glaube, dass Seitz sozusagen per se das Feindbild der

christlich-sozialen in der Zeit war, das war viel mehr die Person Autobauer und es gibt ja

kein Helmer und er war auch kein Scherf. Absolut, absolut, aber das spricht aus meiner Perspektive

durchaus wieder für den Karl Seitz. Die Polarisierung, es konnte damals genug getan

worden, um die Polarisierung zu begegnen. Vielleicht war es unvermeidlich, kann das sein?

Wahrscheinlich ist nicht genug getan worden, um diese Polarisierung hintanzuhalten, aber also

da tue ich mir ehrlich gesagt das heutige Perspektive sehr schwer. Vielleicht sozusagen ein Learning,

was man aus der heutige Zeit herüberholen kann, ist, und wir haben jetzt über den

Justizballastbrand im Juli 1927 gesprochen, dass er ein großes und für alle sichtbares

Ereignis war. Ich glaube, dass die wirklichen Veränderungen in der Geschichte oft ganz

kleine Dinge sind, denen wir viel mehr Beachtung widmen sollten. Also wir sitzen hier in der

Falter Redaktion mit dem schönen Logo des Adlers, mit den Schmetterlingsflügeln und da gibt es ja

das chinesische Sprichwort, dass der Schlag eines Schmetterlings oft die Geschichte verändern kann

und das war, finde ich, schon in Österreich auch so. Also wenn ich jetzt zum Beispiel an diese

missglückte Abstimmung eigentlich eine Kleinigkeit denke, was für Konsequenzen das hat.

Im Parlament die Abstimmung, die dann zur Ausschaltung des Parlaments geführt hat.

Ich muss einen Zweifel anmelden, ob das überhaupt eine legtime Frage ist, nämlich in die Geschichte

hineinzufragen, wäre das oder jedes vermeidbar gewesen? Wäre der Zweite Weltkrieg vermeidbar

gewesen? Wäre der erste Weltkrieg vermeidbar gewesen? Wäre die Polarisierung in der ersten

Republik vermeidbar gewesen? Wäre der Vietnamkrieg vermeidbar gewesen? Ich kann natürlich sagen,

wenn der das getan hätte und jener anders formuliert hätte und dieses Ereignis nicht

eingetreten, dann wäre das anders verlaufen. Ich kann aber auch sagen, die Geschichte ist so

verlaufen, wie sie verlaufen ist und jedes einzelne Ereignis in der Geschichte hat eine

Ursache, hat eine Vorwirkung, hat eine Vorwirkung. Aber wir versuchen doch aus der Geschichte

zu lernen. Ja, pro futuro. Aber rückwirkend zu sagen, ja, man hätte auch sagen können,

wenn der Invalide und das Kind nicht in Schattendorf dort gewesen wären zu diesem Zeitpunkt,

wäre dieses Malioirn nicht passiert. Ich glaube, wir sollen aus der Geschichte lernen und wir haben

in der zweiten Republik auch etliches gelernt. Aber die Frage, ob was vermeidbar gewesen ist,

ist eine interessante, aber eine theoretische Frage. Polarisierung, damals Polarisierung,

heute, inwiefern gibt es Ähnlichkeiten? Ist es vergleichbar? Inwiefern ist es nicht vergleichbar?

Naja, nicht vergleichbar ist, weil die politische gesellschaftliche Situation einfach eine ganz,

ganz andere ist. Du hast es schon gesagt, es war vorhin Weltkrieg. Das heißt, das Gewaltpotenzial hat

die Gesellschaft in den 1920er und den 1930er Jahren in einer Art und Weise durchdrungen,

die wir uns heute, wir in Österreich, Inseln, so seelig sind wir nicht, aber trotzdem eine

Wohlstandsozialstadtinsel überhaupt nicht mehr vorstellen können, diese Massenarm und Massenelend

etc. Also das ist wirklich anders. Die Polarisierung, die es auf einer ideologischen politischen Ebene zurzeit gibt,

hat etwas anderes zu tun mit der von Massenarm und das ökonomischen Situation auch getragenen

Polarisierung damals. Ich wollte mal nur sagen zu der Vermeidung. Also ich glaube,

dass ganz zentrale politische Kräfte, das sind die Christlichsozialen, das sind die

deutschen nationalen Großdeutschen, die wachsenden Nationalsozialisten, überhaupt kein Interesse

daran gehabt haben, irgendwelche Brücken zu bauen oder die Polarisierung zurückzunehmen,

auszugleichen etc. Die wollten keine demokratische Republik. Die Teile der Christlichsozialen

Partei, die eine demokratische Republik wollten, etwa die Oberösterreichie mit Brilleathauser etc.,

die waren in der absoluten Minderheit in der Christlichsozialen Partei ab eben,

ab der zweiten Hälfte der 1920er Jahre. Von daher ist, glaube ich, diese Fragen nach den

Brückenbauen eine, die sich nicht wirklich stellt oder auch beantworten lassen kann,

aufgrund der gesellschaftspolitischen Situation. Andere Frage an der Zugang des Rote Wien,

der der Kaltzeit steht für das Rote Wien zehn Jahre. Bürgermeister ist unter Räumann seinem

Vorgängersbürgermeister begonnen worden, aber natürlich die Hochzeit des Rote Wien war

und derseits. Wie sehr Herr Spritzendorfer war dieses Rote Wien eine Insel in Österreich? Wie sehr

hat es auch ausgestrahlt auf den Rest des Landes, vielleicht auch irgendwie auf Europa, weil es

doch ein Beispiel war, wie man etwas ganz anders machen kann als in konservativ regierten

Landesteilen? Ja, absolut. Also vielleicht darf ich die Gelegenheit auch ergreifen. Es wird heuer

am 13. November 1923 ist Karl Seitz als Nachfolger vom Jakob Räumann Wiener Bürgermeister geworden,

also das ist heuer 100 Jahre her. Und Wien war damals die größte Stadt der Welt unter

sozialdemokratischer Regierung. Stimmt auch. Und es war sozusagen wirklich eine Art

Experimentierlabor für ein sozialdemokratisches Experiment mit den unglaublichen Wohnbauten,

kreatives Kindergarten von 7 bis 18 Uhr, das modernste Fußballstadion des Kontinents, das größte

Hallenbad der Europas, benannt nach einer Frau übrigens, was damals auch keine Selbstverständlichkeit

war. Und wer war die Frau? Die Amalia Pölzer war die erste oder eine der ersten sozialdemokratischen

Abgeordneten. Es ist ja auch überliefert, dass sozusagen Menschen aus der ganzen Welt, Politiker

aus der ganzen Welt nach Wien gekommen sind, um sich dieses Experiment hier anzusehen. Also das

war schon etwas ganz Spezielles, dass Wien bis heute prägt. Und wenn wir heute durch Wien gehen,

dann muss uns schon auch bewusst sein, dass wir auch durch ein Wien von Karl Seitz gehen. Und umso

überraschender, ich habe das auch sehr schön gefunden, die Ausführungen von Herrn Dr. Fischer zu

dieser Multifunktion vom Seitz, aber umso überraschender ist es, wo ist der Karl Seitz Ring, die Karl

Seitz Straße, der Karl Seitz Boulevard. Und man merkt daran, finde ich auch, wie wichtig

diese Straßenbenennung ist, weil wir streiten uns über den Karl-Loeger-Platz. Jeder kennt die

Autobauergasse, wir haben die Diskussion verfolgt über den Karl-Loeger-Ring, die Umbenennung.

Dafür, was für eine Rolle dieser Mann zumindest in dieser Stadt gespielt hat, finde ich es bemerkenswert,

dass es keine Benennung nach ihm gibt mit Ausnahme vom Karl-Seitz-Hof in Floridsdorf.

Kommunalpolitik im Roten Wien war total wichtig, aber war ein Rückzugsgefecht. In einer Zeit,

in der nach dem Ende der Monarchie, der Vormarsch der Diktatur, der Vormarsch des Astrophaschismus,

des Faschismus nach ein paar Jahren zum dominierenden Faktor geworden ist, inwiefern

eins Fischer hat, die Gemeinde Wien, das Rote Wien, es geschafft, das zu stoppen oder zu

verlangsamen den Vormarsch in Richtung Diktatur oder ist das dann nicht doch eine Insel geblieben,

die letztlich auch gefallen ist? Ja, es ist dieses Rote Wien letztlich zu Fall gebracht worden,

ganz brutal mit dem Machtantritt der Nazis, aber in einer ersten sehr groben Art und Weise

nach dem Februar 1934, seit es ja auch einige Zeit lang verhaftet gewesen, sie haben die

schöne Geschichte geschildert, wie dann 1938 ein deutscher Polizeiaffizier in seine Wohnung

gekommen ist, um ihn abzuholen und gesagt hat, sind sie Karl Seitz, der Oberbürgermeister,

der ehemalige Oberbürgermeister der Stadt Wien, Doktor Karl Seitz hat der Seitz gesagt,

erstens bin ich kein Doktor, zweitens gibt es bei uns keine Oberbürgermeister, ich bin

ein normaler Bürgermeister und ihr größter Fehler ist zu fragen, ob ich der ehemalige

Bürgermeister bin, ich bin und bleibe der rechtmäßig gewählte Bürgermeister, aber in der Sache

selber glaube ich, dass es in ganz Europa, oder zumindest in Mitteleuropa eine Strömung in dieser

Richtung gegeben hat, in den 30er Jahren, in Deutschland der Aufstieg Hitlers, in Italien der

Aufstieg Mussolinis, in Ungarn, Horti an der Macht, in Wohlen, Bilsuzki an der Macht, etwas

weiter weg in Spanien, hat sich Franco nach vorne gearbeitet und dem ist die österreichische

Sozialdemokratie schließlich zum Opfer gefallen, dieser Flut und das Brunkstück der Sozialdemokratie,

nämlich die Stadt Wien und das Rote Wien, war das primäre Angriffsziel nicht nur für die

christlich-sozialen, sondern vor allem dann auch für die Nazis. Gabriel auch, was war das

Stellenwert Wien in dieser großen Auseinandersetzung um die Zukunft des Kontinents? Der Stellenwert,

der Infrastruktur, darüber haben wir gesprochen, das sehen wir bis heute, wenn wir durch die

Stadt gehen, aber politisch, was war das Stellenwert des Rote Wien? Politisch war das

Stellenwert des Rote Wien schon, es ist eine ambivalente Situation, auf der einen Seite kann

man natürlich sagen, so wie du das einmoderiert hast, es war ein Rückzugsgefecht mit dem Brug

der Großen Koalition, die 1920 eine Vielzahl von Sozialgesetzen erlassen hat, wo man eigentlich,

wenn man sich das jetzt in der historischen Rückschau anschaut, sagen kann, okay, da war

eigentlich schon ein Plan da, ein anderes Österreich, ein sozialeres Österreich zu gründen. Da war

dann das Rote Wien natürlich ein Rückzugsgefecht, weil es auf eine lokale, auf eine regionale Ebene

gesetzt worden ist, diese Reformen irgendwie auch durchzusetzen, die Sozialdemokratinnen,

Sozialdemokratinnen möchte ich ganz speziell auch betonen im Plan gehabt haben. Gleichzeitig

mit diesem, für mich ist das Rote Wien immer so ein Möglichkeitenraum, es war wahnsinnig viel an

Verwirklichung, aber auch an Denkmöglichkeiten, wie kann man Leben anders organisieren, war einfach

möglich. Und da in dieser Hinsicht mit diesem Modell war das Rote Wien doch auch eine offensive

politische Strategie, die von deutschen Sozialdemokraten in den Genauso wie über von Kommunisten,

Kommunistinnen auf internationaler Ebene sehr, sehr genau beobachtet worden ist und wo sich auch,

sage ich, jetzt linke Gruppierungen der ganzen Welt ein Stück abgeschnitten haben.

Versuchen wir noch einen den gedanklichen Sprung ein bisschen in die Gegenwart, wo es ja rechtspopulistische,

eine rechtspopulistische Welle gibt, die Ungarn über Ungarn hinweg geschwemmt ist über Polen,

aber in all diesen Städten sind die großen Städte, in all diesen Staaten sind die großen Städte

linksliberal. Nach wie vor, Budapest, linksliberaler Bürgermeister, Warschau, linksliberaler Bürgermeister.

Welche Bedeutung können in der jetzigen Auseinandersetzung um den Weg Europas linke

linksliberale Städte haben in der Auseinandersetzung mit den autoritären nationalistischen

Strömungen, das gibt auf unserem Kontinent, Heinz Wischer?

Ja, ich mein, in der ersten Republik hat es den Begriff linksliberal eigentlich gar nicht gegeben.

Da waren wir Sozialdemokrat oder mal christlich-sozialer oder war man deutsch-nationaler und der

Liberalismus hat ja in der ersten Republik wenig Rolle gespielt, weil sich keiner wirklich

des liberalen Gedankenguts angenommen hat. Da waren ja liberale Strömungen in der zweiten Hälfte des

19 Jahrhunderts, etwa rund um die Schaffung des Staatsgrundgesetzes von 1867 stärker als in den

20er oder frühen 30er Jahren, wo der Nationalismus so stark dominiert hat.

Ja, weil es einen Change gegeben hat im deutsch-nationalismus im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und das zum

rasistischen Drittschritt.

Für den Boa-Bahn ist natürlich Budapest linksregiert. Für den Kaschinski ist Warschau linksregiert.

Und das ist auch wichtig und ich glaube, dass die Sozialdemokratie auch quasi sich öffnen muss oder

schon geöffnet hat gegenüber linksliberalen Gedankengut und Pluralismus und Rechtsstaat und

das muss man etwas erweitern, damit man Mehrheiten erhalten kann.

Und in Wien ist das bisher sehr, sehr gut gelungen, in anderen Städten auch, in manchen europäischen

Großstädten nicht, gerade zum Beispiel in Berlin, ist das immer an der Kippe.

Aber in eurer Großstadt ist das sozialdemokratische soziale Konzept schon etwas ganz, ganz Wichtiges,

um Elends vierteln und so weiter zu verhindern und die Stadt lebenswert und funktionsfähig zu erhalten.

Also deine These ist ja eigentlich, die du jetzt nicht so richtig ausgedrückt hast,

dass Urbanität, also Urbanisierung eigentlich auch einen Raum darstellt, der chauvinistische,

rechtspopulistische Bewegungen im Zaum hält, könnte man vielleicht sagen, oder nicht so ein offenes

Einfallstor dafür ist. Das ist natürlich eine spannende Angelegenheit, sich zu überlegen,

in welchen sozialen Räumen findet Leben in der Stadt statt, im Gegensatz zu ländlichen Gebieten etwa.

Und wo sind die verschiedenen Einflusstore? Wer wird, wo mehr gehört als in der Ersten Republik?

Es ist relativ einfach mit der Macht der katholischen Kirche etc. am Land.

Auch deutsche, nationale, nationalsozialistische Gegenbewegungen dazu. Heute ist es viel ausdifferenzierter.

Ich finde, das ist eine spannende, aber ganz schwierig zu beantworten, die Frage.

Ich möchte nur ganz kurz dazu sagen, es ist ein Phänomen, das ja nicht auf der Erste Republik begrenzt ist,

auf Österreich begrenzt ist. Wir haben eine Untersuchung von Piketty, dem französischen Ökonomien,

der sich angeschaut hat, wie sich die politische Entwicklung in Frankreich in der Arbeiterklasse darstellt.

Und der kommt zum Schluss. In den Städten, in den Großstädten ist die Arbeiterklasse nicht nach Rechts gegangen,

nicht zu Leppern gegangen, in den kleinen Städten und in den Dörfern am Land schon.

Das würde ein bisschen diese These von den großen Städten, es ist im Refugium der demokratischen Institutionen

und des Rechtsstaates bestätigen. Sie wollten noch ganz kurz.

Gleichzeitig muss uns klar sein, dass genau aus diesem Grund diese Städte natürlich auch bis zu einem gewissen Grad

die Feindbilder konservativer Politik sind. Das war ja auch im Wien der 30er Jahre so.

Und der Angriff gegen das sozialdemokratisch regierte Wien hat ja schon weit vor dem Februar 34 begonnen

Die ersten Schritte waren das finanzielle Ausrungen der Stadt über den Steuerausgleich.

Wenn wir heute nach Budapest blicken, dann passiert dort ganz genau dasselbe, was in Wien in den 30er Jahren passiert ist.

Also wenn wir jetzt sozusagen auch den Punkt, was können wir aus dieser Geschichte lernen beleuchten,

dann finde ich, dass eine Stadt wie Budapest im Augenblick dringend unsere Solidarität und unsere Unterstützung braucht,

weil der dortige Bürgermeister, der Gergele Karaktioné, ein linksliberaler Bürgermeister,

extrem unter dem Druck der urbanen Regierung zu leiden hat, die de facto Budapest ökonomisch aushungern.

Und das war genau dasselbe, was in Wien ab Ende der 20er Jahre, also wir sind uns da sicher einig,

dass das Jahr 1927 hier einfach den Wendepunkt dargestellt hat.

Bis dahin glaube ich schon, dass es eine offensive Wachstumssache war,

ab dann war sicher auch die Sozialdemokratie in der Verteidigung.

Danke für diesen Bogen aus der 1. Republik, über die 2. Republik bis in die Gegenwart.

Danke für diese Stunde Zeitgeschichte ausgehend von Karl Seitz, dem Bürgermeister des Roten Wien hier in der Falter Redaktion.

Danke an alle Hörerinnen und Hörer, die uns auf UKW hören.

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Ursula Winterauer hat die Signeschen gestaltet.

Philipp Dietrich betreut die Audio-Technik im Falter.

Vielen Dank, Philipp.

Im Namen des gesamten Teams verabschiede ich mich bis zur nächsten Folge.

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Was die Zeitgeschichte und Erfahrungen der Ersten Republik für das 21. Jahrhundert bedeuten. Eine Diskussion mit Ex-Bundespräsident Heinz Fischer, dem Buchautor Alexander Spritzendorfer und die Historikerin Gabriella Hauch.

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