FALTER Radio: Israel/Palästina: Was kommt nach den blutigen Terrortagen? - #1013

FALTER FALTER 10/11/23 - Episode Page - 33m - PDF Transcript

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Sehr herzlich Willkommen meine Damen und Herren im Falterrad.

Der palästiniansische Angriff gegen Israel vom 7. Oktober ist ein tiefer Einschnitt für den gesamten Nahen Osten.

Mehr als 1000 Menschen haben die Terrorkommandos der Hamas ermordet, mehr als 100 Geiseln sind verschleppt.

Eine derartige Katastrophe hat es in Israel noch nie gegeben.

Gegen Gaser rollen zurzeit die Vergeltungsschläge der israelischen Streitkräfte mit Zerstörungen in vielen Opfern.

Wie der aktuelle Stand ist und was nach den blutigen Terrortagen auf Israel und auf die Palästinenser zukommt, wollen wir in dieser Sendung besprechen.

Ich begrüße sehr herzlich den Journalisten Richard Schneider. Guten Tag.

Guten Tag.

Herr Schneider arbeitet und berichtet aus Tel Aviv.

Wir zeichnen dieses Gespräch Mittwoch-Vormittag auf, am 11. Oktober 2023, also vier Tage nach dem Angriff.

Herr Schneider, es werden jetzt immer mehr Details über die Kräultaten der Hamas-Kommandos bekannt, bei ihrem Vorstoß in Ziedlungen und Kibuzin rund um Gaser.

Wie geht Israel damit um?

Man kann ja dieses Massaker nur als Pokerum bezeichnen.

Auch das, was man gestern entdeckt hat, in einem kleinen Kibuz in Kfar-Asa, ganz in der Unmittelbeine Nähe, der Grenze des Grenzzauns zu Gaser,

dutzende Brote, viele Kinder, angeblich auch verstimmelte Kinder, Babys, das löst natürlich in Israel ein unglaubliches Hinsetzen aus

und es löst sofort die Assoziation zum Holocaust aus.

Dieses sinnlose Morden und Töten von Menschen, die jetzt nicht erstens Zivilisten sind

und zweitens auch das Morden von kleinen Kindern und von Alten hat ja nun überhaupt nichts mehr mit dem Konflikt zu tun.

Und daher wird das in Israel auch als brutale Gewalt gegen Juden schlechthin gesehen, gegen einen Hass und gegen eine Ideologie,

in der es nicht nur darum geht, dass zwei Völker um das gleiche Land kämpfen, sondern die es darum geht, Juden zu vernichten

und da sind die Assoziationen mit den Bildern zusammen zum Holocaust natürlich ganz nah.

Jetzt jetzt ein Ausmaß von Grausamkeit, das hat man früher vielleicht mit den Jihadisten des islamischen Staates gesehen,

aber in den israelischen Konflikten eigentlich nicht.

Weiß man inzwischen, ob zum Beispiel dieses Massaker an hunderten Jugendlichen bei einem Musikfestival in Südü Israel,

ob das ein geplanter Massenmord war, wie ist es dazu gekommen?

Es ist mit Sicherheit geplant gewesen. Ich glaube, die Chamas-Terroristen waren wahrscheinlich erstmal überrascht,

auf wie wenig Widerstand sie gestoßen sind. Aber dass sie gekommen sind, um zu töten, ist klar.

Sie sind in die Siedlungen, sie sind in die Kibuzim, sie haben nicht nur gegen die wenigen Soldaten, die an der Grenze war,

oder die Polizei gekämpft, sondern sie wollten töten, ganz egal, wen sie kriegen.

Dass sie so unbehelligt in das Land quasi buchstüblich einmarschieren konnten, ich glaube, das hat die selber überrascht,

aber das gab natürlich die Gelegenheit, eine wirkliche Katastrophe dort auszulösen.

Und insofern ist dieses brutale Abschlachten von Zivilisten mit Sicherheit ein Plan gewesen, dass es so viele werden.

Ich glaube, das wussten die Chamas-Leute erstmal auch nicht.

Ist dieser Angriff jetzt vorbei? Gibt es noch Ammas-Kommandos auf israelischem Territorium?

Also die israelische Armee sagt nein, die israelische Armee sagt,

dass man wirklich das gesamte israelische Territorium sozusagen wieder fest im Griff hat.

Ob vielleicht noch einzelne palästinensische Terroristen sich versteckt halten,

irgendwo unterwegs sind, gestern und späten Abend gab es einen Schusswechsel in der Stadt Ashkelon,

bei der noch mal drei palästinensische Terroristen getötet wurden.

Also das weiß man nicht, ob sich noch einzelne irgendwo im Land befinden,

aber im Großen und Ganzen scheint die Armee wirklich jetzt wieder alles unter Kontrolle zu haben.

Aber das muss man sich auch mal vorstellen.

Eine der stärksten Armee in der Welt, wahrscheinlich die stärkste in den Nahen Osten,

braucht vier Tage, bis sie das eigene Staatsterritorium wieder im Griff hat.

Auch das zeigt, was alles in Israel gerade falsch läuft.

Wie ist die militärische Situation jetzt auf der israelischen Seite umgauser?

Nun, in den letzten Tagen sind insgesamt 360.000 Reservisten einberufen worden,

in kürzester Zeit so viel wie nie in der Geschichte Israel.

Das ist eine massive Zusammenführung von Truppen, die zeigen,

dass man ganz offensichtlich wirklich eine komplette Veränderung in Gaza,

in der gesamten Problematik im Kampf zwischen Palästinens und Israel schaffen will.

Angesagt ist, die Hamas komplett zu vernichten.

Was das in Detail heißt, weiß man gar nicht so recht.

Auf alle Fälle ist klar, dass man versuchen wird, die gesamte Führungsschicht auszulöschen.

Das ist zum Teil auch schon gelungen mit gezielten Tötungen.

Man wird mit Sicherheit versuchen, das gesamte Militär- und Waffenarsinal, Waffenfabrikten zu vernichten.

Also man wird da ziemlich hart konsequent und rücksichtslos vorgehen,

weil man jetzt sagt, nachdem was geschehen ist, wir können jetzt nicht wieder nur einen Krieg führen,

wie in den letzten Jahren auch, so ein bisschen jetzt den Anführungszeichen hin und her

und dann beruhigt sich das wieder, dann hat man wieder für eine weile Ruhe, dann geht es wieder los, nein.

Was jetzt passiert ist mit 800, 900 Toten an einem einzigen Tag, das können wir nicht mehr zulassen.

Und insofern, das wird auch so gesagt, wir wollen, das sagte ja Beteiligungsminister Joachim Garland,

wir wollen eine völlig andere Realität in Gaza herstellen.

Aber wie die Ausschauen voll, was das genau bedeutet?

Ich glaube, das wissen Sie selber noch nicht genau.

Der Beteiligungsminister hat wieder zitiert mit dem Satz, die Terroristen sind keine Menschen,

sind Tiere und werden auch wie Tiere behandeln, was eine Barbarie auch in der Sprache ist,

die mit der Barbarie der Situation zu tun hat.

Heute früher habe ich einen israelischen Militärsprecher gelesen, der sagt, wir werden alle Häuser zerstören.

Es wird am Ende nur mehr Zelte geben.

Also zwei Millionen Menschen, die nur mehr in Zelten leben, ist das vorstellbar.

Das ist ja ein Kollektivbestrafung, die auch Israel wieder ins Umricht versetzen würde, oder?

Ich glaube, was im Moment passiert, das ist erst einmal wirklich eine verbale Aufrüstung,

die natürlich viel zu tun hat mit der Wut, die jeder einzelne Israeli gerade im Bauch hat.

Sie hat natürlich auch zu tun, dass man gegenüber der eigenen Bevölkerung, die entsetzt ist,

über alles, was falsch gelaufen ist.

Die entsetzt ist darüber, dass der Geheimdienst versagt hat.

Die entsetzt ist, dass das Militär versagt hat.

Und die noch mehr entsetzt ist, dass die Politik versagt hat.

Und vor allem, dass die Politiker, dass die Regierung seit Tagen nicht mit der Bevölkerung

und nicht einmal mit den Familien, der im Führten und der Opfer redet.

Also ich glaube, da muss jetzt erst einmal, sozusagen, verbal groß hochgerüstet werden,

die Bevölkerung zu zeigen, okay, wir haben verstanden und wir gehen jetzt bis zum Äußersten.

Was tatsächlich passieren wird, muss man abwarten.

Israel hat im Moment eine Entscheidung getroffen, die bereits extrem problematisch ist.

Sie hat den Gaserstreifen so abgeriegelt, dass nichts mehr hinein darf.

Es gibt keine Elektrizitätsmehr, Elektrizität mehr, es gibt kein Gas mehr, es gibt kein Wasser mehr,

es gibt keine Nahrungsmittel mehr, die hinein dürfen.

Das ist aber ganz klar, nach dem internationalen Recht ist es eigentlich ein Kriegsverbrechen.

Und ist das, was die Hamas gemacht hat, selbstverständlich auch ein Kriegsverbrechen.

Aber Israel wird sehr aufpassen müssen, dass es in seinem berechtigten Kampf,

in seinem berechtigten Versuch, die Hamas zu vernichten, sich im Rahmen des Kriegsrechts so weit wie möglich bewegt.

Das ist immer wahnsinnig schwierig in einer Situation des sogenannten asymmetrischen Krieges.

In dem Augenblick, wo eine reguläre Armee gegen eine Organisation kämpft,

die ein ganzes Prinzip ist, aus zivilen Gebieten heraus zu agieren, weil sie genau das provozieren will,

dass nämlich diese Armee ganz viele zivile Opfer kreiert, weil das wiederum diese Organisation nutzt,

als PR, aber auch sozusagen im Kampf und in der Solidarität, die dann diese Organisation bekommt.

Das ist das ganze Unglück, was natürlich mit dem internationalen Kriegsrecht auch bis heute nicht gelöst ist,

dieses ganze Gesetzeswerk, wie Kriege zu führen sind und wie man sie führen darf,

die ausgeschrieben wurden nach dem Ersten Weltkrieg.

Und es ist natürlich geschrieben worden für Staaten, wo zwei reguläre Armeen,

die auch als Armeen, weil sie Uniformen tragen, zu erkennen sind.

Es hat noch niemand in den letzten, ich würde mal sagen, spätestens seit 9.11,

hat niemand sich daran gemacht zu sagen, wir müssen vielleicht diese Gesetze, diese Regelungen verändern,

weil sie in der Zeit der asymmetrischen Kriege überhaupt nicht mehr funktionieren.

Israel wird also immer bei solchen Kriegen zivile Opfer mit zu verantworten haben.

Die Frage ist aber nur, in welchem Rahmen, in welchem Maß und wie kann man vermeiden,

dass man sozusagen tatsächlich Kriegsverbrechen begeht.

Und gestern bei dem Telefonat zwischen US-Präsident Joe Biden

und bei mir Benjamin Netanyahu, das hat Joe Biden auch in seiner Ansprache gestern gesagt,

aber man natürlich auch darüber geredet, dass selbstverständlich,

dass sich für Demokratien gehört, dass man sich immer im Rahmen des Gesetzes bewegt.

Also das war im Grunde genommen eine klausulierte Formulierung.

Das ist, weil also sehr genau sich überlegen soll, wie es vorgeht.

Was weiß man eigentlich über die Geiseln?

Es sollen mehr als 100 sein, vielleicht 150, die von Hamas nach Gaza gebracht wurden.

Und was heißt das auch für das militärische Kalkül bei Israelis?

Man weiß im Moment relativ schämig.

Die Ramas hat angekündigt, dass es zukünftig für zivile Opfer der Palästinenser in Gaza

jedes Mal jetzt eine Geisel öffentlich und gefilmt wird und öffentlich umgebracht wird.

Das ist auch ganz...

So wie das der IS gemacht hat, wie das die Juridisten das IS gemacht haben,

bezeichnen wirklich der Generation auch von Hamas, dass man zu diesen Methoden...

Ja, also das sind wirklich die Methoden des IS.

Das ist eine neue Qualitätsdachamas.

Das ist eine wirklich auch Veränderung ihrer Strategie.

Also das hat man angekündigt, man hat das bislang noch nicht gemacht.

Wo sich die Geiseln befinden, weiß natürlich niemand,

dass die sich nicht alle an einem Ort befinden, ist auch klar.

Und es wird sehr schwierig sein für Israel, mit dieser Belastung umzugehen.

Auf der einen Seite besteht die Verpflichtung,

die eigenen Bürger, die Menschen zu befreien und rauszuholen.

Und Israel hat ja auch immer sehr, sehr viel dafür getan.

Ich erinnere nur an die Veranglungen zur Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Shalit,

der fünf Jahre in Gaza in Gefangenschaft war.

Für diesen einen Soldaten hat Israel 1.000 Palästinenser aus den Gefängnissen freigelassen

und jetzt sind über 100 Menschen als Geiseln in Gaza.

Aber gleichzeitig hört man von der Regierung vor allem,

von den rechtsextremen Teilen der Regierung auch ruhig,

dass man keinerlei Rücksicht nehmen dürfe auf die Geiseln,

wenn man sich nicht die Hände binden lassen darf,

im Vorgehen jetzt gegen Jihamaas.

Also das wird auch ein Salopp zu sagen,

bei eines aber nichtes Salopp ein ziemlicher Eiertanz werden,

wie die Regierung da agieren kann, agieren muss.

Die Gefahr und Wahrscheinlichkeit, dass Geiseln dabei getötet werden,

entweder durch die Hormaz ganz bewusst oder einfach unwillendlich

und nicht bewusst von den Alpen der Bombenangriffe

und der israelischen Angriffe, die ist sehr hoch.

Die israelische Öffentlichkeit ist unter Schock,

aber sie ist natürlich eine Öffentlichkeit mit vielen unterschiedlichen Meinungen,

mit Vielfalt und die Geiseln haben alle Familienangehörige in Israel,

Eltern, Verwandte, melden sich die zu Wort.

Das wird ja ein Faktor sein der beinahe allfälligen Bodenoffensive,

die das Leben der Geiseln gefährdet, eine Rolle spielen wird.

Oh ja, also die melden sich zu Wort

und wirklich von früh bis spät die israelischen Fernsehsender

und ununterbrochen in Gesprächen und Interviews mit Familienmitgliedern,

die live dazugeschaltet werden, die weinen, die schreien, die verzweifelt sind

und die auch wirklich unisono die Regierung massiv beschimpfen,

dass sie komplett allein gelassen werden, dass sich niemand um sie kümmert,

die von der Regierung lautstark, aggressiv unter Tränen mit Wut fordern,

sich wirklich verdammt nochmal um diese Geiseln zu kümmern.

Also da entsteht ein extremer moralischer Druck, den der Rest der Gesellschaft sehr genau wahrnimmt.

Und wenn ich mich daran erinnere, wenn mich sehr sehr gut daran erinnern,

wie sich die gesamte israelische Gesellschaft eingesetzt hat,

dafür, dass Israel Gilath Sharitz den Soldaten wieder zurückholt.

Es gab Protestmärsche nach Jerusalem, wo taunende und zehntausende Menschen

mit der Familie von Gilath Sharitz mitmarschiert ist.

Dann kann man sich vorstellen, was hier bei über 100 Geiseln in Israel

uns alles los sein wird.

Herr Schneider, wie ist die Situation bei den Palästinensern in der besetzten Westbank in Jerusalem,

auch der Palästinense in Israel selbst?

Das nächste Mal war da auf allen Seiten bei den Palästinensern viel Freude.

Das berühmte Verteilen und Süßigkeiten konnte man überall sehen.

Es sind auch viele Palästinenser überrascht gewesen, genauso wie die Israelis,

dass das überhaupt möglich war, wo jeder sieht, das ist ja unglaublich,

dass die Israelis und die israelische Sicherheitorgane dermaßen versagt haben.

Aber diese Freude und Überraschung, vielleicht auch die sehr bewusste Schadensfreude,

ist ganz schnell jetzt natürlich dem Entsetzen unter Wutgewicht.

Dem Entsetzen dessen, was jetzt schon seit Tagen in Gaza passiert,

mit dem massiven Bombardement und die israelische Armee bombardiert.

Das weiß ich an und wirklich aus eigener Erfahrung als Korrespondent,

der die früheren Kriege in Gaza alle mitgecavert hat.

Und zwar wirklich da fort.

Die israelische Armee geht jetzt mit viel größerer Härte und Brotalität vor

und mit viel weniger Berücksicht.

Die Bilder der Todesopfer, natürlich auch da wieder kleine Kinder und Alte und Devilisten,

mitverständlich die kommen, die palästinensische Gesellschaft sieht das, die Wut wächst.

Natürlich hat man in Israel wie immer in solchen Situationen Angst,

dass die Aggression überspringt auf das Westjordanland, aber auch auf Ost-Jerusalem.

Gestern wurde in Joss Ost-Jerusalem von der Polizei zwei Palästinenser erschossen,

nachdem diese die Polizei geblich angegriffen haben.

Es kam sofort in allen arabischen Stadtteilen in Ost-Jerusalem zu Unruhen.

Natürlich hat man Angst, dass das auch auf das Westjordanland übergreift.

Aber vor allem hat man Angst, dass die Nordgrenze explodiert,

die Grenze zum Libanon, wo die schädische Hisbollah Milit sitzt,

die über 130.000 bis 150.000 schwere Raketen besitzen.

Man erlebt ja immer wieder in der Region diese völlig geteilte Öffentlichkeit.

In Krisensituationen erleben die israelischen Bürger, die Familien, die umgekommen sind,

die Katastrophe für die jüdischen und israelischen Familien kennen alle Details

und die Namen, die Geschichten der Kinder.

Auf der palästinensischen Seite interessiert man sich dafür überhaupt nicht.

Dafür gibt es die Geschichten in Gaza der Familien, die ausgelöscht wurden,

das israelische Militär sagt, das passiert gar nicht.

Oder wir zielen nur auf militärische Ziele.

Man kennt jeden Vater, der sein totes Kind durch die Stadt bringt.

Auch beim Namen, die Israelis kennen das wieder nicht.

Bei diesem massiven Berichterstattung wird das durchbrochen,

dieser gespaltene Aufmerksamkeit in Israel, diese gespaltene Gesellschaft.

Oder ist das nach wie vor so die Palästinenser erleben und sehen nur die Opfer in Gaza

und die Israelis erleben und sehen nur die Opfer des Programms?

Dass sie beschreiben ist im Grunde genommen das, was sie in jedem Konflikt, in jedem Krieg erleben.

In dem Augenblick, wo es Krieg gibt, kümmert sich jeder nur um seine eigenen Opfer

und interessiert sich überhaupt nicht für die Opfer der anderen.

Die Ukraine beispielsweise interessieren sich überhaupt nicht, wie viele Tote Russen es gibt

und umgekehrt das Gleiche.

Das ist in jedem Krieg so, das ist jetzt nicht spezifisch israelisch, palästinännisch,

sondern das ist im Grunde genommen fast etwas Atavistisches.

In dem Moment, wo Bedrohung von außen kommt, kümmert man sich nur noch um seinen Stamm,

um seine Familie, um die Allernechten und der ganze Rest ist egal.

Und wenn die anderen alle draufgehen, dann gehen sie halt drauf.

Also, dass das in einem Krieg sozusagen ein Stück Normalität ist,

dass die eigenen Opfer wichtiger sind als die der feindlichen Gegenseite, ist logisch.

Was für größere Problem ist, wie kann ich in ruhigeren Zeiten von Frieden,

kann man ja in Israel nicht treten.

Wie kann man in ruhigeren Zeiten, möglicherweise auf beiden Seiten,

ein Bewusstsein entwickeln für das Leiden des jeweils anderen?

In diesem Grunde genommen, wenn man anfangen könnte, das Leiden des anderen zu sehen,

könnte man ja auch mal sagen, okay, wer braucht Krieg.

Es gibt ja Organisationen, die das versuchen,

palästinensische israelische Organisationen, die aber in den letzten Jahren immer mehr angefeindet wurden,

sowohl in der palästinensischen Gesellschaft, wie auch zunehmend,

in der israelischen, die ja immer weiter nach rechts gerückt ist

und vor allem jetzt auch mit rechtsextremen Siedlern, die Minister sind

und anderen extremen Kräften, Täusche Israelis,

die eben versuchen, auch etwas Völkerverbindendes zu schaffen,

als Verräter bezeichnen und nicht nur das, es gibt Organisationen,

die beispielsweise in israelische Schulen gegangen sind,

es gibt eine Organisation von israelischen und palästinensischen Eltern,

die in ihren Kinderopfer des Konflikts geworden sind

und die in israelische Schulen gegangen sind, um darüber zu reden.

Die dürfen nicht mehr, die sind aus dem Kurikulum gestrichen,

die dürfen nicht mehr kommen, das ist jetzt vor kurzem entschieden worden.

Also das ist das eigentliche Problem, dass man in den Zeiten, wo gerade kein Krieg herrscht,

man immer weniger Möglichkeiten im Augenblick hat,

überhaupt etwas über die Grenze hinweg zu entwickeln,

wie gesagt, die palästinensische Seite ist da kein Deut besser

und insofern wird dieser Konflikt auch nach diesem Krieg,

wenn der mal zu Ende sein wird, auf keinen Fall gelöst sein.

Die palästinensische Führung, die Führung der palästinensischen Autonomiebehörde

in Ramallah war nach den Pogromen sehr still,

es hat keinen Funken von Kritik an den Methoden der Hamas gegeben,

obwohl die Hamas ja innerpalästinensisch verfeindet ist mit der Autonomiebehörde,

daran irgendetwas geändert?

Nein, daran hat sich gar nichts geändert.

Das liegt natürlich zum einen daran, dass Palästinenserpräsident Abbas

jetzt nicht eine palästinensische Organisation kritisieren kann,

wenn die Israelis Bomben abwerfen auf die Bevölkerung und in Gaza.

Das wäre völlig unmöglich.

Aber er ist auch politisch überhaupt nicht in der Lage, gegen die Hamas aufzutreten.

Abbas ist schwach, die palästinensische Autonomiebehörde hat keinerlei Legitimität mehr

in ihrer eigenen Gesellschaft.

Also er ist im Grunde genommen noch eine schatten Figur.

Herr Schneider, die Grundidee des Zionismus war ja,

dass die Juden einen eigenen Staat brauchen,

damit sie geschützt sind vor Pogromen, die es in Russland gegeben hat,

die es dann in der Shoah gegeben hat überall in der Welt.

Jetzt ist das größte Pogrom hier passiert in Israel.

Was bedeutet das für die israelische Identität?

Ich glaube, dass das, was am Samstag geschehen ist,

für die Israelis zunächst einmal ein unglaubliches Trauma ist.

Vielleicht sogar ein noch größeres als der Yom Kippur-Krieg-Nazor 73,

als Armee und Politik auch nicht vorbereitet waren

auf den Angriff der syrischen und der egyptischen Armee.

Da gibt es noch einen Unterschied, dass die Geheimdienste damals,

der wohl gewarnt haben, aber Armee und Politik nicht auf sie gehört haben.

Insofern wird es hier Beifragen geben nach diesem Krieg.

Erstes, wie konnte das geschehen?

Und ich bin ziemlich sicher, dass eine Kommission eingesetzt wird,

die das alles aufarbeiten wird und es werden Köpfe rollen.

Auf alle Fälle Köpfe rollen im Geheimdienst Shin Betz.

Es werden wahrscheinlich auch im Militärköpfe rollen,

möglicherweise auch in der Politik, das weiß man noch nicht.

Aber letztlich ist das Selbstverständnis der Israelis,

dass man, egal wie, dann aber eigentlich doch unantastbar ist, das ist gebrochen.

Das wird Ängste auslösen.

Das wird sicher aber auch die militärische und die geheimdienstliche Strategie verändern.

Und dann kommt quasi wirklich ein ideologisches Problem dazu.

Diese Frage, ist Israel, kann Israel, wird Israel tatsächlich der sichere Hafenwein

für das jüdische Volk, als der dieser Staatwerk gegründet wurde?

Und diese Frage stellt sich im Augenblick in der Jachtburger noch viel mehr als in Israel.

Juden, die in Europa leben, und zwar in Europa, das zunehmend nach rechts driftet,

das zunehmend rechtspopulistisch, wenn nicht sogar rechtsextremistisch wird,

das zunehmend antisemitisch wird.

Juden, die hier leben in Europa, sagen sich seit Jahrzehnten,

nach der Shoah natürlich immer, ja, wenn es hier ganz furchtbar wird,

dann haben wir ja Israel, wo wir hingehen können.

Dieses Selbstverständnis, dieses Bewusstsein, auch diese Sicherheit war zunächst einmal schon

bei vielen erschüttert durch die sogenannte Justizreform,

die seit Anfang des Jahres von der Regierung durchgezogen werden sollte,

die eine Aufhebung der demokratischen Gewaltenteilung bedeuten würde,

sodass viele Juden in Europa, die sich als lupenreine Demokraten verstehen,

anfingen zu fragen, ja, ist das überhaupt noch ein Land, wo ich dann eines Tages hingehen kann?

Jetzt mit dieser Situation, und wir wissen ja noch nicht, was noch kommt,

möglicherweise wird das ja auch noch ein Krieg mit der Hisbollah werden, ein Zweifrontenkrieg,

kommt dann einfach noch mein so rein sicherheitspolitischer Aspekt dazu.

Also ich glaube, dass das vor allem für Juden in der Diaspora

eine viel größere Erschütterung sein wird.

Für die Israelis, die da leben, die sagen, okay, es ist wieder mal etwas schief gegangen,

ganz furchtbar, darüber müssen wir wegkommen und wir müssen die Konsequenzen herausziehen.

Was auch kommen wird, wenn dieser Krieg mal vorbei ist,

das ist die Realisierung, die es schon früher gegeben hat,

dass hier zwei Völker sind, die das gleiche Land als ihre Heimat ansehen

und dass man irgendwie damit umgehen muss, ob das der einen Seite gefällt oder der anderen Seite gefällt oder nicht.

Es hat in den letzten zehn Jahren de facto keine Verhandlungen mehr gegeben

mit den Palestinians an, wie man dieses Zusammenleben organisieren soll.

Es hat das Osloabkommen gegeben, es hat das Abkommen zwischen Arafat und Clinton und Rabbin gegeben,

jetzt alles lang her, da war aber die Grundidee, wir müssen zusammenleben können,

sei es jetzt, indem wir zwei Staaten nebeneinander haben

oder manche haben auch gesagt, es sollte ein binationaler Staat geben.

Und in den letzten Jahren bei der Radikalisierung, auch auf israelischer Seite,

natürlich viele, die auch gesagt haben, ja, wir müssen die Demografie so verändern,

dass die jüdische Mehrheit zwischen Mittelmeer und Jordan besteht.

Was heißt Vertreibungen oder Ethnic Cleansing oder so irgendetwas?

Alle diese Varianten werden wahrscheinlich auf den Tisch kommen, wenn der Krieg mal vorbei ist.

Wie groß sind Sie die Gefahr, dass nach Ende des Krieges

keinen Weg zu einem friedlichen, selbstbewussten, zivilisierten Umgang miteinander kommt?

Also zunächst einmal wissen wir noch gar nicht, wie dieser Krieg ausgeht.

Ich glaube, das Ende des Krieges wird, und wie dieser Krieg dann entschieden ist,

wird auch die unmittelbare Zukunft bestimmen.

Aber ich bin diesbezüglich auch überhaupt nicht optimistisch,

aber ich will Ihnen drei Beispiele geben, die vielleicht ein bisschen Hoffnung machen.

Nazi-Deutschland und ein großer Teil Europas waren vor knapp 80 Jahren aktiv

an der Vernichtung des jüdischen Volkes beteiligt.

Die Nazis haben 6 Millionen Juden einfach umgebracht und vergaßt.

Heute sind Deutschland und Israel so eng befreundet und verbündet,

dass in Zukunft israelische Arrow-Raketen Deutsche vor einem möglichen Angriff der Russen beschützen werden.

Das ist das Erste. Das Zweite ist, ich bin auch ein Kind des kalten Krieges

und hätte nie gedacht, dass die Mauer fällt.

Ich hätte nie gedacht, dass der Ost-West-Kunflikt eines Tages aufführen kann.

Dann kam mein Gorbachev und alles mal plötzlich anders.

Das ist jetzt wieder alles plötzlich anders.

Es ist leider Gottes Bitter.

Aber es gab eine Veränderung zum Positiven.

Und ganz wichtig in Israel, die Katastrophe des Yom Kippurkriegs von 73

mündete in einem Friedensschluss zwischen Islam und Ägypten 6 Jahre später.

Das heißt, die Hoffnung darf man nie aufgeben.

Und wenn die Konstellationen und vor allem auch die politischen Handelnden,

die richtigen auf beiden Seiten im richtigen Moment sind, dann ist alles möglich.

Insofern, man hat ja gar keine Alternative als weiter zu hoffen und darauf hinzuarbeiten,

dass es vielleicht eines Tages doch Frieden geben wird.

Aber ich fürchte, das wird noch eine ganze Weide dauern.

Vielen Dank, Richard Schneider, für diese Einschätzungen.

Ich verabschiede mich von allen, die uns auf UKW hören, Hintergrundinformationen

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Ursula Winterauer hat die Signation gestaltet.

Miriam Hübel betreut die Audio-Technik im Falter.

Ich verabschiede mich. Bis zum nächsten Sendung.

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Ohne eine politische Lösung dieses ewigen Konflikts wird das Blutvergießen nie enden, doch mit Gruppen wie der Hamas ist kein Frieden zu machen. Eine Analyse im Gespräch mit Richard C.Schneider.

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