11KM: der tagesschau-Podcast: Iran: Woher kommt der Hass auf Israel?

tagesschau tagesschau 10/24/23 - Episode Page - 32m - PDF Transcript

Im Nahen Osten, Dapralen Milizen und Terroristen vor ihren Anhängern seit Jahrzehnten schon

damit Israel zu vernichten, auszulöschen von der Landkarte zu tilgen und oftmals powered

bei Tehran.

Warum unterstützt der Iran anti-israelische Terrorgruppen wie die Hamas? Woher kommt dieser

Hass auf Israel? Und was passiert, wenn Tehran tatsächlich Ernst macht und in den aktuellen

Krieg eingreift? Oder ist der Iran längst schon mittendrin?

Ihr hört 11km der Tagesschau-Podcast, ein Thema in aller Tiefe mit ARD-Iran-Korrespondentin

Katharina Willinger und mit mir Hannes Kunz. Heute ist Dienstag der 24. Oktober.

Hi Katharina, danke, dass du Zeit hast.

Hallo Hannes.

Katharina, wir wollen auf die Rolle des Iran in diesem Nahost-Konflikt schauen und da würde

ich gerne beginnen bei dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober. Wie haben

denn die Menschen im Iran darauf reagiert?

Also die ersten Bilder, die man eigentlich sehen konnte, das waren Jubelfeiern im Stadtzentrum

Tehrans am Palästinaplatz, da gab es Feuerwerk, da wurden Süßigkeiten verteilt, da wurde

gefeiert, gejubelt, das Vorgehen der Hamas, der Überfall, der wurde beglückwünscht.

Da muss man immer wieder dazusagen, das sind Regime Anhänger, die das gemacht haben

und die das dann in den Tagen darauf und in den Wochen und bis jetzt immer wieder zu

ihrer Propaganda, zu ihrem eigenen Krieg gemacht haben.

Wie hat die politische Führung reagiert?

Na ja, eigentlich so, wie man es von ihr auch erwartet hat, denn die Vernichtung Israels

ist ja Staatsdoktrin im Iran. Da kommen wir ja sicher gleich noch drauf zu sprechen.

Und Raminé hatte einen Twitter, X heißt das mittlerweile, Post abgegeben und hat

reingeschrieben, dass Israel ein Krebsgeschwürr sei, das jetzt endgültig beseitigt würde

von der islamischen Gemeinschaft sozusagen und die Führung rund um ihn, der Präsident

oder der Außenminister, die haben ähnliche Sätze von sich gegeben. Also da war der

T-Nur immer der gleiche, die Hamas hat richtig gehandelt und volle Unterstützung vonseiten

der islamischen Republik.

Nun gibt es ja eine direkte Verbindung zwischen der Hamas im Gaza-Streifen und dem Iran.

Welche ist denn das?

Also der Iran ist der Hauptunterstützer der Hamas, würde ich sagen. Qatar ist da auch

noch ein wichtiger Partner der Hamas, spielt eine große Rolle, aber in den letzten Jahren

hat sich doch immer mehr die islamische Republik als Hauptfinanzie auch herausgestellt. Ich

habe kurz nachdem die Hamas Israel überfallen hat, ein Interview gemacht mit einem hochrangigen

Hamas-Vertreter, der eigentlich im Iran sitzt. Ich habe mit ihm telefoniert bzw. Videocall.

Er wollte mir nicht sagen, wo er momentan ist, aber normalerweise ist er der Hamas-Vertreter

im Iran. Das zeigt ja auch schon diese engen Verbindungen. Da gibt es offizielle Büros.

Das ist da eine ganz normale Partei, die man unterstützt. Wie hoch die Unterstützungen

sind, das kann man nicht genau sagen, aber man geht davon aus, dass die islamische Republik

der Hamas mehrere Millionen im Monat zahlt. Manche gehen davon aus, dass es 30 Millionen

Dollar im Monat sind. Der Vertreter, mit dem ich gesprochen habe, wollte sich da nicht

festlegen, aber er hat zumindest meine Frage, ob der Iran weiterhin der größte Unterstützer

ist, bejaht. Er hat gesagt ganz klar, nicht nur finanziell, auch ideologisch.

Und es werden auch Waffen tatsächlich geliefert, oder? Wie schafft denn der Iran das, in diesen

ja sehr hart abgeschirmten Gasastreifen Waffen zu liefern, weiß man das?

Also das ist hochkomplex. Es gibt da verschiedene Punkte. Auch darüber habe ich mit diesem

Hamas-Vertreter gesprochen. Natürlich habe ich in den letzten Jahren immer wieder damit

unterschiedlichen Gesprächspartnern drüber geredet, weil auch ich mir nicht erklären kann, wie denn

solche, wir reden ja von Raketen, von Schwärmen geschützt, wie das da reinkommen kann. Und

natürlich gibt es verschiedene Erklärungen. Bis 2013 war beispielsweise die Grenze zu

Ägypten, über die wir ja jetzt auch immer wieder reden, gerade beim Stichwort humanitäre

Lieferungen für Gaser. Diese Grenze, die war wesentlich durchlässiger, da fahr heißt

die. Da ist sehr viel quasi in den Gasastreifen reingeschmuggelt worden. Dann über die Tunnel.

Und was dieser Hamas-Vertreter noch gesagt hat im Interview war, dass die mittlerweile

sehr, sehr viele sogenannte Frog Swimmers, nennen sie das im Englischen, Kampfschwimmer,

haben, wir haben Kampfschwimmer, die kilometerweit schwimmen können und Gebiete des Feindes

erreichen, sich dort unter sie mischen und dann mit Zubehör zurückkommen. Wir haben Tunnelsysteme

und natürlich haben wir auch unser Kommunikationssystem weiterentwickelt. Das sagt er, kann man

nicht beweisen. Und dann ist sehr viel mittlerweile made in Gaza, also das Know-how kommt von

iranischen Ingenieuren, von Waffen-Experten und viel wird dann eben selbst direkt in

Gaza hergestellt. Und was wusste Tehran nun von dem Angriff der Hamas auf Israel, waren

die da irgendwie beteiligt in der Planung?

Bis heute streitet Tehran das ja offiziell ab, dass man zwar das befürwortet, dass man

der Hamas auch gratuliert, aber dass dieser Überfall allein geplant worden wäre und dass

Tehran davon genauso überrascht gewesen sei. Wenn man eben mit verschiedenen Hamas-Vertretern

im Iran ausspricht, dann sagen sie, das hätte die ganze Welt überrascht, ihre engsten Verbündeten

wären genauso überrascht gewesen. Ich kann das Gegenteil nicht beweisen. Ich kann mir aber

sehr schwer vorstellen, dass in der islamischen Republik die Führungsebene bzw. auch die militärische

Ebene in Form der Revolutionsgarde davon gar nichts gewusst haben will.

Und sind die Hamas nicht die einzige israelfeindliche Organisation, die der Iran unterstützt? Im Norden

grenzt Israel an den Libanon. Da gibt es die Hisbollah. Wie sieht denn da die Connection aus

zwischen Tehran und der Hisbollah? Na ja, die Hisbollah ist im Grunde genommen vom Iran mitbegründet

worden. Also in der iranischen Botschaft sogar in Beirut wurde die Hisbollah in den 80er Jahren

gegründet. Es ist eine riesengroße Miliz, die auf den Befehl Tehrans hört. Es gibt ganz,

ganz enge Verbindungen. Also man kann eigentlich sagen, um es abzukürzen, die Hisbollah ist die

Speerspitze Tehrans im Norden von Israel und ist jederzeit bereit, die Befehle Tehrans auszuführen.

Hat der Iran denn eigentlich noch andere Israelfeinder in der Region auf der payroll?

Ja, es gibt diese, ich habe es gerade erwähnt, die sogenannte schiitische Verteidigungsachse. So

nennt das das Regime im Iran und dazu gehört eben neben dem Iran der Irak. Auch dort gibt es

sehr viele Milizen, die auf den Befehl Tehrans hören. Im Jemen, die Hutti Rebellen beispielsweise,

in Syrien und dann eben die größte Einheit, ganz klar die Hisbollah im Libanon.

Weiß man, wie viel Geld der Iran in diese Schattenarmeen steckt? Es gibt da wie gesagt,

wir keine Finanzströme, die man nachverfolgen kann, auch weil das ja alles illegal ist. Die

Hamas wird als Terrororganisation ja auch eingestuft. Es darf also keine Finanzierung, keine

direkten geben. Der Iran wiederum ist vom internationalen Geldsystem komplett abgeschnitten

im Zuge der US-Sanktionen. Also man kann offiziell von iranischen Konten gar keine

Überweisungen ins Ausland machen. Das heißt, das läuft über Drittländer, über Firmen in

Europa zum Teil. Also es ist sehr, sehr schwierig nachzuvollziehen. Aber werden wir uns anschauen,

dass es diese Zahl 30 Millionen Dollar an die Hamas pro Monat gibt. Und dann rechnen wir das ja

vielleicht nicht mal vier, aber wir rechnen uns ein bisschen hoch. Dann hat man den Eindruck davon,

wie viel die islamische Republik ausgibt. Und man muss immer bedenken, die islamische Republik

bzw. die Bevölkerung ist in keiner guten Lage. Mehr als 50 Prozent aller Iranerinnen und Iraner

leben mittlerweile unter der Armutsgrenze. Es gibt eine extreme Wirtschaftskrise im Land. Und

trotzdem ist das Regime weiterhin bereit, Geld statt es dorthin zu stecken, in die

sisiäische Verteidigungsachse zu packen. Aber warum? Also was erhofft sich der Iran von

diesem Terror gegen Israel? Naja, also Vernichtung Israels ist Staatsdoktrin. Das ist immer vorne

wegzustellen. Im Iran, es ist eine sehr, sehr lange Feindschaft, der Iran sieht Israel als seinen

Erzfeind in der Region an, zusammen mit den USA. Immer wieder wird das betont auf diesen ganzen

Kundgebungen, die es jetzt auch seit mehr als zwei Wochen wieder vermehrt gibt, seit

die Hamas Israel überfallen hat. Man sieht es auf Schildern. Amerika und Israel würden

internationalen Terror finanzieren, sein der Grund allen Übels im Nahen Osten. Jetzt haben wir

darüber gesprochen, was sich der Iran generell von diesem Kampf gegen Israel erhofft. Und jetzt

in diesem Krieg? Naja, jede Schwächung Israels ist ein Gewinn für das Regime im Iran. Ob das jetzt

eine politische Schwächung ist, ob das eine militärische Schwächung ist und ob das auch

Ansehen innerhalb der gesamten Welt ist. Und deswegen versucht man ja auch, medial mit diesen

Bildern immer wieder zu arbeiten und das Leid in Gaza extrem darzustellen, was es zweifels ohne

ist, aber das jüdische Leid, das ja von der Hamas verursacht wurde, komplett auszublenden.

Ich lese immer wieder, es geht um die Vorherrschaft in dieser Region. Was ist denn damit gemeint?

Ja, das ist so ein sehr großes Wort und ich finde das auch immer wahnsinnig theoretisch,

denn eigentlich gibt es keine Grund, warum Israel und Iran nicht friedlich nebenher coexistieren

könnten. Es geht ganz klar darum, eine Staatsdoktrin umzusetzen und die ist maximal Israel-feindlich.

Und dann kann man eigentlich auch sagen antisemitisch, denn es geht darum, ein ganzes Land und die

Bevölkerung auszuradieren. Man spricht diesem Staat, da wo er ist und den Menschen, die dort leben,

die komplette Existenzberechtigung ab.

Dieser Hass ist wahnsinnig tief erwurzelt, sagst du, politisch und gesellschaftlich, aber es gab

auch mal ganz andere Zeiten, Zeiten, die von heute aus betrachtet unglaublich lang her und weit

wegwirken. Ja gut, es gab vor der islamischen Revolution, die war ja 1979, ein Freundschaft

und ein ordentliches Verhältnis, kann man fast sagen. Zwischen der Shah-Dynastie,

Pahlavi hieß die damals und dem Staat der Israel, der Iran war eines der ersten Länder,

der Israel als Staat anerkannt hat und auch einen Friedensvertrag geschlossen hat und

auch Israel sah Iran als Partner an, man hatte gute Handelsbeziehungen, politische Beziehungen,

man hat Erdöl vom Iran gekauft, Tshachbahlavi war ja auch, hat er enge Verbindungen mit den

Amerikanern, was ihm ja auch immer wieder vorgeworfen wurde, er sei eine Marionette,

Amerikas eine Marionette Israels und das war auch dann die Rhetorik, die dann der Mann immer wieder

bedient hat, der die islamische Revolution mit in Gang gesetzt hat. Raumeini, der erste Religionsführer

der islamischen Republik Iran, als er dann 1979 aus dem Exil nach Tehran kam.

Und dann kam es auch zum Bruch? Dann kam es ganz klar zum Bruch, als Raumeini eingereist ist,

gab es schon in den Jahren davor extreme Propaganda, nicht nur von ihm, sondern eben einer großen

Bevölkerungsschicht, die den Shah eben als Marionette sah und das hat eben auch der erste

Religionsführer extrem vorangetrieben mit seiner islamistischen Propaganda noch weiter

unterstützt, der hat im Exil auch immer schon den Shah als Juden beschimpft, der hat das als

Schimpfwort auch benutzt und als es dann die islamische Revolution gegeben hatte, kam es ganz

klar zum Bruch, die Staatsdoktrin lautete fortan, dass Israel vernichtet werden muss.

Und dann hat sich sozusagen innerhalb weniger Jahre zwischen dieser Partnerschaft,

zwischen dieser Freundschaft, wie du sagst, diese Feindschaft entwickelt. Wie ging das also von

einem extrem ins andere? Die Staatsideologie dieses Regimes wurde eben getragen auch von dieser

extremen Schührung von Feindbildern im Ausland und als ein ganz klares Feindbild wurden eben die

USA ausgemacht und Israel als direkter Partner sozusagen aus Sicht des Regimes. Es gab immer

wieder Aussagen von iranischen politischen Führungskräften, die den Holocaust beispielsweise

verneint haben. Es gab diese sehr bekannte Konferenz in den 2000er Jahren, ich glaube es war

2005 müsste das gewesen sein, wo der damalige Präsident Ahmadinejad davon gesprochen hat,

vielleicht erinnert man sich an der ein oder anderen Stelle, dass Israel von der Landkarte

ausgelöscht oder weggradiert waren, glaube ich, seine Worte werden müsste. Und das hat sich seit dem

immer weiter zugespitzt und ist dann auch in den letzten Jahren verstärkt worden durch das

iranische Atomprogramm. Inwiefern? Das iranische Atomprogramm, also man muss ganz klar sagen,

der Iran verneint bis heute, dass er Kernwaffen hat oder zu Kernwaffen kommen möchte, aber alle

Schritte, die er eigentlich macht, deuten darauf hin, dass er sie haben will. Ja und Israel ist ja

selber Nuklearmacht, sieht eben darin eine große Gefahr durch die Äußerung Israel soll vernichtet

werden. Es gibt einen Countdown in Tehran, auch der wurde vom Religionsführer eingeführt mit einer

Randomzahl fragt mich nicht, warum. Diese Zahl zählt die Tage der Existenz Israels herunter.

Dieser Countdown steht am Palästinaplatz mitten im Stadtzentrum von Tehran. Unser Kamerateam

war vor einigen Tagen dort drehen und da waren es etwa 17 Jahre noch, die sie Israel geben. Ich

kann nicht sagen, warum 17 Jahre, aber es ist natürlich eine Drohung. Und dann soll was passieren

nach 17 Jahren. Dann soll Israel vernichtet sein. Und aufgrund solcher Drohungen fürchtet Israel

natürlich, dass der Iran irgendwann Atomwaffen einsetzt, um Israel in der Rhetorik des islamischen

Regimes zu vernichten und währt sich mit verschiedenen Mitteln gegen dieses Atomprogramm. Zum

einen ist man extrem gegen die Verhandlungen des Westens mit dem Iran rund um das Atomprogramm,

weil man sagt, im Iran kann man nicht trauen. Und zum anderen gab es immer wieder in den letzten

Jahren und Jahrzehnten Sabotageakte der Israelis zum Teil auch auf iranischen Boden gegen

Nuklearanlagen. Ein Großteil der iranischen Nuklearanlagen sind schon seit 15, 16 Jahren

im Untergrund, also unter der Erde, weil man eben die Befürchtung hat, dass Israel mit Drohnen

oder mit anderen Gerätschaften das Atomprogramm manipulieren könnte. Was sieht und hört man denn,

also wenn man auf den Straßentheerans zum Beispiel unterwegs ist, wie zeigt sich denn dieser Hass?

Also, man muss hier auch nochmal ganz klar drinnen. Der Iran selbst durchläuft ja seit vielen,

vielen Jahren und jetzt haben wir es in den vergangenen 13 Monaten nochmal verstärkt gesehen.

Einen extremen Prozess, nämlich dahingehend, dass ein Großteil der Bevölkerung dieses Regimes,

das auch diese Propaganda die ganze Zeit vorantreibt, ja so selbstlos haben will. Das heißt,

der normale Iraner, die normale Iranerinnen sind mit dem, was dieses Regime von sich gibt,

gar nicht einverstanden. Man ist auch nicht antisemitisch, würde ich sagen, dahingehend,

dass man diese Unterstützung des Regimes für die Hamas teilt. Im Gegenteil, man hört immer

wieder auf den Straßen, uns geht so schlecht und das läuft hier nicht gut und unsere die

Menschenrechte werden mit Füßen getreten. Man kann nicht demonstrieren. Unsere Frauen werden

ermordet in Anspielung auf China-Massa Aminim letzten Jahr und trotzdem unterstützt dieses

Regime immer noch weiter den Terrorismus in anderen Ländern. Das hört man immer wieder. Das

heißt aber nicht, dass auch dieser Teil der Gesellschaft grundsätzlich beim Naos-Konflikt

schwarz-weiß eingestellt ist. Man ist dann deswegen nicht nur, weil das Regime selbst der eigene

Feind ist, auf der Seite Israels. Es gibt scharfe Kritik aus der iranischen Zivilgesellschaft

auch gegen das Vorgehen Israels jetzt beispielsweise gegenüber Gaza. Aber diese extremer Rhetorik,

Israel muss vernichtet werden mit allem, was wir haben, die kommt vom Regime und von seinen

Anhängern. Wie viel die sind, das kann ich dir nicht beantworten. Es gibt da keine Umfragen zu.

Man geht davon aus, dass es die klare Minderheit mittlerweile ist. Aber diese Ideologie, diese

Israel-Feindlichkeit, die wird den Iranerinnen und Iranern schon von klein auf ein Gehämmer drin.

Absolut. Also ich kann dir Beispiele geben jetzt aus dem aktuellen Straßenbild. Zum einen dieser

Countdown, von dem ich gesprochen habe, der wirklich fiktiv diese Zeit Israels runterzählt,

also menschenverachtend. Natürlich großflächige Graffiti, Spanner. Israel und USA werden sehr

oft in einen Topf geschmissen. Also eigentlich auf jeder Demo sieht man Schilder, die man eigentlich

zweifach verwenden kann. Man dreht sie um, da steht drauf Death to Israel und auf der anderen Seite

Death to USA. Dann sieht man die Freiheitsstatue in Form von einem toten Kopf oder der Davidstern,

an dem Blut herabtropft. Ja, also das ist eine extreme Propaganda und da fließt auch sehr viel

Geld rein aus meiner Sicht in diese Graffiti, in diese Poster, die das Regime der regelmäßig

bedient. Das wird in der Schule natürlich gelehrt und wir haben vor wenigen Tagen auf

einer Kundgebung gedreht. Auch das wieder vom Regime organisiert. Da kommen ein Großteil

Regime-Anhänger, Basitschmilizen, die vom Regime finanziert werden hin und da haben wir einen

jungen Mann interviewt. Der meinte, seit meiner Kindheit ist es mein Traum, dass ich in den Krieg

ziehen kann und mein Leben für den Islam opfern kann. Seit ich in der Grundschule gelernt habe,

was Märtyratum ist, ist es mein Traum und jetzt ist es mein Wunsch, dass es endlich geschieht und

ich in den Krieg ziehen kann. Und diese Kundgebung, die wurde organisiert vom Regime, man konnte

sich in Listen eintragen, um sich symbolisch dazu bereit zu erklären, auch in den Krieg zu ziehen

gegen Israel. In den Krieg zu ziehen gegen Israel, wenn du das sagst, das ist ja genau auch die große

Angst, die momentan herrscht. Stichwort Flächenbrand. Die USA warnen, haben ihrerseits eine Drokolisse

aufgebaut. Die Vereinigten Staaten stehen Israel uneingeschränkt bei. Blinken verwiesen auf

die konkrete Unterstützung der USA mit Munitionslieferungen. Abschrecken soll auch ein US-Flugzeugträger.

Die Vereinigten Staaten haben den Flottenverband in die Nähe der israelischen Küste verlegt.

Lässt sich Tehran davon beeindrucken? Also ich glaube, man muss sich gar nicht so sehr die Frage

stellen, ob der Iran sich jetzt direkt mit einschaltet, denn der Iran ist indirekt so präsent,

bei allem, was jetzt gerade passiert, dass das für mich eigentlich die fast schon die

nebensächliche Frage ist. Man muss wirklich darauf gucken, wie jetzt die sogenannten Milizen des

Iran reagieren. Vorneweg natürlich die Hisbollah. Und ich glaube schon, dass der Iran dazu bereit ist,

den Befehl der Hisbollah zu geben, direkt Israel anzugreifen und zwar in Flächenbrand auch in

Gang zu setzen, solange man nicht selbst betroffen ist. Denn der Iran, auch das wissen wir aus den

letzten Jahren, führt wahnsinnig gerne Stellvertreterkriege. Das haben wir gesehen im

Jemen, das haben wir gesehen in Syrien. Und ich glaube, das ist das, was Tehran gerade vorantreibt,

deswegen auch diese rhetorische Zurückhaltung, dass man die Hamas unterstützt, aber dass man

selbst damit nichts zu tun hat. Das wäre, glaube ich, dem Regime am liebsten. Aber vor einer

direkten Konfrontation mit den Amerikanern, das scheut sich das Regime doch, glaube ich, sehr.

Okay, also wenn ich dich richtig verstehe, du sagst, der Iran hält sich rhetorisch zurück,

weil er gar nicht direkt eingreifen muss, weil er eben diese Schattenarmeen wie die Hisbollah hat.

Das heißt aber, er kann denen den Befehl geben, Israel anzugreifen? Also die Hisbollah hört direkt

auf die Befehle aus Tehran. Das haben wir ja nicht erst jetzt begriffen, sondern das ist seit sehr

vielen Jahren bekannt und es gab ja auch schon immer wieder Vorfälle und Kriege. Man kann nicht

sagen, wie groß das Interesse des Irans gerade ist, den Libanon in einen Krieg reinzuschicken.

Natürlich ist Tehran auch bewusst, dass der Rest der Welt, wir sprechen gerade darüber, dass

die Hisbollah nur auf den Befehl Tehrans hört und nicht eigene Entscheidungen trifft. Aber diese

Drohung ist eben immer da und ich glaube im Krieg geht es ja auch gar nicht mal immer darum,

ob etwas strategisch bis zum Ende durchgeplant ist. Manchmal gibt es Übersprungshandlungen,

manchmal gibt es einzelne Vorfälle, die einen kompletten Flächenbrand entfachen können. Und

das ist glaube ich die große Gefahr, dass das Pulverfass einfach, wenn ich jetzt mal so sprechen

darf in dieser Kriegsrhetorik wahnsinnig scharf ist. Könnte das die

Bodenoffensive des israelischen Militärs sein, dass das sozusagen zum explodieren bringt?

Das könnte ich mir schon vorstellen. Man muss sich immer wieder vor Augen führen, was denn der Iran

auch davon hat, dass er jetzt diese Propaganda betreibt, diese Kriegsführung auch betreibt. Man

schwingt sich ja auch immer wieder zum sozusagen Beschützer der Muslime auf, ob die palästinensische

Bevölkerung das möchte oder nicht, ist komplett hier außen vor. Man schwingt sich als Beschützer

auf und sagt, da die westliche Welt euch so behandelt, die Menschen quasi bombardiert,

die Menschen verdursten, verhungern lässt, müssen wir uns einmischen, muss sich der Rest

der muslimischen Welt beteiligen. Also das dient auch dieser Propaganda. Und ich glaube schon,

dass so eine Bodenoffensive dazu führen könnte, dass die Hisbollah sich direkt in diesen Krieg

einschaltet. Und wer oder was könnte die Hisbollah oder den Iran noch davon abbringen? Gibt es da eine

Kraft in der Region, die so viel Einfluss hat, da jetzt irgendwie diplomatisch zu wirken? Also ich

denke, wenn es jetzt darum geht, Blutvergießen zu verhindern, dann wäre natürlich ein schnelles

Einschreiten auf internationaler Ebene wichtig. Wer könnte das sein? Schwierige Frage. Innerhalb

der UN, Länder wie England, Frankreich, Deutschland, gerade hinsichtlich der Frage und natürlich

Amerika, wie jetzt gegen die Zivilbevölkerung in Gaza vorgegangen wird. Wenn es da ein entscheidendes

oder ein gemeinsames Nein, ja, alles was die Hamas gemacht hat, war furchtbar und ist Terror und

gehört auf Scherste verurteilt. Aber das, was jetzt passiert, trifft eben zum Großteil auch

unschuldige Menschen darunter, viele Kinder. Wenn es dieses klare Nein gibt und einen Waffenstillstand

oder irgendeine Art von Kompromiss mit Israel ausgehandelt würde, dann würde natürlich auch dem

iranischen Regime ein Großteil der Propaganda entzogen werden. Denn momentan kann man die

ja weiter bedienen und kann sagen, keiner kümmert sich. Der Westen tritt euch mit Füßen. Wir sind

die einzigen, die euch beschützen. Also ich glaube, auch das hätte Signalwirkung, denn jedes Bild

das wir gerade sehen aus Gaza, sieht man auch ganz genau in Tehran, wird für dramatische Werbespots

in den Hauptnachrichten benutzt, um das Leid, das ja auf jeden Fall da ist. Aber im Tehran eben

in eine ganz andere Propaganda gepackt wird, der Zivilbevölkerung in Palästina auf die Fernsehwildschirme

zu zaubern und jüdisches Leid, also in Israel, wird komplett ausgeblendet.

Würdest du sagen, das stärkt oder das schwächt gerade das Regime?

Ich glaube nicht, dass es das Regime innerhalb des Irans stärkt. Denn die Menschen im Iran fallen

auf diese Propaganda nicht mehr rein. Die haben 44 Jahre lang gesehen, was es gebracht hat, dass der

Iran sich vom Ausland isoliert, dass das Regime diese Feindbilder schürt. Man selbst hat nichts

davon. Man ist in einer Wirtschaftskrise. Menschenrechte werden nicht geachtet, Frauenrechte werden

nicht geachtet. Ich glaube, das ist ein Großteil der Bevölkerung mit diesem Regime abgeschlossen

aber dass man eben innerhalb der muslimischen Welt sich jetzt noch mal versucht sozusagen

als Schutz macht oder als ja Übervater zu inszenieren. Also reibt sich das iranische Regime

schon auch zwischen verschiedenen Fronten auf.

Wie viele Kriege kannst du führen? Im Ausland mehrere? Jemen? Syrien? Gaza? Und dann in

der eigenen Land ein Großteil der Bevölkerung gegen dich zu haben, ist die Frage an wie

vielen Fronten kann das islamische Regime noch kämpfen? Es bröckelt ja seit längerem,

das brauche ich nicht zu erzählen. Darüber haben wir in 11 km auch schon gesprochen,

was eben den Rückhalt der eigenen Bevölkerung angeht. Also besonders fest sitzt es nicht im Sattel.

Trotzdem du klingst jetzt nicht unbedingt zuversichtlich, dass das iranische Regime

deswegen seinen Kurs im Namen Osten ändert oder zumindest mäßigt. Na ja, der Nah-Aus-Konflikt

ist ja auch nicht zwei Wochen oder drei Wochen alte, ist wahnsinnig alt und wenn ich sehe wie

viel Blut vergossen wird momentan und wie scharf die Rhetorik ist und wie gespalten die Welt auch

bei diesem Thema ist, habe ich da keine große Hoffnung, dass ein Regime in Teheran dazu irgendwie

ein Kompromissen bereit ist, geschweige denn irgendwie zurückzustecken. Noch sehe ich schon,

dass vieles Propaganda ist, auch diese Kundgebung, von der ich gerade gesprochen habe, wo sich Menschen

eintragen können, um in den Krieg zu ziehen, das sehe ich eher als Show, auch weil das Regime da

seinen Rückhalt nochmal deutlich machen will, den es aus meiner Sicht auch nicht mehr hat. Aber

trotzdem ist die Situation extrem angespannt und extrem gefährlich, keine Frage. Mit was rechnest du

in den nächsten Tagen und Wochen? Das ist eine schwierige Frage. Ich kann das dir nicht beantworten.

Ich denke, dass es viel damit zu tun hat, wie sich die internationale Staatengemeinschaft jetzt in

diesem Krieg, in diesem Konflikt positioniert und man muss immer wieder auch sagen, dass die

Gewinner der aktuellen Lage sind ja Diktaturen wie das Regime in Teheran, wie Putin in Russland,

weil man jetzt immer aus deren Sicht noch mehr argumentieren kann, wie ihr hebt den Zeigefinger

bei unserem Vorgehen, bei Menschenrechtsverstößen, bei dem und dies. Aber da wart ihr Leise, so

funktioniert die Propaganda. Ihr habt nichts gesagt beim Leid in Gaza, nichts bei der Bodenoffensive

Israels, so argumentieren Autokratien und das ist Wasser auf deren Müll. Katarina, danke dir. Sehr

gerne. Israel, der Iran und die große Angst vor einem Flächenbranz. Das war FKM für heute mit

Iran-Korrespondentin Katarina Willinger. Morgen erfahrt ihr bei FKM, warum strenge heime Bundeswehrpläne

in hunderten Fällen den Windkraftausbau blockieren, obwohl wir den ja so dringend brauchen und was

Schiffe versenken, damit zu tun haben sie.

Autor, dieser Folge ist Moritz Ferle mitgearbeitet hat Stefan Beutting. Produktion Jakob Böttner,

Rot-Ostermann, Jürgen Kopp und Esther Diestelmann, Redaktionsleitung Fumiko Lipp und Lina Göttler.

Alle aktuellen Entwicklungen im Krieg im Nahen Osten gibt es bei tageschaut.de. FKM ist eine

Produktion von BR24 und NDR Info. Mein Name ist Hannes Kunz. 11 km gibt es morgen wieder. Tschau.

Und wenn ihr manchmal Lost-Sites und einen Überblick braucht über das, was gerade im Nahen

Osten passiert, dann empfehle ich euch den neuen BR-Podcast Lost in Nah Ost. Den Link zum Podcast

findet ihr in unseren Shownauts.

Hi, ich bin Ann-Kathrin Wetter und das hier ist Lost in Nah Ost, der Podcast zum Krieg in Israel und Gaza.

Es ist gerade unfassbar schwierig, den Überblick zu behalten über das, was gerade im Nahen Osten passiert

und mitzukommen, wer welche Rolle spielt, welche Player wichtig sind und wie hat das alles nochmal angefangen?

Wir wollen euch helfen zu verstehen, was gerade Phase ist, wer welche Interessen verfolgt.

Viele von euch fragen sich gerade, warum es plötzlich ein Problem sein soll, wenn Palästinenser

innen auf die Straße gehen oder jemand den Hashtag Free Palestine verwendet.

Was das heißt, wenn der deutsche Bundeskanzler davon spricht, dass die Sicherheit Israel als Staatsresort ist.

Für solche Fragen und ganz viele mehr gibt's ab jetzt uns.

Wir sind Lost in Nah Ost, der Podcast, der euch hilft zu verstehen, was gerade los ist im Nahen Osten.

Und dafür sprechen wir mit den Korrespondenten der ARD in Tel Aviv und mit Experten über das,

was gerade im Nahen Osten passiert und vor allen Dingen sprechen wir darüber, was euch zu dem Thema interessiert.

Schickt uns also gerne eure Fragen an lostinnaost.br.de oder schreibt einen DM an die News-WG bei Instagram.

Den Podcast Lost in Nah Ost gibt's in der ARD Audiothek und überall wo es Podcasts gibt.

Copyright WDR 2021

Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.

Iran gibt sich im Nahost-Konflikt als geopolitischer Strippenzieher. Hamas und Hisbollah – das iranische Regime finanziert und kontrolliert in der Region mehrere anti-israelische, militante Organisationen. Was also passiert, wenn der Iran zündelt und die Sache explodiert? ARD-Iran-Korrespondentin Katharina Willinger erklärt uns, woher der Hass auf Israel kommt, was Iran möglicherweise vorhat und dass es auch mal ganz andere, friedliche Zeiten gab.



Alle aktuellen Nachrichten zum Krieg in Nahost gibt es auf tagesschau.de: https://www.tagesschau.de/thema/nahost



Unser Podcast-Empfehlung: “Lost in Nahost”, der Erklär-Podcast zum Krieg in Nahost, der die Fragen der Community beantwortet: https://www.ardaudiothek.de/sendung/lost-in-nahost-der-podcast-zum-krieg-in-israel-und-gaza/12828739/



An dieser Folge waren beteiligt:

Host: Hannes Kunz

Folgenautor: Moritz Fehrle

Mitarbeit: Stephan Beuting

Produktion: Jacob Böttner, Ruth Ostermann, Jürgen Kopp und Esther Diestelmann

Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler



11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info. Für diese Folge ist der BR redaktionell verantwortlich.