Thema des Tages: Indien – die unterschätzte Supermacht

DER STANDARD DER STANDARD 3/18/23 - Episode Page - 26m - PDF Transcript

Ich bin Antonia Raut, das ist Thema des Tages, der Nachrichten-Podcast vom Standard.

Indien steht kurz davor, China als bevölkerungsreichstes Land der Welt abzulösen. Über 1,4 Milliarden

Menschen leben dort schon jetzt. Auch wirtschaftlich und geopolitisch gewinnt das Land immer mehr

an Bedeutung. Ist Indien die unterschätzte Supermacht?

Darum geht's in dieser Folge von Thema des Tages am Wochenende.

Anna Savartal, du berichtest für den Standard über außenpolitische Themen und wir sprechen

ja regelmäßig mit dir und deinen Kollegen über Russland, die USA, auch mal über China.

Aber warum reden wir eigentlich so selten über Indien?

Stimmt. Indien ist ja eigentlich ein riesiges Land. Es hat 1,4 Milliarden Einwohner. Es

wird auch öfters die größte Demokratie der Welt quasi selbst beschrieben. Es gibt die

größten Märkte für Medikamente dort, es gilt als IT-Hub und so weiter und so weiter.

Das heißt, es ist tatsächlich recht überraschend, dass man so wenig von Indien hört. Da gibt's

natürlich verschiedenste Erklärungsansätze. Ich denke, ein Grund, der ganz wichtig ist,

in der indischen Politik beziehungsweise vor allem in der Außenpolitik zu finden. Indien

ist ein Land, das sich ganz stark dem Multilateralismus verschrieben hat. Schon im Kalten Krieg

hat es die Idee der blockfreien Staaten stark mitgeprägt. Das heißt, während sich viele

Länder immer mehr gezwungen, sahen sich entweder den USA oder Russland anzuschließen,

hat sich Indien eigentlich diesen Lagerzuschreibungen entzogen. Wir meinten, wir wollen das nicht,

wir gehen unseren eigenen Kurs, wir wollen blockfrei bleiben und das ist im Kern auch

bis heute die indische Position. Und so polarisiert das Land nicht so wie andere Großmächte.

Zum Beispiel, wenn wir die USA, Russland oder China sehen, die stehen oder standen sehr

oft zueinander in einem direkten Konflikt. Sie stehen sich quasi wie Kontrahenten gegenüber

und das macht natürlich dann oft große Schlagzeilen internationale und bei Indien ist das aber

anders. Indien ist oft ein viel stillerer, zurückhaltender globaler Akteur, der im Hintergrund

sehr viele Kanäle offen hält. Ein stiller Akteur, aber mit einem ziemlich außergewöhnlichen

Regierungschef. Indien wird ja seit zehn Jahren von Narendra Modi regiert. Wer ist dieser

Mann? Also, Modi wurde 1950 geboren. Er ist im westindischen Bundesrat Gujarat aufgewachsen.

Sein Vater war ein T-Standbesitzer, also ein Chai Waller. Er bestammt also aus bescheidenen

Verhältnissen eher aus einer niedrigeren Kaste. Mit 13 oder 14 wurde er sogar bereits

verlobt. Aber um dieser Kinderehe zu entgehen, verließ er seine Familie und zog dann für

einige Jahre umher. Er ging zum Beispiel in den folgenden Jahren, zwei Jahre in die Berge,

in den Himalaya, um dort zu meditieren. Und das ist wiederum ganz spannend, weil das eigentlich

ein klassisches Motiv aus der indischen Mythologie wiederum ist, wo man der Welt entsagt, wo

man die Familie verlässt, um als Keh zum Beispiel in den Wald zu gehen oder in die Berge

zu gehen. Und spannend ist bei Modi vor allem auch, dass er unverheiratet ist. Und so lebt

der eigentlich dieses Image, das er von sich kreiert hat, des Gurus, der sein Leben dem

Staat widmet, der keine Frau hat, keine Kinder hat, sondern wirklich als Leader, als Führer

eines Staates agiert. Und wie ist Modi dann in der Politik gelandet? Also was wissen wir

darüber, wie er sagen wird, wenn man politisch sozialisiert worden ist? In jedem Fall war

Modi seitdem er acht Jahre alt ist, Mitglied in einem Verein namens RSS. Das ist der Rastria

Swayam Sawik Sang, also eine nationale freiwilligen Organisation, kann man es übersetzen. Und die

wurde 1925 mit dem Vorbild eigentlich europäischer Faschisten gegründet. Also in der Ideologie

des RSS seht man sich nach einer reinen Hindu-Welt, wie die das beschreiben würden, überfällen

von anderen, seien das jetzt Muslime oder Briten existiert hat. Sie ist sehr streng hierarchisch

organisiert und in diesem Kontext ist Modi eigentlich groß geworden. Und aus dem Kontext

hat sich dann auch die BGB gegründet, wo dann Modi über seinen Heimatbundestadt Gujarat

einen politischen Aufstieg hingelegt hat. Was kannst du uns denn darüber erzählen,

wie er Indien jetzt tatsächlich regiert? Also er klingt ja nach einem ziemlich außergewöhnlichen

Politiker. Der ist in der Tat eine wirklich interessante politische Figur. Einerseits deswegen,

weil er wirklich hochmodern agiert, er bedingt sich sehr geschickt den modernsten Möglichkeiten

unserer und seiner Zeit. Also ein Fun-Fact ist zum Beispiel, dass er auf Twitter einer

der Personen ist, der die meisten Follower weltweit hat. Ich glaube, er ist auf dritter Stelle

aktuell. Und gerade dieser Outreach, den er über Social Media sehr erfolgreich gemacht

hat, der war einer der Schlüsselfaktoren bzw. wichtigen Faktoren, als er zum Premier

2014 gewählt wurde. Das heißt, einerseits ist er dieser hochmoderne Staatsmann, aber

gleichzeitig repräsentiert er eigentlich eine ärzkonservative Ideologie. Er gehört

der indischen Volkspartei an, also der BGB, die einen, wie es beschrieben wird, internationalistischen

Kurs verfolgt. Dahinter verbirgt sich eigentlich eine Gesinnung in den unterschiedlichsten

Abstufungen natürlich hinduistische Kultur zu fördern und Minderheiten, etwa die große

muslimische Minderheit des Landes, in irgendeiner Form, wenn auch nicht unbedingt so ausgesprochen,

als Bürger zweiter Klasse anzusehen. Und die BGB selbst, also die Partei lehnt den Begriff

ab, sie wird aber oft als rechtskonservativ bzw. auch rechtsextrem beschrieben.

Wer hat sich Indien denn entwickelt, seit Modi dort an der Macht ist? Also man hört

jetzt zum Beispiel immer wieder Kritik daran, dass sich die Demokratie dort eher zum schlechteren

entwickelt bzw. dass sie unter seiner Herrschaft eingeschränkt wird. Ja, die Sache mit der

Demokratie in Indien ist interessant, weil einerseits, wie gesagt, die Regierung selbst

betont immer wieder, man ist die größte Demokratie der Welt und das stimmt in Grundzügen

und in den Institutionen, die es in Indien gibt, auch bestimmt. Es gibt die Parteien,

es gibt die Gewaltentrennung, Presse etc. Doch es gab, und das ist auch abgesehen davon,

wie Modi jetzt aktuell agiert, gab es seit der Staatengründung 1947, gab es immer wieder

Phasen, in denen die Demokratie nicht ganz so funktioniert hat, wie wir es uns vielleicht

vorstellen würden, da denke ich zum Beispiel an Indira Gandhi in den 70er Jahren, da gab

es einen Ausnahmezustand in Emergency, wo Oppositionelle verfolgt und auch verhaftet wurden.

Und jetzt aktuell unter Modi bzw. der BGB hat der Vorwurf aber stark zugenommen, dass

diese Unterwanderung von demokratischen Institutionen viel systematischer betrieben wird, dass

unter Modi demokratische Institutionen ausgehüllt werden. Modi und die BGB haben zum Beispiel

volle Kontrolle über die Partei, über die Regierung, das ist ja noch nachvollziehbar,

aber auch zunehmend über die Bürokratie des Landes, Kritiker sagen sogar über die Justiz

und vor allem die Presse. Das ist eines der großen Beispiele, wo man sehr deutlich sehen

kann, wie sich da Dinge verändern im Land. Zum Beispiel nach dem Pressefreiheitsindex

von Reporter ohne Grenzen liegt Indira jetzt auf Platz 150 von 180. Das ist der schlechteste

Wert, den das Land jemals belegt hat. Das heißt, dieser fast schon slogan, Indira

die größte Demokratie der Welt, wird das mehr und mehr zur hohen Phrase. Das kommt

auch darauf an, woher man sieht. Also eben einerseits wird beschrieben, die Institutionen

werden teilweise ausgehöhlt, so die Kritiker, aber umgekehrt was spannend und wichtig ist

zu betonen ist, dass es in Indien eine wirklich starken Nationalstolz eigentlich fast gibt,

der sich auf dieser demokratischen Identität beruht. Das ist ja interessant, weil die

indische Gesellschaft sonst ja auch extrem divers ist. Dort leben über 700 Volksgruppen,

es werden 100 Sprachen gesprochen, es leben ganz viele verschiedene Religionsgemeinschaften

zusammen, was auch immer wieder zu Problemen führt. Dort wählen religiöse Konflikte,

auch Frauen werden teilweise noch extrem schlecht behandelt. In welche Richtung läuft hier die

gesellschaftliche Entwicklung? Bessert sich die Lage?

Das ist auch wieder eine sehr komplizierte, aber noch wichtige Frage. Was zum Beispiel

die religiösen Konflikte betrifft, so kann man schon sagen, dass die Gewalt zwischen

Hindus und Muslimen, das wird in Indien meistens als communal violence betitelt, dass sie tendenziell

zugenommen hat. Zum Beispiel vor drei Jahren war das in Delhi, also in der Hauptstadt,

sind bei Ausschreitungen zwischen Hindus und Muslimen 20 Menschen gestorben. Das war mitten

in der Hauptstadt und solche Vorfälle gibt es leider geholfen. Was dann wiederum Frauen

in Indien betrifft, so ist die Situation auch enorm schwierig. Wir haben einerseits ein

Land, in dem es Frauen bis an die Spitze des Staats schaffen, wie gesagt Indira Gandhi,

aber auch andere Chiefministers von Bundesstaaten, die weiblich regiert sind. Die große Macht

eigentlich haben, aber gleichzeitig ist es eben das gleiche Land, das auch immer wieder

mit schlimmen Vorfällen internationale Schlagzeilen macht, zum Beispiel Gruppenvergewaltigungen

und so weiter. Die Regierung probiert da schon, das Bewusstsein zu schärfen. Zum Beispiel

gibt es große angelegte Programme, die die Selbstverteidigung von Frauen fördern. Aber

in der Gesamtsituation ist es einfach, kann man sagen, eigentlich zu wenig und die Situation

von Frauen bleibt enorm schwierig. Das heißt, Indien ist auf jeden Fall gesellschaftspolitisch

und innenpolitisch ziemlich gefordert. Aber schauen wir doch nochmal auf die internationale

Ebene. Welche Rolle spielt Indien denn geopolitisch heute? Indien spielt in den vergangenen Jahren

international eine immer wichtigere Rolle. Das begründet sich vor allem auch darin, dass

man Indien immer mehr als wichtige Alternative in Asien zu China wahrnimmt. Der Zugang zu

China aus europäischer und US-Perspektive wurde ja in den vergangenen Jahren eigentlich

immer kritischer. Und so wird Indien als der große politische Akteur aus der Region gesehen,

mit dem man Bündnisse verstärken will eigentlich. Indien wird ja oft mit China verglichen. Also

beide Länder sind wahnsinnig groß, bevölkerungsreich und wirtschaftlich, kann man sagen, auf der

Überholspur. Die beiden Länder grenzen auch noch einander. Aber wie sind denn eigentlich

die Beziehungen zwischen China und Indien? Die Beziehung zwischen Indien und China ist

recht komplex. 1962 haben die zwei Länder ja auch einen Krieg geführt, den China gewonnen

hat. Seitdem ist der Grenzverlauf, der sehr lang ist, über 3000 Kilometer, teilweise ungeklärt.

Und das wird immer mehr auch zu einem Brennpunkt zwischen den zwei Ländern. Gerade seitdem

China immer mächtiger geworden ist, aber jetzt Indien auch aufholen will, stehen sich dort

immer öfter Soldaten direkt gegenüber. 2020 gab es auch tatsächlich einen Clash zwischen

Soldaten von beiden Seiten, wo auch mehrere Dutzend Inder, wahrscheinlich auch Chinesen

gestorben sind. Auch schon ein paar Jahre zuvor gab es ähnliche Vorkommnisse. Das heißt,

es ist sicher ein Brennpunkt, von dem wir in den nächsten Jahren immer mehr hören werden.

Gleichzeitig vielleicht noch dazu erwähnt, muss aber sein, dass die Wirtschaftsbeziehungen

zwischen den zwei Ländern ja trotzdem existieren. Das heißt, es ist eine recht schwierige oder

eine Herausforderung für beide Länder und vor allem auch von Indischer Seite. Wie geht

man mit diesen Nachbarn um? Das heißt, zum Westen hin hast du erklärt, gibt es eine

Annäherung. Mit China ist es ziemlich kompliziert. Wie sehen denn die Beziehungen zwischen Indien

und Russland aus? Also speziell auch die Position, die Indien im Ukraine-Krieg einnimmt. Das

ist sicher eines der großen Themen, die in den vergangenen Monaten für viele Fragezeichen

gesorgt haben. Indien hat den Krieg in der Ukraine nie verurteilt. Es hat sich über

die letzten Monate immer wieder grundsätzlich dagegen geäußert, dass es zu der Gewalt

in der Ukraine kommt. Modi zum Beispiel hat im September Putin ermahnt, dass jetzt nicht

die Zeit für Krieg ist, aber wirklich verurteilt hat es den Krieg nie und das lässt sich wiederum

darin begründen, dass Indien schon seit vielen Jahrzehnten sehr enger bzw. gute Wirtschaftsbeziehungen

zu Russland pflegt, gerade was die Rüstungsindustrie betrifft. Und da kann man vielleicht wieder

zu dem zurück schauen, was wir eingangs gesprochen haben über den Multilateralismus, dass Indien

nicht in einer Situation ist, in der man gewisse Kommunikationskanäle bzw. bestimmte Beziehungen

kappen will. Um nochmal auf diese blockfreie Rolle von Indien zurückzukommen, ist es tatsächlich

noch so, dass sich Indien mehr oder weniger aus diesem Spiel der Supermächte sozusagen

etwas raushält oder ist Indien mittlerweile eigentlich selbst eine Supermacht, die da eine

vergleichbare Rolle spielt zu den USA, Russland, China? Ja, das ist die große Frage, die wir

in den nächsten Jahren sicher ganz oft stellen müssen und werden. Indien will auf jeden

Fall eine Form von Großmachtstellung einnehmen, allein wenn man sich anschaut, dass Indien

zum Beispiel schon seit langem fordert, einen Sitz im UNO-Sicherheitsrat zu bekommen. Das

hat bisher eigentlich am Wetter von China gescheitert, aber Indien ist auf jeden Fall

auf einem Weg, wo es eine viel größere Rolle global spielen will und auch schon tut. Und

wie schon gesagt, es tut es ganz oft in einer viel stilleren und zurückhaltender Form, als

man das vielleicht von anderen Großmächten gewohnt ist. Alles andere als zurückhaltend

ist die wirtschaftliche Entwicklung von Indien. Darüber sprechen wir gleich mit unserem Kollegen

Andras Sigitwari aus dem Standardwirtschaftsressort. Davor machen wir eine kurze Pause, bleiben

Sie aber dran. Andras Aberthal, hier schon mal vielen Dank für diese politische Einordnung.

Vielen lieben Dank hat mich auch sehr gefreut.

Ich bin Doris Priching und ich bin Michael Steingruber und gemeinsam sind wir serienreif.

Das ist der Standard-Podcast über die spannende Welt der Serien. Genau, bei uns erfahren sie

faszinierende Details über House of the Dragon und die Ringe der Macht. Und restlos alles

über satanische Spiele in Stranger Things. Wir widmen uns Seriengrößen von Obi-Wan Kenobi

bis zu RuPaul und zerlegen die neueste Marvel-Serie, Serienreif, euer Streaming-Podcast, jeden

Zeitendonastag eine neue Folge.

Andras Sigitwari, du berichtest im Standard über Wirtschaftsthemen und warst auch vor

kurzem in Indien um dich speziell mit der wirtschaftlichen Entwicklung dort zu beschäftigen. Wir haben

vorher schon China angesprochen, dass in den vergangenen Jahren hier eine unvergleichliche

Aufholjagd hingelegt hat. Ist denn die Entwicklung in Indien eine ähnliche?

Ja, eigentlich schon. Und ziemlich spektakulär. Mir war das von außen auch gar nicht so bewusst,

bis ich dort war, drum war auch diese Reise eigentlich ein interessantes und lehrreiches

Erlebnis. Die Zahlen sind einfach beeindruckend. Indien ist im vergangenen Jahr um über 6

Prozent gewachsen, war damit auch unter den grossen Industrie- und Schwellenländern schon

das zweitschnellste wachsende Land. Und in den kommenden zwei Jahren geht es genau in

diesem Tempo weiter, also mit deutlich über 6 Prozent. Und da gibt es eine Reihe von wirklich

matenbaraubenden Zahlen, dass allein dieses Wachstum, dieses Hohe-Seiteinigen, gern

dazu geführt, dass es ein Oxford-Studie, die sagt, dass 400 Millionen Menschen aus dieser

extremsten Form der Armut eigentlich entkommen sind. Ich habe mit einem indischen Tink-Tank-Experten

im Energiesektor gesprochen, der gesagt hat, noch vor 20 Jahren hatten fast 40 Prozent der

Haushalte etwas weniger, aber circa 40 Prozent, keinen Zugang zu Strom, heute sind es noch

1 Prozent. Also das ist innerhalb von wenigen Jahren wirklich spektakulär und noch eine

andere Zahl. Ich habe in einer alten Standardgeschichte noch bei uns gefunden, dass vor zehn Jahren

gab es auf tausend Kinder, unter fünf Jahren sind noch in Indien weit über 50 gestorben,

56 vor dem fünften Lebensjahr, das hat sich mehr als halbiert. Ist natürlich immer noch

und das ist wahrscheinlich der zweite Teil dieser Geschichte, weil dweck, also während

es in Indien etwas über 20 Tote gibt, sind es in Österreich vier oder fünf, es gibt in

Indien immer noch über 200 Millionen Menschen, die pitaarm sind und wenn man durch Daily-Spazier

oder durch Worte, dann ist es natürlich auch im quirligen Gegenden, wo sich viel tut, ist

das natürlich eine Form von Leben wie wahrscheinlich Westeuropäer sich das einfach nicht vorstellen

können, weil es immer noch wahnsinnig arm ist, weil es immer noch sehr wenig Zugang

zu bestimmten Gütern oder Autos, ein großer Teil der Bevölkerung ist immer auch außen

vor, aber es tut sich viel, es ist ein wahnsinnig spektakulärer Wachstum, in den es auch so

fünf größte Volkswirtschaft aufgestiegen hat, also die ehemalige Kolonialmacht, das

feinigte Königreich überholt, auch das ist eigentlich bachdich und will auch weiter vor,

also das Ziel ist, in den kommenden Jahrzehnten eigentlich zur großen Nummer drei hinter den

USA und danach China aufzusteigen.

Du hast mir vorher aber erzählt, dass dieses enorme Wachstum auch mit gewissen Abhängigkeiten

einhergeht, speziell gegenüber Russland, was hat es damit denn auf sich?

Das war vielleicht auch eine der interessantesten leereichsten Erfahrungen und nicht wie in Europa

reden eigentlich, es ist seit jetzt Monaten natürlich fokussiert, das guten Grund auf

diesen Krieg in der Ukraine und auf den russischen Überfall, in Indien, aus der indischen Wahrnehmung

ist das halt ein Krieg wie viele andere auch, da weit weg ist und eigentlich relativ wenig

interessiert, also ich habe dann bei einer Konferenz mit einem indischen Banker gesprochen

und irgendwann habe ich ihn gefragt, wie viel wird eigentlich hier über den Krieg diskutiert

und er hat gemeint, ja entschuldigen Sie mir jetzt den Krieg in der Ukraine und das war

so, dass man da überhaupt noch nachfragen muss, aber das ist dort so, das ist eine ganz

andere Sicht, auch bei Diskussionen dort nehmen auch russische Politiker teil und man will

auch diese Sicht gleichberechtigt hören mit den ukrainischen und die Abhängigkeiten,

die gibt es im Ölsektor, also die indischen Politiker, deren Auftritt ich dort gesehen

habe auf dieser Konferenz an Russland, die sind Jahrzehnte alter Freund, wir denken uns

da gar nicht so distanzieren und Indien ist so ein größter Einkäufer von russischem Öl

geworden, also hat sich vor 14 fach die innerhalb eines Jahres, das ist schon erstaunlich und

ist bei weitem jetzt der größte Abnehmer von relativ günstigen russischen Öl.

Wenn wir noch mal dieses Wachstum uns etwas genauer ansehen, welche Felder sind denn in

Indien gerade besonders stark in der Entwicklung?

Und also eines, jetzt gibt es einen sehr großen auch staatlich angetriebenen Bereich, große

Infrastrukturprojekte, wenn man mit Indern dort redet oder auch mit den österreichischen

Wirtschaftskollegierten hört, man muss immer ein bisschen aufpassen, was davon wirklich

realisiert wird, aber es wird sehr viel investiert in die Erneuerung der Eisenbahn, Autobahnen

werden gebaut, Straßen werden gebaut, es gibt auch eine Reihe von, das ist natürlich Österreich

dann immer interessant, seilbaren Projekten, die dort also vor allem touristische oder

den öffentlichen Verkehr ersetzen oder weitern wollen, wo auch österreichische Unternehmen

mitnaschen, also das ist so ein großer Wachstumsmotorinfrastruktur, ein zweiter riesiger Wachstumsmotor

ist sicher, Elektrizität, also das ist sehr fast unglaublich, also ich bin dort getroffen

mit einem Think-Think-Experten, der gemeint hat, bis 2030 muss Indien seine Kapazitäten,

also der Bedarf ist so groß, dass Indien die Stromproduktion innerhalb von jetzt sieben

Jahren verdoppeln muss, also das ist ja noch einmal in Indien da quasi aufstellen, was die

Stromerzeugung alleine betrifft, das ist natürlich ein riesiges Wachstumsfeld, sind

auch gar nicht nur klassische Kohlekraftwerke, sondern versucht auch sehr stark in erneuerbare

Energien zu gehen, auch wenn das natürlich im gesamten Mix nur ein Anteil ist.

Ein weiterer großer Bereich ist sicher die IT-Industrie, das ist aber schon etwas länger,

das ist schon seit den Jahrtausendwänden so, dass das ein großer Bereich ist, Farmer

ist ein Riesenbereich, Indien ist ein gewaltiger Farme-Export, der hat sich innerhalb von

wenigen Jahren verdoppelt und was jetzt in Indien versucht, ist auch klassische Industrie

einfach anzuziehen, also eine Industrieproduktion, nicht nur für diesen riesigen Binnermarkt,

sondern auch für den Export, so ein bisschen wie China, es gibt jetzt auch schon einen

Begriff, den der Economist vor kurzem eingeführt hat, den ich ganz lustig finde, Old Asia,

Alternative Asia, das sind also Länder, die versuchen auch von China-Unternehmen, die

stark in China produzieren, zusätzliche Investitionen von diesen westlichen Firmen

bei sich anzuziehen, das ist in Indien zum Beispiel oder Bangladesch auch, weil ihr macht

die Spannungen zwischen den Westen, zwischen den USA, zwischen Europa und China zunehmen

und man sich da positionieren will als westlicher Alternative zu China.

Dieses starke Wirtschaftswachstum in Indien und generell die Rolle, die sich Indien da

in der Weltwirtschaft erspielt, wird die unterschätzt?

Also ich glaube schon, das ist ja ein Land, wo auch viele, so ich sage jetzt mal westliche

Beobachter, wie ich da vorher ja, im Kopf hat noch eine gute Indien, das ist irgendwie

ein armen Haus und wenn man über Aufstieg und Asperation spricht eher China und nicht

auf Indien gekommen wäre, aber das ist eben bis sozusagen diese veränderte Dynamik ankommt,

ich glaube das dauert immer ein bisschen, also ja es wird unterschätzt, zugleich eben

der Hinweis, dass der Weg noch wahnsinnig weit ist, wenn Indien jetzt zur fünftgrößten

Volkswirtschaft aufsteigt, ist das natürlich deshalb, weil so wahnsinnig viele nicht 1,4

Milliarden Menschen dort leben, die Wirtschaftsleistung pro Kopf, wenn man sich die mal anschaut,

so Kaufkraft bereinigt, dann sind das in Indien etwa 9000 international Dollar oder Dollar

einfach sagen, wie in China sind es 23.000 Dollar pro Kopf und in Österreich 70.000,

also das sind doch völlig andere Dimensionen, also da ist noch ein wahnsinnig weiter Weg

oder Indien z.B. Anteil an den globalen Exporten ist gerade aktuell gerade einmal 2%, in Österreich

sind es 1% mit unseren 9 Millionen Einwohnern, also es ist aufstreblend, aber zugleich eben

so zahlen wir z.B. dass jeder fünfte Mensch unter 25 Inder ist, das ist dann schon erstaunlich.

Und Indien entwickelt sich ja auch gerade in Bereichen rasend schnell, die wahnsinnig

zukunftsträchtig sind, den IT-Bereich hast du schon angesprochen, ist das eine Aufholjagd

bei der Indien den Westen bzw. auch Österreich in näherer Zukunft einfach auch abhängen

könnte?

Also ich glaube internationalen Handel oder Beziehungen, ich mache es auch als Konkurrenzverhältnis

zu verstehen, ist etwas, was einen tollen Trump gern macht, das ist im Wahrheit ja

oft Bereiche, wo man gegenseitig profitieren kann, wenn es von beiden Seiten gut angelegt

ist.

Indien hat übrigens auch weiterhin sehr hohe Schutzzölle gegen bestimmte Importe, also

schützt sich auch, schottet sich auch zum Teil noch ab, das ist aber wahrscheinlich,

wenn man das mit internationalen Erfahrungen vergleicht, gar nicht unklug, haben wir auch

andere Länder immer gemacht wie Südkorea und China, solange sie noch in den Anfang

Stadien in ihrer Industrialisierung waren, das macht dem auch China.

Aber es gibt schon Bereiche, wo es erstaunlich ist, z.B. wo es mich überrascht hat, es gibt

in Indien ein riesiges Zahlungssystem, das über Handy funktioniert und Apps, es gibt

mehrere, also ich glaube 7 Milliarden, wenn ich jetzt zahle richtigen Kopf, auf 7 Milliarden

Zahlungen jedes Monat, also man kann bei eben tuk tuk fahren im Prinzip mit dieser App bezahlen

und das ist natürlich auch gegenüber Österreich nicht, wo die Leute noch immer in jeder Kassau

gerne Descent abzählen, eine ganz andere Dimension an, würde ich jetzt sagen, Modernität.

Was denkst du denn, wie sich die Situation im wirtschaftlich so aufstrebenden Indien in

den nächsten Jahren entwickeln wird, also welche Möglichkeiten und Probleme kommen auf

das Land zu?

Ich bin natürlich nicht jetzt der Indien-Experte mit jahrzehntelangem Einblick, aber ich glaube,

es gibt so interessante Fragen und eines z.B. eben diese gewaltige Elektrifizierung nicht,

das hängt ja auch damit uns zusammen, wenn es um die Reichung der Pariser Klimaziele

geht.

Sie sind auch dort hinten nach, also sie haben sehr ambitionierte Pläne, bauen aber deutlich

langsamer ihre neue paar Netz aus als gedacht und natürlich wenn dein zweites Indien hingestellt

wird und gleichzeitig müssen wir den Ausstoß an CO2 reduzieren und diese Pariser Klimaziele

zu erreichen und die Inders sagen wahrscheinlich mit einigen Mann recht, das soll halt vor

allem die Europäer oder die schon industrialisierten Länder machen, ist das natürlich eine gewaltige

Herausforderung, wo ich mir einfach frage, wie wird sich das weiterentwickeln, geht

dann Europa und die USA voran und Inde übernehmen irgendwann die Technologie oder kann man diese

Ziele ohnehin vergessen, weil ein Land wie Inde jetzt einfach wächst und den Ausstoß

sie bauen ja auch Kohlekraftwerk, um dieses Strombedarf abdecken zu können und an dieser

Größe einfach geht es da wahrscheinlich nicht nur um ein oder zwei Kohlekraftwerke,

also wie kommt man das in eine Reihe?

Das Land steht ja vor gewaltiger Herausforderung, nicht allein wenn man in Dele aussteigt,

die Luft, das ist ja unglaublich schlecht, dann abgasen das auch da ist ein gewaltiger

Bedarf an Neuerungen, der gegeben ist und es gibt ja auch große Probleme oder Herausforderungen,

Indien importiert zum Beispiel wahnsinnig viel, da hat ein recht hohes Leistungsbilanz

Defizit, also sie importieren immer noch deutlich mehr als sie ausführen, es sind eigentlich

auch relativ hoch verschuldet, die Inflation ist hoch, jetzt steigen auch in vielen Ländern

einfach die Zinsen aufgrund der hohen Inflation, was natürlich gerade für so Schwellenländer

die fremdes Kapitalbrauchen auf den Risiko ist, also ich glaube es ist nicht klar, wie

das auf kurze Sicht weitergeht, aber auf lange Sicht, wenn es das Wachstum und diese recht

interessanten neuen wirtschaftlichen Mix aufrechterhalten kann, dann glaube ich ist das ein ganz guter

Weg.

Ja wer noch mehr von dir zu Indien und der wirtschaftlichen Lage dort erfahren will,

dem können wir die dieswöchige Wochenendausgabe des Standard empfehlen, darin gibt es einen

Schwerpunkt zu Indien, vielen Dank Andres Sigitwari, dass du das hier für uns nochmal

zusammengefasst hast.

Gerne und bis zum nächsten Mal.

Das war's auch schon wieder mit dieser Wochenendfolge von Thema des Tages, wenn's Ihnen gefallen

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Außerdem haben wir heute noch einen Hör-Tipp für Sie, in unserem Schwester-Podcast Inside

Austria ist eine Reihe gestartet zur Operation Luxor.

Da geht's um die größte Ermittlungsaktion der vergangenen Jahrzehnte, in der die Muslimbruderschaft

ins Auge gefasst wurde, während ein Attentäter in Wien unbemerkt einen Anschlag planen konnte.

Alles dazu in Inside Austria überall, wo's Podcasts gibt.

Thema des Tages hören Sie dann am Montag wieder mit meinem Kollegen Tobias Holub.

Bis dahin, schönes Wochenende, Papa und bis zum nächsten Mal.

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Wie die größte Demokratie der Welt geopolitisch und wirtschaftlich durchstartet – und innenpolitisch den Rückwärtsgang einlegt

Indien steht kurz davor, China als bevölkerungsreichstes Land der Welt abzulösen. Über 1,4 Milliarden Menschen leben bereits in der "größten Demokratie der Welt", wie die indische Regierung das Land gern präsentiert. Auch wirtschaftlich und geopolitisch wird das Land immer einflussreicher. Zuletzt rückte Indien auf Platz fünf der größten Volkswirtschaften vor, und es drängt auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Doch wie demokratisch ist Indien wirklich? Wo positioniert sich das Land in den großen geopolitischen Konflikten? Und wie geht die wirtschaftliche Aufholjagd weiter? Außenpolitikredakteurin Anna Sawerthal und Wirtschaftsredakteur András Szigetvari liefern Antworten.