Echo der Zeit: Hilfe in Gaza angekommen - weiterhin äusserst schwierige Lage

Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) 10/21/23 - 28m - PDF Transcript

Radio-SRF Echo der Zeit mit Simon Hulliger.

Unsere Themen am 21. Oktober, die verzweifelte Suche nach Wasser und Brot, die Not der Menschen

in Gaza.

Das Paradigma der Zweistaaten-Lösung. Warum hält der Westen nach wie vor daran fest?

Ich würde sagen, die Alternativen könnten eventuell ein bisschen unbequem sein, sich

damit auseinanderzusetzen.

Erklärt der Politologe Jan Busse.

Und die US-amerikanische Demokratie unter Druck.

Sie werde nicht kollabieren, aber…

Es drohe eine Phase einer sehr problematischen Instabilität, sagt der Politologe Steven Lewitzki,

im Echo der Zeit.

Heute vor zwei Wochen griff die Hamas aus dem Gaza-Streifen Israel an.

Mehr als 1.400 Israelis wurden getötet, über 200 Kinder, Frauen, Männer entführt.

Israel reagierte mit der Bombardierung des Gaza-Streifens und riegelte ihn ab.

Heute nun sind erste Hilfsgüte wie Ägypten nach Gaza gelangt, einige Lastwagen überquerten

den Grenzübergang Raffach.

Den 2 Millionen Menschen im Gaza-Streifen fehlte es mittlerweile an allem.

Außer den Aktorin Susanne Brunner konnte mit einem Journalisten in Gaza sprechen.

Als Journalist zu überleben im Gaza-Streifen ist fast unmöglich.

Wer zu kritisch berichtet, riskiert die Repression durch die Hamas-Regierung.

Und als Einwohner von Gaza leidet man unter der ägyptisch-israelischen Blockade und den

Bombardierungen Israels.

Safoat hat bisher alle Krisen und Kriege im Gaza-Streifen überlebt, mit viel Humor und

einem Fatalismus, der ihn schon fast abgebrüht wirken lässt.

Davon ist nun allerdings nichts mehr zu hören in den Sprachnachrichten, die er nach

Mitternacht aus dem Süden des Gaza-Streifens schickt.

Der Journalist klingt erschöpft und durstig.

Wir trinken ungereinigtes Salzwasser, weil es in den Supermärkten kein Wasser und auch

sonst kaum mehr das Nötigste zu kaufen gibt.

Und der Abfall stapelt sich in den Straßen, weil die Entsorgung nicht mehr funktioniert.

Vor mehr als einer Woche folgte Safoat mit seiner Familie dem Evakuationsaufruf der

israelischen Armee.

Diese forderte mehr als eine Million Menschen im Norden des Gaza-Streifens auf, sich im Süden

in Sicherheit zu bringen.

Nur eine solche Flüchtlingswelle konnte der eh schon dicht besiedelte Süden gar nicht

bewältigen.

Viele sind bereits wieder in den Norden nach Gaza-Stadt zurückgekehrt, weil es hier keine

Unterkünfte, keine Lebensmittel, kein Wasser und keine Sicherheit gibt, sagt der Journalist.

Während ich spreche, sind israelische Luftangriffe auch im Süden im Gang.

Ganze Familien sind ausgelöscht worden.

Vor zwei Tagen habe ich die Namen der Getöteten einsehen können und dabei zufällig entdeckt,

dass sieben meiner Verwandten darunter sind.

Wir haben ja nur sporadisch und an wenigen bestimmten Stellen Strom und Internet und

deswegen kaum Kontakt zueinander.

Mehr als 4.000 Palästinenserinnen und Palästinenser in Gaza sind in den vergangenen zwei Wochen

bereits umgekommen.

Die meisten Toten werden ohne Ritual begraben.

Die Leute heben auf offenen Feldern Löcher aus, um ihre Liebsten schnell zu begraben.

Sogar unsere Toten werden gedemütigt.

Nur wenige Stunden, nachdem der Journalist seine Sprachnachrichten geschickt hat, gelangen

die ersten Lastwagen mit Hilfsgütern von Ägypten in den Gazastreifen.

An der verzweifelten Lage der Menschen würden diese jedoch nicht so schnell, etwas ändern,

sagt Zafort.

In Gaza gibt es jetzt fast gar nichts mehr.

Etwas Wasser, Lebensmittel und Medikamente reichen da nicht.

Die Spitäler in Gaza brauchen dringend Strom, sagt der Journalist und beschreibt, was er

am Freitag im größten Spital des Gazastreifens gesehen habe.

Ärzte am Rand der Erschöpfung, die Patientinnen in den Korridoren behelbsmäßig versorgten.

Zur ständigen Angst vor den Bombardierungen und der Versorgungskrise kommen die Angst

vor ihrer Vertreibung aus dem Gazastreifen nach Ägypten.

Diese Angst beschäftige die Bevölkerung in Gaza ebenso sehr, wie die ständige Suche

nach Wasser und etwas zum Essen.

Kurz vor zwei Uhr nachts, die vorläufig letzte Sprachnachricht des Journalisten in

Gaza.

Eigentlich schliefe ich schon, ich war müde nach einem langen Arbeitstag und der stundenlangen

Suche nach Wasser und Brot.

Dann weckten mich Explosionen und seither jager ich Nachrichten hinterher.

Informationen, Wasser und Brot zu suchen, das ist alles, was wir in Gaza noch machen.

Ich bin nun verbunden mit Susanne Brunner.

Heute reichten also die ersten Lastwagen mit Hilfsgütern von Ägypten aus Gaza.

Sie bringen Lebensmittel, Wasser und Medizinküter.

20 Lastwagen sollen es gewesen sein.

Ist das nicht viel mehr sein Tropfen auf den heißen Stein?

Ja, buchstäblich, das kann man so sagen.

Die Lastwagen bringen unter anderem rund 44.000 Flaschen Trinkwasser.

Das reicht gerade mal für gut 20.000 Menschen für einen Tag.

Alleine im Süden des Gazastreifens, also dort, wo die Lastwagen aus Ägypten hineingekommen

sind, befinden sich hunderttausende von Menschen.

Auch Lebensmittel bringen die Lastwagen, aber keinen Treibstoff.

Und ohne Treibstoff kein Strom.

Und das heißt, die eh schon komplett überlasteten Spitäler können gar nicht funktionieren.

Und man darf nicht vergessen, das medizinische Personal ist der harten Blockade und den

Bombardierungen genauso ausgesetzt wie der Rest der Bevölkerung.

Warum kommt nicht mehr Hilfe durch?

Israel will unter keinen Umständen das Hilfsgüter in die Hände der Hamas gelangen.

Denn offensichtlich ist die Hamas noch nicht am Boden.

Selbst nach zwei Wochen heftigster Bombardierungen nicht.

Noch immer feuert die Hamas Raketen auf Israel täglich.

Sie schlagen ein in südisraelische Städte wie Ashkelon, zerstören ganze Gebäude,

töten Menschen.

Und solange die Hamas noch immer so viele Raketen und Munition hat, so lange werden

die israelischen Streikräfte ihre Bombardierungen fortsetzen und haben auch kein Interesse

daran, dass mehr Hilfsgüter in den Gazerstreifen kommen.

Und genau diese Bombardierungen wurden heute fortgesetzt, selbst dort, wo die Lastwagen

mit Hilfsgütern in den Gazerstreifen kamen.

Und was wiederum heißt, dass das Personal des roten Halbmondes, die meisten sind freiwillige,

diese Hilfsgüter unter Lebensgefahr in den Gazerstreifen hineingebracht haben.

Gleichzeitig wird das Grauen, das die Hamas vor zwei Wochen angerichtet hat, immer klarer.

Israelische Forensik in Tel Aviv haben die Weltpresse ihre bisherigen Befunde vorgestellt

und diese sind schockierend.

Ja, also was die Frauen und Männer am Nationalen Zentrum für Forensische Medizin in Tel Aviv

sehen, das zeugt von einer solchen Brutalität, dass selbst die Hamas jetzt versucht, die

Schuld dafür auf andere abzuschieben.

Die israelischen Opfer der Massaker erlitten schwere Folter und einen Grausamen tot, viele

wurden bei lebendigem Leib verbrannt.

Und jetzt, da die Welt diese Grausamkeiten sieht, sagt die Hamas, die schlimmste Brutalität

hätten nicht ihre Leute verübt, sondern ein wütender Mob aus Gase, der nach der Sprengung

des Grenzzounds nach Israel gelangte.

Die Gewalt an der Grenze war also von unglaublicher Brutalität, wird langsam klar, warum das

möglich war, warum die Menschen dort nicht besser geschützt waren.

Diese Frage treibt ja die Öffentlichkeit selbst im Krieg um und es gibt israelische Medien,

welche hartnäckig diesen Fragen nachgehen.

Warum konnte das passieren?

Die israelische Armee hat gegenüber der Zeitung Haaretz eingeräumt, dass sie nach dem Bau

des Grenzzounds zwischen dem Gazastreifen und Israel einfach nicht mehr davon ausging,

dass dieser von Terroristen überwunden werden konnte.

Was die Menschen im Süden Israels schon lange sagen, dass die Armee sie nicht schützte,

die Sicherheit auf lokale Sicherheitsbehörden abgeschoben habe und dass es zu wenig Schutzräume

gegeben habe, all das erhärtet sich nun nicht nur in Recherchen von Haaretz, sondern auch

von anderen Medien.

Während die Sicherheitskräfte im Süden kaum Waffen hatten, hatten die Siedler im Westjorda

immer mehr Waffen und das sind Siedlungen, die nach internationaler Mehrheitsauffassung

illegal sind.

Da wird noch sehr viel bekannt werden, als diese Regierung versucht zu verdrängen oder

herunterzuspielen.

Schauen wir noch in den Norden Israels, wie ist die Lage an der Grenze zum Libanon aktuell?

Es ist sehr angespannt, von Libanon aus wird auf Israel geschossen.

Israel hat heute auch Militante im Libanon angegriffen.

Israelische Dörfer in Grenz näher wurden evakuiert oder es besteht die Aufforderung

zu evakuieren, aber es gibt auch Menschen, die wollen trotz der Gefahr nicht weg.

Das war Auslandaktorin Susanne Brunne und wir bleiben beim Thema mit Erleichterung haben

diverse westliche Staaten auf die ersten Hilfslieferungen reagiert, die den Gasastreifen heute erreicht

haben.

Mehr dazu in den Nachrichten mit Marco Kolle.

Das Schweizer Außendepartement EDA schreibt, man begrüße die Hilfslieferungen, die sei

ein wichtiger erster Schritt, die Bewohnerinnen und Bewohner von Gaza müssten nun aber regelmäßig

mit Wasser, Medikamenten und Nahrungsmitteln versorgt werden.

Ähnlich äußerte sich auch der US-amerikanische Außenminister Anthony Blinken, er forderte

alle Seiten auf, den Grenzübergang offen zu halten und die Hilfslieferungen für die

Bevölkerung des Gasastreifens nicht zu gefährden.

Der Konflikt zwischen der radikal-islamischen Hamas im Gasastreifen und der israelischen

Armee war heute Thema an einem Krisengipfel in der ägyptischen Hauptstadt Cairo.

Unogeneralsekretär Antonio Guterres forderte dabei eine Feuerpause im Gasastreifen, um

die Bevölkerung dort mit Hilfe zu versorgen.

EU-Ratspräsident Charles Michel rief alle teilnehmenden Zufriedensbemühungen auf.

Am Treffen, zudem der ägyptische Präsident Abdel Fattah als sie sie eingeladen hatte,

waren zudem Vertreter verschiedener arabischer Länder dabei.

Sie betompten vor allem die Rechte der palästinensischen Bevölkerung im Gasastreifen.

Israel nahm an dem Gipfeltreffen in Cairo nicht teil, das israelische Außenministerium

hatte mitgeteilt, man sei nicht eingeladen worden.

Die radikal-islamische Hamas hat möglicherweise Geld aus der Schweiz erhalten.

Die Bundesanwaltschaft hat ein Strafverfahren eingeleitet, wie Bundesanwalt Stefan Blättler

in der SRF Samstagsrundschau sagt.

Es geht einfach darum, dass Geld aus der Schweiz zu Hamas gelangt ist.

Ich möchte es einfach um das Verfahren in keinem Strat und wieso nutzen können,

keine weitere Details.

Aktiv geworden sei die Bundesanwaltschaft bereits ein paar Wochen vor der Terrorattacke

der Hamas auf Israel.

Gegen wen die Bundesanwaltschaft ermittelt, sagte Blättler nicht.

Am Montag hatte ein islamistischer Attentäter in Belgien zwei schwedische Fußballfans getötet.

Nun übernimmt der belgische Verteidigungsminister die Verantwortung und tritt zurück.

Der Grund, der Mann, der den Anschlag verübte, hätte bereits vor mehr als einem Jahr an

Tunesien ausgeliefert werden können.

Das geschah aber nicht, der zuständige Richter hatte den entsprechenden Antrag nicht bearbeitet.

Obwohl die Justiz unabhängig von seinem Ministerium arbeite, übernehme er die politische Verantwortung

für diesen individuellen gravierenden Fehler, begründet der Justizminister Vincent van

Quickenborn seinen sofortigen Rücktritt.

Nawaz Sharif, der ehemalige Premierminister von Pakistan, war vier Jahre lang im Exil

in London.

Nun ist er nach Pakistan zurückgekehrt, das berichten pakistanische Medien.

Sharif wolle seine Partei im Wahlkampf für die geplanten Parlamentswahlen im Januar

unterstützen, teilte seine Tochter mit.

Sharif war dreimal pakistanischer Premierminister, 2018 wurde er wegen Korruption zu sieben

Jahren Haft verurteilt, ein Jahr später ging er nach Großbritannien ins Exil.

Ein Unwetter mit Sturmfluten hat unter anderem im Norden von Deutschland Schäden verursacht

und zu zahlreichen Überschwemmungen geführt.

An der deutschen Ostseeküste seien mehrere Deiche gebrochen, rund 2000 Menschen mussten

in Sicherheit gebraucht werden, heißt es vom Katastrophenschutz.

Der Sachschaden dürfte laut ersten Schätzungen über 100 Millionen Euro betragen.

Auch Dänemark und Norwegen sind betroffen, wie Bilder von lokalen Fernsehsendern zeigen,

steht das Wasser an gewissen Stellen rund zwei Meter höher als normal.

Der ehemalige englische Fußballer Sir Bobby Charlton ist tot.

Er verstärbt im Alter von 86 Jahren, wie sein langjähriger Club Manchester United

mitteilt.

Charlton holte mit England 1966 den einzigen Weltmeistertitel und war mit 49 Toren lange

englischer Rekordtorschütze.

1994 wurde er von der Queen zum Ritter geschlagen.

Und jetzt zum Wetter.

Morgen hat es zunächst noch Nebelfelder und Wolkenreste, danach wird es vielerorts

ziemlich sonnig.

Im Norden gibt es 16 Grad, im Süden bis 18 Grad.

Echode Zeit auf Radio SRF die weiteren Themen.

Der schwindende Glaube an die Zweistatenlösung.

Welche Alternativen werden diskutiert?

Das schwindende Vertrauen in die Demokratie droht den USA eine Autokratie.

Und ein Hinweis in eigener Sache.

Morgen Sonntag wählt die Schweiz.

Anstelle des Echode Zeit gibt es eine große Sondersendung zu den eikenösischen Wahlen.

Ab 12 Uhr mittags bis nach 20 Uhr.

Dazu alle Infos immer auch online, z.B. auf der SRF News App.

Israel befindet sich im Krieg seit dem brutalen Angriff der Hamas.

Die Wunden sind tief, die Fronten verhärtet.

Da stellt sich die Frage, was kommt danach?

Gibt es einen Ausweg aus diesem jahrzehntelalten Konflikt?

US-Präsident Joe Biden hat diese Woche erneut bekräftigt,

er halte an der Zweistatenlösung fest, daran, dass es D1 neben Israel

einen unabhängigen Staat Palästina geben soll.

Diese Lösung war Teil des Oslo-Friedensabkommens von vor 30 Jahren.

Doch ist die Zweistatenlösung nun nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel noch realistisch?

Dies wollte ich vom Politologen Jan Busse wissen.

Er forscht an der Bundeseh-Universität München zum Nahen Osten.

Die Perspektiven für die Zweistatenregelung sind momentan denkbar schlecht.

Aber ich würde sagen, das waren sie auch schon vor dem Terrorangriff der Hamas.

Denn im Hinblick auf den Nahost-Friedens-Prozess hat es mindestens in den letzten zehn Jahren

keine greifbaren Fortschritte gegeben.

Umso erstaunlicher ist es tatsächlich, dass politische Führer des Westens da

so zwanghaft dran festhalten, ohne sich mit der Situation vor Ort intensiver auseinanderzusetzen.

Und warum tun Sie das? Was denken Sie?

Das Paradigma der Zweistatenregelung ist natürlich seit langer Zeit etabliert,

spätestens seit Anfang der 1990er, seit dem Oslo-Friedens-Prozess.

Und ich würde sagen, die Alternativen könnten eventuell ein bisschen unbequem sein,

sich damit auseinanderzusetzen.

Denn zum einen muss man sagen, wenn es keine Zweistatenregelung gibt, was haben wir dann?

Dann haben wir eine Einstaaten-Realität unter israelischer Kontrolle

in der Palästinenserinnen und Palästinenser nicht die gleichen Rechte haben.

Die Besetzung dominiert den Alltag der Palästinenserinnen und Palästinenser.

Und es wird offen über eine Anektion von Teilen des Festjordanlandes geredet.

Gibt es denn auch andere Alternativen, die diskutiert werden?

Andere Alternativen gibt es tatsächlich.

Die haben nur bisher nicht so große Popularität, wie man sich das vielleicht wünschen würde.

Also eine Option ist ein demokratischer binationaler Staat.

Das heißt, es wäre ein gemischt jüdisch-palästinensischer Staat.

Der wäre demokratisch insikular und würde sich eben nicht durch eine religiöse Identität definieren.

Minderheiten wären geschützt.

Allerdings steht diese Idee tatsächlich im Widerspruch zur wirkmächtigen Idee des Nationalismus,

den ja die Palästinenser anstreben und der einfach sehr, sehr wichtig eben für den jüdischen Staat auch ist.

Daneben gibt es aber auch andere Ideen, beispielsweise Konfiderationsmodelle.

Die würden darauf beruhen, dass es zwei unabhängige Staaten gibt, die dann offene Grenzen zueinander hätten.

Und politische Rechte würden die jeweiligen Gruppen nur in ihrem eigenen Staat genießen,

also Palästinenser in Palästin, Juden in Israel.

Und diese beiden Staaten könnten dann eine gemeinsame politische und ökonomische Union

miteinander eingehen und auch teilweise gemeinsame Institutionen etablieren.

Der Vorteil daran wäre tatsächlich, man bräuchte keine Teilung

und man könnte beiden Seiten einen ungenannten Zugang zu heiligen Städten gewähren,

diese ja teilweise gemeinsam eben auch beanspruchen.

Und die Siedlung müssten in einer solchen Konstellation nicht evakuiert werden.

Aber die Zustimmung zu solchen Modellen liegt in den beiden Bevölkerungen aktuell bei um die 20 Prozent.

Das ist also nicht gerade hoch.

Und bei den politischen Akteuren, den Relevanten auf beiden Seiten,

gibt es solche, die diese Lösung unterstützen würden?

In nur sehr geringem Maß.

Also Avraham Burg, der ehemalige Sprecher, der Knesset,

der im linken politischen Spektrum im Israel zu verordnete, der wäre ein solcher Befürworter.

Aber auch in den politischen Führungen würde ich sagen,

wenn eine friedliche Ausgleichslösung befürwortet wird,

das ist ja auf beiden Seiten nicht überall durch die Bank der Fall,

dann ist es nach wie vor die zwei Staatenregelung, die da im Vordergrund steht.

Sie haben die Bevölkerung angesprochen,

wie sieht denn die Zustimmung zu einer zwei Staatenlösung in der Bevölkerung aus?

Da ist es tatsächlich interessant, dass wir das sehr stark spiegeln können.

Das ist nahezu identisch in den letzten 20 Jahren gewesen.

Also wir hatten lange Zeit in den letzten Jahren

immer gerade so eine knappe Mehrheit von knapp über 50 Prozent bei den Israelis

und auch bei den Palästinensern.

Allerdings müssen wir aktuell beobachten,

dass wir bei knapp über 30 Prozent Zustimmung zu zwei Staatenregelungen nur noch sind

und dass die Zustimmung zu Einstaatenmodellen,

in denen die jeweils eigene Bevölkerungsgruppe mehr Privilegien und Rechte haben soll,

als die andere auf beiden Seiten zugenommen hat.

Und das scheint mir besorgniserregend,

weil das ja auch bedeutet, dass die Idee von gleichen Rechten und Demokratie

da in Frage gestellt werden.

Schauen wir noch in den Gaserstreifen, was ist dort denkbar?

Die Israelis, die sagen ja klar, dass sie die Herrschaft der Hamas dort beenden wollen.

Was dann, was gibt es dann für Überlegungen für den Gaserstreifen?

Also es gibt verschiedene, ich würde aber auch sagen,

ein zentrales Problem ist, dass die israelische, politische und militärische Führung

sich da noch nicht ganz drüber im Klaren ist.

Also eine Option ist natürlich die Wiederbesetzung des Gaserstreifens.

Das würde extrem viele Ressourcenkosten auf israelischer Seite

und würde natürlich auch massiven Widerstand auf palästinensischer Seite darauf beschwören.

Das ist also nicht unbedingt im israelischen Interesse.

Eine andere Option wäre, dass die palästinensische Autonomiebehörde,

die aktuell das Westjordanland mehr oder weniger regiert, dort die Macht übernehmen könnte.

Aber dafür hat sie eigentlich auch nicht ausreichend Legitimität.

Dann könnte man sich eine Konstellation vorstellen von,

ich sag mal, lokalen Warlords in Gaserstreifen, mit denen man dann individuell kooperiert.

Und die schlimmste Option wäre natürlich ein absolutes Vakuum und Chaos,

in dem dann der Terror aufs Neue gedeihen kann.

Eine fünfte Option, die für äußerst unwahrscheinlich halt werden,

internationale Friedenstruppen.

Aber das heißt, die Optionen, die da auf dem Tisch liegen,

sehen alle nicht sehr gut aus tatsächlich.

Der Politologe Jan Busse von der Bundeswehr-Universität München.

Der Versuch von Donald Trump, das Wahlresultat von 2020 umzustoßen.

Der Sturm aus Kapitol.

Der Vertrauensverlust der US-amerikaner Amerikanerinnen in ihrer Institutionen.

Oder das derzeitige Chaos im US-abgeordneten Haus.

Die Demokratie in den USA steht unter Druck.

Der Politologe Steven Lewicki von der Harvard-Universität

ist Co-Autor des Buches Wie Demokratien sterben.

Der Bestseller erschien bereits vor gut vier Jahren und war eine Art Warnung.

Wie stark gefährdet ist die US-Demokratie?

USA-Korrespondent Andrea Christen hat mit Steven Lewicki gesprochen.

Steven Lewicki ist Experte dafür, wie Demokratien weltweit kollabieren können.

Er ist spezialisiert auf Lateinamerika, aber jetzt beobachtet er diese Prozesse

auch zu Hause in den USA.

Die Lähmung von demokratischen Institutionen zum Beispiel,

so wie jetzt im Abgeordnetenhaus.

Es sind Republikaner am rechten Rand, die dort Blockaden und Chaos verursachen.

Sie waren auch am Versuch beteiligt,

die Präsidentschaftswahl von 2020 umzustoßen.

Die Partei habe sich in großen Teilen von der Demokratie abgewendet.

Antidemokratische Kräfte würden geduldet, weit über den Trump-Flügel hinaus.

Eine Partei, die sich zur Demokratie bekennt, muss drei Dinge erfüllen.

Sie muss Wahlresultate akzeptieren, sie muss politische Gewalt eindeutig verurteilen

und sie muss sich von antidemokratischen Kräften los sagen.

Seit 2020 erfüllt die republikanische Partei diese Kriterien nicht mehr.

Demokratien kollabieren, wenn ein großer Teil einer großen Partei

mit der links- oder mit der rechts, mit antidemokratischen Extremisten kooperiert.

Sie schützt oder toleriert.

Und das passiert in der republikanischen Partei.

Das ist das, was heute passiert.

Ein Trump-Verbündeter wurde bei neue Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses, Jim Jordan.

Rund zwei Dutzend Republikanerinnen und Republikaner verweigerten ihm die Stimme.

Ein Hinweis darauf, dass es noch Abgeordnete gibt,

die sich wenigstens zeitweise gegen den rechten Flügel stellen.

Doch Donald Trump ist auf gutem Weg, wieder Präsidentschaftskandidat zu werden.

Und er würde in einer zweiten Amtszeit noch stärker versuchen,

die USA in eine autoritäre Richtung zu lenken, vermutet Steven Lewicki.

Die USA wird nicht wie Russland, wohl auch nicht zu einer milderen Autokratie, wie Ungarn.

Die Kräfte, die die Demokratie schützen, sind zu stark.

Aber wir könnten in eine Zeit der Instabilität abrutschen.

Wir werden weiterhin solche institutionelle Krisen sehen,

im schlimmsten Fall auch kurze Phasen einer milden Autokratie.

Vielleicht wird sogar ein bisschen mehr Zeit,

wenn wir uns in einer solchen Situation in Deutschland,

in einer solchen Situation in Russland, in einer solchen Situation,

in einer Autokratie, vielleicht wird sogar ein demokratisches Wahlresultat umgestoßen.

Vielleicht gibt es mehr politische Gewalt.

Aber nur, weil wir nicht wie Russland werden,

heißt das nicht, dass es nicht sehr schlimm werden kann.

Es wird nur eher keine Autokratie sein, sondern eine große Instabilität.

Also, dass wir nicht gegen Putin in Russland gehen,

das bedeutet, dass wir nicht gegen etwas sehr schlecht gehen.

Ich denke, es ist eher möglich, dass es sehr unstable ist,

dann ist es autoprätisch.

In der kleinen Kongresskammer sind vielfach 60 von 100 Stimmen nötig,

um einen Entscheid zu fällen.

Eine Minderheit kann Gesetze blockieren.

Wir haben eine Konstitution, die in dem 18. Jahrhundert verwendet wurde,

die relativ wenig verändert wurde.

Unsere Verfassung wurde im 18. Jahrhundert geschaffen.

Sie hat sich seither nur wenig verändert.

Damals fürchteten sich die Eliten vor den Volksmassen.

Es wurden viele Sicherungen eingebaut, um die Volksmehrheit zurückzubinden.

In den letzten 200 Jahren wurden diese Sicherungen vielerorts,

vor allem in Europa, zurückgebaut.

Diese Verfassungen wurden demokratischer.

Die USA hat das nur teilweise getan.

In den letzten 50 Jahren gab es gar keine Reformen mehr.

Wir sind im Rückstand.

Wir sind jetzt die Demokratie,

die die Mehrheit bei Weiten am stärksten zurückbindet.

Wir fallen hinterher.

Wir sind jetzt die größte und größte Demokratie in der Welt.

Andrea Christen.

Das war es vom heutigen Echo der Zeit mit der Reaktionsschluss um 18.07.

Verantwortlich für die Sendung war Markus Hofmann

für die Nachrichten Jan Fontobel

am Mikrofon zum letzten Mal im Echo der Zeit Simon Holliger.

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Vor zwei Wochen griff die Hamas aus dem Gazastreifen Israel an: Mehr als 1300 Israelis wurden getötet, rund 200 entführt. Israel reagierte mit der Bombardierung des Gazastreifens und riegelte ihn ab. Heute sind erste Hilfsgüter via Ägypten nach Gaza gelangt. Doch den Menschen im Gazastreifen fehlt es weiterhin an fast allem.

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