Input: Freundschaft im Erwachsenenalter - wie finde ich Gleichgesinnte?

Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) 8/30/23 - 29m - PDF Transcript

Freunden fürs Leben.

Die finden wir im Kindsky, in der Schule oder im Studium.

Nachher ist der Alltag bis oben voll mit Arbeit,

mit Familien und Verpflichtungen.

Man lernt vielleicht jemanden kennen, versteht sich gut

und dann nach einer Zeit,

fremden Kontakt langsam wieder aus.

Bach kann.

Oder sind das nur Ausreden?

Werden wir irgendetwas zu tun?

Sind das nur Ausreden?

Werden wir irgendeine einfach zu eigensinnig,

um uns auf andere Menschen einzulassen?

Diese Fragen beschäftigen mich.

Darum will ich in dieser Sendung herausfinden,

wie das es doch gelingen kann, mit den Freundschaften zu schliessen,

wenn man erwachsen ist.

Ich rede mit Leuten, die Freundschaften suchen

und zum Teil auch schon gefunden haben.

Mein Name ist Anna Kreidler

und ich werde komplett aufgeschmissen,

wenn ich mich jetzt mit Ende 20 auf die Suche nach neuen Freundschaften mache.

In Punkt.

Diese Freundinne, die ich habe, kenne ich nämlich schon lange.

Viele davon schon seit meiner Kindheit.

Ich bin ihm im Geburtsort Brock, am Jugendfest.

Ein Fest, das die Sommerferien einlütet,

die die Kinder mit Blumen und Haselrouten durch die Altstadt ziehen

und man sich am Abend auf der Kielbei

und später beim Feuerwerk trifft.

Kitschig, ich weiss.

Normalerweise bin ich überhaupt nicht zuhause für Dorffest,

aber es gibt einen Grund, warum ich jedes Jahr zurückpilge.

Hier treffe ich die Menschen an, die mit mir aufgewachsen sind

und mir seit ich denken kann, befreundet sind.

Die Art von Freunden, die man monatelang oder jahrelang nicht sieht

und dann, sobald man Augenkontakt hat, ist alles wieder hier.

Man muss sich nicht bemühen.

Es war als wärmer nie die Trend.

Ich treffe mich mit meinen zwei besten Kindheitsfreunden,

Yolanda und Valeria.

Ich war froh, wie wir das damals vor über 20 Jahren gemacht haben

mit dem Anfreunden.

Ich nehme an, ich bin wahrscheinlich so bei dir Kogoläuten

und sage Hallo, komm raus, wer bist du?

Ich weiss es schon noch.

Es ist eine lustige Story.

Wir sind ein bisschen später ins Quartier zügelt.

Wir haben das am Anfang gar nicht gerne gehabt.

Der Respektive, ich hatte dich nicht gerne.

Ich bin auch ein Jahr älter.

Du bist mir immer nachher gelaufen, aufs Schritt und dritt.

Ich habe mich nervt, dass du meinen Namen nicht richtig aussprechen konntest.

Aber wir waren wirklich unmittelbare Nachbüren.

Irgendwie haben wir uns nicht entkommen, keine Ahnung.

So ist die Freundschaft halt gleich entstanden.

Man hasst sich zuerst und gibt es Liebe daraus.

Das ist eine klassikere Sättung, eine Story.

Die Yolanda, oder wenn ich als Kind fälschlicherweise gesagt habe,

in Yolanda, die Valeria und ich haben uns in unseren ersten 10 Lebensjahren

wirklich fast jeden Tag gewesen.

In der Schule am gleichen Bank, nach der Schule im Quartier zum Spielen

und in den Ferien draussen im Wald.

Und auch wenn wir wirklich eng waren miteinander,

wir hatten es nicht nur gut.

Ich glaube, man wächst immer durchs Schritt und dritt.

Vor allem im Kindesalter.

Wie geht man damit um, wenn du mich damals dort ...

Weisst du, das trage ich dir immer noch an,

wenn du mich nicht kommen kannst, für die Schule abholen.

Dann habe ich wirklich in meinem Tagebuch auch geschrieben,

dass ich die mit Annahme nie wieder frieden mache.

Aber eben so wächst man.

Ich habe ihn dann doch drei Tage später vergeben.

Ich glaube, das gehört zum Leben und ist mega wichtig.

Die Valeria, die ihr gerade gehört habt, spielt heute von Gott

und die Orchester, die Holandaschaft bei der Polizei.

Und ich bin Journalistin.

Wir haben uns also in sehr unterschiedlichen Richtigen entwickelt.

Und wenn wir uns jetzt als Erwachsene kennenlernen würden,

ich wusste nicht, ob dann auch so eine tiefe Freundschaft entstehen könnte.

Wenn es nur immer so einfach wäre, wie es damals noch war.

Bei mir ist zumindest irgendeine ständige Zeitpunkt gekommen,

wo es mir nicht so leicht gefallen ist, auf andere zuzugehen.

Es ergibt sich einfach nicht so wie früher.

Ich habe zum Glück einen guten, engen Freundeskreis.

Aber wenn ich jetzt die neuen Freundschaften suchen müsste,

ich wüsste nicht mal, wo anfangen.

Dass das auch für andere ein Problem ist, sagt mir Lisa Wagner.

Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Zürich

und beschäftigt sich unter anderem mit dem Thema Freundschaften.

In der Kindheit ist es noch ziemlich einfach.

Da sind wir in der Regel befreundet mit den Kindern,

die neben uns spielen oder mit uns spielen.

Wenn man in eine Kita schaut oder eine Krippe,

sieht man auch schon relativ früh bei einigen Kindern

klare Präferenzen für gewisse Spielpartnerinnen.

Teilweise ab 18 Monaten, wo von außen Betrachten Erwachsene sagen,

hey, das sind Freundinnen oder Freunde.

Aber trotzdem ergibt sich das durch das gemeinsame Spiel

oder am Anfang sogar noch das Nebeneinander spielen.

Auch wenn wir in die Schule kommen,

haben wir das gemeinsame Spiel mit anderen.

Das ist eine Aktivität, die uns verbindet.

Eben wie ich mit Yolanda und Valeria.

Später im Leben läuft das ein bisschen anders.

Da hat man in der Regel nicht mehr diese fixen Kontexte,

die man teilt, diesen Alltag, den man zusammengestaltet,

außer vielleicht mit Arbeitskolleginnen.

Da findet man häufig Freunde als Erwachsener.

Aber je nachdem, wie man arbeitet, wie viele andere Menschen,

haben wir neue Freundschaften als an der Uni oder in der Schule.

Von daher kann man so ein bisschen sagen,

dass über den Lauf des Lebens es mehr Aktives zutun,

von uns braucht, um neue Freunde zu finden.

Weil die uns nicht mehr automatisch in Bereichen uns bewegen,

in denen viele Menschen sind, die unsere Interessen teilen

und die auch neue Freunde suchen.

Ob man eine Freundschaft schlüsst, ist also von zwei Komponenten abhängig.

Raum und Zeit, die man mit anderen Menschen teilt.

Zudem mal kurz ein paar Zahlen.

In einer Studie aus der USA wurde untersucht,

wie viel Zeit man mit Personen verbringt,

damit aus Bekanntschaft Freundschaft kann werden.

Nach etwa 50 Std. hat man den Status

von einer zwangslosen Freundschaft erreicht.

Bei 90 Std. ist man in einer Freundschaft

und erst nach mehr als 200 Std. redet man von einer engen Freundschaft

oder von einer besten Freundinne.

Eigentlich logisch.

200 Std. ist bei Kindern viel schneller zusammen

als bei Erwachsenen, die mit Job-, Familie- oder Care-Arbeit eingespannt sind.

Lisa Wagner sagt, man könne den Zeitpunkt zwar nicht

an einem genauen Alter festmachen, aber wenn man eine eigene Familie gründet

oder die Leute um einen Umfang der Familie gründen,

dann wird es schwieriger.

Ja, also festgestellt habe ich schon, dass sich die Leute

in den letzten Jahren etwas verändert haben,

dass sich die Freundschaften verändert haben,

dass man sie weniger sieht.

Ihr habt gerade die Yasmin gehört.

Ich sitze mit ihr in einem Kaffee in der Innenstadt von Winterthur.

Sie ist 47 Jahre alt, in einer Partnerschaft

und hat zwei, drei gute Kolleginnen,

aber richtig tiefe Freundschaften.

Sie suchen sie seit Langem.

Einer, der ...

Ich kann nicht, wie ich bin,

der mir auch sagen kann, was er von mir hält,

der so ehrlich ist und auch mal sagt,

du hast aber einen Quatsch gemacht.

Ich finde, das ist nicht so toll.

Man kann direkt sein.

Ich muss lernen, dass man das auch nicht, aber auch weiss,

dass man sich wieder miteinander versöhnen kann.

Sie schliesst zwar neue Bekanntschaften, aber keine vertäuft sich.

Und dann lösen sie sich auch wieder in die Luft auf.

Das kann ja auch sein.

Vielleicht kennt er das ja auch, dass sich Beziehungen

irgendwann einfach ausfrahren.

Oder dass man sich weiterentwickelt

und die Person dann nicht ins Leben passt oder umgekehrt.

Dass man selber nicht in ihr passt.

Aber wenn das immer wieder passiert,

kann das an die eigene Substanz gehen.

Oh ja, also Selbstzweifel, die kenne ich leider sehr gut.

Die begleitet mich schon das ganze Leben.

Ich finde, sie sind manchmal aber auch sehr wertvoll.

Weil ...

Wenn man sie nicht hat, lernt man sich auch nicht kennen

oder man reflektiert nicht.

Man weiss ja selber nicht, wie man überkommt.

Wie man ...

Wie man gehört wird, wie man wirkt.

Wie Mimik gestiegen ist ...

Ich konnte mal in Form einer Bewerbungscoaching ...

Wir haben uns für das gefilmt,

um zu schauen, wie ich eigentlich bei einem Gespräch über eine ...

Woher schaue ich, wie meine Mimik ist?

Und ich bin verschrocken.

Das war mir gar nicht bewusst,

dass ich sich so unruhig um einen anderen schaue

oder sonst irgendwie mich so bewegen.

Wenn ich klinge,

habe ich das Gefühl, dass ich wirklich ganz anders bin.

Selbstzweifel ...

Ja, die kommen immer wieder an.

Selbstwohnnämung und fremdwohnnämung.

Das ist halt so eine Sache.

Ich nehme Yasmin zum Beispiel überhaupt nicht als unruhig wahr.

Nicht dunkel, sie ist sehr präsent.

Sie lässt genau an, wenn ich etwas frage

und nimmt sich Zeit für ihre Antworten.

Trotz ihrer Selbstzweifel sucht sie weiter nach Freundschaften,

auch auf einer Online-Plattform.

Ich musste einen kleinen Text schreiben.

Ich habe gesagt, dass ich an Kontakt für bereichernde Gespräche

interessiere,

für einen literarischen Austausch, für Bewegungen in der Natur,

zum Tanzen gehen, kulturell und anders.

Und dass ich offen bin für vieles.

Und Yasmin musste einfach seine Interessen nachkriegen.

Es ist auch so, wenn ein paar Punkte, die übereinsteigen,

dann kriegt man eine E-Mail.

Bis jetzt hat das nicht so oft gestummelt,

viel klickt nach Wanderen an.

Dann komme ich nach,

aber der Rest stimmt überhaupt nicht oder so.

Aber ich finde es trotzdem ganz toll, dass es so funktioniert.

Ein bisschen Überwindung hat Yasmin schon gekostet,

um sich auf den Portal anzumelden.

Es sei ähnlich wie beim Daten.

Einfach ohne Romantik.

Und auch hier, Yasmin findet nette Leute,

die vielleicht zu Kolleginnen werden.

Aber von diesen Kontakten, bezeichnet sie bis jetzt,

niemand als Freund oder Freundin.

Ich habe mir in den Erfahrungen gemacht,

dass die Leute wie eine andere Vorstellung haben

von diesem Austausch irgendwie ...

Ich finde das ein bisschen unschön.

Es meldet sich noch gar nicht mehr.

Man trifft sich einmal, dann hört man einfach nichts mehr.

Ich habe auch schon jemanden geschrieben, vielen Dank für die Austausche.

Ich hatte das Gefühl, ein Match nicht so.

Wir bewegen uns hier nicht ganz in der gleichen Kreise.

Aber es war trotzdem sehr interessant.

Ich danke dir dafür, dass alles gut ist.

Ich habe nie etwas gehört, nicht einmal auf das zu sein.

Das muss ich akzeptieren.

Das ist gar nicht gefragt.

Es ist wie nicht gewünscht, dass man das macht.

Aber ich würde es irgendwie an Wiener schätzen.

Aber vielleicht traut sich die Eintel entdeckt.

Ja, es war nicht so richtig.

Man braucht ja schon eine Überwindung,

sich auf die Jahre kennenlernen.

Wenn ich ganz ehrlich bin,

ich würde auch lieber in der Öffentlichkeit durch einen Kurs,

durch eine Arbeit oder so Menschen kennenlernen.

Das wäre mir irgendwie auch lieber, aber es ist nicht so einfach.

Früher, vor so 20 Jahren,

sagte ich das noch anders.

Dort gab sich die Beziehungen für sie einfach.

Sie war Teil eines kleinen, engen Freundeskreises.

Wir waren fast in der Präge von Sechsente City.

Von diesen vier Tafeln.

Frauen, sehr unterschiedlichen Frauen.

Wir haben das sehr spannend gefunden,

wie sie miteinander ausgekommen sind, zusammengegeben haben,

obwohl sie sehr unterschiedlich waren.

Wir hatten das auch ein bisschen.

Irgendwann ist es so verloren gegangen,

sicher auch, weil die Kinder überkommen haben

oder sich mehr auf die Karriere konzentriert haben.

Ich sage mir, es wird umso schöner,

wenn wir das wieder etwas füllen können.

Ich sehe, dass wir bei anderen.

Mir fehlt das ein bisschen.

Ein paar von euch vertreten jetzt vermutlich die Augen

und denken sich toll, es sei die Hollywood-Serie

als Vorbild für Freundschaften.

Ich verstehe euch. Zu diesem Punkt kommen wir gleich.

Moment noch.

Ich habe diese Serie auch geschaut

und ich glaube, ich weiss,

welches gefühlt ihr hier beschreibt.

Ich habe die ganze Loyalität der vier Hauptfiguren gesehen

und wie sie zusammen höchst und tief erleben.

Ich vermute, es könnte die Geborgenheit sein.

Aber eben, ist das nicht einfach nur Fiktion?

Das ist richtig.

Man darf das Fernsehen auf keinen Fall zu ernst nehmen.

Und doch hat es manchmal einen gewissen Input

oder etwas, das man rauszuholen kann.

Ich habe einfach gemerkt, dass diese Serien ...

Es gibt viele von ihnen, die auf diesem basieren.

Es ist wahrscheinlich wie ein heimlicher Wunsch von vielen,

dass sie das auch haben.

Mir fällt es auf, dass gerade so viele meine Bücher,

viele Frauen, sehr enge Freunde haben, wie Schwesteren.

Ich frage mich immer, wie viele haben das wirklich?

Ist das nur ein Wunsch von vielen oder gibt es das?

Das ist ein Gedanke, das mich schon länger beschäftigt.

Was braucht es, dass man feige ist,

um so tiefe Freundschaften zu führen?

Der heimliche Wunsch nach tiefen, bedingungslosen Freundschaften.

Gibt es denn die überhaupt?

Lisa Wagner von der Uni Zürich bestätigt mir,

dass die Freundschaften für uns ein soziales Grundbedürfnis sind.

Was wir von einer Freundschaft erwarten,

das verändert sich aber, wenn wir älter werden.

Dass wir als Kinder vielleicht jemand erwarten,

der spielt und ab und zu seine Spielsachen teilt

oder als Jugendlicher jemandem zuhört

oder mit denen man lustige Sachen machen kann.

Und dass unsere Erwartungen an die Tiefe unserer Gespräche

oder die Übereinstimmung unserer Überzeugungen,

dass die stärker werden und dass wir da vielleicht bei vielen Menschen

gar nicht mehr erst so genau ins Gespräch kommen,

um rauszufinden, wo man vielleicht die Beeinstimmungspunkte hätte.

So dass man von vornherein vielleicht mehr selektiert

oder denkt, die kommen überhaupt nicht in Frage für eine Freundschaft.

Wenn man gewisse Unterschiede wahrnimmt.

Ich glaube, das kann man schon so sagen.

Dass man sich vielleicht mit jemandem trifft, sich am anfreunden ist

und die Person dann etwas sagt,

das nicht mit der eigenen politischen Meinung konform ist,

werden wir mit dem Alter zu eigen,

um Freunde und Freundinnen zu finden.

Oder gehen wir uns vielleicht auch zu wenig Raum für Fehler,

für Riebungen mit dem Gegenüber?

Ja, das glaube ich schon.

Man weiss aus der Forschung,

dass gewisse Ähnlichkeiten dazu beitragen,

dass die Freundschaften eine höhere Qualität haben.

Aber das heißt natürlich nicht,

dass die in allen Bereichen und immer sein müssen.

Gewisse Überschneidungspunkte braucht man wahrscheinlich,

um auf einen gemeinsamen Nenner zu haben.

Aber gleichzeitig kann natürlich auch Unterschiedlichkeit

oder unterschiedliche Ansichten dazu beitragen,

dass Freundschaften eine andere Funktion erfüllen können,

nämlich vielleicht auch uns in Frage zu stellen oder zu überlegen,

wieso vertrete ich eigentlich diese Ansicht?

Manchmal kann das auch Wohltun sein,

mit jemandem zu diskutieren, der eine ganz andere Ansicht hat.

Dann kommt noch dazu, dass unsere Gesellschaft nicht so aufbaut ist,

dass man immer wachsender Alter

wahnsinnig viele neue Leute begegnet.

Ich glaube, es gibt nicht so viele Anlässe,

wie es jetzt im Jugendalter gibt, wo man einfach an den Ort kommt.

Und da sind viele Menschen, die man noch nicht kennt.

Und man ist da auch ohne viele Menschen,

die man selber schon kennt.

Das ist einfach ...

Gesellschaftlich vielleicht auch weniger gefördert wird

oder was in der Gesellschaft weniger vorgesehen wird,

dass man in dem Alter viele neue, oder in der Lebensphase,

viele neue Beziehungen knüpft eben.

Weil es für viele Menschen so ist, dass sie halt ausgelastet sind

mit denen, die sie haben, aber natürlich nicht für alle.

Und für die macht es dann besonders schwierig.

Bis jetzt haben wir gehört,

was Freundschaften schliessen, immer wachsender Alter schwierig machen kann,

wo die Knackpunkte sind im Leben.

Wie z.B. nach dem Studium,

wenn man seine Studienkollegern nicht so oft sieht,

oder nach der Familiengründung.

Wenn das Leben so voll ist, dass es einfach keinen Platz für jemanden gibt.

Umso schwieriger, wenn man von einem anderen Ort in die Schweiz kommt

und hier neue Freunde und Freundinnen finden will.

Oder?

Hätte ich auch gedacht, muss aber nicht unbedingt sein.

Ich bin in der Schweiz fast drei Jahre.

Seit August 2020.

Ich bin zu einer Schweizerin verreiratet.

Darum bin ich hier.

Und ich probiere, hier mein Leben zu bauen.

Das ist Jaron, 30 Jahre alt und ursprünglich aus Israel.

Wir treffen uns am Nachmittag auf den grossen Schanzen in Bern

und hocken das Gras im Schatten eines grossen Baumes.

Jaron ist für die Liebe nach Bern gekommen

und jetzt sucht er Freundschaften.

Ich denke, man muss die ersten Schritte machen.

Hier, wirklich hier in der Schweiz,

deine Nachbarn wurden nicht auf deine Dock knopfen und sagen,

hey, wir machen Schabbat-Dinner.

Ich habe gesehen, du machst es alleine, kommst mit.

Oder ich habe gesehen, es ist, keine Ahnung, 1. August.

Wir machen etwas hier in unserer Gebäude.

Wahrscheinlich nicht, das ist einfach nicht der Kultur.

Um mehr zu sein, ich liebe es.

Ich gefiel, dass hier jeder sein Raum für sich hat.

Und ihn halten das auch nicht davon ab, auf die Leute zuzugehen.

Im Prinzip sage ich es ganz einfach, sagt er mir.

Wir müssen einfach das machen, was einem selber Freude macht.

Dann treffen wir automatisch Leute, die die gleichen Interessen haben.

Sind die Tipps, sich an einem Verein anschliessen?

Schach,

Danzen, Pilze,

Velo.

Es ist wirklich egal.

Solange es ein Hobby ist, es gibt ein Club drauf.

Das finde ich mega.

Und dort verwickelt man dann einfach jemand ins Gespräch.

Auf diese Art hat er auch schon mal einen Kollegen auf der Ski-Piste gefunden.

Er war auch alleine, er hatte eine sehr coole 80er-Jahre-Skianzug.

Und ich habe ihn einfach gesagt, hey, coole Jacke.

Seither haben sie sich ein paar Mal getroffen.

Sie gehen zusammen und wagen.

Und das passt für den Jahr und super so.

Er hat in der Schweiz schon ein paar Leute gefunden,

die mit ihm Sachen unternehmen.

Die gehen mit ihm wagen, gehen Skifahren oder in die Berge übernachten.

Nur, manchmal lenkt das alleine, dann eben nicht.

Um ehrlich zu sein, wenn brauche ich wirklich

etwas auf dem Seele, etwas mehr Tiefe,

ich habe noch sehr enge Beziehungen mit den alten Freunden von Israel.

Sehr einfach, WhatsApp-Call, Video, kein Video,

eine Stunde, eineinhalb Stunden.

Hey, ich habe ein Problem, da und da,

vielleicht kannst du einfach mich zuhören.

Und das ist auch sehr, sehr, sehr gut.

Ich habe noch diese enge Beziehungen.

Ich probiere, einmal, zweimal nach Israel zu gehen, vor einigen Tagen.

Und das ist genug, die enge Kollegen High Five zu geben.

Sich jemandem anvertrauen und sich ausduschen,

wie das der Jaron beschreibt,

sage ich eine der Funktionen, die Freundschaften für uns übernehmen können.

Das ist mir die Expertin von dieser Sendung, Lisa Wagner.

Insgesamt gibt es nämlich drei.

Intimität, sich jemandem anvertrauen und sich ausduschen.

Loyalität, jemandem, dem man zählen kann,

dem man sich immer melden kann.

Und die dritte Funktion ist Spass.

Wie zum Beispiel ein gemeinsames Hobby.

Bevor man sich Freundinnen sucht, kann man sich überlegen,

welche von diesen Funktionen man in seinem Leben braucht.

Wichtig ist, dass ein Freund oder eine Freundin

nicht alle Kategorien erfüllen muss.

Aber sie dürfen natürlich.

Fassen wir mal zusammen, was es braucht,

damit wir eine Freundschaft aufbauen können.

Ein gemeinsames Umfeld wird die Uni, den Arbeitsplatz oder einen Verein.

Zeit. Das höre ich immer wieder.

Es braucht Zeit, damit sich eine Freundschaft entwickeln kann.

Und eine gewisse Offenheit.

Nicht gerade zu machen, wenn es mal Reibungen geht mit dem Gegenüber.

Wenn ihr beim Zulassen denkt, alles schön und gut mit diesen Tipps,

aber ich bin eher introvertiert und bei mir scheitert es schon,

dass ich mich nicht mal trauen, die Leute anzusprechen,

geschweigen, ein ganzes Gespräch zu führen.

Mir geht es ähnlich und ich kann euch nicht vergessen.

Wir gehen noch mal zurück zu Lisa Wagner. Sie hat noch einen Tipp auf Lager.

Sie sagt nämlich ...

Was würde jetzt eine Person tun, vielleicht jemanden, den ich kenne,

die sehr extravertiert ist?

Wie würde die sich jetzt verhalten?

Man kann das sozusagen spielen und so tun,

als wäre man genau so extravertiert und schauen, was passiert.

Da gibt es auch einige Studien, die das angeschaut haben

und sozusagen die Fragestellung untersucht haben.

Ob man sich wohler fühlt, wenn man sich so verhält,

wie die eigene Persönlichkeit ist in dem Bereich,

wenn man eher extravertiert oder introvertiert ist.

Die haben interessanterweise gefunden,

dass alle Personen sich besser fühlen,

wenn sie sich extravertiert verhalten, auch sollte die introvertiert sind.

Das heißt natürlich überhaupt nicht, dass introvertiert sein falsch ist

oder dass damit irgendwas nicht in Ordnung ist,

sondern das heißt einfach nur,

dass wir alle, auch introvertierte Personen,

alle Verhaltensweisen in unserem Spektrum haben,

in dem, was wir zeigen können, auch extravertierte Verhaltensweisen,

sind auch einfach auf jemanden wildfremdes Zugehen,

um mit der Person ein Gespräch anfangen

und sich nicht zu viel Gedanken drüber zu machen,

wenn das nicht so gut gelaufen ist und mit der nächsten Person zu reden.

Oder einfach lauter zu lachen oder ein bisschen sichtbarer zu sein.

All das haben wir in unserem Verhaltensreperator,

auch wenn wir es nicht ständig zeigen.

Und wir können uns sozusagen daran erinnern,

wann wir uns mal so verhalten haben und das einfach mal mehr machen.

Mit der Idee, dass wenn man sich so verhält,

dass man dann leicht ins Gespräch kommt,

mit dem man leichter Kontakte knüpft

und daraus vielleicht auch irgendwann Freundschaften werden.

Seine extravertierte Seite für den Hollen,

das hat auch Jasmine lernen müssen,

geschafft hat sie es dann über ihr Hobby, über das Schreiben.

Sie hat sich traut, ihrer Leidenschaft nachzugehen

und hat mehrere Science-Fiction-Romänen veröffentlicht.

Durch das Schreiben klarkommt natürlich bei mir als introvertierte

wieder mehr zum Vorschein,

aber ich muss auch den Mut aufbringen,

da ich publiziere, um zu sagen,

jetzt muss ich mit dem aussehen und sagen, wer ich bin.

Und dazu stehen, was ich hier geschrieben habe

und was ich mache.

Und das braucht sicher ein bisschen Mut.

Je mehr man das macht, umso mehr kommt man zu sich selber

und lernt es selbst kennen.

Ich glaube schon auch, das macht mich wie mehr Mut auch.

Und das verändert mich, dass ich in Bezug auf Freundschaften

besser auf Menschen zugehen kann.

Wenn ich mich verinnerliche, dass ich etwas erreicht habe,

dann kannst du zu dem stehen.

Das hätte ich jetzt geprägt.

Es ist wie ein neues Ich, der hier entsteht.

Und durch das neue Ich kann ich vielleicht auch die Menschen

neu kennenlernen, die zu mir passen.

Und wo man sich auch gegenseitig inspirieren und bereichern kann.

Und der letzte und vielleicht fast wichtigste Tipp

kommt von Jasmine.

Es ist wichtig, auch wenn man sich zweifelt,

dass man sich selbst probiert, sich nicht zu verkrampfen.

Ich glaube, man muss sich einfach selber loslassen.

Und wenn es wirklich gegenseitig ist,

das bete ich, das Bedürfnis zu haben,

dann muss man auch gar nicht gross darüber diskutieren.

Dann gibt es das einfach.

Ich glaube, so Freundschaften muss man wie den Mut

und vielleicht auch selbst vertrauen haben,

um sie einfach zu passen, zu blühen und nicht so fest zu probieren.

Jetzt muss ich hier etwas Wasser geben, schneiden und wachs, wachs, wachs.

Und dann einfach zurückzulehnen und denken, wenn es stimmt, wachs.

Ja, genau.

Ich denke, das ist ein Vertrauen,

das man mit der Zeit mehr lernt,

zu vertrauen in diese Freundschaft

und auch ein bisschen das Schicksal, ob es sich so ergibt oder nicht.

Freunde und Freundinnen finden gut am besten,

wenn es sich einfacher gibt.

Damit das aber passieren kann, muss es recht viel rundherum stimmen.

Man muss genug Zeit mit dieser Person verbringen,

so viel, dass man sich auch mal streiten und wieder versöhnen kann.

Die Faktoren rundherum, den gesellschaftlichen Kontext,

machen es uns aber nicht immer einfach,

um neue Freundschaften einzugehen.

Gerade wenn man in einer Paarbeziehung ist

oder in einer Erfindung,

oder eben wie ich, schon gute Freunde und Freundinnen hat.

Falls ich gleich mal in den Not komme,

kann ich mich immer noch an den Tipp der Lisa Wagner halten,

mich von einer extrovertierten Person inspirieren zu lassen.

Oder einfach von mir selbst,

beziehungsweise von meinem vierjährigen Ich,

der Yolanda nachgestiftet ist.

Ich muss ja nicht gerade bei jemandem gestürmten Leuten

oder ihnen so lange auf den Wecker gehen,

bis sie irgendwann mit mir befreundet sind.

Aber aktiv auf jemanden zugehen,

das will ich zurück in mein Repertoire holen.

Mein Name ist Anna Kreidler,

das ist Input und wir freuen uns,

wenn ihr euch Wünsche und Feedback an Input

an SRF 3.ch schickt.

Input.

In der nächsten Folge spricht Trina Telli mit einer Überlebenden.

Sie hat eine Frau getroffen,

die seit 44 Jahren eine Essstörung hat.

Ich habe Andrea Graf aus St. Gallen getroffen

und ihre Geschichte finde ich aus verschiedenen Gründen eindrücklich.

Einerseits wegen ihrem Alter,

Andrea ist 60.

Und es ist nicht selbstverständlich,

dass sie überhaupt so alt geworden ist.

Sie hat Anorexie, also Magelsucht,

und das ist eine Krankheit, die kann tödlich sein.

Und dann ist es so,

dass ich meistens von jungen Menschen

bzw. von jungen Frauen höre und leise,

wenn es um Essstörungen geht.

Auch Andrea hat mit jungen 16 Jahren eine Essstörung entwickelt

und lebt bis heute

eine ängste, erwachsene Frau damit seit 44 Jahren.

Im Verlauf dieser 44 Jahre

hat sich diese Anorexie einfach gehört,

zu meiner Identität.

Das ist wahrscheinlich auch ein grosses Problem.

Ich habe panische Ängste vor, noch immer,

diese Anorexie zu verlieren,

weil ich das Gefühl habe,

was bin ich ohne Anorexie?

Nur noch ein jämmerliches Nicht.

Und dass, obwohl ich inzwischen

den anderen Teil meiner Identität

aufbauen konnte,

als Schriftstellerin.

Andrea kann nicht mit, aber auch nicht ohne ihre Krankheit.

Sie hat jetzt angemeldet,

was ihre Hilfe beim Überleben ist, zu schreiben.

Andrea erzählt den Input von ihrem Leben,

der seit der Jugendprägt ist, von Essstörungen.

Sie zeigt, was es bedeutet,

als längst erwachsenen Mensch mit einer Krankheit zu leben.

Eine Krankheit, die oft bagatellisiert wird,

auch wenn ihre Folgen noch so schwer sind.

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«Ich suche seit Jahren nach Freunden.» Yasmin ist Mitte Vierzig, in einer Beziehung und hat zwei, drei gute Kolleginnen. Tiefgehende Freundschaften fehlen ihr jedoch, Bekanntschaften lösen sich in Luft auf.

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«Wenn wir erwachsen werden, fällt es uns schwerer, neue Freundschaften zu knüpfen», sagt Expertin Lisa Wagner. Auch, weil sich unsere Erwartungen verändern. Input-Redaktorin Anna Kreidler möchte herausfinden, wie es trotzdem gelingen kann.
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(00:00) Intro
(01:00) Am Brugger Jugendfest mit Freundinnen
(04:00) Mit dem Alter wird es schwieriger, Freundschaften zu knüpfen
(07:05) Yasmin sucht tiefgehende Freundschaften
(13:58) Wie sich unsere Erwartungen verändern
(17:23) Yaron findet leicht neue Bekanntschaften
(21:42) Aber was ist mit den Introvertierten?
(24:48) Einfach locker bleiben – aber wie?
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Hast du Feedback, Fragen oder Wünsche? Wir freuen uns auf deine Nachricht an
input@srf3.ch – und wenn du deinen Freund:innen und Kolleg:innen von uns erzählst.
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Gesprächspartner:innen:
- Yasmin (47)
- Yaron (30)
- Jolanda (30) und Valeria (28)
- Lisa Wagner, wissenschaftliche Mitarbeiterin Universität Zürich
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Team:
- Autorin: Anna Kreidler