11KM: der tagesschau-Podcast: Flucht aus der Ukraine, Flucht vor dem Kriegsdienst

tagesschau tagesschau 5/30/23 - Episode Page - 26m - PDF Transcript

Sie sitzen dann quasi dort im Gebüsch und schlüpfen durch den Stacheldraht und dann

waden sie durch den Fluss, müssen zum Teil schwimmen, Nikolai hängt sich bei Igor unter

und er zieht ihn durch den Fluss und dann waren sie überrascht, weil sofort rumänische

Grenzpolizei da war.

Männer aus der Ukraine, die nicht kämpfen wollen, die ihr Land verlassen wollen, dass

es im Krieg eigentlich nicht vorgesehen.

Aber es gibt sie, die ukrainischen Männer, die deshalb fliehen.

In dieser FKM-Folge hört ihr eine Flucht.

Wir erzählen die Geschichte von zwei Männern, von Nikolai, der aus der Ukraine fliehen will

und die von Igor, der ukrainische Männer über die Grenze nach Rumänien schmuggelt.

Der Reporter Florian Bart von der SWR-Recherche-Unit war dabei.

Er hat diese Flucht an der ukrainisch-romanischen Grenze begleitet.

Ihr hört FKM, der Tagesschau-Podcast, in der ARD-Audiothek und überall Bus-Podcast gibt.

Ein Thema in aller Tiefe.

Mein Name ist Victoria Michalsack und heute ist Dienstag, der 30. Mai.

Wir waren mit Igor unterwegs im ukrainisch-romanischen Grenzgebiet auf rumänischer Seite des Grenzflusses

Thais.

Auf 63 Kilometern trennt dort der Fluss, die Europäische Union von der Ukraine und Igor

ist ursprünglich Ukraine und kommt aus der Region Transkapazien in der Ukraine und kennt

sich dort sehr gut aus, also kennt die Region, kennt den Fluss, kennt Wege durch den Fluss.

Nur um sich es nochmal auf der Karte vorzustellen, Rumänien liegt ja südlich von der Ukraine

und an dieser Südgrenze der Ukraine da sind gerade keine Kampfhandlungen.

Wie sieht es denn da aus in dieser Region, in dem Grenzgebiet?

Also es ist eine sehr, sehr dicht bewaldete Region und entlang dieses Flusses gibt es

einzelne kleine Dörfer, eine größere Stadt und von rumänischer Seite kann man in die

Ukraine schauen.

Also man sieht die andere Seite, es ist sehr nahe, dort sieht man Stacheldraht, ukrainische

Checkpoints und zum Teil ein sehr bergiges Gebiet.

Der Fluss hat eine starke Strömung und dort kann es auch vorkommen, dass man ertrinkt.

Also das ist ein gefährlicher Fluss, aber über den kann man die Grenze überqueren.

Igor, den ihr da begleitet hat, wer ist das?

Igor ist ungefähr Anfang 30, stammt aus der Ukraine.

Man muss sich ein bisschen vorstellen, er ist eigentlich ein kleinkrimineller, der diese

Region sehr gut kennt, hat immer hier und da vereinzelte Geschäfte gemacht und lebt

aber seit Jahren selbst im Ausland.

Also auch schon vor dem Krieg lebte er im europäischen Ausland und wird mittlerweile oft von Angehörigen

kontaktiert, die auch schon Europa leben und sagen, kannst du unseren Söhnen helfen.

Dann geht er zurück und versucht, Routen zu finden, um zum einen die ukrainischen Grenzpolizisten

zu überwisten und zum anderen auch die rumänischen und vor allem selbst nicht erwischt zu werden.

Also ein sehr, wie soll man sagen, ein sehr schlauer Mensch so, also er kann auch Menschen

sehr gut lesen und er kann sich dort einfach schnell verstecken, kommt schnell von H nach

B und denkt, glaub ich, auch sehr vorausschauend und dann doch auch wieder naiv, also es ist

ein bisschen verrückt.

Wie so naiv?

Auf der einen Seite ist er halt sehr, sehr schlauer, versteckt sich auf der rumänischen

Seite vor Grenzpolizisten, versteckt sich vor den Ukrainern vor Grenzpolizisten, auf

der anderen Seite ist er aber auch ein Adrenalin-Junkie, also man macht das nicht, man schmuggelt nicht

Leute durch einen reißenden Grenzfluss, wenn man dieses Abenteuer nicht auch sucht, also

das macht man jetzt nicht nur für Profit, sondern er ist auch ein Mensch der einfach diesen

Kick braucht.

Der Igor hilft also Menschen über diese Grenze zu kommen, von der Ukraine nach Rumänien.

Wen will er denn da rausbringen?

Also Igor selbst wurde von einer Mutter, einer Ukraineren kontaktiert, die den Tschechien

lebt.

Ihr Sohn lebt aber noch in der Ukraine und die Mutter ist schon vor dem Krieg zum Arbeiten

in die EU gegangen und ruft nun Igor an und sagt, ich habe meinen Sohn seit einem Jahr

nicht gesehen, ich mache mir Sorgen, was wird aus ihm, hat geweint und hat ihm quasi angebettelt,

ihr habt einen Sohn zu helfen.

Das ist Igor.

Wir haben seine Stimme verfremdet, weil er nicht erkannt werden will und auch sein Name

ist geändert.

Wer ist dieser Sohn, dem Igor bei der Flucht helfen soll?

Das ist Nikolaj, 23 Jahre alt, der hat selber noch keinen Einberufungsbescheid erhalten,

aber hat natürlich viele Ukrainer Angst, ab irgendeinem Punkt an die Front zu müssen.

Oder zumindest irgendwie kämpfen zu müssen.

Nikolaj ist ein sehr zurückhaltender junger Mann, hat in der Ukraine auf dem Bau gearbeitet

und sagt selbst, er hat dann im letzten Jahr selten das Haus verlassen, ab und zu noch

um zur Arbeit zu gehen, aber war immer vorsichtig, ob man nicht doch auf der Straße eingesammelt

werden kann, um an die Front geschickt zu werden, weiß natürlich in der Ukraine sehr

viel Gerüchte, darüber gibt auch Videos, ob diese Videos zutreffen, die über Telekramkanäne

geteilt werden, dass Männer von der Straße wegrekrutiert werden.

Klar.

Dafür gibt es nicht unbedingt Belege.

Sie sagten mir, dass ich nirgendwo nicht gehe.

Nikolaj hat auch viele Freunde, die sich freiwillig gemeldet haben oder eingezogen wurden, die schicken

einem Videos von verbrannten, verstümmelten Körpern, die schicken Videos, wo sie irgendwo

um Schützengraben sitzen, das knallt und kracht um sie herum.

Natürlich auch viel Videos, wie man so auf Kanälen sieht, auf Facebook und ich glaube,

das ist die pure Angst.

Also zum einen hat Nikolaj natürlich Angst, an die Front zu müssen, zum anderen hat er

noch nur eine Waffe in der Hand gehalten und sagt, er weiß nicht, wie man kämpft und

er glaubt.

Also sagt er es, dass er besser helfen kann, wenn er im Ausland arbeitet.

Also er ist Handwerker, Bauarbeiter, sein Bruder, lebt schon in Tschechien, kann ihm einen Job vermitteln.

Und deswegen glaubt er, es ist für ihn einfacher, das Geld zu senden und damit sein Heimatland zu unterstützen.

Das ist aber keine Option, die in der Ukraine im Kriegszustand vorgesehen ist.

Ukraine ordnet Generalmobilmachung an.

Nach dem russischen Einmarsch rief Präsident Zelenski in einem Dekret

alle Reservisten und Werbpflichtigen im Land zu den Waffen.

Alle, die Waffen bedienen können und sich für die Verteidigung des Landes einsetzen können,

müssen umgehend zu den Sammelpunkten erscheinen.

Schon vor gut einem Jahr hat die Ukraine die Mobilmachung ausgerufen.

Seitdem darf kein Mann zwischen 18 und 60 das Land verlassen, außer in Ausnahmefällen.

Seit Beginn des Angriffskrieges dürfen Männer zwischen 18 und 60 Jahren das Land nicht verlassen.

Es gibt Ausnahmeregelungen, wenn man eine bestimmte Anzahl von Kindern hat, studieren will,

aber grundsätzlich dürfen Männer im werfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren nicht ausreisen.

Ja, das ist jetzt seit Februar 2022, ist das so.

Genau, seitdem das Kriegsrecht quasi verhängt wurde, kann jeder eingezogen werden.

Der Krieg geht schon lang und man braucht auch immer Nachschub, muss man so zu sagen.

Ja klar, also das Bild, das die Ukraine nach außen trägt, ist ja eben ganz viel das von Menschen,

die dort kämpfen, dass die Menschen dort total motiviert sind, ihr Land zu verteidigen.

Aber das gehört natürlich auch zur Wahrheit.

Da gehen junge Männer in den Krieg und die haben natürlich Angst, das ist ja klar.

Also das ist so die Ausgangslage, deswegen will Nikolaj weg und Igor will ihm helfen.

Wie läuft das ab?

Also das ging los, dass Igor quasi im Wald verschwunden ist.

Er schlägt sich durch den Wald und versucht ins Ufer zu kommen.

Er hat uns danach erzählt, er hat sich mehrere Stunden versteckt,

weil da viel rumänische Polizei war, die patrouilliert hat unter Stütz von Frontex.

Dann hat er versucht durch den Fluss zu kommen und auf der anderen Seite wurde er von seinen Freunden,

wie er sagt, die auch für ihn die Grenzregion absuchen nach Soldaten und Nachtsichtgeräten,

eingesammelt und an einen sicheren Ort gebracht.

Weil Ukraine wollen natürlich verhindern, dass Männer fliegen.

Und du, du bist dann im Auto geblieben und hast auf Igor gewartet, oder wie?

Im Endeffekt war es natürlich viel Warten.

Dann haben wir erstmal den Kontakt verloren und waren uns auch nicht so sicher,

ist er eigentlich selber schon festgenommen worden, was ist passiert.

Dann kam die Nachricht.

Wir haben diesen Standort geschickt, genau auf der anderen Seite,

gegenüber auf dem Fluss, auf dem ukrainischen Seite.

Und jetzt die Nachricht, dass sie loslaufen.

Das sind ungefähr 350 Meter von hier bis in die Ukraine.

Okay, also 350 Meter Fluss und Fluss-Ufer waren da nur zwischen euch.

Er hat sich dann gemeldet, dass sie jetzt da im Gebüsch sitzen

und jetzt geht's los und dann ist der Stacheldraht

und dann schlüpfen sie da durch.

Sehr viel Taschennampen gesehen und Hunde haben gebelt.

Ja, also klar, was wäre denn da eigentlich passiert?

Also wenn die da gefasst werden, was droht denen dann

oder was droht dann auch Igor eigentlich dafür, was er da macht?

Also Nikolaj droht quasi illegaler Grenzübertritt

oder der versucht zum illegalen Grenzbetritt,

dass es offiziell in der Ukraine muss man dann quasi wie ein Straftitel bezahlen.

Wenn man sich aktiv den Militärdienst entzieht,

wenn man einen Einberufungsbescheid erhalten hat,

dann kann das schon auch mit einer Haftstrafe bestraft werden,

also bis zu einem Jahr.

Und Igor könnte quasi, wenn man ihm nachweisen kann,

dass er es organisiert macht, dass er da für Geld erhält,

müsste er wahrscheinlich sieben bis neun Jahre ins Gefängnis.

Nimmt er denn Geld dafür von Nikolaj oder von Nikolajs Mutter?

Er behauptet, er macht es nicht für Geld,

sondern er macht es für eine Aufwandsentschädigung.

Und die Aufwandsentschädigung ist auch Geld, oder?

Ja, also in dem Fall, er lebt selber im europäischen Ausland,

mietet dort hin, mietet dann ein Auto, ist dort unterwegs.

Das wird Geld sein, ja.

Das ist immer ein schmaler Grad.

Also wo fängt Schmuggel an und wo ist das Fluchthilfe?

Bei Igor ist das auch ein schmaler Grad.

Also er sagt selbst, er macht es nicht für Profit.

Wenn er es aus einer Geldgier machen würde,

würde er ins Grenzgebiet ziehen und jede Nacht vier bis fünf Männer bieten.

Zurück zur Flucht von Igor und Nikolaj.

Schaffen Sie es denn rüber?

Sie sitzen dann quasi dort im Gebüsch und schlüpfen durch den Stacheltrat

und dann waden sie durch den Fluss, müssen zum Teil schwimmen.

Es kann zum Teil sehr tief sein.

Gerade jetzt im Frühjahr, wenn der Schnee taut im Gebirge,

hat man eine extreme Strömung.

Und Igor kannte aber eine gute Stelle, wo man rüber kann.

Also da, wo sie rüber sind, war die Strömung nicht so stark.

Nikolaj hängt sich bei Igor unter und er zieht ihn durch den Fluss

und dann erreichen sie das Ufer.

Und dann waren sie überrascht, weil sofort rumänische Grenzpolizei da war.

Und Igor will natürlich nicht erwischt werden,

weil er natürlich trotzdem als Schlepper gelten könnte.

Er will auch nicht erkannt werden, wenn er es oft macht.

Er wird mehr als einmal registriert, das könne zu Problemen führen.

Das heißt, Nikolaj geht auf die Polizisten zu, wird mitgenommen.

Also der geht auf die zu?

Genau. Was natürlich alle Ukrainer wissen,

sobald sie die rumänische Seite erreicht haben, ist klar, sie sind der EU.

So, wenn man einmal drüben ist, dann sagen die Rumänen herzlich willkommen,

haben Decken dabei, haben Essen dabei und nehmen sie auf,

bringen sie auf die Polizeischutzung, registrieren sie.

Also, wenn man es einmal geschafft hat, dann ist alles gut.

Wir wussten gar nicht, was passiert ist.

Wir haben ja nur Nikolaj gesehen, wie er abgeführt wurde,

was mit Igor passiert ist, wussten wir zu diesem Zeitpunkt nicht.

Wir dachten, er wurde ja schon in der Ukraine festgenommen, er ist ja ertrunken.

Igor wollte nicht erwischt werden und ist zurückgerannt und ist ins Wasser gesprungen.

Er wollte zurück in die Ukraine schwimmen, auf der ukrainischen Seite.

Es waren natürlich auch schon Polizei und Soldaten,

haben das Ufer mit Taschenlampen abgesucht und dann hat sich Igor treiben lassen im Wasser.

1,5 Kilometer.

Wie gesagt, starke Strömen hat die Strömen unterschätzt.

Und dann ist erstmal kurz Funkstille und wir hören nichts.

Und dann ruft Igor dann total aufgeregt an und sagt, er sitzt durchgefroren,

irgendwo am Ufer, im Gebüsch und versteckt sich,

weil er Angst hat, erwischt zu werden.

Und dann haben wir uns an einem Treffpunkt wieder getroffen

und dann kam er dort an und hat am ganzen Körper geschlottert.

Also wirklich, so was habe ich noch nie gesehen, gezittert,

weil diese Teis offenbar eiskalt war

und er dort über 1 Kilometer mitgerissen wurde

und wäre halt fast zweimal ertrunken, als zweimal Wasser geschluckt

und war einfach am Ende.

Also okay, das war für ihn also auch eine totale Ausnahmesituation

und anscheinend war das auch echt knapp.

Also wie oft hören wir nicht nur von da auch von anderen Grenzflüssen,

dass da Menschen auf genau diese Art und Weise zum Beispiel

in der Unterkühlung auch sterben, genau weil so was?

Das war auch seine Botschaft.

Ein Interview versucht uns so eine Botschaft zu senden.

Also meine Aktion hat gezeigt, wenn man die Region nicht kennt,

soll man das nicht tun, weil es ist eine starke Strömung,

es ist tief, es ist total kalt

und es sterben ja auch immer wieder, wenn er auf der Flucht.

Da frage ich mich schon wieder, wenn er doch angeblich

nur eine Aufwandsentschädigung bekommt.

Also warum tut er sich das an?

Das ist eine gute Frage.

Er sagt Adrenalin und man muss diesen Menschen helfen.

Er sagt, er hat eine eigene Geschichte,

er ist im Weißenhaus aufgewachsen,

er kann es nicht ertragen, wenn diese jungen Männer

von ihrer Familie getrennt sind, von ihren Kindern,

von ihren Müttern, Frauen, den muss man einfach helfen.

Natürlich profitiert Ego davon.

Man macht das nicht und fliegt da alle drei Wochen hin,

nur für den Adrenalinkick.

Das glaube ich persönlich nicht,

aber ich glaube auch nicht, dass er sich jetzt unendlich

auf der Flucht geht.

Also Ego hat es geschafft,

auch wenn es ganz knapp und sehr gefährlich war.

Und Nikolai, der ist ja aufgegriffen worden,

aber er hat es auf die richtige Seite geschafft.

Und Nikolai ist dann in Sicherheit?

Oder wo ist er dann?

Genau, Nikolai wird dann quasi von den Polizisten empfangen genommen,

dann wird er erstmal auf der Polizeistation registriert

und dann wurde Nikolai natürlich anders behandelt

als andere Geflüchtete auf der Station,

weil sie natürlich gesehen haben,

die Polizisten, wie Ego, wieder reingesprungen sind.

Und normalerweise dürfen die Männer ihre Handys behalten

und dürfen ihre Familien kontaktieren.

Und das durfte Nikolai nicht.

In der Zwischenzeit hat der ukrainische Grenzschutz

dann ein Video veröffentlicht, in dem zu sehen ist,

wie Grenzer eine Leiche aus dem Fluss bergen.

Ein 23-jähriger Mann, der offenbar ertrunken ist auf der Flucht,

hat eine schwarze Jogginghose an.

Und auch Nikolai hatte eine schwarze Jogginghose an.

Und dann hat die Mutter angefangen, Ego zu kontaktieren und zu sagen,

ist das mein Sohn, ist mein Sohn tot.

Sag uns die Wahrheit, er ist doch ertrunken.

Und Ego hat immer gesagt, nein, ich habe ja gesehen,

wie er in Empfang genommen wurde von der Polizei,

der muss leben, aber Nikolai war erstmal verschwunden.

Und ihr wusstet auch nicht mehr?

Also ihr wusstet nur, der ist weg, der kann sich nicht melden.

Und dann seht ihr dieses Video, was habt ihr gedacht?

Ich habe es ja gesehen, wie er in Gewahrsam genommen wurde.

Es muss Nikolai gewesen sein, der durchgekommen ist.

Die Familie hat immer wieder Ego kontaktiert.

Und wir hatten ja schon zuvor mit der Polizei gesprochen.

Und irgendwann dachte ich, jetzt schreibe ich einfach eine Anfrage

an die Pressesprecherin per WhatsApp, hatten wir Kontakt.

Und nach meiner Presseanfrage, ja, hat es fünf Minuten gedauert

und er hatte sein Handy und hat seine Mutter kontaktiert.

Und dann waren alle natürlich glücklich.

Dann war Ego beruhigt, er hat sich natürlich Sorgen gemacht

und wollte dann den Jungen auch nach Prag bringen.

In der Jung, sage ich, jung Mann, ist ja kein Junge.

Er sagt immer Junge.

Also das heißt, am Ende ist das trotzdem noch gut gegangen,

kurz Panik, aber dann ist klar, beide haben das überlebt,

beide haben das geschafft.

Jetzt frage ich mich, sind das Einzelfälle?

Diese Geschichte, wie viele junge Männer erleben die?

Wie viele Menschen betrifft das?

Wie viele machen so was gerade?

Also laut der rumänischen Grenzpolizei haben die Route über die Thais

im letzten Jahr 2.000 Männer gewählt.

Insgesamt wurden in Rumänien 5.400 Männer registriert,

die illegal die Ukraine verlassen haben.

Das heißt, in der letzten Zeit, so sagt es die Grenzpolizei,

haben sie pro Nacht zwischen 10, 12, 15 Männern auf.

Boah, das ist viel, ne?

Das sind die, die bekannt sind.

Und dann gibt es natürlich eine dunkle Ziffer,

die dort nicht registriert werden.

Und einige sterben auch.

Wir waren dort im Grenzgebiet unterwegs, wie gesagt,

das sind kleine Dörfer.

Und da haben uns verschiedene Anwohner davon berichtet,

dass sie auch immer wieder Angehörige dort in die Dörfer kommen

und sagen, habt ihr unseren Sohn gesehen.

Unser Sohn hat diese Route gewählt, aber der ist verschwunden.

Und dann finden sie auch immer wieder Leichen.

Also pro Monat mindestens eine Leiche im Krankenhaus hat man es auch gesagt,

dass man immer mehr Tote dorthin bringt.

Und auch die Polizei nimmt diese Menschen ja auf.

Sie werden eben nicht zurück abgeschoben

und sie dürfen bleiben.

Ja, die Ukraine braucht ja die jungen Männer.

Auch an der Front könnte das eigentlich irgendwann

so ein Problem werden, wenn da zu viele gehen.

Das kann ich so jetzt nicht einschätzen,

weil ich nicht weiß, wie viele Männer die in Zukunft noch brauchen.

Aber es ist natürlich klar,

dass die Ukraine wollen nicht, dass immer mehr Männer fliehen

und auch das Signal natürlich, dass Männer abhauen,

ist jetzt auch nicht gut für, wie sagt man,

die Moral im Land, für die Truppe.

Und deswegen werden einfach etliche Pressemitteilungen

täglich rausgehauen, in denen zu sehen ist,

wie diese Männer von der Flucht abgehalten werden.

Es gibt verschiedenste Berichte darüber,

wie das ukrainische Militär reagiert.

Also meistens selbst veröffentlicht vom ukrainischen Grenzschutz,

dann sieht man, Männer müssen niederknien

mit den Händen hinter den Köpfen,

sie geben Warnschüsse ab.

Also man versucht auch eine klare Botschaft zu senden,

wer flieht, wird bestraft.

Wer flieht, wird festgenommen, festgehalten,

ist auch nicht gut behandelt.

Wie gesagt, die Strafen dafür sind eigentlich,

am Ende nur eine Geldstrafe,

man will schon das Signal auch ins Land senden,

wer abhaut, wird bestraft.

Dann treffen die also offenbar als erstes

auf die rumänische Grenzpolizei.

Was sagt die denn jetzt eigentlich zu dieser neuen Situation?

Für die hat sich die Realität sehr geändert.

Früher haben sie Zigarettenschmola gesucht,

wurden top ausgestattet, auch von Frontex,

um die Grenze zu sichern, um Schmugirouten aufzulösen

und zu verhindern, zu bewachen.

Erst steht man da und sagt,

dann sitzt hier so ein Ukrainer vor mir,

hat sich Arm und Beine aufgerissen,

schwere Verletzungen, hat sich ein Fuß gebrochen im Fluss,

aber ist so unter Adrenalin und sagt,

ich kann jetzt weiterlaufen.

Und für diese ist es natürlich auch eine Ausnahmesituation.

Die haben auch berichtet,

dass nicht nur die Route über den Fluss gefährlich,

sondern auch durch die Berge.

Zu Weihnachten gab es dann einen Notruf,

dass sich eine Gruppe von ukrainischen Männern

dort im Schnee verlaufen hat und nur die Hälfte hat überlebt.

Die haben natürlich auch gesagt,

wir können es verstehen,

wir tun alles, um den Männern zu helfen.

Aber der Fluss ist halt,

manche überwinden ihn und andere nicht.

Und wie ist es denn für Nikolai ausgegangen?

Ist der am Ende mit seiner Mutter zusammengekommen?

Nikolai ist dann weiter nach Tschechien gereist,

also wurde nach 48 Stunden,

wurde er registriert,

hat seine Dokumente bekommen

und hat sich auf dem Weg zu seiner Mutter gemacht.

Das war zum Teil,

sie waren sehr zurückhaltend,

weil natürlich eine Kamera dabei war,

aber schon sehr emotional.

Die Mutter hat sich schon sehr gefreut und hat gesagt,

sie kann es eigentlich immer noch nicht glauben,

dass er jetzt neben ihr steht.

Weil sie natürlich zwischendurch dacht,

er ist tot, weil sie dieses Video gesehen hat,

von dieser Leiche.

Und das war natürlich sehr emotional,

und dann hat sie, glaube ich, nicht so richtig realisiert,

dass er da jetzt wirklich vor ihr steht.

Und für Nikolai,

der war dann am Anfang noch sehr angespannt

und sein Bruder hat ihm schon bereits ein Job besorgt

auf einem Bau, sagt er.

Und so hat er gleich dann,

ich glaube, drei Tage später,

wollte er anfangen zu arbeiten.

Ja, das klingt ja wie ein Happy End quasi.

War es das jetzt

oder hat das vielleicht doch noch

weitere Konsequenzen für Nikolai?

Also was könnte da passieren,

wenn man da illegal ausreist?

Sobald man sicherst in der EU kann eigentlich nichts passieren.

Wenn er zurückkehrt,

hat er sich natürlich trotzdem aktiv den Wehrdienst entzogen.

Also er könnte nicht mehr zurück in die Ukraine

jetzt so einfach, oder?

Also ich glaube, diese Gefahr würde Nikolai einfach nicht eingehen,

weil man natürlich auch über die Social-Media-Kanäle

immer wieder mehr Berichte hört

und sieht, wo es heißt,

dass immer mehr Menschen doch von der Straße

wegrekrutiert werden.

Und ob das stimmt oder nicht, ist nicht klar.

Aber die Angst ist trotzdem da.

Und auch sein Gesicht zu verlieren,

er will natürlich trotzdem nicht als Verräter dastehen.

Die Frage war auch, ja,

wird es im ukrainischen Fernsehen gezeigt.

Aber wenn er verneint,

dafür war es für ihn auch okay, das zu senden.

Oh ja, Beitrag, ne? Also er hatte richtig Sorge da.

Verstehe.

Und da er jetzt bei seiner Mutter ist,

er hat einen Job,

er lebt mit seinem Vater, seiner Mutter, seinem Bruder,

wird er nicht so schnell zurückkehren.

Mit dieser Entscheidung ist dann aber auch klar,

es gibt erstmal kein zurück.

Und dann bleibt

dieser innere Widerspruch dann aber,

also die persönliche Sicherheit.

Und dann aber

dann doch der Krieg zu Hause

oder das Bild, was man dann eben doch

nicht erfüllen will.

Das ist, glaube ich, auch nicht so leicht.

Auf dem Weg nach Prag saß er auch im Auto

und hat natürlich die Nachrichten gelesen,

Videos von Selensky geschaut,

was ist los in Bachmut.

Ich glaube, auch wenn du weißt,

dass deine Freunde zum Teil an der Frau kämpfen,

das lässt du nicht einfach hinter dir, ne?

Das ist das Durchgehen da, ich glaube für viele Ukraine.

Denn er selbst sieht sich natürlich trotzdem als Patriot.

Auch wenn er geflohen ist,

will er natürlich trotzdem, dass die Ukraine gewinnt

und der Krieg vorbei ist

und will deiner Hand unterstützen.

Und auch für Igor, der sagt,

ja, irgendwann stellte er die Frage auf der Reise,

was mache ich hier eigentlich?

Ich zeige euch jetzt, wie meine schwachen Landsleute

ihr Land verlassen.

Die schwachen Männer verlassen ihr Land,

sondern es ist auch eine Realität,

dass nicht jeder kämpfen will.

Vielen Dank, Florian,

für diese Recherche und dass du uns davon erzählt hast.

Gerne.

Das war 11km der Tagesschau-Podcast.

Den Film von Florian Barth

von der SWR Recherche-Unit

zur Flucht ukrainischer Männer

findet ihr beim ARD Weltspiegel.

Den Link packen wir in die Show Notes.

Uns 11km

findet ihr in der ARD Audiothek

und überall, wo es Podcasts gibt.

Hat euch diese Folge gefallen,

dann schickt sie doch gerne weiter

und abonniert uns.

Autorin dieser Folge

ist Jasmin Brock.

Mitgearbeitet hat Sandro Schröder.

Produktion Victor Werresch,

Christine Dreyer und Gerhard Wichow.

Redaktionsleitung Lena Götler

und Fumiko Lipp.

11km ist eine Produktion

von BR24 und NDR Info.

Mein Name ist Victoria Michalsack.

Bis zur nächsten Folge.

Ihr wollt mehr über den Krieg in der Ukraine erfahren?

Dann empfehlen wir euch den NDR Info-Podcast

Streitkräfte und Strategien.

Die langjährige ARD-Korrespondentin

Anna Engelke

spricht in dem Podcast mit ihren Kollegen,

den Fachjournalisten Kai Küstner

und Julia Weigeld

nach bei Militärhistorikern,

Sicherheitsexpertinnen und Botschaftern.

Hallo, ich bin Anna Engelke.

Und ich bin Kai Küstner.

In unserem Podcast Streitkräfte und Strategien

schauen wir auf den Krieg gegen die Ukraine.

Verändern die Kampfpanzer

aus dem Westen jetzt den Krieg?

Wie reagiert Russland auf die Offensive?

Und welche Interessen hat eigentlich China?

Wir ordnen die Nachrichten ein

und reden in unserem Podcast

mit sicherheitspolitischen Experten.

Hört gerne rein bei Streitkräfte

und Strategien, zum Beispiel

in der ARD-Audiothek.

Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.

Ukrainische Männer können für den Dienst an der Waffe eingezogen werden. Das Kriegsrecht in der Ukraine sieht nur wenige Ausnahmen vor. Nikolaj fühlt sich nicht bereit für den Krieg, hat in seinem Leben noch nie eine Waffe gehalten. Auch aus Angst entscheidet er sich mit Fluchthelfer Igor über die Grenze nach Rumänien zu fliehen. Ein riskanter Weg. In dieser 11KM-Folge erzählt Florian Barth aus der SWR-Recherche-Unit von Nikolajs Flucht. Er hat die beiden Männer für den ARD-Weltspiegel begleitet – auf ihrem Weg zwischen Flucht und Schmuggel.



Die ARD-Weltspiegel-Reportage von Florian Barth:

https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/videos/ukraine-rumaenien-flucht-vor-der-front-video-100.html



Mehr Informationen bei tagesschau.de über ukrainische Männer, die nach Rumänien fliehen:

https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-flucht-rumaenien-102.html



An dieser Folge waren beteiligt:

Folgenautorin: Jasmin Brock

Mitarbeit: Sandro Schroeder

Produktion: Viktor Veress, Christine Dreyer und Gerhard Wicho

Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler



11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info. Die redaktionelle Verantwortung für diese Episode hat der NDR.



Unser Podcast-Tipp: “Streitkräfte und Strategien” von NDR Info:

https://www.ardaudiothek.de/sendung/streitkraefte-und-strategien-ukraine/7852196