FALTER Radio: Eine neue Utopie des Sozialismus - #932

FALTER FALTER 4/30/23 - Episode Page - 1h 1m - PDF Transcript

Die Fall der Sommergespräche im Wienermuseumsquartier zu den heißen Themen des Jahres.

Mittwoch, den 30. August, nimmt die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler-Platt.

Es geht um die drängende Frage, wie wir die Klimawende schaffen.

Umweltministerin Leonore Gewessler im Gespräch mit Barbara Todt und Katharina Krobshofer.

Mittwoch, den 30. August und 19 Uhr auf der Bühne im großen Hof im Museumsquartier in Wien.

Der Eintritt ist frei. Schauen Sie doch vorbei.

Falter Radio, der Podcast mit Raimund Löw.

Herzlich willkommen, meine Damen und Herren im Falter Radio.

Im 20. Jahrhundert ist der Begriff des Sozialismus in Verruf geraten.

Der Niedergang des Staatssozialismus in Osteuropa wurde zum Triumph für den Kapitalismus.

Aber die Corona-Pandemie, die Energiekrise und der Klimawandel haben staatliche Eingriffe

in das marktwirtschaftliche Leben zur Folge, den noch vor Kurzem undenkbar gewesen wären.

Der deutsche Arbeitssoziologe Klaus Dörre sagt, wir stecken mitten in einer Systemkrise des Kapitalismus.

Die kapitalistische Marktwirtschaft sei am Ende.

Dörre plädiert für eine Nachhaltigkeitsrevolution.

Er glaubt, dass eine neue Utopie des Sozialismus nötig ist, um aus der gegenwärtigen Sackgasse herauszukommen.

Beim Wiener Stadtgespräch mit Barbara Todt präzisiert er seine überraschenden Thesen

inklusive einer der Grafiken und Kurven, die man hier nicht sieht, die er aber verständlich erklärt.

Ich möchte mit meiner Basis-These beginnen, die auch im Buch die Utopie des Sozialismus kommt,

das passt für eine Nachhaltigkeitsrevolution, nicht gleich zwei Provokationen, Sozialismus und dann auch Revolutionen.

Das ist ein einem Titel, den ich da formuliert habe.

Und die heißt sinngemäß, der Kapitalismus rentiert sich nicht mehr.

Das stößt oft befremden, wenn ich das behaupte, denn alle haben vor Augen die großen Konzerne, die wir sehr profitabel agieren.

Was meine ich damit?

Ich meine damit, dass es von Krise zu Krise immer schwerer wird,

die privat kapitalistische Produktion ohne Stützung durch die Gesellschaften und den Staat aufrechtzuhalten.

Nehmen Sie nochmal die Milliarden, die während der Weltwirtschaftskrise 2007 bis 2009 in die Wirtschaft geflossen sind.

Nehmen Sie die jetzige Krise, Pandemie-Krise usw.

Würden Sie das alles hochrechnen?

Sagen wir mal auf ein Unternehmen wie Mercedes, nehmen wir mal deutsches, internationales deutsches.

Und würden das anrechnen, sozusagen auf die Profite?

Dann hätten Sie Schwierigkeiten gewissermaßen auszuweisen, warum der Kapitalismus besonders effizient sein soll.

Und das ist ja seine größte Lieblimation.

Kapitalismus als das Wirtschafts- und auch Gesellschaftssystem, das eigentlich in der Lage ist, Wohlstand möglichst kostengünstig für möglichst viele zu schaffen.

Das legitimiert eigentlich Kapitalismus.

Ich meine, dass das zunehmend ausgehöhnt wird.

Das führt mich zu meiner zweiten These.

Ich muss es jetzt sehr verkürzt machen und sehr pointiert.

Die zweite These wird sie besonders empören, möglicherweise.

Die lautet, dass der Gegenbegriff zu einem System, das zunehmend darauf beruht, gesellschaftliche Ressourcen auszuplündern.

Ich sage es sehr pointiert.

Dass der Gegenbegriff dazu noch immer der DER eines in diesem Falle nachhaltigen Sozialismus ist.

An dieser Stelle fallen in der Regel auch bei denen, die am Anfang Beifall geklatscht haben, bei vielen dann doch, sagen wir mal,

naja, die Hände nach unten und die Bedenken steigen in den Kopf.

So was kann man ja denken mit dem Sozialismus, aber doch nicht schreiben oder auch noch laut sagen.

Das schreckt doch ab.

Sie haben völlig recht.

Ich komme aus Jena.

Jena hat mit Wien nur zu tun, dass wenn ich in den USA Jena sage, die Leute sagen, kommt aus Vienna.

Das ist natürlich ein Irrtum, weil wenn sie auf den Jena Campus kämen, da würden sie, ja, das sind Plastiken sehen,

die gefertigt sind aus dem Schrott des untergegangenen, so genannten real existieren Sozialismus.

Ich würde sogar sagen, das war kein Sozialismus, zumindest an den Kriterien der Vor- und Frühsozialisten,

aber auch Marx und Engels oder sagen wir mal der austromaxistischen Traditionslinie,

haben diese Gesellschaften relativ wenig mehr Sozialismus zu tun gehabt.

Sie waren nicht mehr kapitalistisch, aber auch nicht sozialistisch.

Ich meine, dass man das in Rechnung stellen muss.

Wenn man von Sozialismus spricht heute, dann muss es eine klare Prämisse haben.

Die hat Rosa Luxemburg schon in ihrer Kritik an den Bolsheviki formuliert.

Sinngemäß hat sie gesagt, fast wörtlich, nicht nur gesagt, sondern geschrieben,

die schlechteste demokratische Institution ist immer noch besser als keine.

Die schlechteste demokratische Institution ist besser als keine.

Das heißt, wenn man Sozialismus heute definiert und sinnvoll einsetzende,

dann muss der Sozialismus gefühlt sein mit einem Demokratisierungskonzept,

dass mehr Demokratie verspricht und nicht weniger das bestehende demokratische Institutionen respektiert,

wenn sie besser macht, ergänzt, erweitert.

Aber hinter diese Demokratievorstellung, die Konzepte liberaler Demokratie,

mit all ihren Nachteilen, aber auch den vielen Vorteilen darf man nicht zurückfallen.

Der entscheidende Punkt ist aber in meinen Augen.

Dass Sozialismus mit Blick auf die Entwicklung der technisch-organisatorischen Produktivkräfte

heute völlig anders definiert werden muss als im Industriezeitalter.

Im Industriezeitalter steckt er etwa bei dem alten Engels.

Ich habe ja im Buchtitel quasi dessen alte Schrift die Entwicklung des Sozialismus

von der Utopie zur Wissenschaft umgekehrt, von der Wissenschaft zur Utopie.

Da steckte immer drin, man muss die technisch-organisatorischen Produktivkräfte

von den fessel- und kapitalistischen Eigentumsfällen befreien und dann wird das Segensreis spült.

Davon muss man Abschied nehmen.

Meine These ist, dass man Sozialismus heute durchaus im Sinne Walter Benjamin definieren muss,

als Suche nach dem Notausgang, als Suche nach dem Ausgang von etwas,

was ich als Metakrise, als ökonomisch-ökologische Zangkrise bezeichne.

Ich würde behaupten, dass Gesellschaften unseres Typs, also die frühindustrialisierten Gesellschaften,

zunehmend aber auch die großen Schwellenländer sich tatsächlich

inmitten einer solchen Metakrise befinden, was meint ökonomisch-ökologische Zangkrise?

Die obere Kurve zeigt die klimaschädlichen Emissionen pro Kopf weltweit.

Die Kurve untertreibt dramatisch, weil sie, wenn wir die Steigerungsraten von Jahr zu Jahr hätten,

steil nach oben gehen würde.

Die Kurve müsste aber steil nach unten gehen, weil wir gemessen an den auch in der Europäischen Union

inzwischen vereinbarten Zielen wir in Deutschland 2045, in EU-Europa bis 2050,

vollständig dekarbonisierte Wirtschaften brauchen.

Das ist der größte Umbruch seit der ersten industriellen Revolution,

der sozusagen in einer solchen Zielsetzung angedeutet wird.

Die zweite Kurve, das ist das weltweite Wirtschaftswachstum,

gemessen in den Kriterien des Bruttoinlandsprodukts.

Und die untere Kurve ist der weltweite Energieverbrauch.

Das geht kontinuierlich nach oben.

Wenn Sie genau hinschauen, dann sehen Sie, Sie können es für 2020 nicht sehen.

Im Jahr 2009 und im Jahr 2020 könnten Sie es sehen,

wenn die Kurve vollständig wäre, ein eigentümlichen Zusammenhang.

Das Jahr 2009 ist das Einzige in der jüngeren Vergangenheit,

wo die klimaschädlichen Emissionen weltweit absolut zurückgehen.

Warum? Nicht weil die Wirtschaft nachhaltiger geworden ist,

sondern weil wir am Tiefpunkt der globalen Finanzkrise waren,

die Wirtschaft und die Industrie weltweit zusammengebrochen waren.

Und deshalb ist das ökologisch erwünschte Ziel,

Rückgang der klimaschädlichen Emissionen eingetreten,

aber um den Preis eines ökonomischen Desasters.

Und genau das wiederholt sich im ersten Halbjahr 2020.

Wir haben einen Rückgang der klimaschädlichen Emissionen,

wie seit 30 Jahren nicht mehr, immer noch nicht genug,

aber etwa im weltweiten Durchschnitt bei 6%.

Und Sie sehen, die Lockdowns, Shutdowns sind vorbei,

die Wirtschaft zieht wieder an und die klimaschädlichen Emissionen gehen nach oben.

So, und wie gesagt, bei dem weltweiten Energieverbrauch geht es nur nach oben,

und wenn Sie den Ressourcenverbrauch mit reinnehmen würden,

würde es auch kontinuierlich nach oben gehen.

Was zeigen die beiden Ausreißer 2009 und 2020?

Sie zeigen die Growth by Disaster, die Growth by Disaster.

Das ökologisch erwünschte Ziel, Rückgang der klimaschädlichen Emissionen,

wird einem Preis eines sozialen und ökonomischen Desasters erkauft,

allein 2020 100 Millionen Menschen zusätzlich in extremer Armut,

und Sie haben es heute vielleicht in den Nachrichten gehört,

inzwischen wieder 800 Millionen Menschen, die hungern.

Das hängt teilweise genau mit diesen Kurven tatsächlich zusammen.

Ich überschreibe Sie gerne mit Highway to Hell, das ist auch hier passiert,

wegen einer Referenz an die entsprechende Rockband, ACDC,

da bin ich gar kein so großer Fan,

sondern wenn man diese Kurven in die Zukunft verlängert,

wir würden selbst dann, wenn alle Maßnahmen, die jetzt vereinbart sind,

um den weltweiten Klimawandel zu stoppen,

nicht bei dem 1,5-Grad-Erterhitzungs-Szenario landen,

was der Weltklimarat noch für einigermaßen beherrschbar hält.

Einigermaßen beherrschbar, das hat schon viele Probleme,

nicht diese Formulierung, sondern wir würden landen,

bestenfalls bei einem 2,6-Grad-Erterhitzungs-Szenario, 2,6 Grad.

Das würde heißen, es könnten auch 3 oder 3,5 oder sogar 4 Grad zum Ende

das Jahr unterzuerden, aber schon die 2,6 Grad heißen,

dass wahrscheinlich 1,6 Milliarden Menschen in den Küstenahen-Weltregionen

betroffen sind von Ansteigen der Meeresspiele.

Das heißt, relevante Teile des Planeten werden ungewohnt.

Und die Dramatik steigt nochmal, wenn ich Ihnen sage,

dass wenn die Entwicklung so weitergeht, wir 2026 alle verfügbaren Budgets,

CO2-Budgets um das 1,5 Grad Erterhitzungsziel zu erreichen,

verbraucht haben werden.

So, das macht die Dramatik der Situation aus.

Darin ist so viel gar nicht neu.

Wir wissen das eigentlich seit dem ersten Bericht des Club of Rome.

Neu ist, dass die Zeitbudgets für eine Wende schrumpfen.

Und neu ist, dass wir sozusagen eine konkrete Zielsetzung haben,

auch sanktionierbare Zielsetzungen, die einen entsprechenden Wandel einklagen.

Diese ökologischen Großgefahren, die auftauchen in diesem Begriff der Zangkrise.

Zangkrise heißt, wir bewegen uns zwischen Sküller und Korruptis.

Erreichen wir das Wirtschaftswachstum unter Status-Core-Bedingungen,

will sagen, mit hohem Emissionsausstoß, hohem Energieverbrauch,

steigern wir die ökologischen Großgefahren einfach an den Klimawandel.

Bleibt das Wirtschaftswachstum aus, wie in den beiden großen Krisen,

haben wir eine steigerung, dramatische Steigerung für soziale Not.

Das ist sozusagen der Problemrohrstoff.

Aus dem heraus, ich argumentiere, dass es Auswege aus der Zangkrise eigentlich nur geben kann,

wenn wir uns in die eine oder andere Richtung bewegen.

Wir haben nur zwei Optionen.

Gesellschaften unseres Typs haben nur zwei Optionen.

Entweder es gelingt, das Wirtschaftswachstum von seinen ökologischen und sozialstersteuerischen Folgen zu entkoppeln,

oder aber wir brauchen Gesellschaften eines Typs,

die sich vom systemischen Zwang zu raschen permanentem Wachstum emanzipieren und befreien.

Ersteres hat noch nicht geklappt. Gibt es nirgendwo?

Zweiteres auch nicht.

Und deshalb, egal welche Option wir wählen, wir steuern auf eine neue Art, einen neuen Typ von Gesellschaft hinzu.

Jetzt kann man sagen, Kapitalismus, Innovation, das ist das, was Kapitalismus kann.

Ich will aber deshalb nochmal auf folgende Zusammenhang aufmerksam machen

und komme dann zu meiner Schlussthese, das ist jetzt sozusagen die vierte These.

Jede ökologische Großproblematik beinhaltet eine soziale Dimension.

Die reisten 10 Prozent der Weltbevölkerung, haben schon 2015 in etwa die Hälfte der weltweiten klimaschädlichen Emissionen verursacht.

Während die untere Hälfte gerade mal so 10 Prozent emitiert.

Nach den neuen Zahlen, Sie haben es vielleicht gesehen, die neue Studie von Lukas Chance,

haben wir das jetzt nicht alles wiederholen, haben wir es mit folgender Situation zu tun.

Lange Zeit hat gegolten, dass die klimaschädlichen Emissionen vor allen Dingen verursacht wurden von den reichen Staaten.

Zwei Drittel der Emissionen waren zurückzuführen auf Ungleichheiten zwischen Staaten.

Das galt für 1990.

2019 hat sich die Tendenz faktisch umgekehrt. Zwei Drittel der klimaschädlichen Emissionen sind zurückzuführen auf Ungleichheiten innerhalb der Staaten.

Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Man kann es für die europäischen Haushalte sagen,

während das oberste eine Prozent der EU-Mitgliedsstaaten, der zwischen 1990 und 2015,

wo die Emissionen um 24 Prozent zurückgegangen sind im Durchschnitt, um 5 Prozent zugelegt hat,

sind die Einsparungen in erster Linie von den kleinen Portmaniers erbracht worden,

und das erzwungenermaßen, weil häufig der Gürtel enger geschneit werden musste.

Das heißt, die Luxusproduktion für den Luxuskonsum der Reisten ist überhaupt nur noch möglich,

weil die unten gezwungenermaßen den Gürtel enger schneiden müssen.

Und das ist der entscheidende Punkt, wo Sozialismus ins Spiel kommt.

Ökologische Nachhaltigkeit ist ohne soziale Nachhaltigkeit nicht zu haben.

Ich mache das trotz der fortgeschrittenen Zeit noch mal an einem kleinen Beispiel.

Sie haben das vielleicht mitbekommen.

In der Schweiz im Sommer letzten Jahres stand ein Klimapaket zur Abstimmung.

Die Schweiz hat ja schon eine CO2-Steuer mit sozialer Umlage.

Das gibt es in Deutschland alles noch nicht.

So, und jetzt wollte man durch die Stärkung des Emissionshandels

zusätzliche ökologische Lenkungseffekte erzielen.

Ganz einfach, weil es alles noch nicht ausgereicht hat.

Deshalb hat man auf die Stärkung des Emissionshandels gesetzt,

die viel imitieren müssen, so die Grundidee können dann Zertifikate

bei denen kaufen, die wenig imitieren.

Und das Ganze bringt dann sozusagen die ökologischen Ziele voran.

Denkst du, die Schweizer Volkspartei, die rechtspopulistische

Schweizer Volkspartei hat plakatiert, Auto fahren und fliegen nur noch für Reiche.

52 Prozent abliegen im Volksentscheid.

Große Krise bei den Umweltverbänden der Schweizer Linken,

die alle dieses Klimapaket unterstützt haben.

Und jetzt ist die große Frage Klimaschutz für die 99 Prozent.

So, und da würde ich sagen, wenn wir das wollen,

dann müssen wir als erstes eine Lehrstelle ausfüllen,

die unser Denken beherrscht.

Diese Lehrstelle, die hat der Kollege Reckwitz,

Soziologen, Kolleginnen etwa so formuliert,

an Spiegel-SAE können Gesellschaften, die nur noch von Dystopien leben.

Und ich habe ja jetzt eine Dystopie angeguckt.

Können die auf Dauer überleben? Nein, ist meine Antwort.

Können sie nicht.

Es braucht positive Vorstellungen von Zukunft.

Und deshalb bin ich der Meinung, dass man so etwas wie eine

nachhaltig sozialistische Gesellschaft erst mal vorstellbar machen muss

im Sinne einer konkreten Dystopie.

Die Grundidee ist folgende.

Es wird ja immer behauptet, alle müssen den Gürtel enger schneiden.

Wir müssen verzichten und so weiter.

Ich würde sagen, und das führt zu Sozialismus,

das, was wir brauchen, ist der Übergang zur Produktion

langlebiger Güter und nachhaltiger Dienstleistungen,

die, wenn sie hier gestellt sind, entsprechend teuer sind,

wenn wir die Klassenspaltung in der Gesellschaft nicht vertiefen wollen,

bedeutet das, was wir Umverteilung brauchen,

von oben nach unten um von Zentrum in die Peripherie,

demokratisches Umverteilen.

Und wir brauchen eine demokratische Planung der verfügbaren Ressourcen.

Keine von staatlich oben aukturierte Planung,

die sozusagen positive Anreize schon in die Preisbildung mit rein nimmt,

zum Beispiel das Überwind des Gender Pay Gap,

das könnte man positiv honorieren,

schon in der Preisbildung, in den Beziehungen zwischen Unternehmen

und so weiter und so weiter.

Sie werden sich aber fragen, wie kommen wir da eigentlich hin?

Und das ist meine abschließende Bemerkung.

Ich würde behaupten, dass es in Deutschland wie in Österreich

eine stark verbreitete Alltagskritik

am Gesellschaftssystem und auch am Kapitalismus gibt.

Hier sehen Sie Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung

aus Deutschland vom Mai diesen Jahres.

Sie sehen, dass der gesellschaftliche Reichtum gerechter verteilt werden könnte.

Das ist fast ein Volksverurteil.

Aber war noch vor der Intensivierung des Ukraine Kriegs,

dass man seinen Wohlstand verteidigen glauben auch die meisten.

Da liegt die Ambivalenz.

Stark verbreitete Kapitalismus und Gesellschaftskritik auf der einen Seite,

aber auf der anderen Seite ist schon das Bewahrenwollen des Status quo,

den man hat, zumindest mit allem, was das Leben auch an schönem zu bieten hat.

Das in Rechnung gestellt und das Schweizer Beispiel im Hintergrund.

Laufen wir in Gesellschaften unseres Typs Gefahr,

dass sich die ökologische und die soziale Konflikte linie gegeneinander versebstünden.

Ich nenne das den Effekt konservierender Interessenpolitik.

Worin besteht der?

Wir haben das untersucht in der Braunkohle Revier in der Lausitz.

Wir erzählen uns alle Beschäftigten des dortigen regionalen Braunkohleförderers und Verstromers folgende Geschichte.

Wir haben das beste Unternehmen der Region mit dem besten Einkommen, den besten Tarifen,

den besten Ausbildungsplätzen und das Unternehmen fördert die Vereine in der Region

und sorgt für sozialen Zusammenhang.

Und jetzt kommt ihr und wollt immer früher aussteigen und uns die Zukunft nehmen.

Das Lager der Braunkohle, Kritiker und Gegner, das wir auch befragt haben,

erzählt die genaue Gegenteilige Geschichte, vollständig Gegenteilig.

Und was kommt unten raus? Alle, die in der Lausitz leben.

Ich weiß nicht, ob sie die Lausitz kennen, weil ich das jetzt immer nicht verstehen kann, was ich jetzt berichte.

Alle, die dort leben, sagen, wir wollen dort nicht weg, nur wegen eines besseren oder überhaupt eines Arbeitsplatzes.

Alle lieben die Lausitz, aber niemand kann sich vorstellen,

auch nur miteinander zu reden, wie die Zukunft der Region ist, sehen kann.

Das nenne ich Konservieren in der Interessenpolitik.

Nebenbei, die AfD in Deutschland hat dort Rekordfallergebnisse.

Es geht aber auch anders.

Und die Leipziger Studierenden Vollversammlung im Mai 2019, da hat sich Students for Future gegründet.

Ich durfte eine Rede halten, die ist aber unwichtig.

Ich hatte so eine Passage drin, möglichst kostenfreie öffentliche Personennahverkehr,

war noch vor einem neuen Euro-Ticket in Deutschland.

Und unter tosendem Applaus habe ich das formuliert.

Und nach mir kam der Betriebsratsvorsitzende öffentlicher Personennahverkehr Leipzig.

Und hat gesagt, Dörre, hast du eigentlich mal gedacht, was das bedeutet für die Einkommen

unserer Kolleginnen und Kollegen, für die Arbeitsbedingungen, der Ausfassungsdruck, den es dann geben wird?

Hast du sie noch alle beisammen, das einfach so zu sagen?

Und dann hat er aber die Kurve gekriegt und hat argumentiert, das ist trotzdem nicht falsch, was du sagst.

Und an die 1500 Studierenden gewendet, hat er gesagt, ihr könnt uns helfen, 2020, und wir tarifen.

Was ist geschehen?

Solidaritätskomitees aus Fridays for Future heraus, in 30 Städten, die den öffentlichen Personennahverkehr

als Teil der Lösung an der Mobilitätswende definiert haben.

Und die Gewerkschaft Verdi, das ist das eigentlich sensationelle, die die Tarifrunde anlegt als eine Klimaschutzbund.

Das zeigt, worum es gehen muss.

Was wir brauchen in meinen Augen, um Schritte in diese Richtung Utopie eines nachhaltigen Sozialismus zu gehen,

ist ein Labour-Turn in den ökologischen Bewegungen.

Und aber auch ein Climate-Turn oder ein Nachhaltigkeits-Turn, Sustainability-Turn,

in den Bewegungen, die eher am Kapitalarbeit der Gegensatz arbeiten, die also aus der Tradition der Arbeiterbewegung sind.

Und das ist aus meiner Sicht die strategische Option, über die wir intensiv diskutieren müssen

und die tatsächlich so eine Art Kompassennadel für die Zukunft ist. Vielen Dank.

Vorweg möchte ich Sie fragen, dieser Sozialismusbegriff, im Buch nennen Sie es auch das belastete S-Wort.

Verstehen Sie, warum das so viele Menschen nach wie vor irritiert?

Natürlich.

Warum verwenden Sie ihn dann weiterhin?

Aus vier Gründen.

Erstens, eine Grund habe ich schon gesagt, also wenn man auf den Sozialismusbegriff verzichtet,

dann bedeutet das auch, dass man bei der Suche nach einer besseren Gesellschaft und Auswägung aus der Zangenkrise

tatsächlich die gesamte Geschichte der Fehlschläge sozialistischer Experimente ausblenden.

Es wird nicht mehr mit thematisieren.

Und das führt dann zum zweiten Grund, den nenne ich Taschenspielertrick.

Der Taschenspielertrick ist, man findet einen neuen Begriff, aber packt lauter Ziele drunter, die alle sozusagen in einer sozialistischen Agenda passen.

Also Paul Mason, den ich sehr schätze, ist für mich so ein solches Beispiel, der sagt dann postkapitalistische Gesellschaft,

radikaler Humanismus, und dann zählt er lauter Sachen auf bis zur Eigentumsfrage,

wo ich sagen würde, die gehören ins Arsenal von Sozialismen.

Der dritte Grund ist, dass ja doch, wie den Sozialismusbegriff,

nicht einfach dem Schabenhaufen dieses sogenannten real existierenden Sozialismus überlassen dürfen, aus meiner Sicht.

Also wenn ich jetzt hier in Österreich bin, würden mir jetzt eine Menge Gründe einfallen,

von Karl Polani, gewissermaßen bis, ja ich vermute mal Bruno Kreisky,

wenn man gesagt hätte, demokratischer Sozialist hätte der sich nicht beleidigt gefühlt, oder?

Und dass das einfach verschüttet geht, ja?

Also ein unabgegeutenes Versprechen von Sozialismus halte ich für falsch, und das bringt mich zum vierten Grund.

Es gibt faktischen Auseinanderentwicklung, der Debatte im intellektuellen Feld, auf der einen Seite,

und der Realität von sozialen Bewegungen und politischen Organisationen.

Man kann sagen, zumindest auf Europa, man kann es fast weltweit sagen,

noch nie war die sozialistischen Linke oder sozialdemokratisch-sozialistischen Linke

politisch so schwach nach 1945 die Energien war.

Ich weiß, muss man jetzt differenzieren, ja?

Aber im intellektuellen Raum, schauen Sie mal Thomas Piketty, den berühmten Ökonom,

verwandelt sich von einem liberalen zum Sozialisten.

Das ist ein neues Buch, Geschichte der Gleichheit.

Formuliert er die These in Zukunft, werden wir es eher mit einem Kampf der Sozialismen zu tun haben.

Eines Autoritären aller China und eines imanzipatorischen Partizipativen,

den wir in Europa kreieren können, ja?

Nancy Fraser, die Feministin, schreibt an Manifest, in dem steht These 10, glaube ich,

ein Feminismus für die 99 Prozent muss ein ökosozialistischer sein.

Und dahinter steckt von Piketty über Nancy Fraser bis zu mir die Vorstellung,

dass das kapitalistische Eigentum, Privateigentum an Produktionsmitteln

der Haupttreiber für diese expansive Tendenz von Kapitalismus ist.

Kapitalismus muss expandieren, um zu existieren,

das auf permanente Marktexpansion angewiesen und ein solches Gesellschaftssystem kann nicht nachhaltig sein.

Das ist der entscheidende Grund.

Neosozialismus würde sich noch an...

Ein Fan wurde gefunden.

Neosozialismus würde sich noch anbieten, aber im Buch diskutieren Sie den Begriff,

aber entscheiden sich dann dagegen.

Damit habe ich angefangen mit Neosozialismus.

Da haben wir so ein Büchlein gemacht, da waren an der Debatte viele beteiligt, zum Beispiel Eric Olinweid.

Und es gab aus meiner Sicht berechtigte Einwände gegen den Neosozialismus.

Der stärkste Einwand kam von einem britischen, marxistisch inspirierten Staatstheoretiker Bob Jessup,

der gesagt hat, dass es zu Inhaltswehr und der Neo kann es alles mögliche machen.

Und wir müssen präziser sagen, worum es eigentlich geht.

Und deshalb spreche ich von nachhaltigen Sozialismus,

weil ich meine, dass ein solcher Sozialismus auch nicht zurückfallen darf,

sondern konkretisieren muss, was in den 17 Nachhaltigkeitszielen verbindlich festgelegt ist.

Das ist ja eine werte Ordnung und eine Zielsetzung,

auf die sich die Weltstaatengemeinschaft sensationellerweise verpflichtet hat.

Auch wenn sie zu wenig unternimmt, um die Ziele zu erreichen.

Aber in den Zielen ist angelegt, die Verbindung, die Gleichgewichtung von sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit.

Das Ziel eins ist Überwindung aller Formen von Armut,

bis ich glaube sogar 2030 oder 35, da sind wir weit davon entfernt.

Aber es wird eben verbunden mit dem Kampf gegen den Menschen gemachten Klimawandel und so weiter.

Und deshalb ist das aus meiner Sicht eine Präzisierung dessen,

was mit dem Neosozialismus schon angedacht war,

aber viel klarer sagt, worum es sozusagen unter Bedingungen der Zangenkrise eigentlich nimmt.

Wo wahrscheinlich die meisten Schlucken auch in Österreich trotz austromaxistischer Tradition

ist die Forderung, die sie ja heute auch erhoben haben,

nach einer quasi Vergesellschaftung von Kapitalgesellschaften.

Man könnte auch sagen, das böse Wort Verstaatlichung oder Verstaatlichung.

Was konkret soll das sein, also welche Bereiche soll das betreffen?

Wie soll das ausschauen?

Also bei der Verstaatlichung, das muss ich dazu sagen,

das für ein gewisses Übergangstadium kann ich mir das vorstellen,

aber bei den neuen Eigentumsformen geht es aus meiner Sicht um Folgendes.

Bei der Eigentumsfrage insgesamt muss es darum gehen,

etwas zu durchbrechen, was gegenwärtig auf der Ebene der großen Unternehmen ja Zustand ist.

Also es sind im Grunde kleine Managerkasten und winzige Minderheiten von Eigentümern,

die darüber befinden, was, zu welchem Zweck, wie produziert wird.

Nehmen Sie das Beispiel Krise 2007 bis 2009.

Alle wollten plötzlich grün werden.

Es war das Jahr 2010 und die gesamte Automobilindustrie schwenkt auf eine Geschäftspolitik ein,

wo man das Geld macht mit den großen Spritfrechten, fressenden SUVs,

die eigentlich kein Mensch braucht.

Ich hoffe, ich trete niemand zu nahe.

Wenn man in einem Bergen wohnt, können wir darüber reden.

Warum kann diese Entscheidung fallen?

Sie hat bewirkt, dass der gesamte Mobilitätssektor zur Emissionsreduktion

überhaupt noch gar nichts beigetragen hat.

Das Gegenteil ist der Fall.

Wenn wir das durchbrechen wollen, dann brauchen wir Eigentumsformen,

die der demokratischen Zivilgesellschaft ermöglichen,

auf solche Entscheidungsprozesse Einfluss zu nehmen.

Wie könnte das konkret anhand dieses Falles?

Ich nenne das Form kollektiven Selbstigentums, die zwei Elemente beinhalten.

Das erste wäre, wenn man aus der deutschen Perspektive denkt,

aber Österreich kann man da mitnehmen,

eine Ausweitung der Mitbestimmung im Betrieb und Unternehmen

auf die Investitionsentscheidung.

Faktisch ist das der Schlüssel schon jetzt.

Wir haben in Deutschland Fälle, Fort Salui,

da beschließt, dass Unternehmen an Standort mit 6.000 Beschäftigten

wird zugebracht.

Jetzt ist doch die Frage, was passiert denn da,

wenn man das nicht einnehmen kann?

Es müsste sozusagen Einfluss genommen werden.

Auf die Investitionsbedingungen fängt an,

damit das forter Milliarden eingestrichen hat

an Subventionen durch den Staat.

Wer sorgt jetzt eigentlich dafür,

dass die Weichen Richtung Zukunft gestellt werden?

Wenn ich das sage, muss aber was Zweites dazu kommen.

Wenn Sie nur die unternehmens- und betriebliche Mitbestimmung auswarten,

verhindern Sie nicht das VW-Problem.

Ich glaube, VW ist das am besten mitbestimmte Unternehmen

in der Welt mit den mächtigsten Betriebsräten.

Trotzdem haben Sie natürlich nicht den Abgaskandal.

Das heißt, es reicht nicht,

dass wir einen Kollektivwillen in den Unternehmen haben,

durch beschäftigte Betriebsräte, indirekt durch Gewerkschaften,

um Einfluss zu nehmen,

sondern wir brauchen Einfluss der demokratischen Zivilgesellschaft

aus der Kommune der Region,

z.B. im Gestalt von Transformations- und Nachhaltigkeitsräten.

Die Eigentumsform, die da angestrebt wird,

würde ich bezeichnen als kollektives Selbsteigentum.

Das ist was anderes als staatliches Eigentum.

Das Staatseigentum im sogenannten

staatsbürokratischen Sozialismus hatte den Nachteil,

es war ein Eigentum ohne Eigentümer.

Gehen Sie durch die Häuserfassaden, damals in der alten DDR,

und Sie haben den Verfall gesehen,

das war Staatseigentum, aber niemand, der in den Häusern gewohnt hat,

hat sich als Eigentümer geführt.

Entsprechend war das.

Was diesen Effekt muss man vermeiden.

Das heißt, wir brauchen eine Form von Kollektiveigentum,

wo sich die Beschäftigten als Eigentümer verstehen,

z.B. in Form von Mitarbeiterinnengesellschaften.

Die Unternehmen gehören denen, die dort arbeiten.

Genossenschaften?

Genossenschaften, ein Modell des Stiftungsunternehmens,

das nicht missbraucht wird, wie das gegenwärtig die Großkonzerne

in der digitalen Ökonomie machen,

sondern das zu den ursprünglichen Werten

von Stiftungsunternehmen zurückführt.

Wir haben in der Vorbereitung über Karlsals-Heiner gesprochen.

Da galt ein Manager, kann nicht mehr verdienen,

als maximal das achtfache eines Facharbeits.

Maximum, solche Geschichten.

Das wäre aus meiner Sicht anzustreben.

Das bedeutet natürlich ein Bruch mit dieser Art

von privatkapitalistischer Verfasstheit der großen Konzerne.

Für die klaren mittleren Betriebe würde ich anders haben.

Diese Transformationsräte sollen dann analog wie Umwelträte

oder Ähnliches durch losbestimmt werden?

Ich habe das mal in die Debatte gesprochen.

In der Debatte über Neosozialismus hat mir ein politikwissenschaftlicher

Kollege vorgeworfen, du bist ja viel zu harmlos,

da fällt dir gar nichts ein.

Du bleibst beim parlamentarischen System,

im Pluralismus und so weiter, stimmt alles.

Ich habe aber gesagt, es braucht einen Druck von außen,

eben diese Transformationsundnachhaltigkeitsräte.

Was war die Idee dabei?

Die Idee dabei ist gewesen,

wir müssen eigentlich eine Institution haben

der Zivilgesellschaft eigentlich außerhalb des Staates,

der im ersten Schritt mal bemisst,

was ist ein Sachen Nachhaltigkeitsziel erreicht

und was müsste erreicht sein?

Allein das transparent zu machen,

sagen wir mal in einer Stadt wie Wien.

Aber in allen Regionen und so weiter würde ja,

wenn nichts geschieht, diejenigen, die entscheiden,

bis zu einem gewissen Grad immer weiter delegitieren.

Wie könnten die zusammengesetzt sein, die Räte?

Ich habe vorgeschlagen zu einem Drittel aus Bürgerinnen und Bürgern,

die man durchaus auch mit dem Losverfahren bestimmen kann.

Das wäre nach wie vor eher für Wahl.

Aber losen würde bedeuten, dass die Chance größer ist,

dass Leute reinkommen, die sich sonst nicht engagieren.

Ein Drittel aus Expertinnen und Experten

und ein weiteres Drittel aus Organisationen

der demokratischen Zivilgesellschaft,

die aber dann nicht nur Arbeitkapitalstaat repräsentieren dürfen,

sondern beispielsweise Fraueninitiativen.

Die Klimabewegung und so weiter.

So, das ist die Idee.

Nebenbei, als ich die formuliert habe,

hat mir immer gesagt,

das ist der größte Wahnsinn, den du vorschlägst.

Ein Wahnsinn, den du vorschlägst.

Jetzt kommt er wieder mit Räten und so weiter.

Das Verrückte ist, von der Umsetzung hier

sind das Schritte, die jetzt beispielsweise

die sozialdemokratische Partei in unserem Land macht.

Also in Rheinland-Pfalz gibt es einen Transformationsrat,

der ist leider auch nur tripatistisch besetzt.

Also Arbeitgeber,

die Gewerkschaften starten,

weil die sagen, das ist sonst alles viel zu kompliziert.

Aber es gibt ihnen erst mal.

Ja, mit wichtigen Entscheidungen,

auch für die Investitionspolitik des Landes.

Und immerhin hat man mich nicht ausgefüfft,

als ich gesagt habe, die Stimmen müssen breiter werden

und die demokratische Zivilgesellschaft muss.

Mit Rhein und Malu Dreyer, die Ministerpräsidentin,

hat sich sogar bei mir bedankt für meine Rede.

Also, das heißt nicht,

dass es jetzt gleich in die richtige Richtung geht.

Aber die Frage ist,

wir müssen mehr Leute gewinnen,

diesen Wandel aktiv mitzugestalten.

Diese Nachhaltigkeitsrevolution aktiv mitzugestalten.

Dass das Feuer fängt.

Und das finde ich neben allem schlimm,

was wir gegenwärtig erleben,

finde ich das wirklich ein ermutigendes Zeichen.

Jetzt kommen wir zu einem anderen Schauplatz,

der sogenannten Zangenkrise, wie sie es genannt hat.

Da gibt es ja jede Menge Zielkonflikte.

Wir haben letzten Mittwoch,

gab es wieder Straßenblockaden von Umweltaktivisten.

Die haben die Wiener Einfahrtsstraßen

von allen Himmelsrichtungen blockiert

und haben Pendlerinnen, Arbeiterinnen daran gehindert,

zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen.

Klassisches Problem, das tut man in so einem Fall.

Also, da ich jetzt hier voran publikum in der Arbeiterkammer sitze,

argumentiere ich anders,

als wenn ich, sagen wir mal, bei Extinction Rebellion sitze.

Dann kannst du uns zuerst,

wie sie bei Extinction Rebellion argumentieren würden

und dann, wie sie es hier machen.

Ich hätte es lieber umgekehrt gemacht.

Geht auch.

Bei dem Arbeiterkammerpublikum, sage ich, gelassen laden.

Wenn ich im Stau stecke?

Ja, aber angesichts der Dramatik,

also, wenn man die Dramatik der Situation ernst nimmt.

Also, wir haben 2026 alle CO2-Budgets off gebraucht,

wenn es so weiter geht.

Kann ich den Verdruss verstehen?

Aber ich kann auch die verstehen, die sagen,

in einer solchen Situation müssen

Aktionen zivilen Ungehorsams erlaubt sein.

Auch wenn sie diejenigen treffen,

die sozusagen zum Emissionsausstoß deutlich weniger beitragen,

als die Superboden.

Ich würde sagen, das muss man ertragen.

Extinction Rebellion würde ich sagen,

Leute, wenn ihr solche Aktionen macht,

dann müssen sie erst mal gut vorbereitet sein.

Ihr müsst erklären,

warum ihr zu middeln zivilen Ungehorsams greift.

Wenn ihr das nicht sinnvoll erklärt,

dann erreicht ihr mit einer bloßen Straßenbesetzung,

die einfach nur eine Straßenbesetzung ist,

genau das, was Sie gerade beschrieben haben.

Pendler kommen nicht zur Arbeit.

Und ich habe jetzt die Arbeiter von Opel-Eise nach einer Erinnerung.

Wenn Sie in Goethe losfahren, um 35 bei der Frühche zu sein,

stehen Sie um 3.40 Uhr auf.

Sie können mit dem ÖPNV nicht hin.

Sie müssen ein Pkw nehmen.

Dann arbeiten Sie in der Frühschicht

mit zwei neun Minuten Pausen,

einer 27 Minuten Pause,

und alle Beschäftigten sagen,

vor der 23-Minuten-Mittagspause,

eine Stunde vor bis zum Platz.

Und wenn Sie dann natürlich auf eine Autobahnkreuzung kommen,

und Sie kommen nicht weiter,

und Ihnen wird sogar noch das Gehalt abbezogen,

weil Sie zu spät kommen,

Sie hätten ja früher losfahren.

Dann wird das die Ressentiments

der Arbeiter gegen die Klima- und Umweltbewegung verstärkt.

Das würde ich extinktional werden.

Und kommt es an, wenn Sie es dort sagen?

Also im konkreten Fall habe ich die Fakten

glücklicherweise auf meiner Seite.

Also wir haben in den Interviews immer gehört,

wir empfinden also Interviews jetzt mit den Opelarbeitern

also nach, wir empfinden die Grünen

und die Klimabewegung als Bedrohung.

Und das waren gewerkschaftliche Vertrauensleute,

das gesagt haben, ja, Bedrohung.

So, gleichzeitig haben Sie aber alle gesagt,

wir würden gerne mal mit denen diskutieren.

Das war unisono, nicht?

Und warum empfinden Sie grüne Klimabewegung als Bedrohung?

Das ist jetzt, glaube ich, ein wichtiger Punkt,

weil der zum eigentlichen Kern führt.

Weit über diese Frage,

ziviler, ungehaushamten Straßenblockaden, ja oder nein.

Mein Eindruck ist,

dass, wenn Sie einen solchen entfremdeten Arbeitstag haben,

also Sie arbeiten in 50 Sekunden-Takten, Opel-Leise nach.

Das machen Sie nur, also sagen Sie auch aus drei Gründen.

3, 8, Brutto, kriegt man sonst nirgendwo in der Industrie,

im Osten.

Man kennt die Kolleginnen und Kollegen zum Teil seit 30 Jahren,

das ist wie Familie.

Und wir haben einen Tarifvertrag und einen Standbetriebsrat,

soziale Eigenschaften.

Das sind die drei Gründe.

Deshalb nimmt man das in Kauf,

aber man will in seiner Freizeit wirklich frei sein

und tun und lassen können, was man will.

Und die haben alle den Eindruck,

dass Leute aus privilegierten Klassen,

die nicht wissen, was Bandarbeit ist,

ihnen reinreden wollen bei den Formen ihrer Lebensführung.

Und das hat dann, ich habe es Ihnen ja schon mal geschildert,

im Interview dazu geführt,

dass ein Vertrauensmann Freude strahlend im Interview sitzt,

die junge Studentin anschaut, die ihn interviewt,

mit Fridays for Future Hintergrund.

Und ihr erzählt, welche Freude er empfindet,

sein Auto auf 280 Sachen zu tunen

und dann auf der Autobahn, auf der linken Spur an Tesla zu hetzen,

bis der mit überhitzen Motor rechts ranfahren muss.

Und der sagt ja dann, das werde ich weitermachen,

auch wenn du es mir verbieten willst.

So, und das steckt aber drin.

Also das ist eine entfremdete Arbeit,

wo man unvorher viel in Kauf nehmen muss.

Und man hat das Empfinden,

dass andere reinreden wollen, die privilegiert sind.

Und das muss man überwinden.

Das ist der eigentliche Punkt.

Ich nehme aber mit doch auch die Kritik an Extension Rebellion,

quasi diesen radikaleren Fridays for Future Abspaltungen zu sagen,

passt ein bisschen auf mit deinem Aktionismus,

setzt den Klüger an,

damit das zugehen dieser beiden Protestbewegungen besser funktioniert.

Also Extension Rebellion muss man dazu sagen,

ist jetzt auch nochmal eine besondere Ausprägung der Klimabewegung.

Also das Hauptproblem ist,

aus meiner Sicht bei Extension Rebellion,

dass sie so ein apokalyptisches Szenario haben,

das trotz allem Realitätsgehalt in den selten Fällen dazu geführt hat,

dass es irgendwas progressiv gewendet wird.

Und das finde ich das Gärmproblem.

Aber ich werde demnächst eine Debatte mit Ihnen haben

und werde Sie darauf hinweisen,

dass Formen zivilen Ungehorsamts,

die sozusagen Gefahr laufen, solche Wirken zu erzielen,

also bündnisunfähig zu machen,

dass ich die nicht wertschätze.

Kommen wir nochmal zurück zu diesem Opel,

arbeitet der sein Ort auf 280 Türen,

damit er den Tesla schnappen kann.

Ich weiß nicht, ob er Opel fährt,

aber das Beispiel ist ebenfalls verbürgt.

In diesem Opel-Mechaniker sagt, du musst umschulen,

du bist in Zukunft Pfleger,

weil auf das läuft es ja vielleicht dann auch hinaus,

wenn die Automobilbranche sich komplett verändert.

Dann wird der wahrscheinlich sagen,

ich möchte jetzt nicht formulieren, aber schwierige Sache.

Wie schafft man das?

Also wie kriegt man Menschen,

die auch so einen Status stolz auf ihre Arbeit haben,

dazu vielleicht etwas ganz anderes in Zukunft zu machen?

Ja, also im konkreten Fall haben wir den gefragt,

und der hat natürlich gesagt, Pflege, komm,

ich bin Autobauer und Autofan,

mich kriegst du zu diesem Quatsch nicht.

Vom Einzelfall abgelöst,

ist es insgesamt so in der gesamten Industriearbeitsschaft,

in der wir gefragt haben,

großes Ressentiment,

A, nochmal auf die Schulbank,

B, in Bereiche zu wechseln,

also in Berufe zu wechseln,

die mit Statusverlust verbunden werden.

Also der Arbeitsmarkt ist so,

dass Facharbeiter nicht wirklich Angst haben müssen,

arbeitslos zu werden, länger arbeitslos zu werden,

aber sie fürchten Statusverlust,

ein Drittel weniger Einkommen

und Berufe, die gesellschaftlich weniger gewertschätzt sind,

in Anführungszeichen Weiberarbeit,

migrantischer Arbeit,

und das will man eher nicht.

Daraufhin pflege ich folgendes zu sagen,

erstens, tatsächlich müssen wir uns überlegen,

wenn wir diese Gruppen nicht verlieren wollen

an die radikale Rechte,

wie Statusgarantien gegeben werden können,

etwa durch ein Transformationsbild.

Also es geht nicht einfach nur

um Vermeidung von Arbeitsfähigkeit.

Zweitens muss man klar sehen,

es entstehen auch neue Industriearbeitsplätze,

neue Arbeitsplätze im Handwerksbereich.

Nehmen wir mal das Beispiel Photovoltaik.

In Berlin kommt die Photovoltaik,

deshalb mich auf die Dächer,

weil etwa 10.000 Handwerker fehlen,

die überhaupt auf die Dächer montieren können.

Und das ist nicht ein Berliner Beispiel.

Und der dritte Punkt ist,

aus meiner Sicht ein entscheidender,

ich glaube, der ist in Österreich nicht ganz so gravierend

wie in der Bundesrepublik.

Der hat in den Arp-Uppel-Eisen nacharbeitet,

dass auch direkt gesagt,

wenn die pflegenden, erziehenden, bildenden,

gesundheitsförderlichen Berufe entsprechend aufgewertet,

das heißt, entsprechend ihrer gesellschaftlichen Bedeutung

bezahlt wurden, wertgeschätzt wurden

und mit entsprechender Qualifizierung verbunden werden würden.

Wollt ihr mir dann ernsthaft erzählen,

50 Sekunden Takten besser entfalten können als in einem solchen Moment.

Das ist dann die Antwort.

Also ist es vor allem eine Frage des Geldes oder ist es dann letztlich auch das, was Sie

vorhin gesagt haben, Weiberarbeit?

Also, die Reaktion war jetzt im großen Plenum schweigen.

Vorher war ein Betriebsrat aufgesprungen, hat er gesagt, der Bodo, also unser Ministerpräsident,

hat gesagt, wir sollen in die Pflege gehen, so blödsinn, und dann über Nachdenken.

Ich habe das übrigens mit dem österreichischen Beispiel garniert, ich habe gesagt, wir brauchen

ein Weiterbildungssystem, was ähnlich wie die Bildungskarrenz in Österreich ermöglicht,

direkt aus dem Beruf, nicht erst nach Arbeitslosigkeit, in ein Studium zu wechseln, mit einem garantierten

Minimum des letzten Einkommens.

Das hat Malu Dreier beispielsweise aufgenommen, als eine positive Idee, mal sehen, was draus

wird.

Also das Nachdenken ist möglich, und wenn ich noch einen Zusatz machen darf, jetzt gehen

wir mal aus Deutschland raus.

Ich komme jetzt gerade aus Italien, und wir waren in Campo Bisencia.

Was ist dort passiert?

GKN ist verkauft worden an einem Investmentfonds, also der GKN-Konzern, die Betriebe.

Ich glaube, das muss man kurz erklären, wer nicht alle wissen, was es ist.

Also GKN ist ein Getriebehersteller, also Zulieferunternehmen, weltweit ist Zulieferunternehmen, und ist von einem

Immobilienkonzern übernommen worden.

Und der hat den 500 Beschäftigten im Werk in Campo Bisencia per E-Mail mitgeteilt,

dass das Werk geschlossen wird, über Nacht, über Nacht.

So, was haben die Arbeiter gemacht, was ganz anderes als die in Eisenach, also vielleicht

ist es aber auch nicht so anders, sie haben den Betrieb besetzt, die Maschinen nicht

rausgelassen, seit 14 Monaten ist der Betrieb besetzt.

Und ich erwähne das Beispiel deshalb, weil ich das, was ich in Eisenach gefunden habe,

bei denen überhaupt nicht finde.

Also, manche von denen sagen ganz offensiv, ich fühle mich gar nicht mal als Industriearbeiter,

die denken über verschiedene Alternativen nach mit alternativen Ökonomen, manche wollen

Industrieproduktion, etwa für grünen Wasserstoff, die Elektrolyseure bauen und so weiter, andere

wollen einfach eine Küche machen, also eine Art Mensa für das benachbarte Einkaufszentrum

und leiten das schon ein, zusammen mit Bauern, die direkt vermarkten und so weiter.

Da finde ich das überhaupt nicht, wir sind Autobauer.

Die waren jetzt auch nur Antriebsmehrentwerter, aber also Zulieferer, aber trotzdem, das heißt,

die politische Kultur ist entscheidend, in Fort Salouie kommt noch niemand auf die Idee,

einfach mal das Werkstelände zu besetzen.

Aber ich werde Ihnen zumindest mal von Kampo Bisencia berichten.

Das ist jetzt das zweite Tabu-Wort, nämlich das R-Wort, das Revolutions-Wort, brauchen wir, brauchen wir da mehr

Revolutionen in der Arbeit schafft, auch bei uns.

Ja, wir bräuchten mehr revolutionären Geist, also das Wort Nachhaltigkeitsrevolution, ich glaube,

wir hatten das in jener, in unserem Postboxtums-Kolleg schon benutzt, als es der Weltklimarat noch

nicht benutzt hat, aber der sagt das ja auch offiziell, es sagt aber, dass es natürlich

noch mehr ist als nur eine politische Revolution, es ist eine Produktivkraftrevolution, die wir

eigentlich brauchen.

Also, wir brauchen ein stoffliches Umsteuern des gesamten Wirtschaftssystems, nehmen wir mal

das Beispiel Mobilität, also bei uns ist das große Thema jetzt Elektro-Batterie getriebene

Mobilität.

Alle wissen aber, das reicht überhaupt nicht aus.

Bevor das erste E-Auto auf der Straße ist, hat es 20 Tonnen CO2 imettiert.

Ja, jetzt stellen Sie sich das vor und das sagt Karsten Betzhold, Betriebsratsvorsitzender

VW Baunertal, die schon im Zuge der Umstellung auf E-Mobilität von 16.000 Arbeitsplätzen

8.000 verlieren wird, der sagt, dieses E-Mobil vor Augen mit 20 Tonnen CO2 bis zur Produktion

jedes Jahr 70 Millionen neue Pkw in den Weltmarkt geschoben, das kann nicht nachhaltig sein,

als Betriebsratsvorsitzender.

Und er kriegt 92 Prozent der Stimmen im Werk trotz einem, trotz dieser dramatischen

Arbeitsplatzverliste, wie es geben wird.

Und das ist aus meiner Sicht etwas, also wir dürfen die Leute nicht unterschätzen.

Ja, er führt das darauf zurück, seine überragende Stellung nicht, weil die alles richtig finden,

was er zur Transformation sagt.

Aber er sagt, die halten mich verglopptwürdig, ich sage die Wahrheit, ich spreche sie aus

und ich suche noch Alternativen.

Das ist der springende Punkt, die Glaubwürdigkeit ist ein ganz entscheidender Punkt.

In Ihrem Nachwort schreiben Sie, gleich wie sich Krieg und Konfrontation entwickeln,

Sie werden das Ende des Marktradikalismus beschleunigen.

Also Sie paufert sein, dass wir durch das, was wir jetzt erleben müssen, in eine noch

stärkere Transformation kommen werden, kann das aber nicht auch in die andere Richtung

ausschlagen, also in die nicht erwünschte Richtung, nicht in die ökologisch faire, sozialere

Richtung.

Das, was ich sehe, ist das Ende eines Typs von Kapitalismus, dem wir als Finanzmarkt Kapitalismus

oder als neoliberalen Kapitalismus, ich spreche von Landnahmen, egal, der qualifiziert haben.

Der funktioniert definitiv nicht mehr.

Das war meine Eingangsthese, rentiert sich nicht mehr.

Der Zweiten, erleben wir, dass auch die kapitalistischen Eliten dauernd Dinge tun müssen, die sie

eigentlich nicht auf der Agenda haben.

Also es werden selbst Yachten verstaatlicht, Liborno liegt die von Putin, die muss man

jetzt allerdings entstandhalten und so weiter.

Es wird über die Verstaatlichung von Energiekonzernen nachgedacht, zum Teil ist es schon praktiziert

in Deutschland und so weiter und so weiter.

Das heißt, es ist völlig offensichtlich, dass wir schon unter Kriegsbedingungen, aber

der Krieg ist ja eigentlich nur ein Katalysator für etwas, was ohnehin gekommen wäre, das

Ende der billigen Dinge, das Ende vom billiger Energie, das Ende von billiger Sorgearbeit,

das Ende vom billiger Natur und so weiter und so weiter.

Dieses Ende der billigen Dinge ist nicht auszugleichen ohne massive Eingriffe des Staates.

Und die Frage ist jetzt, wie er intervieren wird.

Also wird diese Kriegssituation zu einem Katalysator, wie sie es sagen, für eine Politik, die jetzt

nachhaltig Kanzile ernst nimmt oder schlägt das ins Gegenteil, also nimmt es dystopische

Formen.

Im Moment überwiegt das dystopische Moment.

Ganz simpel.

Nachhaltigkeit ist der Gegenbegriff zur Gewaltsamkeit und Gewaltsamkeit nicht nur im

Blick auf Kriege und Militär, sondern auch in Ungleichheitsbeziehungen, in geschlechter

Beziehungen und so weiter.

Wenn Sie eine Politik machen wie in der Bundesrepublik, wo Sie sagen, jedes Jahr mehr als 2 Prozent

des Bruttoinlandsprodukts in die Rüstung, wird dieses Geld irgendwo anders fehlen.

So und man kann sich ausdenken, wo das fehlen wird und die Gefahr ist groß, dass jetzt nicht

nur die Kernkraftwerke länger laufen, dass die Kohlekraftwerke länger laufen, alles

gegen Nachhaltigkeitsziele, sondern dass wir insgesamt in eine Drift bekommen, die ich

als exterministische Tendenz bezeichne würde.

Exterminismus ist ein Begriff des britischen Historikers E.P. Thompson und der meint damit

alle ökonomischen, ökologischen, sozialen, politischen und kulturellen Faktoren, die

das töten großer Menschenmassen in Kauf nehmen.

Wenn Sie den Klimawandel nicht wirksam bekämpfen, nehmen Sie das Töten von großen Menschenmassen

schon jetzt in Kauf.

Und auf der anderen Seite, Thomas Piketty sagt, dass alle dramatischen Veränderungen

auch in Richtung Sozialismus, in der Regel nach großen Katastrophen und Kriegen gekommen sind.

So und das wäre jetzt der Punkt, wo man einhaken kann.

Also im Grunde geht es ja darum, jetzt erstmal die Daseins vor und für Sorge zu stärken.

Also das, was sich als wirklich systemrelevant für uns erwiesen hat, diese wirtschaftlichen

Sektoren zu starten, dort das Geld hinzuladen.

Dazu braucht man den Staat, das ist völlig klar, aber diese Entwicklung könnte auch

einsetzen.

Und ich würde sagen, gegenwärtig ist eine offene Situation, es gibt ein politisches

Regen darum und noch kann man nicht sehen, dass die aus meiner Sicht progressiven Kräfte

in die Oberhand gewinnen.

Aber wie das oft so ist bei Systemwechseln, das beginnt mit einer Phase der Aufklärung.

Also die Renaissance des Sozialismus bedürft im intellektuellen Raum, beispielsweise.

Und es führt ja doch vom Piketty bis Nancy Fraser, würde ich sagen, nicht?

Also ungewöhnlich.

Aber bis, was jetzt wichtiger ist für mich, wenn Systeme im Niedergang sind, treten Situationen

ein, wo kleine Gruppen und winzige Ereignisse radikalen Wandel aus müssen.

Wenn Sie mich gefragt hätten, ob der staatsbürokratische Sozialismus untergeht, Deutschland wieder

vereinigt wird, hätte ich mit den Schultern gezogen.

Ein marodes System ist in kurzer Zeit zerfallen, durch den Einsatz, auch den Einsatz einer vielfältigen

oppositionellen Bürgerrechtsbewegung, die eigentlich Außermassenmobilisierung nichts

hatte.

Und das zeigt, wie rasch stabile Systeme von einem Tag auf dem anderen, wenn sie inhaltlich

ausgehört sind, etwas neuem Platz machen können.

Und diese Situation kann durchaus eintreten.

Aber haben Sie in Deutschland das Gefühl, dass quasi außerhalb dieser Kriegslogik gedacht

wird?

Also das ist eine ganz schwierige Situation in Deutschland, weil wir faktisch mit Ausbruch

des Ukrainekrieges in der Tendenz hatten, ich weiß nicht genau, wie das in Österreich

ist, wo zurecht festgestellt wurde, dass es ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg

gegen die Ukraine.

Und dann aber nicht mehr gedacht wurde vom Ende, wie kann dieser Krieg beendet werden,

sondern wir im Mehrheitsdiskurs gekommen sind, in eine Debatte, die eigentlich darin

gipfelt, dass nur noch gefragt wird, welcher Panzer jetzt zu welcher Zeit geliefert werden

muss.

Und plötzlich haben wir lauter Küchentischstrategien und Strategien, also Bekannte aus der Friedensbewegung

in der Grünen Partei organisiert, die mir jetzt erzählen wollen, was die Vorteile von

einem G-Baden sind gegenüber anderen Waffensystemen, ich kann nur die Hände über den Kopf zusammenschlagen.

Und das zeigt, wenn man sich ausschließlich auf die militärische Karte verlässt und ernsthaft

einen Siegfrieden programmiert, sei es für die Ukraine oder Russland, ja, also für

Russland natürlich so gut wie keiner, aber auch für die Ukraine, dann nimmt man in Kauf

das Analogik-Einsatz, die tatsächlich genau dem entspricht, was ich als Exterminismus

bezeichnet habe.

Und das Furchtbare daran ist, dass die gleichen Leute die Putin für irrational erklären.

Dann, wenn es um die Gefahr eines Atomkriegs geht, immer behaupten, der sei völlig rational

in der Logik der Abstreckung und wird niemals Atomwaffen beantagt.

Also an furchtbare Anerkommnissen aus meiner Sicht.

Diese Logik der Abstreckung, da gibt es ja eine Menge Historiker, die sich entsprechend

geäußert haben, nicht eine Menge, aber einschlägige, beruht auf eine Ansammlung

von Glaubenssätzen.

Wir können nur hoffen, dass die Glaubenssätze niemals überprüft werden.

Der Vergleich mit der Kuba-Krise ist insofern erhellend, gibt ein Buch von meinem Kollegen

Bernd Kreiner zur Kuba-Krise, da zeigt er, dass wir schlaffandlerisch durch eine Kette

von Zufällen aus dieser Krise herausgekommen sind, eine Kette von Zufällen.

Das war hochgefährlich.

Und wenn wir jetzt eine Situation haben, wo Putin mit taktischen Atomwaffen droht und

Teile der ukrainischen Führung deshalb für einen Präventivschlag mit Atomwaffen plädieren,

dann ist das Wahnsinn, das ist kompletter Wahnsinn.

Deshalb meine ich, das, was wir als allerdränglichstes tun müssen, ist zu fordern, dass der Krieg

beendet wird und zwar sofort.

Und das kann nicht geschehen, indem wir für einen Siegfrieden, egal welcher Seite kämpfen,

das kann nur gehen, wenn es eine Initiative gibt, die die starken Promotoren auf Weltebene

tatsächlich dazu bringt, die Kriegsparteien, und zwar beide unter Druck zu setzen, für

einen sofortigen Waffenstillstand und der ist dann einer, der erstmal bedeutet Rückführung

auf die Grenzen, die existierten vor Kriegsausbruch.

Alles andere ist überhaupt nicht denkbar.

Und daran fehlt es nicht.

Und ich sage es ganz offen, in der deutschen Sozialdemokratie bin ich gut befreundet mit

Michael Müller, dem ehemaligen Vorsitzender der SPD.

Er hat gerade ein Buch gemacht mit Peter Brandt im Sohn von Willy Brandt, wo sie genau für

eine solche Linie optieren, wie sie jetzt angedeutet haben.

Und das Wahnsinnige ist, dass die an die Wand gestellt werden, attackiert werden, ganz

heftig, zum Teil in ihrer eigenen Partei, weil sie eine neue Form von Entspannungspolitik

wurden.

Das ist doch Wahnsinn.

Also wenn wir das nicht in den Griff kriegen, dann können wir das mit der Utopie eines

Nachhaltigen Sozialismus sowieso in die Tonne kloppen.

Das ist völlig klar.

Also es muss eine Auseinandersetzung darum geben und wir brauchen eher rascher als später

eine massive Bewegung innerhalb der Nationalstaaten für eine solche Option, die tatsächlich

auf Frieden drängt, die Kriegsparteien zufrieden.

Zu öhrten den Wirtschaftssoziologen Klaus Dörre von der Universität Jena bei einem

Wiener Stadtgespräch vom 13.10.2022 im Gespräch mit Falter Redakteur Barbara Todt bei den

Veranstaltern bedanke ich mich sehr herzlich für die Zusammenarbeit.

Dörres Buch mit dem Titel Die Utopie des Sozialismus, Kompass für eine Nachhaltigkeitsrevolution

können Sie im Falter Buchversand bestellen.

Ich verabschiede mich von allen, die uns auf UKW hören, im Freierer Tirol und auf Radio

Agora, in Kärnten.

Innovatives zur Gesellschaftspolitik in Krisenzeiten lesen Sie im Falter jede Woche.

Ein Argument des Falters ist eine gute Idee.

Alle Informationen dazu gibt es im Internet unter der Adresse.

aber.falter.at Ursula Winterauer hat die Signation gestaltet.

Philipp Dietrich betreut die Audio-Technik im Falter.

Ich verabschiede mich bis zur nächsten Folge.

Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.

Der Arbeitssoziologe Klaus Dörre plädiert für eine Nachhaltigkeitsrevolution, um aus der Systemkrise herauszukommen, in der der Kapitalismus angesichts der Klimaveränderungen steckt. Ein Wiener Stadtgespräch mit Barbara Tóth.

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