11KM: der tagesschau-Podcast: Eine katholische Sekte mit päpstlichem Segen (Wiederholung)
tagesschau 4/4/23 - Episode Page - 30m - PDF Transcript
Hallo, ich bin's, Victoria Michalsack.
FKM macht gerade eine kleine Osterpause, bis zum Montag, den 17.
April.
Dann gibt's hier wieder täglich neue Folgen.
Bis dahin ein Tipp von mir, falls ihr diese FKM-Folge noch nicht gehört habt.
Eine katholische Sekte mit päpstlichem Segen haben wir am 24.
Januar veröffentlicht.
Hier noch mal in voller Länge.
Zunächst waren wir erwartet, gebraucht, geliebt und dann langsam, schleichend, unmerklich
änderte sich die Richtung in geistlichen Missbrauch und da hatten wir aber schon alles
investiert.
Alles.
Kraft, Zeit, Geld, alles.
Das ist Monika Kindler.
Sie war über 40 Jahre Mitglied in einer von der katholischen Kirche anerkannten Sekte.
Eine Sekte, die sie heute an den Rand ihrer Existenz bringt.
Eine Sekte, bei der der gerade verstorbene Papst Benedikt Urlaube verbracht und rauschende
Feste gefeiert hat.
So waren wir dann wie Fliegen im Spinnennetz.
Warum hat die katholische Kirche so lange nichts gegen die integrierte Gemeinde unternommen?
Warum hat Josef Ratzinger über Jahrzehnte seine Hand über diese Sekte gehalten?
Drei Jahre lang hat Christian Wölfel für den BR-Podcast Seelenfänger dazu recherchiert.
Und dann bekommt er einen braunen Umschlag mit Infos von einem Whistleblower, einem
Whistleblower aus den Kreisen der katholischen Kirche.
Das ist 11km der Tagesschau-Podcast.
Ein Thema in aller Tiefe, heute mit der Geschichte vom Ehepaar Kindler, das bis heute auf eine
Entschuldigung der katholischen Kirche wartet.
Mein Name ist Victoria Michalsack, heute ist Dienstag, der 24.
Januar.
11km findet ihr in der ARD-Audiothek.
Christian, schön, dass du da bist.
Ja, ich freu mich.
Ja, das Ehepaar Kindler, Monika und Hiro Kindler, die sind über 70, die habe ich getroffen,
weil sie mir geschrieben haben.
Grüß dich, Frau Kindler.
Und wir waren bei Inderheim, 60 Quadratmeter Wohnung, ziemlich vollgestellt, man findet
Bücher, viele religiöse, ideologische Bücher, auch von Josef Ratzinger, Papst Benedikt im
16.
Und es ist alles sehr eng und es ist kühl gewesen.
Weil sie nicht heizen.
Wir heizen nicht, wie Sie vielleicht merken, wir ziehen uns warm an und lüften viel, also
bei Frost heizen wir dann schon ein bisschen, aber so lang es über Null ist, nicht.
Also sie heizen eigentlich nur, wenn es Minusgrade draußen hat, also sie müssen sehr sparen und
das haben sie auch schon im Jahr 2021 gemacht, also vor dem Krieg in der Ukraine und vor
all diesen Themen wie Graspreis, Heizkosten, Energiekosten.
Also finanziell geht es Ihnen nicht so gut?
Genau, finanziell geht es Ihnen nicht so gut.
Also sie kommen über die Runden, aber wenn man sich überlegt, er war Elektroingenieur,
er hat sehr gut verdient, ja, ist es natürlich schon auch bedruckend, das zu erleben.
Man merkt Ihnen an, dass das Leben in dieser katholisch integrierten Gemeinde, also 40
Jahre, also mir als die Hälfte ihres Lebens, sie schon sehr mitgenommen hat.
Vor allem Monika Kindler, die ja auch sehr intime Entscheidungen in dieser Gemeinde abgenommen
ist fast zu wenig, ja, wo man ihren sehr intime Entscheidungen hineingeretet hat.
Die ist ja, also gebrochen ist vielleicht zu viel, aber ganz verarbeitet haben sie es
nicht, also nicht im Ansatz.
Die katholische integrierte Gemeinde, was ist das, wofür steht die, was steht dahinter?
Also man hat sich als Reformbewegung innerhalb der katholischen Kirche verstanden, da gab
es eine Führungsgruppe rund um Traudel Wallbrecher, die sehr dominant war, die sehr charismatisch
war als Frau, da hat keiner gezweifelt, dass das, was diese Führungsebene sozusagen entscheidet,
richtig oder falsch ist.
Ja, wir haben dieses ungeheide Wagenis auf uns genommen innerhalb dieser Kirche, die
Auseinandersetzung mit dieser Kirche zu beginnen.
Man baue sozusagen die Kirche neu auf und war dann aber auch lange nicht kirchlich anerkannt,
das ist glaube ich ganz wichtig.
Also das katholisch kam ziemlich spät dazu, vorher hieße immer nur integrierte Gemeinde.
Ah, okay, also das heißt, erst mal war das einfach nur so eine Art Zusammenschluss von
Gläubigen, erzähl mal, wie genau waren da die Verhältnisse?
Man muss sagen, Anfang der 70er Jahre, als Kindlers da in Berührung haben mit dieser
Gemeinschaft, hat der damalige zweite Mann im Erzbistum, genau, WKG hat gruber gewarnt
vor dieser Gemeinschaft, weil es eben schon problematische Entwicklungen gab aus Berichten
von Menschen, die in Kontakt waren mit dieser Gemeinschaften und die Kirche distanziert
sich eigentlich zumindest eher, distanziert sich sehr stark davon, dass die katholisch
wären.
Und dann kommt das Jahr 1976, das Jahr, in dem Monika und Haio Kindler zu Gemeinde ziehen,
da stirbt der damalige Münchner Erzbischof recht plötzlich und ein Jahr später wird
ein junger Theologie-Professor aus Regensburg, nämlich Josef Ratzinger Erzbischof von München
und Freising und dann geht es ganz schnell.
Dann wird all diese Bedenken, die in der kirchlichen Verwaltung vorhanden sind gegen diese Gemeinschaft,
die werden gefühlt zur Seite gewischt und diese Gemeinschaft wird kirchlich anerkannt.
Okay, und dieser damals Kardinal von München und Freising, der Josef Ratzinger, dass es
später, das ist jemand, der vielen Leuten bekannt sein dürfte, denn das wird später
der Papst richtig.
Genau, das wird Papst Benedikt der 16., und er ist so etwas gewesen wie der Schutzherr
der Förderer dieser katholischen oder vorher integrierten Gemeinde, schon als Theologie-Professor
hat er Kontakt zu der Gemeinde und als er dann sozusagen die kirchliche Karriereleiter
nach oben klettert, bis hin zum Papst, klettert auch die integriere Gemeinde natürlich mit
hoch.
Also die Karrieren dieser beiden sind eng miteinander verknüpft.
Die beiden waren ja ganz lange 40 Jahre, hast du gesagt, Mitglied in dieser katholischen
integrierten Gemeinde.
Erzähl mal, wie sind die da hingekommen in diese Sektor?
Also die beiden haben sich in Berlin kennengelernt, er hat studiert, sie hat eine Ausbildung gemacht
und waren beide katholisch geprägt und er suchte, wie damals in den 70er Jahren vielleicht
viele eine neue Form des gemeinsamen Lebens, des gemeinschaftlichen Lebens und da ist er
auf die integrierte Gemeinde gestoßen, die ja hier in München vor allen Dingen ihren
Sitz hatte oder in Oberbayern, mehr oder anderen Orten und ist da zu so einem Wochenende oder
zu so einer Begegnung hier nach München gefahren und war dann sofort überzeugt von diesem Gemeinschaftsleben
dieser Gemeinschaft.
Und ja, sie sind dann 1976 beide als Paar zusammen, aber noch nicht verheiratet nach München
gezogen, zur integrierten Gemeinde.
Wir hatten gehofft, in Sinn unseres Lebens gefunden zu haben und wir waren überzeugt, diese Gemeinde
hat die Lösungen für die Probleme in der Welt.
Wie so eine WG auch, 70er Jahre ganz klassisch, in Häusern, in den verschiedensten Menschen
zusammen lebten, alte, junge, Studenten, Studentinnen, Ehepaare, Mitkindern, Ohne-Kinder, einzelne
alleinstehende Frauenmänner, da hat jeder ein Zimmer gehabt und alles andere war gemeinschaftlich
faszinierend, also definitiv, ich kann das gut nachvollziehen, dass man sich von dieser
Idee auch in den 70er Jahren faszinierend lassen kann und es haben ja auch viele sich
faszinieren lassen.
Die Kindlast ziehen also in die integrierte Gemeinde.
In dieser Gemeinde hieß es immer, mit allen Problemen, mit allen Fragen kommst du bitte
zur Gemeinde und die Gemeinde als Ganzes, eine Gemeindeversammlung gab es dann immer,
entscheidet dann sozusagen, was der richtige Weg für dich ist oder empfiehlt dir den richtigen
Weg.
Das Problematische war die Theologie dahinter, die Theologie besagte aus dieser Gemeindeversammlung,
sprich der Wille Gottes quasi, das heißt, wenn man diese Entscheidungen der Gemeindeversammlung
in diesem Haus nicht angenommen hat, dann widersetzt man sich so die Vorstellung letztlich
dem Willen Gottes.
Unsere eigenen Wünsche waren völlig unwichtig, das Oberste war der Wille Gottes und der war
gleichbedeutend mit dem Willen der Gemeinde, das war ungeschriebenes Gesetz.
Und auch die Kindlers haben Entscheidungen hingenommen, wo wahrscheinlich Menschen, die
nicht in so einer Gemeinschaft sind, die nicht zu tief im Glauben verwurzelt sind, sagen,
ja, also, Entschuldigung, da wäre ich spätestens da, wäre ich jetzt weggelaufen.
Also, man muss wissen, dieses Gemeindeleben war darauf ausgelegt, die Menschen quasi rund
um die Uhr in Beschäftigung zu halten.
Also, jede freie Minute war irgendwie durch eine Versammlung, durch einen Gottesdienst,
durch eine Vorbereitung, durch Theologie-Stunden belegt, die hatten überhaupt keine Zeit nach
zu denken, die hatten auch keine Zeit für sich so gut wie.
Und zum anderen war natürlich schon auch die Machtkontrolle oder das Ausüben von Macht
über die Gemeinde, mit die da sehr subtil da.
Also, zum einen wurden sie gelobt, als Gebrauch dargestellt und gleichzeitig, Monika Kindlererzehnt
ist immer wieder gesagt worden, du kannst das nicht, du schaffst das nicht, du bist nicht
in der Lage dazu, dies oder jenes zu tun, also, man hat sie da auch bewusst klein gemacht.
Das macht natürlich mit den Menschen was, da wurde entschieden, wohin diese Menschen
gesetzt wurden innerhalb der Gemeinde.
Also, sprich, die Gemeindeneitung hat auch darüber entschieden, dass du dann Beruf wechselst,
die Stadt wechselst, umziehst.
1984 sind wir sieben Mal innerhalb eines Jahres umgezogen.
Ich kann mir das so schwer vorstellen, dass Menschen das halt mit sich machen lassen.
Also, ein Experte für solche Bewegungen, der auch mit ehemaligen Gemeindemitgliedern,
die mit denen in Therapie macht, der hat das in ein schönes Bild gefasst, der hat gesagt,
wenn man ein Frosch in eine Schale mit heißem Wasser setzt, dann springt der sofort raus.
Was aber in solchen Gemeinschaften passiert ist, man setzt den Frosch in ein kaltes Wasser
und macht das Wasser ganz langsam warm und er merkt nicht, wenn es zu heiß wird.
Und so ist es, glaube ich, vielen in dieser Gemeinde ergangen.
Monika Kinler sagt in einem Interview mit uns, wir waren gefangen wie in einem Spinnennetz.
Zunächst waren wir erwartet, gebraucht, geliebt und dann langsam, schleichend, unmerklich
änderte sich die Richtung in geistlichen Missbrauch.
Und da hatten wir aber schon alles investiert, alles.
Kraft, Zeit, Geld, alles.
Dann gab es eben auch immer den ständigen Druck, so mehr unbewusst, dass wir eben alles
auch geben sollen und die enge Tür in die Gottesherrschaft bemüht, euch mit aller Kraft
in sie hineinzukommen.
Wie sah das aus mit Geld, das klingt nach einer großen Abhängigkeit.
Da muss man wissen, wenn jetzt neue Mitglieder in diese Gemeinde kamen, wie die Kindlers
zum Beispiel, dann hat die Gemeinde gesagt, ja, ihr kommt ja hier in eine Gemeinde, die
haben schon Tagungshäuser, die haben Festhäuser.
Also die Vorgängergeneration hat da schon viel Tolles aufgebaut und ihr nutzt das jetzt
mit und dafür müsst ihr jetzt erst einmal ein Eintrittsgeld bezahlen und das ist dann
nicht so wie bei einem Verein, wo man vielleicht mal irgendwie 20, 25, 30 Euro zahlen muss,
sondern es waren damals 100.000 D-Markt, das hieß sogenannte Vorhalteleistungen.
Das haben die Kindlers als einmal Zahlungen schon geleistet, oder?
Also man steigt quasi mit Schulden in diese Gemeinschaft ein und das ist kein Einzelfall,
also ich habe auch diese Dokumente gesehen, wo quasi das vertraglich geregelt wird, dass
man diese 100.000 D-Markt zahlen musste.
Hinterher war dann die viel spannendere Frage, wie viel Serial gezahlt haben, weil das nicht
immer bei 100.000 D-Mark Vorhalteleistungen geblieben ist.
Wow, also noch mehr.
Ja.
Also ich mich ja wirklich frage, also klar jetzt so komplett von außen, ob Harjo und
Monika Kindler da nicht irgendwann mal Zweifel kommen.
Natürlich gibt es Momente, wo die Menschen anfangen zu zweifeln.
Und ich wusste auch nicht, wenn ich innerlich Koffer gepackt habe, wusste ich nicht, wo
soll ich hingehen.
Ich kam nicht mal auf die Idee, dass ich zu meinen Eltern gehen könnte, weil denen
hatten wir ja auch vorgespielt, dass das eine tolle Sache hier ist.
Aber die waren dann irgendwann so verwoben, durch dieses Modell den Glauben in allen Bereichen
zu leben, Arbeit, Privatleben, Stichwort Häuser, die hatten keinen eigenen Hausstand mehr, dass
das daraus zu kommen wieder ganz, ganz schwierig wurde.
Und das ist immer eben dann bei der Frage, ist das nicht eine Sekte.
Okay, genau, die Monika Kindler und ihr Mann, die sind ja ganz lange dageblieben.
Aber du hast gerade gesagt, sie haben sich gefangen gefühlt und sie waren auch nicht
immer zufrieden.
Sie haben auch gezweifelt.
Ja, es gibt also eine, finde ich, ganz schwierige, schlimme Geschichte.
Monika Kindler hatte immer den Traum, meine Familie, zwei Kinder, ja, aber was macht
sie als treues Gemeindemitglied, als sie diesen Kinderwunsch verspürt nach der Hochzeit?
1980 haben sie geheiratet, auch alles organisiert von der Gemeinde.
Ja, sie fragt, kann ich Kinder bekommen?
Die Kinder sind einfach eine Freude und dann habe ich gefragt, ob ich auch ein Kind kriegen
darf.
Sie fragt um Erlaubnis?
Ja.
Nein.
Und die Antwort ist nein.
Ich war total erschüttert.
Sie ist noch nicht reif genug, sie kann das nicht.
Und jetzt kommt dazu, sie akzeptiert natürlich diese Entscheidung.
Krass.
Sie denkt, ja, vielleicht bin ich wirklich noch nicht reif genug.
Dann ging ich in den Keller und habe mich da ausgeheult und dadurch wusste der Herr
Jo nichts.
Sie hat, weil sie das eben auch so verinnerlicht hat, wenn sie ein Problem hat, das nicht mit
mir besprechen soll und so weiter.
Ja, dann hat sie mich gemassregelt und dann holzte dem Herr Jo auch noch was vor.
Die sagen einfach, du schaffst das nicht.
Es ist ja unmöglich, dass du das schaffst.
Du bist so inkompetent, du kannst das nicht.
Ausgeschlossen, das schaffst du doch nicht.
Das ist eine bleibende Wunde, das ist, glaube ich, einer der großen, also kann man doch
euch auch gut verstehen.
Das ist der große Schmerz.
Also sie hat bis heute, sie hat nie Kinder bekommen, weil sie nicht die Erlaubnis bekommen
hat.
Ja.
Und wenn man weiß, dass diese Gemeinde einen Leitspruch hatte, den sie immer wieder gehört
haben, wenn du alles gibst, was du hast, dann hat die Gemeinde alles, was sie braucht.
Und wenn man weiß, dass Kinder natürlich das Leben verändern, auch die Bedürfnisse oder
auch die Zeit, die man noch hat, dann, glaube ich, kann man verstehen, warum Kinder nicht
immer gewünscht waren in dieser Gemeinde.
Wenn wir jetzt hören, was der Frau Kindler passiert ist, die emotional, psychisch abhängig
wurde und finanziell ausgebeutet wurde, da frage ich mich schon, was hat die katholische
Kirche da gewusst und warum haben die das so lange gefördert?
Ja, das ist die große, das war die spannende Frage am Anfang unserer aller, unserer Recherchen.
Wie kann es sein, dass in einer katholischen Gemeinschaft gefördert, von wichtig, das
war nicht nur Josef Ratzinger, von wichtigen Menschen dieser Kirche, ja, in so grundlegende
Dinge wie ihn eingreift, also es gab auch Scheidungen in dieser Gemeinschaft oder forcierte
Scheidungen.
Forciert heißt, die Gemeinde hat auch gesagt, jetzt lass es scheiden.
Das wäre besser, ihr trennt euch.
Und das hat die katholische Kirche offiziell nicht nur toleriert, sondern gefördert?
Ja, also sie hat natürlich nicht gefördert, dass da Scheidungen stattfinden und Kinderwunsch
unterbunden wurde, aber sie hat die in dieser Gemeinschaft, also da kann man jetzt dann
auch wieder auf Josef Ratzinger zurückkommen, wenn auf Papst Benediktin 16., er sagt, glaube
ich, in dieser Gemeinschaft, also ihm hat das zugesagt, dieses ästhetische, dieses
schöne Essen war sehr gut, die Einrichtung war sehr stilvoll und es war natürlich auch
eine gewisse Hoffnung dahinter, dass aus solchen Gemeinschaften, wie der integrierten Gemeinde
so ein Neuaufbruch für die Kirche stattfindet, ein Wiederaufleben der Kirche.
Auch Josef Ratzinger ist umgarnt worden.
Ein kleines Beispiel haben auch die Kindlers erzählt, er hat immer Urlaub gemacht oder
mehrfach Urlaub gemacht mit seinem Bruder Georg in Wolfesing, das ist eben hier von
den Thoren Münchens, ein Festhaus der Gemeinde und die kirchlichen Würdenträger bekamen
Torten geschenkt oder vorbeigebracht zu hohen kirchlichen Festen, für Josef Ratzinger
ein Weihnachten in Linzertorte, zum Josef's Tag, zu seinem Namenstag gab es die Josefi-Torte.
Ja, da gab es einen eigenen Begriff in der Gemeinde, dafür siehst du die Tortologie,
abgewandelt von Diplomatie, das war alles immer sehr fein für die kirchlichen Würdenträger
dort.
Da gab es doch mal Beschwerden oder irgendwelche Zweifel, oder?
Das wissen wir eben jetzt durch unsere Recherchen, die gab es zumindest hier in München
seit den 70er Jahren, also es waren immer wieder ehemalige aktive Mitglieder da, haben
geschildert, was da passiert, es haben dann auch ehemalige Mitglieder an Josef Ratzinger
geschrieben, als er perfekter Glaubenskongregation in Rom war, also es war bekannt, dass es dort
Probleme gibt.
Du sagst, es gab eigentlich von Anfang an Zweifel Beschwerden, aber Josef Ratzinger,
der spätere Papst, der hat die integrierte Gemeinde doch 1978 offiziell anerkannt als
Teil der katholischen Kirche, wie kann das denn sein, also wenn das schon alles bekannt
war.
Also wenn man das mal an dem Beispiel durch exerzieren will, der 70. Geburtstag von Josef
Ratzinger, auch den hat die integrierte Gemeinde für ihn ausgerichtet, damals 1997 in einer
Villa, eine Dreiviertelstunde von Rom entfernt, die Villa Cavalletti, die hat man für 13,5
Millionen D-Mark gekauft, also viel mehr die Mitglieder haben sie natürlich zum größten
Teil gekauft und die haben dafür Eigenkredit aufgenommen.
Ort der Feier, die katholische integrierte Gemeinde nahe Rom, Gruppen wie diese sind
für Ratzinger neben der Amtskirche Garanten des Bestandes der Kirche ins dritte Jahrtausend
hinein.
Da sind Musiker extra angereist, ein Team aus Köchenden und Köchen ist angereist, ein
Chor ist angereist, alle waren dort, alle haben dafür bezahlt dort anzureisen und haben
diesen Festakt ausgerichtet.
Die haben ein Buch geschrieben sogar über Josef Ratzinger und die integrierte Gemeinde,
ganz schön groß und dick.
Ja, bist du beim Geburtstag glaube ich gerade.
Das ist jetzt der Geburtstag, oder?
Nein, das sind doch.
Hier.
Ah ja.
Da gibt es auch die Geburtstagstorte, die passende mit den drei Bischofskirchen, mit
Rosen aus Marzipan, die sehen ein bisschen kitschig aus, finde ich.
Also die Kontakte waren eng, die waren sehr, sehr eng, die Kontakte, das kann man fangen
von Briefen, von Besuchen, von Treffen, Nachweisen.
Okay, also Ratzinger war ein wichtiger Teil von dieser Gemeinde und anscheinend wusste
er auch von Beschwerden, zumindest sind sie ihm ja zugetragen worden.
Was gab es denn für eine Antwort, hat der sich mal dazu geäußert?
Die habe ich mitgebracht, wenn sie dich interessiert.
Na klar, jetzt kommt hier Christian, er öffnet seinen wirklich sehr, sehr großen Aktenordner
mit seinen jahrelangeren Sprachen.
Es sind hundert, es gibt noch Digital einiges, aber das Wichtigste ist hier drinnen.
Es gibt jede Menge Aktennotizen, Hinweise, es gibt noch ein Kirchenrechtliches Gutachten
aus der ähnlichen Zeit.
Da kommt ein renommierter, mittlerweile verstorbener Kirchenrechtler zum Ergebnis, dass die Statuten
dieser Gemeinde, die von Ratzinger und später von Kardinal Wetter anerkannt wurden, eigentlich
gar nicht anzuerkennen sind, weil sie fehlerhaft sind, weil eben auch so Fragen wie Ausscheiden
der Mitglieder und so nicht sauber geregelt ist und zu diesem Zeitpunkt gibt es auch
einen Brief von Kardinal Wetter damals an Josef Ratzinger, indem er seine große Sorge
ausdrückt über die Verhältnisse dieser, in dieser katholischen integrierten Gemeinde.
Wir haben diesen Brief, also wir haben Josef Ratzinger, damals Papst Benedikt im 16.
im Oktober vergangenen Jahres geschrieben, ob er sich noch an diesem Brief erinnern könne
und was er damals dann unternommen hat auf diesen Hinweis hin und da kam quasi in Kurzform
nur zurück, dass er sich nicht mehr an diesem Brief erinnern kann und auch nicht mehr weiß,
was er dann getan hat.
Wenn ein Brief mit so brisantem Inhalt geschrieben wird, ist er dann einfach irgendwie untergegangen
oder?
Das ist schwer vorstellbar, weil eben die integrierte Gemeinde nicht eine von vielen, also es gibt
ja wirklich viele Gemeinschaften in der katholischen Kirche, aber Josef Ratzinger, dass sich nicht
um integrierte Gemeinde gekümmert hat, das ist schwer vorstellbar.
Interessant ist in dem Zusammenhang auch noch, Josef Ratzinger hat sich geäußert zu diesen
Vorgängen in der integrierten Gemeinde im Jahr 2020 in der Herder Korrespondenz, eine
Fachzeitschrift für so Kirche, Religion und da hat er sinngemäß gesagt, dass er über
vieles getäuscht und nicht informiert wurde, was in dieser Gemeinde passiert ist.
Und diese Briefe der ehemaligen Mitglieder an ihn, die ja vor 2020 deutlich vor 2020
geschrieben wurden und auch eben dieser von mir gerade zitierte Brief von Cardinal Wetter
an ihn, legen eigentlich nahe, dass das nicht vorstellbar ist oder schwer vorstellbar ist,
dass er getäuscht und nicht informiert wurde, weil er eben doch informiert wurde, das da
was im Argen liegt.
Die Kirche, abseits von Ratzinger, ist die dem dann nie irgendwie auch nur ein bisschen
nachgegangen?
Also sie ist dem immer wieder nachgegangen, aber es ist halt nichts Entscheidendes passiert.
Es gibt ein bisschen Blower ja, auch in der katholischen Kirche.
Letztes Jahr kam dann ein Umschlag mit einem sehr interessanten Dokument, das 257 Seiten
umfasst und das relativ ausführlich dokumentiert, was im erzbischöflichen Ordinerjahr und über
die Laufe der Jahrziehnte zu dieser Gemeinde bekannt war und passiert ist.
Okay, und was war das?
Kann man das kurz zusammenfassen, diese vielen Seiten?
Genau, diese vielen Seiten enthalten viele wirklich auch schlimme Berichte von Betroffenen,
wie es den ergangen ist, da gab es auch Selbstmorde oder Selbstmordversuche, das muss man davon
glaube ich nicht verschweigen in dieser Gemeinde und sie enthalten eben diese Briefe, die dann
zwischen Rom und München hin und her gingen und sie enthalten eben auch den Beleg, dass
es ein Bewusstsein bis hinauf zu den Erzbischöfen gab immer wieder, dass in dieser Gemeinde
was schiefläuft.
Dass es da gravierendere Missstände gibt.
Ihr habt diese Berichte über wirklich gravierende Probleme, über Erzählungen von Selbstmordversuchen
zugeschickt bekommen als Journalisten, aber von wann sind die denn eigentlich?
Für wen waren diese Berichte denn eigentlich gedacht?
Das ist so 2016, 2017 und 2019 dann beauftragt in der Münchner Kardinal einen Kirchenrechtler
mit einer sogenannten Visitation, so eine Überprüfung.
Ganz kurz nochmal der neue Kardinal, das war dann Reinhard Marx, also der Nachfolger von
Josef Ratzinger.
Okay, und der beauftragt dann zwei Juristen.
Genau.
Und da benennen sie auch all diese systemischen Mängel, über die wir jetzt an Beispiel von
Monika und Hajo Kindler und anderen gesprochen haben und empfehlen eben eine Aufarbeitung,
eine richtige systematische Aufarbeitung der Geschichte, sie geben dem Erzbistum auch eine
Mitverantwortung in diesem Bericht und empfehlen auch, dass sich das Erzbistum zu dieser Mitverantwortung
bekennt.
Der Haken an der Sache ist, es werden nur Auszüge aus diesem Bericht veröffentlicht.
Zum Beispiel das, was ich jetzt gerade über die Mitverantwortung des Erzbistums und die
Empfehlung zur Aufarbeitung gesagt habe, das ist nicht öffentlich gewesen, bis wir es
veröffentlicht haben.
Ja, das ist nicht das erste Mal, dass man so was hört von der katholischen Kirche und
Aufarbeitung, dass das irgendwie nicht so ganz transparent läuft.
Genau.
Der Kardinal Marx löst zwar diese Gemeinde offiziell auf im Jahr 2020, aber in der Aufarbeitung
in dem Sinn gibt es nicht.
Wie geht es denn den Kindlers und wie, also das war ja deren ganzes Leben, wie ist deren
Leben jetzt?
Die erwarten sich Hilfe, also die erwarten sich zum einen eine Anerkennung der Verantwortung
der Kirche, also dass auch jemand hinstellt, also im Personen der Kardinal und sagt, ja,
wir haben da auch zu lange weggeschaut.
Wir wussten, dass da irgendwas im Agen liegt, aber es ist nichts passiert und sie erwarten
natürlich auch finanzielle Hilfe.
Es gibt eben eine Aufsichtspflicht der Kirche und die kann man eben zumindest die große
Frage stellen, ist die wirklich wahrgenommen worden und müsste da die Kirche nicht mehr
in die Verantwortung gehen.
Das war schrecklich für mich, das war ein Riesentrauma.
Sind die ein bisschen um ihr Leben betrogen worden?
Klar.
Also es gab sicher schöne Zeiten da auch, die hatten auch schöne Momente.
Ich glaube es ist auch wichtig, dass man sich das bewusst macht, also dass die letzten 40
Jahre jetzt nicht nur verloren waren, aber klar, also ich meine, wenn man sich vorstellt,
der unerfüllte Kinderwunsch, die finanziellen Einbußen, all die Abhängigkeiten und ja,
wir werden natürlich versuchen, weiter das Thema zu begleiten, also auch dieses Mal nach
dem Podcast und der Doku kamen wieder Briefe, kamen wieder auch Dokumente, es ist noch nicht
zu Ende und ja, da sind noch Fragen offen.
Okay, also ihr bleibt da dran und es geht weiter.
Wir bleiben dran, ja.
Okay.
Also da sind wir auch irgendwie den Betroffenen so ein bisschen schuldig, die sich, ja, das
muss man auch, denke ich sagen, ohne die und die Bereitschaft, sich zu öffnen und
auch teilweise private, intime Details zu erzählen vor einer breiten Öffentlichkeit und vor
allen Dingen, glaube ich, gäbe es dann auch nicht, ja, sowas wie so einen Ansatz einer
Aufarbeitung.
Also den Geburt eigentlich der große Respekt, dass sie bereit sind, sich so zu öffnen und
so viel auch von ihrem privaten Leben preiszugeben.
Christian, danke schön, dass du uns von dieser Recherche erzählt hast.
Sehr gerne.
Das war 11km der Tagesschau-Podcast, ein Thema in aller Tiefe.
Wenn ihr mehr darüber hören wollt, was ehemalige Mitglieder der katholischen Integritten Gemeinde
über ihre Vergangenheit bei der Sektor erzählen, dann empfehlen wir euch den BR-Podcast Seelenfänger
im Sog der integrierten Gemeinde.
Mehr über die investigative Recherche von Christian Wölfel und Eckhardt Querner und
die geleagten Kirchendokumente erfahrt ihr in der Fernsehdoku Verrat im Namen des Herrn.
Beide Links findet ihr in unseren Shownotes.
Wir freuen uns über ein Abo in der ARD-Audiothek.
Die Autorin dieser Folge ist Katharina Hübel, mitgearbeitet hat Jasmin Brock, Produktion
Florian Teichmann, Konrad Winkler und Hannah Brünjes, Redaktionsleitung Fumiko Lipp und
Lena Gürtler.
Ich bin Victoria Michalsack, 11km der Tagesschau-Podcast ist eine Produktion von BR24 und NDR Info.
Bis morgen mit einer neuen Folge.
Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.
11KM ist in der Osterpause bis zum 17. April. Bis dahin empfehlen wir täglich eine schon veröffentlichte Episode. Heute eine Wiederholung vom 24. Januar. Eine Sekte entsteht, mitten in der katholischen Kirche. Der verstorbene Papst Benedikt XVI. verbringt dort Urlaube und feiert rauschende Feste. Dabei hat die “Katholische Integrierte Gemeinde” über Jahrzehnte tief in das Leben ihrer Mitglieder eingegriffen – von der Berufswahl, bis zum Kinderwunsch. 11KM geht der Frage nach: Wieso wurde die Sekte so lange gefördert?
Den BR Podcast “Seelenfänger. Im Sog der Integrierten Gemeinde” über die investigative Recherche von Christian Wölfel und Eckhart Querner findet ihr hier:
https://bit.ly/3QHgrAp
Mehr zu den geleakten Kirchendokumenten in der Fernseh-Doku “Verrat im Namen des Herrn”:
https://bit.ly/3IXAubN
An dieser 11KM-Folgen waren beteiligt:
Autorin: Katharina Hübel
Mitarbeit: Jasmin Brock
Produktion: Florian Teichmann, Konrad Winkler, Hanna Brünjes
Redaktionsleitung: Fumiko Lipp, Lena Gürtler
Host: Victoria Michalczak
11KM – der tagesschau-Podcast ist eine Koproduktion von BR24 und NDR Info. Die redaktionelle Verantwortung für diese Folge trägt der NDR.