11KM: der tagesschau-Podcast: Dunkles Erbe: Menschenzoo

tagesschau tagesschau 3/31/23 - Episode Page - 23m - PDF Transcript

Menschen, die begafft werden in einem Zoo, die dort ausgestellt werden, wie Tiere in einem Gehege.

Weil sie eine andere Hautfarbe haben und eine andere Kultur.

Und das vor nicht einmal hundert Jahren hier in Deutschland.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat das mal ziemlich klar formuliert.

Nach der Nachkulonialzeit habe das sonst so geschichtsbewusste Deutschland blinde Flecken in der Erinnerung.

Und auf diesen blinden Fleck schauen wir heute bei 11km mit Mirko Seekamp vom NDR.

In Hamburg, im Tierpark Hagenbeck, da gab es bis in die 1930er Jahre diese sogenannten Völkerschauen, den Menschen zu.

Was sagen die Verantwortlichen heute dazu?

Und wie steht es um die Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels in der deutschen Geschichte?

Was das alles mit dem WM-Finale 98 zu tun hat, darum geht es heute bei 11km der Tagesschau-Podcast.

Ich bin Victoria Michalsack, heute ist Freitag, der 31. März.

Übrigens, ab Montag machen wir eine kleine Osterpause.

Am 17. April geht es weiter, dann wie immer Montag bis Freitag mit einer neuen Folge 11km.

Damit ihr nicht verpasst, wenn es wieder losgeht, abonniert uns in der AID-Audiothek oder da, wo ihr uns sonst gerade hört.

Mirko, schön, dass du da bist.

Danke dir, Victoria, freut mich.

Du hast ja für Panorama 3 vom NDR zusammen mit deiner Kollegin Anne Rupprecht recherchiert.

Aber sag mal zuerst, du kommst doch auch aus Hamburg, ne? Warst du da als Kind mal im Zoo?

Ich war tatsächlich als Kind im Zoo, aber ich weiß noch so ungefähr, dass wir da irgendwie Elefanten gesehen haben

und natürlich Löwen und Tiger und dann war ich ganz lange nicht mehr da.

Aber als Kind erinnere ich mich auf jeden Fall noch, dass das irgendwie ein schönes Erlebnis war.

Und wie ist das jetzt heute nach dieser Recherche? Wie ist jetzt deine Erinnerung an diesen Zoo, an Hagenbeckstierpark?

Also jetzt haben die sich total gedreht, weil ich das nicht mehr nur als schönes Wochenendeausflugsziel begreife,

sondern eigentlich auch eher als ein Unternehmen, was sich sehr schwer tut, die eigene Geschichte anzuerkennen,

die quasi daraus besteht, dass da Menschen ausgestellt worden sind.

Und da werde ich jeden Morgen daran erinnert, weil auch die Bahnstation, aus der ich aussteige, Hagenbeckstierpark heißt

und von daher, ich an jedem Morgen daran erinnert werde, ah ja, da war ja was.

Nächster Halt, Hagenbeckstierpark. Ausstieg, links.

Ja, ich sehe, auf einmal in einem Tagesthemenbeitrag, da ist eine Demo gewesen.

Ja, da stehen Menschen vor diesem Tierpark und halten einen großen Banner hoch, wo drauf steht, Menschen zu.

Und da denke ich einfach krass, darüber habe ich schon mal was gelesen.

Und dann machen sie an diese Plakatwende vor Hagenbeck so Zettel dran, wo drauf steht, Erinnerung statt Verdrängen.

Also diese Demo war auch ein bisschen der Ausgangspunkt für deine Recherche, für diese Geschichte.

Ja, sich Menschen im Zoo ansehen.

Ich finde auch ich heute sehr schwer nachzuvollziehen und erstmal eine total schräge Vorstellung.

Ja, also wir müssen uns vorstellen, damals gab es kein Internet, damals gab es kein Fernsehen, damals wusste man nicht viel,

was außerdem, was vor deiner Haustür passiert ist und was in der Zeitung stand, überhaupt in der Welt so vor sich gegangen war.

Und deswegen war das für viele Menschen ein Spektakel, ein Riesen-Event sozusagen, dass plötzlich Menschen, die eine andere Hautfarbe haben,

als sie dort ausgestellt wurden im Zoo.

Konkret ging es quasi darum, diesen kolonialen Blick quasi auf die Welt bestätigt zu sehen.

Also die überlegenden Europäerinnen und Blicken auf die primitiven Urvölker dieser Welt quasi.

Das war so ein bisschen das, was dahinter steckte und das war für einen dann natürlich eine gewisse Bestätigung,

um zum Beispiel andere Länder auszubeuten, die Menschen auszunutzen und quasi deren Arbeitskraft zu nutzen,

denn die müssen ja erstmal von uns da angeleitet werden und wir müssen den ja erstmal beibringen,

wie das Leben eigentlich richtig funktioniert und das fand ich einfach krass rassistisch.

Ja, dieser Zoo in Hamburg, der eben direkt neben dem NDR liegt, das ist ein Privat Zoo

und der ist immer noch im Besitz der Familie Hagenbeck. Wie gehen die denn heute damit um?

Ja, das wollten wir in unserer Recherche auch wissen. Also wie sehen die das heute?

Weil das natürlich so irgendwie wahrscheinlich total ambivalent ist.

Du hast es gerade gesagt, das ist ein Zoo, der im Familienbesitz nach wie vor ist

und das bedeutet natürlich auch, da ist viel Geschichte mit verknüpft, eigene familiäre Geschichten,

Anekdoten und deswegen fanden wir das total interessant, wie die da heute mit umgehen

und haben recht schnell festgestellt, da gibt es kein richtiges Problembewusstsein.

Ich ruf bei der Presselstelle an und denke, ja, das wird schon gehen.

Wir wollen einfach mal mit einem Vertreter des Tierparks sprechen

und dann leiten die diese bitte weiter und ich höre nach kurzen Zeit, nee, sprechen erstmal nicht,

aber es gibt hier dieses Statement und dann recherchieren wir los

und fragen uns, warum gibt es da so eine merkwürdige Reaktion,

dabei hatten die doch im Zuge der Demonstration angekündigt.

Sie wollen dieses Erbe sozusagen aufarbeiten, dieses Kapitel der Hagenbeckschen Geschichte

und dann versuche ich, wieder Fragen zu schicken

und die werden nicht beantwortet, stattdessen wieder der Verweis auf das Statement.

Ich versuche anzurufen, ich versuche sozusagen mit Klaus Hagenbeck,

dem Familienpatriarch ins Gespräch zu kommen.

Wir merken, es gibt kein richtiges Interesse.

Das heißt, im Park gibt es irgendetwas, was darauf hinweist,

gibt es eine Erklärtafel oder irgendwie sowas?

Nee, es gibt gar nichts, was im Tierpark in irgendeiner Weise diese Völkerschauen kritisch einordnet

und ja, das war letztlich für uns irgendwie ein bisschen irritierend,

weil das letztendlich so ein großes Kapitel in der Geschichte war

und ohne, man kann es so sagen, ohne diese Völkerschauen

gäbe es den Tierpark vielleicht heute nicht mehr,

weil sie sich nur durch den Profit, den sie damit eingenommen haben, letztlich über Wasser gehalten haben.

Also, ich fasse nochmal zusammen, da gibt es den Tierpark Hagenbeck,

der auf so genannten Völkerschauen Menschen ausgestellt hat.

Und die Eigentümer von diesem privaten Zoo wollen eigentlich nicht mehr so gerne darüber reden und schweigen.

Andere wollen aber darüber reden, was da bis in die 1930er Jahre auch in Hamburg passiert ist.

Und die stehen quasi auf der anderen Seite der Geschichte.

Genau, das war so eine Frage, die für uns im Zentrum stand in der gesamten Recherche,

was daran liegt, dass wir eigentlich erstmal auf diese Bilder gestoßen sind

und immer gedacht haben, Mensch, die lachen ja die ganze Zeit, die freuen sich ja, die tanzen da.

Man, das scheint ja vielleicht gar nicht so schlimm gewesen zu sein,

wie das vielleicht von unserem Blick heutzutage aussieht.

Vielleicht denken nur wir heute, das war ja ganz schlimm gewesen

und für die damals war das total ein tolles Erlebnis.

Und da haben wir gedacht, das nehmen wir doch mal zum Anlass, mal zu gucken,

wie haben die das denn wirklich gesehen?

Und wie du sagst, wir konnten halt mit den Leuten, die da wirklich ausgestellt worden sind,

nicht mehr sprechen, weil es dafür einfach 90 Jahre her war.

Aber wir konnten letztlich mit Menschen sprechen, die deren Nachfahren sind,

die quasi vielleicht noch Geschichten von ihnen kannten

oder die zumindest aus Erzählungen wussten, was da passiert ist.

Und da haben wir zum Beispiel den Fußball-Weltmeister Christian Caramő gefunden.

Also das, was wir jetzt hören, das ist die Fußball-WM 1998, das Finale in Paris, die Nationalhymne.

Und als die Kamera die Gesichter der Spieler ganz nah zeigt, da sieht man, alle singen,

nur einer hat den Blick auf einen fernen Punkt gerichtet.

Einer schweigt, Lippen fest verschlossen. Das ist Christian Caramő.

Für mich war es sehr wichtig, stumm zu bleiben, denn niemand spricht darüber, also blieb ich auch stumm.

Und dann kam die Frage auf, warum?

Und es war nicht irgendein Spiel, wie du schon sagst, es war halt das Finale der Fußball-WM,

da guckt die ganze Welt auf dieses Spiel.

Schönes Zuspiel jetzt auf Christian Caramő, da flangt aus der Drehung heraus.

Also es war so, Christian Caramő hat letztlich einfach versucht, aufmerksam zu machen,

auf das Schicksal seines Urgroßvaters, der im Zoo ausgestellt wurde.

Willi Caramő, sein Urgroßvater, war hier in Hamburg und zwar 1931.

Und zwar nicht um seine Kultur zu repräsentieren, wie er ursprünglich dachte,

sondern um hier als Menschenfresser auf einem Platz, wo heute die Elefanten stehen,

sozusagen wilde Schreie auszustoßen und den Kanibalen zu spielen.

Und das war eine Geschichte, wo wir gedacht haben, das ist irre, das gibt es nicht, das stimmt nicht.

Aber tatsächlich, also das stimmt.

Und wie ist der Urgroßvater von Christian Caramő dann nach Hamburg in den Zoo gekommen?

Ja, das ist eine abenteuerliche Geschichte und zwar die sind damals angeworben worden,

nicht von Hagenbeck, sondern von der französischen Kolonialverwaltung,

nicht um als Menschenfresser in einem Zoo ausgestellt zu werden,

sie haben die Aussicht bekommen, auf der Kolonialausstellung in Frankreich aufzutreten in Paris

und da ihre Kultur zu repräsentieren.

Und da hat der Urgroßvater von Christian Caramő gedacht, ja, ich werde vielleicht mächtige Männer treffen

oder damals waren das ja noch alles Männer, die da die Macht gehabt haben

oder ich werde vielleicht irgendwie Regierungsvertreter treffen können

und dann hat sich das aber als falsch herausgestellt.

Okay, also sie sind erst nach Paris gekommen zu dieser Kolonialausstellung

und von da aus weiter in den Zoo nach Hamburg.

Sie sind mit dem Schiff gefahren nach Marseille angelegt

und man hat ihnen auf der Reise erzählt, moment mal, ihr werdet nicht auf der Kolonialausstellung

einfach nur was vorführen, sondern ihr kommt in den Zoo, in den Pariser Zoo

und da sollt ihr dann quasi die Nebenkrokodilen sozusagen

werdet ihr als Menschenfresser ausgestellt und sollt dann das Zoo Publikum erschrecken.

Okay, halten wir fest.

Urgroßvater Willi Caramő und seine Familie kommen erstmal mit dem Schiff nach Frankreich

und zwar aus Neukaledonien.

Das ist eine Inselgruppe im Südpazifik, die heute noch zu Frankreich gehört.

Zuerst landen sie also in Frankreich in Paris bei der Kolonialausstellung

und später dann geht es weiter in den Zoo nach Hamburg.

Und die haben sich dann natürlich dann wahrscheinlich gedacht,

also so ist auch die Interpretation von Christian Caramő wie.

Also das war sozusagen ja, hat dann dazu geführt, dass die total das natürlich nicht wollten

und dann hier in Briefen auch in Hamburg immer wieder gerne zurück in die Heimat wollten.

Das haben sie da bekräftigt.

Sie sollten sich wie Kanibalen binden.

Das heißt, sie sollten schreien und jeder, der kam, um sie zu sehen, sollte Angst bekommen.

Wenn wir von unserer Kultur sprechen, dann sprechen wir vom Universum.

Das heißt, wir sind Teil des Universums, wir respektieren einander.

Wir sollen Kanibalen sein, das ist undenkbar.

Also es ist unmöglich, dass wir das als Kanibaler sein könnten.

Hallo.

Willkommen.

Willkommen.

Ich bin Nico.

Ich bin Nico.

Willkommen.

Also wir sind ja dann nach Athen gefahren, wo er heute lebt,

weil er da als Sportdirektor bei Olympiakus Pireus arbeitet.

Und da haben wir ihn im Stadion getroffen und wir haben schon auf ihn gewartet.

Dann kam er auf uns zu und es war irgendwie ein nettes Treffen.

Und dann dachte ich so, okay, das ist jetzt für ihn so ein Randthema.

Das denkt er jetzt so, das hat ihn halt auch noch mit beschäftigt.

Aber man merkte im Interview richtig, das ist was, was ihn tief,

ja, als Menschen einfach beschäftigt, weil es sozusagen sein Volk,

die Kanak letztlich so stark reduziert, auf eine Geschichte,

die nicht nur klischeehaft ist, sondern auch einfach gelogen.

Die ist falsch sozusagen.

Mir ist es wichtig, darüber zu sprechen, wer ich bin

und wo ich herkomme und was meinem Volk zugestoßen ist.

Und warum wir hier gerade im Stadion sind,

weil der Fußball mir Sichtbarkeit und Stärke gibt,

das laut aus zu sprechen, was passiert ist

und den Menschen zu zeigen, was damals geschehen ist.

Das können wir nicht vergessen.

Und wir können das nicht vergessen.

Also zusammengefasst.

1998 bei der Weltmeisterschaft versucht Christian Karombö

das erste Mal darauf aufmerksam zu machen auf diese Geschichte.

In der Zeit ist wahnsinnig viel passiert.

Es gibt viel Rassismusaufarbeitung in Deutschland

und vom Tierpark Hagenberg hieß es auch mal,

dass eine gewisse Aufarbeitung geplant sei.

Es passiert aber nichts.

Es gibt bis heute keine Plakette im Park.

Es gibt auch bis heute kein Gespräch.

Wieso ist da noch nichts passiert?

Das ist ganz schwierig zu sagen,

weil wir quasi ja nie die Chance hatten,

quasi so richtig zu wissen, was da los ist.

Aber was ich sagen kann, es gibt bei uns im Archiv noch Töne,

wo sich der Klaus Hagenberg, quasi so der Familienpatriarch

noch dazu äußert.

Völkerschaun waren ja eine Kunstform.

Es wurden ja nicht Sklaven hier nach Europa geholt,

sondern es waren Gaugler,

die in ihrem Heimatland gegaukelt haben.

Ich habe genau das zu bestaunen, was wir heute bestaunen,

wenn wir eine Fernreise machen.

Völkerschaun finden wir heute auch noch statt.

Nur wir fahren zu den Völkern und bestaunen sie.

Und sie bestaunen uns dann übrigens auch.

Dann plaudert er munter drauf los,

dass die Wilden nur dazu gemacht wurden.

Und dass es gar nicht gern gesehen war,

wenn die abends auf Sankt Pauli loszogen in Hut und Mantel,

weil dann ja dieser Nimbus der Wilden so ein bisschen fehlte.

Und da merkt man ganz einfach,

dass es für ihn eben nicht kritikwürdig ist.

Und da waren wir schon sehr überrascht,

weil es ja eigentlich etwas Einfaches ist, da einfach zu sagen,

okay, es gibt Scheile, die mit Sicherheit auch gut waren,

an meinem Ur-Opa gehört zu meiner Familie.

Ich muss ihn ja nicht generell sozusagen deswegen hassen.

Oder hassen ist ein starkes Wort,

aber ich muss ihn jetzt nicht generell dafür verurteilen.

Aber ich erkenne zumindest an,

dass es in der Zeit auch Sachen gegeben hat,

die mein Ur-Opa gemacht hat, die eben nicht richtig waren.

Und da scheint es einfach so zu sein, dass das nicht möglich ist.

Denn er möchte sich uns gegenüber nicht dazu äußern.

Er beantwortet keine Fragen.

Er möchte Christian Karambö nicht mehr treffen.

Wir merken, es scheint da wenig Interesse zu geben.

Du hast es noch mal probiert, ihn zu konfrontieren.

Ich will nicht, dass die irgendwie vor waren oder irgendwie...

Da, ich da, oder?

Ja, das ist sozusagen jetzt die Schnellfassung,

weil wir echt x-mal versucht haben,

mit ihm ein Gespräch zu führen,

weil wir tatsächlich an seiner Sichtweise sehr interessiert waren.

Beziehungsweise immer noch sind.

Ich würde immer noch, wenn er jetzt sagt,

heute ich gebe ein Interview,

dann lieber Herr Dr. Hagenbeck, bitte melden Sie sich bei mir.

Aber es ist sozusagen so,

dass wir einfach nicht mehr weitergekommen sind

und uns als Journalistinnen da zur Verfügung stehen.

Und da ist dann oft das letzte Mittel der Wahl,

dass man versucht, ihn an einem Ort zu treffen,

an einem öffentlichen Ort.

Und da wussten wir,

dass er regelmäßig zu den Theaterprämieren geht.

Und haben ihn da versucht zu treffen.

Und ich wartete da vor dem Theater

und tatsächlich irgendwann kam er um die Ecke Dr. Klaus Hagenbeck.

Und wir sind dahin, um ihm eine Frage zu stellen.

Denn es hat uns wirklich interessiert,

nachdem er vor zwei Jahren angekündigt hat,

diese Geschichte aufzuarbeiten.

Warum denn?

Bis heute noch immer nichts an die Völker schauen,

an die Menschen, Zoos erinnert.

Also ihr seid da mit Mikro und Kamera hin.

Und als er dann kam, habt ihr versucht, ihn anzusprechen.

Yes, genau.

Also ja, wir sind dahin gekommen mit Mikrofon und Kamera

und haben ihn versucht anzusprechen.

Er kommt.

Guten Tag, Herr Dr. Hagenbeck.

Mirko Seekamp, NDR.

Ich wollte mal ganz freundlich fragen,

warum in ihrem Tierpark noch nichts an die Völkerschauen erinnert.

Also keine Tafeln oder so.

Ist ihn das Schicksal der Völkerschau-Teilnehmer egal?

Er hat eigentlich nur mit einem Lächeln reagiert.

Also sagte er gar nichts.

Und ist einfach an uns vorbeigegangen und an den Mikrofon

und ist in Richtung Eingang des Theaters gegangen.

Und das hat mich natürlich erstmal fassungslos gemacht.

Du hast ja echt viel Zeit da rein investiert,

den Tierpark Hagenbeck dazu zu bewegen, sich zu positionieren.

Also eine Haltung zur eigenen Geschichte einzunehmen.

Ein Treffen mit Christian Caron-Bö

wäre ja sicher ein Schritt in diese Richtung.

Was glaubst du denn?

Treffen die beiden sich noch mal?

Ja, hättest du mich vor ein paar Monaten gefragt, hätte ich gesagt,

ja, kann ich mir vorstellen?

Inzwischen glaube ich er nicht.

Warum hast du jetzt eine andere Meinung?

Weil wir einfach einmal berichtet haben

und Klaus Hagenbeck scheinbar diese Geschichte von Christian Caron-Bö

so nicht ganz stehen lassen wollte bzw. das Ganze kritisch sah

und danach auch dann ihn nicht mehr treffen wollte.

Und wir haben dann auch nochmal nachgefragt

und den Tierpark gefragt,

ob ein Vertreter des Tierparks mit ihm sprechen

oder ein Vertreter der Familie.

Aber da kam gar nichts zurück

und von daher sehe ich die Chancen sehr gering,

dass es da nochmal ein Treffen geben wird zwischen Christian Caron-Bö

und irgendeinem Vertreter des Tierpark Hagenbecks,

denn es wird mit Sicherheit nicht Christian Caron-Bö sein,

der sich da verweigert.

Was hast du denn aus dieser Geschichte jetzt mitgenommen?

Was bleibt?

Ja, also für mich, was bleibt,

ist auf jeden Fall, dass wir da weiter hingucken werden.

Also wir werden da weiter dranbleiben an der Geschichte.

Denn was für mich einfach ganz klar ist,

dieses Bild gibt es heute noch.

Und wir haben dieses Bild erschaffen damals

und wir müssen es auch korrigieren.

Das ist so ein bisschen der Satz, der mir da immer im Hinterkopf bleibt,

weil es letztlich ja unsere Perspektive ist,

als Menschen, die hier in Deutschland leben,

die wir da geschaffen haben

und für wir sorgen müssen,

dass diese Perspektive nicht so bleibt,

des primitiven Urmenschen

und wir als überlegende Europäer dieser koloniale Blick quasi,

dass wir den korrigieren

und ein Bild schaffen, was vielschichtiger ist,

als das, was im Prinzip da damals geschaffen worden ist.

Wir müssen diese Geschichte erzählen.

Wir können sie nicht länger verheimlichen.

Wir finden erst dann unseren Frieden,

wenn wir die ganze Geschichte erzählen.

Auch für kommende Generationen.

Übrigens, es gibt ein schriftliches Statement

vom Tierpark Hagenbeck.

Darin heißt es, die Menschen arbeiteten als Darsteller

mit Verträgen und Gage bei Hagenbeck.

Karl Hagenbeck habe die Teilnehmer der Völker schauen

als Gäste gesehen

und nie mithalten.

Mirko, danke, dass du hier warst.

Mega gerne.

Das war 11 km der Tagesschau-Podcast

mit einer Recherche von Mirko Seekamp

und Anero Brecht vom NDR-Magazin Panorama 3.

Ihren Film dazu findet ihr in der AID-Mediathek

und in der AID-Audiothek findet ihr uns 11 km.

Über ein Abo freuen wir uns.

11 km der Tagesschau-Podcast.

Ein Thema in aller Tiefe.

Die Autoren dieser Episode sind Stefan Beutting

und Jasmin Brock.

Produktion Alex Berge, Florian Teichmann und Christoph van der Werf.

An dieser Folge haben außerdem mitgearbeitet

Kaufmann und Jürgen Kopp.

Redaktionsleitung Lena Götler und Fumiko Lipp.

Ich bin Victoria Michalsack.

11 km der Tagesschau-Podcast

ist eine Produktion von BR24

und NDR Info.

Wir hören uns wieder am 17. April.

Bis dahin ist der 11 km in der Osterpause.

Schönen Zeit euch bis dahin.

Untertitel im Auftrag des ZDF, 2020

Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.

In europäischen Zoos wurden bis vor hundert Jahren nicht nur Tiere, sondern auch Menschen in sogenannten Völkerschauen ausgestellt. So wie der Urgroßvater des französischen Ex-Fußballprofis Christian Karembeu, der im Hamburger Tierpark Hagenbeck als Kannibale präsentiert wurde. Der Zoo verspricht damals auf Werbeplakaten “Die letzten Kannibalen der Südsee". 11KM fragt in dieser Folge mit Mirco Seekamp vom NDR, warum sich die heutigen Zoo-Eigentümer so schwer damit tun, diese dunkle Vergangenheit aufzuarbeiten. Und wie es den Nachkommen, wie Christian Karembeu, damit geht.



Die Recherche von Anne Ruprecht und Mirco Seekamp für NDR Panorama gibt es hier in der ARD Mediathek:

https://www.ardmediathek.de/video/panorama/menschenzoo-das-dunkle-erbe-des-tierparks-hagenbeck/das-erste/Y3JpZDovL25kci5kZS84NTJjZTEyZC0wYzQ4LTQzYjAtODljMS1kNGM2ZGQyYjk0OTU



An dieser 11KM-Episode waren beteiligt:

Autoren: Stephan Beuting und Jasmin Brock

MItarbeit: Marc Hoffmann

Produktion: Alex Berge, Florian Teichmann, Christoph van der Werff, Hanna Brünjes

Redaktionsleitung: Lena Gürtler und Fumiko Lipp

Host: Victoria Michalczak

11KM: der tagesschau-Podcast ist eine Produktion von BR24 und NDR Info. Für diese Folge liegt die redaktionelle Verantwortung beim NDR.