FALTER Radio: Die Zerstörung der Ersten Republik 1933 - #908

FALTER FALTER 3/19/23 - Episode Page - 57m - PDF Transcript

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Falter Radio, der Podcast mit Raimund Löw.

Herzlich Willkommen im Falter Radio. In dieser Sendung geht es um die Zerstörung der Demokratie in der 1. Republik.

Die Ausschaltung des Parlaments am 7. März 1933 durch Engelbert Dolphus hat den Weg zu Bürgerkrieg und Diktatur geebnet.

Der Radikalisierung der Heimwehren und der größten Teide der Christdemokraten in Richtung Austrophaschismus war der schwache Parlamentarismus.

Nach dem 1. Weltkrieg in Österreich nicht gewachsen. Am Ende stand bekanntlich der Stände statt nach dem Februar 34 und schließlich die Katastrophe des Anschlusses an Hitler Deutschland.

Die Historikerin Lucille Dreidemi und der Historiker Wolfgang Mardathana untersuchen im folgenden Gespräch mit dem Journalisten Künter Keindlstoffer die autoritäre Dynamik im bürgerlichen Lager der Zwischenkriegszeit.

Sie diskutieren die These von der sogenannten geteilten Schuld, wonach auch die Linke entscheidend am Niedergang der 1. Republik beteiligt war.

Und sie ziehen den Bogen zu heute mit den rückwärtsgewandten Visionen eines Viktor Orban, eines Donald Trump oder der freiheitlichen unserer Tage.

Hören Sie ein Gespräch im Rahmen einer Wiedervorlesung vom 9. März 2023.

Wolfgang Mardathana, ich würde mit Ihnen mit euch gerne diskutieren über die Technik, die Technik in der Machtübernahme, die die Austrophaschisten zur Anwendung gebracht haben.

Als Dolphus an die Macht kam, als Bundeskanzler, korrigieren Sie mich, hatte er vielleicht noch gar nicht so den Ruf der diktatorische Schafmacher zu sein.

Es gab bei den Heimwehren in der christlich-sozialen Partei sicher politische Kräfte, die noch radikaler waren als eher leutzelig, eh ganz gemütlich, ein niederösterreichischer Bauernpup.

Hatte Dolphus so etwas wie einen Masterplan, die seine Macht auszubauen und Österreich in eine Diktatur umzuwandern.

Vielleicht müssen Sie treiben, wie wenn ich Ihnen diese Frage stellen durfte. Gab es einen Plan oder ist die christlich-soziale Partei mit Ihnen da weniger hinein geschlittert?

Also ich würde, ob das ein Masterplan war, können wir diskutieren, aber es gibt einen Plan, der nicht nur von Dolphus kommt, es ist eine Zeit länger schon in der christlich-sozialen Partei diskutiertes Vorhaben, sobald es geht, sobald sich ein Anlass ergibt, den Parlamentarismus loszuwerden.

Das sieht man bereits in den, also eine tolle Quelle, den christlich-sozialen Klubvorstandsprotokollen im Jahr 32, da sieht man im Juni der Justizminister Schuschnik, der da schon sehr präzis sagt, dass es versucht werden sollte, ohne mal Parlament zu regieren.

Aber ich glaube, es ist wichtig, noch einen Schritt weiter in die Vergangenheit zu gehen, um zu sehen, wir können den Faschismus nur verstehen, wenn wir das aus der Perspektive der Radikalisierung der christlich-sozialen in den 20er Jahren verstehen.

Und dann merkt man, spätestens 25 mit dem neuen Programm ist klar und steht auch fest, man bekennt sich nicht mehr zur parlamentarischen Demokratie und alles wird versucht werden, um zu einem ständig staatlichen Modell, autoritären Modell zu kommen.

Also somit ist daher sehr, sehr klar, dass dein Vorhaben da ist, nicht nur von Dolphus, sondern von der Partei.

Wolfgang Mardatana, wie stark erankert war denn das demokratische Prinzip, war das Bekenntnis zur Demokratie in der christlich-sozialen Partei, in der christlich-sozialen Bewegung nach dem Ersten Weltkrieg?

Trauen Sie sich das zu sagen, wie viele Prozent der christlich-sozialen Anhänger, Anhängerinnen, wollten eigentlich Demokratie?

Nein, das wird so in einer Form von Prozentangaben wenig zu regeln sein.

Das Prinzip, und das hat die Kollegin Treidemay auch schon gesagt, dass man unter einem wirklichen Druck von Wirtschaftskrisen und von Finanzkrisen auch unter dem Druck einer notwendig gebohrtenen, unmittelbar nach der galoppierenden Inflation 1922-1923,

notwendig gewordenen Stabilisierung der Währung unterschiedlichste Gesellschaftssegmente zersetzt hatte.

Das alte Wiener Bürgertum, das klassische Wiener Bürgertum, dass der Monarchie seine Offiziere, seine Wissenschaft, seine Geschäftsleite gestellt hatte, deren Vermögen zersetzt sich in der Inflationsphase massiv.

Mit der Währungsstabilisierung kommt auch mehr oder weniger das neu aufgestiegene Bürgertum, der Inflationskonjunktur aufgestiegen ist unter einem ganz, ganz großen Druck und es bleiben ganz, ganz bestimmte soziale Schichten,

wenn man so will, auch Klassen über, das ist die altösterreichische Bürokratie, das ist ein Vermittelspunkt Kommando-Stelmen in der Heimwehr, der ist einer Privilegienverlustig gegangen,

Adel, das ist in sehr großen Ausmaßnahmen natürlich auch der politische Katolizismus und sein Enfluss, vor allem am flachen Land. All das drängt natürlich nicht unbedingt in die Richtung einer parlamentarischen Demokratie.

Lieber Freund und Kollege Alfred Fosa hat das dahingehend ausgedrückt, dass der Gesellschaftsvertrag im Sinne der Aufklärung eigentlich etwas blasphemisches wurde, das Digma der blasphemie erhielt.

Und die Krisenlösungsstrategien gehen halt dann ganz simpel und einfach in eine idealisierte Vergangenheit, in einen harmonischen, ständestatlich gegiederten, sehr stark hierarchisch gegiederten gesellschaftlichen Aufbau,

der von vornherein nicht unbedingt diktatorisch sein muss, aber die aktuelle Entwicklung, die Entwicklung, die aus der unmittelbaren gesellschaftlichen, kulturellen, geistigen und natürlich ökonomischen Zersetzung der 30er-Jahre kommt, das drängt alles in Richtung Diktatur.

Das war ein Zeitgäster auf der Rechten, der sich nach starken Führungsfiguren gesehen, der Bach zum viel zitierten, starken Mann, war auch gedacht an so etwas in Teilen der christlich-sozialen Rechten wie eine harbsburgische Restauration.

Wäre das auch denkbar gewesen, Lucie, bei den Wien? War das auch ein Teil der Überlegungen vielleicht?

Genau den Punkt wollte ich jetzt hinzufügen zu dieser Frage der Zurückgewandtheit. Es ergibt sich gleich nach 1918 in der christlich-sozialen Debatte darüber, wie stehen wir zu den Perspektiven, wie stehen wir zur Republik, wie stehen wir zur Demokratie.

Und dann merkt man, dass es verschiedene Tendenzen gibt. Es gibt diejenigen, die sehr klare, semiistisch sind und für die Rückkehr zu Monarchie sind. Und es gibt einige, die gleichsehen der Zug ist abgefahren und zu Vernunft Republikanern werden.

Und man könnte sagen, Dolphus reiht sich da vielleicht in diesen Vernunft Republikanern ein. Und der Aspekt zur Monarchie, also bald distanziert sich doch viele von der Monarchie und das zeigt auch, dass das Argument zu sagen, das Regime sei zum Beispiel kein Faschismus, weil es so zurückgewandt sei, hat hier seine Grenzen.

Ja, weil es ist zum Beispiel da, wollen sie nicht zurück. Sie akzeptieren, dass es ein neues Modell ist. Und wenn ich vielleicht nur kurz zu diesem Punkt hinzufügen darf, da bekommt der Begriff Demokratie eine ganz interessante Dimension,

weil und es führt dazu, dass auch in der Rezeption des Regimes nach 45 und von Dolphus unter anderem die Idee kursiert, er sei, sie hat sogar ein lumpenreiner Demokrat gewesen. Wie kann das kommen? Es ist unter anderem dadurch entstanden, dass in der Christichsozialen Partei von Seipel unter anderem diese Idee von einer wahren Demokratie propagiert wird.

Mussolini benutzt übrigens auch den Terminus wahre Demokratie für den Faschismus. Das ist auch ein interessanter Parallel. Aber man sieht, es ist ein wahre Demokratie, wie ein Lehrerhülle ist demokratiepolitisch gedacht.

Das ist ein System mit einem starken Mann, starker Autoritätsprinzip, Führerprinzip, aber das nennt man die wahre Demokratie und die größten Schützer dieser wahren Demokratie sind die Heimwehren aus der Perspektive Seipels.

Aber das ist ein Spiel mit dem Begriff sozusagen.

Ich habe etwas Interessantes mitgebracht. Es gibt von der Firma Weltquartett ein sogenanntes Tyrannenquartett. Ich weiß nicht, ob Sie das kennen.

Interessanterweise ausschließlich mit männlichen Figuren bestückt. Nein, Queen Victoria ist interessanterweise auch drin als Kolonialistin.

Tyrannenquartett nach den rubriken Wallorts, Putschisten, Kolonialverbrecher und Klärikalfaschisten.

Wie es bei einem Quartetto ist, vier muss es geben und da ist in diesem Produkt im Folgenden vier Klärikalfaschisten angegeben.

Winklos Horte aus Ungarn, Antonio de Oliveira Salazar aus Portugal, der brasilianische Diktator Vargas und Engelbert Dolfus.

Das bringt mich zur Frage. Wir haben jetzt gesprochen darüber Monarchie, Nichtmonarchie, Ersatzmonarchie, Demokratie und so weiter.

Gibt es eine Gemeinsamkeit bei diesen klärikalfaschistischen Bewegungen, die es ja nicht nur in Österreich gegeben hat?

Sehen Sie da ideologische Gemeinsamkeiten, machttechnische Gemeinsamkeiten und läuft es?

Ich würde diese These jetzt einmal in den Raum stellen, nicht auch auf so etwas hinaus wie Ersatzmonarchien unter Bedingungen einer radikalisierten Moderne in Österreich.

Der Kaiser musste abtanken, Österreich wurde zur Republik.

Ich nehme einmal an, es gab eine immer noch weitverbreitete Kaisernostalgie am Land bei den einfachen Leuten.

Sie versucht nach einer starken Führergestalt und modernistische, faschistische Führer.

Ich würde doch auch Mussolini da auch noch dazu zählen, obwohl man das klärikale bei ihm ambivalenter sehen muss.

Die stoßen in diese Lücke vor.

Man sieht sich noch an Kaisern und Dolfus, Salazar und die anderen mehr oder weniger Parvenus, füllen diese Rolle aus als moderne Ersatzkaiser.

Wollen Sie denn etwas abgewinnen?

Meine erste Reaktion war der Feldmater Franco.

Ja, es ist der Quartett und man darf nur vier.

Nichtsdestotrotz.

Aber das hat natürlich einen sehr, sehr großen Sinn.

Ich denke sehr stark, dass sich all diese Reaktionen auf eine ganz, ganz bestimmte,

ich würde sagen, Ablehnung der industriellen, moderne.

Was hat die industrielle, moderne gebracht?

Sie hat auch Massenarbeitslosigkeit gebracht, sie hat Unglück über die Menschen gebracht, sie hat Finanzkrisen mit sich gezogen.

Sie hat die Geldentwertungen in nie-giganten Ausmaß nach sich gezogen und alles das.

Das heißt, man stellt dem in Österreich im Spezifischen ein idealisiertes Mittelalter.

Aber eigentlich schon unter Lujga oder schon unter den alten christlichen Sozial?

Das hat ja natürlich seine Traditionen.

Und in Ungarn heißt es dann das wahre Matjantum oder die klassische matjarische Nation, die im wesentlichen Ableg und klein Ableg bestimmt ist.

Du hast ganz, ganz bestimmte Bilder, die gegen die Konsequenzen der industriellen, moderne und ihre Krisenanfälligkeit gestellt wird.

Und das ist tausendfach auch ideologisiert worden und tausendfach auch versucht, theoretisch zu begründen.

In Österreich gibt es diesen groß angelegten Versuch von Ottmar Spann und seinem Kreis.

Es ist so eine teleologische Ganzheitsmetaphysik, die begründet in der Idealisierung des vergangenen, des ständig vergangenen,

die begründet die Unterordnung des Geistigminderen unter das Geistighöhere.

Sie unterscheidet zwischen der Handarbeit und der sich selbstgenügenden Arbeit, also der geistigen Arbeit.

Die Arbeiter müssten von den Wirtschaftsführern, die Wirtschaftsführern, von den Staatslenkern, die Staatslenkern, von den Weisen.

Ottmar Spann hat sich ganz offensichtlich auch im Kreis der Weisen gesehen.

Auf Plattenbezug nehmen.

Es ist gegiedert, um den sich selbstverwaltet beherrscht werden, also das sind durchaus Mobilisierungen von rückwärtsgewandten Utopien, wie sie gängig sind, in ganz Europa gängig sind.

Das gilt ja auch für den Nationalsozialismus.

Es gilt auch für den Nationalsozialismus.

Aber zugleich, wie Sie treten, waren ja der Nationalsozialismus und Mussolinis-Faschismus, würde ich sagen, sowieso, bei den klärikal-faschistischen Regimes kann man diskutieren.

Aber zugleich waren es rückwärtsgewandte Bewegungen, die eine nie existierende Idylle in der Vergangenheit gesucht haben.

Aber zugleich waren das doch unerhört moderne und modernistische Bewegungen, vor allem in ihren Mobilisierungstrategien, im Einsatz der Medien, in den Techniken der Macht.

Oder es waren schon interessante Mischungen aus moderne und antimotorne?

Wenn ich vielleicht noch kurz hinzufügen würde, was die moderne und die Industrialisierung auch gebracht hat, ist die Arbeiterbewegung.

Natürlich, Feminismus, ganz viele Dinge.

Und es geht grundsätzlich um in all diesen Regimen darum, also nicht nur um symbolisch oder in einem imaginären Bild,

sondern um sehr, sehr konkrete wirtschaftliche Interessen des Bürgertums.

Und es gibt um die panische Angst vor einer Revolution.

Es gibt also die Schatten von 1917 in Russland, das ist ständig da.

Man könnte da schon noch weiter zurückschauen.

Und die Enzykliker Rerum Novarum 1891 ist durchgeprägt von dieser massiven Angst vor der sozialen, vor dem Anstieg einer organisierten Arbeiterchaft,

die eigenen Interessen, die sich ihren kollektiven Interessen bewusst wären.

Und das zieht sich dann auch durch.

Und nach 1917 ist es noch akut.

Und von daher geht es ganz klar darum, dieses wirtschaftliche Status quo zu bewahren.

Und das haben diese Faschismen auch alle gemeinsam.

Ich würde gern sprechen auch über die Ideologie des Austrophaschismus.

Also gut, katholische Kirche, katholische Tradition hat natürlich eine wesentliche Rolle gespielt.

Würden Sie sagen, war das eine starke, wirkwächtige Ideologie, die Dolphus und seine Leute dem Volk anbieten konnten?

Oder war es eigentlich doch auch bei allem, was wir jetzt inhaltlich schon gesagt haben,

eine Schwachmatikerideologie, die die Menschen eigentlich nicht wirklich mitgerissen hat.

Vielleicht nicht einmal die eigene katholische Basis.

Wie stark hat diese Dolphusideologie gezündet für uns, sich da was zu sagen?

Sie versuchen auf jeden Fall, die Bevölkerung zu erreichen und das scheitert komplett.

Und das scheitert unter anderem aufgrund der unglaublichen Ambivalenzen dieser Ideologie.

Im Beispiel der deutschen Komponente ist das wohl am eindrücklichsten.

Also das Regime wiederholt ständig, ständig, dass die Österreicher da sind.

Sie sind zwar die besseren Deutschen, weil sie christlichen Deutschen,

aber Dolphus ist der wahre deutscher Mann im Dolphuslied.

Das muss man sich hier vorstellen.

Und diese Schizophrenie, Felix Kreisler hat von Schizophrenie im Verhältnis Österreich-Deutschland gesprochen.

Diese Schizophrenie ist etwas, das de facto auch in die Hände der Nationalisten am Ende spielt.

Aber ich finde, das ist ein wichtiger Aspekt und sehr verwirrender wahrscheinlich,

ein verwirrender Aspekt dieser Ideologie.

Wie würden Sie das sehen, Wolfgang Marder?

Wie sehr gezündet hat diese austrophaschistische Städte-Staat-Ideologie?

Es gibt einen zentralen Satz in der berühmten Trabrennplatzrede,

die in Dolphus am 11. September 1933 im Rahmen der sogenannten Türkenbefreiungsferien

gehalten hat, wo er meint, wir müssten die letzten 150 Jahre

unserer Geistesgeschichte rückgängig machen.

Also alles, ob der französischen Revolution, die gesamte Aufklärung

und logischerweise sind der kralen Partner von der Arbeiterbewegung

und ihrer ideologierner radikalen Demokratisierung.

Das ist etwas, was zu den wesentlichen ideologischen Traditionsbeständen

nicht nur dieses Landes, aber auch dieses Landes gehört.

Ganz ein wesentlicher Punkt.

Es wird auch immer wieder von Schurschnicker aufgenommen

und von Steigler-Hemwerführen etc.

Also das ist ein wesentlicher Punkt.

Wir wollen alle diese Konsequenzen, die uns die französische Revolution,

das bürgerliche Gesetzbuch etc. alles zurücknehmen zu Gunsten

einer natürlichen, einer sozusagen gottgewollt geregelten Gesellschaft.

Diese Berufung auf Gottes Willen.

Also Dolphus schließt seine Reden üblicherweise mit einem Zitat Marco Davianos,

das berühmte Kapuzinermönches am Hofe Leopold des ersten Gott Willes.

Und wenn es Gott will, gibt es relativ wenig Alternativen.

Und das ist ein Punkt, der hat schon ein ganz wesentlicher ideologischer Traditionsbestand,

auch dieses Landes und nicht erst nur im 20. Jahrhundert ist.

Also das würde ich sagen, da hat man eine gewisse Massenpasses auf der anderen Seite.

Es gibt eine Einschätzung Kau Renners aus dem Jahr 1936,

die er verfasst hat für die Auslandsozialisten.

Und Renner sagt, also dieses Regime hat keine einzige tragfähige Idee.

Das einzige, was sie können, ist für Klientel, das so sagt Adelige, Bürokraten, CVA etc.,

alle Subventionen sich zu kreieren und alle Posten zu besetzen.

Das ist dieses Regime im Wesentlichen.

Das ist natürlich polemisch vom Renner, weil in vielerlei Hinsicht das hinaus ging.

Aber das ist natürlich auch eine Ebene, die man so nicht unterschätzen sollte.

Es ist auch eine Klientelpolitik.

Wenn ich Ihnen zuzuhöre, ich kann gar nicht anders, dann denke ich auch an bestimmte rechte,

rechtspopulistische Bewegungen, die heute international agieren.

So eine Sehnsucht nach einer idealisierten Vergangenheit, sagen wir mal der 50er-Jahre,

scheint mir bei Donald Trump eine Rolle zu spielen.

Sie scheint mir durchaus auch bei der FPÖ eine Rolle zu spielen.

Im urbanischen Ungarn, so die Sehnsucht nach einer Welt, in der ethnische Homogenität herrschte,

dass noch keine nennenswerte Migration gegeben hat,

in der die Rollen zwischen Mann und Frau noch klar definiert waren,

in der grauenhafte Dinge wie Queerness und LGBTQ noch gar keine Rolle gespielt haben,

offenbar ein ganz wichtiges Thema auch beim urban.

Ist das nicht ein ähnliches Versprechen mit dem rechte Bewegungen,

heute auch versuchen Anhängerinnen und Anhänger zu gewinnen,

das Versprechen in eine Welt zurückzukehren, die man idealisiert glaubt,

wiederherstellen zu können, was natürlich völlig illusorisch ist.

Nussel breiten wir.

Ich würde auch absolut solche parallele Sehnen,

und ich glaube, es dreht sich oft sehr viel um diese Einordnungsdiskurs.

Ich habe vorhin von status quo gesprochen,

aber gemünzt auf die politische Ordnung ist es,

auf die politische Dimension ist es dann diese Idee von Ordnung.

Man braucht den Rückkehr zur Ordnung.

Aber ich fand diese Punkt sehr, sehr wichtig zu der Massenbasis,

und das ist, glaube ich, ein Aspekt, den man hervorheben muss

um dieses österreichische Merkmal,

durch die Prägung des politischen Katholizismus,

die Prägung der Glaubenshörigkeit.

Also im ganzen Lande ist da eine Grundlage da,

die ein unglaublich starker Nährboden ist für das Glauben an einen Führer.

Und das sollte man überhaupt nicht unterschätzen,

weil auch in der Aufarbeitung des Regimes merkt man immer wieder,

wird gesagt, ja, aber der Faschismus habe weniger Halt bekommen können

in Österreich, weil die Katholische Kirche ein Bollwerk gewesen sei.

Und da sieht man, es kann genau anders auch sein.

Beim Nationalsozialismus stehen Sie ein bisschen.

Da war der Katholizismus schon auch ein Bollwerk,

oder würden Sie widersprechen?

Den kann man nicht widersprechen, natürlich nicht.

War der Dolphus ein Überzeugungstheter?

Hat er das alles wirklich geglaubt, was er propagiert und postuliert hat?

War er bis zu einem gewissen Grad ein Wehrmachttechniker

und hat diese katholisierenden Erzählungen bis zu einem gewissen Grad vorgeschoben?

Wie würden Sie das analysieren?

Genau, er ist, glaube ich, zielgerichtet.

Er ist auch ein Strategie.

Aber zu einem guten Teil ist er auch so sehr von seinem eigenen Glauben geprägelt.

Er ist unglaublich froh, dass er, glaube ich, schon sich selbst überzeugt ist

von dieser Sendungsbewusstsein, vor allem nach dem ersten Attentatsversuch

im Oktober 33, wo er in dieser absolut genial inszenierten Radioansprache

so zum Wort, und ich weiß nicht, ob Sie diese Bilder sehen,

der Viktator in Pyjama, also auf den Machtschlag sein.

Das muss man sich wirklich trauen. Und das ist kein Fehler,

weil es ist schon als Fortsensur herrscht.

Erzählen Sie, ich weiß nicht, ob alle die Geschichte mit Pyjama können.

Der Attentatsversuch auf Dolphus am 3. oder 4. Oktober 33

unmittelbar danach lässt Dolphus eine Radioansprache organisieren

von seinem Krankensbett aus seiner Wohnung heraus

und die Fotos dieser Radioansprache werden dann in den Zeitungen

veröffentlicht. Und das ist ein unglaublich starkes Bild, ja.

Erstens, weil er damit irgendwie, er betont in seiner Radioansprache,

nur durch einen Wunder habe er überlebt.

Das ist wirklich der Moment, wo bereits durch Dolphus

diese Idee vom Märtyrerkanzler entsteht.

Und jetzt habe ich meinen zweiten Punkt.

Pyjama.

Genau, und wenn ich den Pyjama, was wollte ich da noch?

Er präsentiert sich eigentlich schon sehr modern,

mit ihren Erscheinungen.

Genau, und er präsentiert somit auch das Bild des Führers

mit menschlichem Antliebs.

Er ist, manchmal ist er in der Uniform,

aber manchmal ist er auch der Familienvater,

der österreichische Vater, etc.

Und es ist interessant zu sehen, dass internationale Journalisten

diesen Moment, also die propagandistische Bedeutung

dieses Moments bereits anerkennen.

Erst gibt es einen Bericht vom John Ganta und zum Beispiel

und andere Journalisten, die da sagen,

einen wirklich PR-Q würde man heute sagen.

Und das, genau das finde ich auch nennenswert,

also von der Strategie und sich,

und ab diesem Zeitpunkt eben sich diese Sendungsbewusstsein

immer mehr bewusst, also bewusst davon zumindest selbst überzeugt.

Das würde ich schon auch, soweit würde ich auch so gehen.

Jetzt haben wir über Dolphus geredet,

die Kräfte in Österreich, die eine ständische Diktatur wollten,

die Kräfte, die hinter Dolphus gestanden sind.

Lassen Sie uns jetzt reden über die österreichische Sozialdemokratie

zu dieser Zeit.

Ich erinnere mich an eine Radiodiskussion mit Karl Blecher vor ein,

zwei Jahren im Journal Panorama,

wo es auch um den Februar 34 ging und um den Dolphusismus

und Blecher hat gesagt,

im Februar 34 ist ja binsenweise bei es schon viel zu spät

für den Aufstand, für den Kampf um die Demokratie.

Die Sozialdemokratie, die Arbeiterbewegung,

hätte im Jahr 33 nach der Ausschaltung des Parlaments

oder während dieses Prozesses zuschlagen müssen.

Man hätte damals im Jahr 33 eine Generalstrecke ausrufen müssen

und wirklich für die Demokratie auch mit der Waffe in der Hand

kämpfen müssen.

Da hätte schon Blecher die Sozialdemokratie

eine realistische Siegeschance noch gehabt.

34 war es zu spät.

Wie sehen Sie das, Wolfgang Madadana?

34 war ein Aufstand von sozusagen

kampfbereiten letzten Resten des republikanischen Schutzbundes,

die von der Parteiführung nicht in den Griff zu kriegen waren.

Es war auf jeden Fall zu spät.

Es ging aber auch nur mehr um das symbolische Kapital der Würde.

Würde ich das mal formulieren wollen?

In Würde untergehen, aber noch einmal ein Zeichen gesetzt.

Aber es war auch 33 natürlich zu spät.

Der Generalstreck hätte auch 33 bereits scheitern müssen.

Der Streik der Eisenbahner, der eigentliche Anlass der Parlamentsausschaltung war,

ist ja auch in katastrophaler Weise zusammengebrochen.

Es ist, wie gesagt, ich sage es noch einmal, ein Drittel der Gesamtarbeiterschaft

ist aus dem Produktionsprozess ausgeschlossen

und Arbeitslose können sehr wenig in einem Generalstreck ausrichten.

Das ist nun einmal so.

Also ich würde sagen, 33 war die Situation für die Sozialdemokratie,

die ja wirklich tatsächlich als große Bastion nur mehr Wien gehabt hat.

Und wie gesagt, dass er bereits in einem großen Ausmaß in seiner Autonomie geschwächt war,

hat keine realistische Perspektive mehr gehabt.

Dazu muss man auch sagen, dass die gesamte sozialdemokratische Partei

ihre grundsätzlichen Ausrichtung nach in einer Strategie der defensiven Gewalt gefangen war.

Das heißt, man hat zwar zum Schutz der Republik

oder zum Schutz der eigenen Positionen so etwas wie eine Wehrformation aufgebaut,

sehr kritisiert im Übrigen von General Theodor Körnern,

nach maligen ersten Bürgermeister Wienz, nach 45,

der Berufsmilitär Generalstabchef an der Ison zu fahren, der gesagt hat,

wir können da keine Partei heraufstellen, das geht nicht,

das ist aussichtslos und sinnlos.

Dann muss es städtischen Guerrilla-Kampf geben.

Aber auch das ist niemals umgesetzt worden.

Man hat ein Partei her sozusagen betrieben, aber inständig gehofft,

dass man es niemals wird einsetzen müssen.

Das ist ein wesentlicher Punkt und das ist ja auch eigentlich ein Punkt,

der der ganzen Bewegung zur Ehre gereicht.

Ja, macht sich irgendwie menschlich, aber natürlich macht politisch trotzdem schwierig.

Lysiltretämie, wie sehen Sie das? 33 wäre es auch schon zu spät gewesen,

sagt Wolfgang Mardatana.

Gleichzeitig erinnert man sich an die unendlichen innerparteilichen Streitereien,

die sind die ganzen 20 Jahre und erst recht dann in der Weltwirtschaftskrise

und ab 33 gegeben hat die Rechten, die verhandeln wollten mit den gristlich sozialen,

die längs Opposition Ernst Fischer und seine Leute,

die eine unglaubliche Debatte, die Debatten um das Linzeprogramm und so weiter.

Also die Partei war ja innerlich auch nicht einig.

Ich will da jetzt gar keine Parallelen zu heute ziehen, das wäre doch übertrieben,

wo ich dann und wann dran denken muss.

Also die Partei war innerlich zerrissen.

Inwieweit hat das auch dazu beigetragen zur eigenen Schwächung?

Oder war diese innerparteilichen Konflikte sehr unvermeidlich?

Was man immer wieder wiederholen muss.

Wir behandeln keine Naturgesetze, sondern menschliches Handeln.

Also ich würde dafür plädieren, dass wir uns denken, dass wir auch so eine andere Perspektive sehen.

Aber ich glaube tatsächlich, diese Spaltung der Partei hat verheerenden Folgen auf jeden Fall.

Also ein linker Flügel ist Schutzbund, sozialistische Jugend, die Werkschaften

wirbt sehr klar für eine radikale, antifaschistische Widerstandsposition.

Ein rechter Flügel ist kompromissbereit und die Partei die Führung, das jongliert mit beiden

und somit ergibt sich eine Rumlavierung und ein Jonglieren zwischen Verbalradikalismus und Antentismus.

Und das hat schon 27 nach dem Justizpalastbrand für enorme Enttäuschungen in der Basis geführt,

dass da nichts angehandelt wurde.

Und ich glaube aber, es ist auch ein extrem wichtiger Punkt zu sehen.

Allgemein ist die Partei auf die Defensive orientiert.

Und somit ist es wirklich fast bemerkenswert, erstaunlich,

dass bis heute die Historikerinnen und Historiker immer noch mit dem Bild

von den Walschewicken in der Sozialdemokratie und das Linseprogramm und die Diktatur,

dieses Linseprogramm ist so ein Kreu der parlamentarischen Demokratie.

Sie formulieren wirklich so vorsichtig wie möglich,

dass sie nur nicht so weit will, wie möglich die Diktatur des parlamentarischen Herz haben wollen.

Das ist wirklich sehr bemerkenswert.

Und hier vielleicht noch ein Punkt, weil ganz oft an der Punkt, ja, aber, sie sagen ja auch,

so bekommt man das als Argument serviert, sie sagen ja, diese Sozialdemokratie,

das ist nicht viel, Sozialismus ist das Ziel.

Das wird immer gesagt, die Sozialdemokratie hätte ja die Demokratie abschaffen wollen,

weil die haben immer geschrieben.

Und vor allem, es wird immer gesagt, sie hätten das gesagt, aber das stimmt nicht.

Ja, ich glaube, man muss...

Also bei den SFF, vor 20 Jahren ist das schon immer gerufen worden, vor der Stadt.

Genau, und das sind die Punkte, wo es immer wichtig ist, Chronologien in Erinnerung zu rufen.

In den 20er Jahren sagten die Sozialisten nie, Demokratie, das ist nicht viel, Sozialismus ist das Ziel.

Die sozialistische Jugend in Deutschland und dann einige Male in Österreich,

fangen dann zu sagen, Republik, das ist nicht viel, Sozialismus ist das Ziel.

Sie wollen damit nicht sagen, dass sie gegen die Republik sind,

sondern sie wollen damit sagen, diese Demokratie braucht mehr als nun politische Freiheiten und Gleichheit.

Ohne eine soziale Gleichheit und soziale Politik ist die Demokratie eine leere Hülle.

Ja, ich habe es immer so verstanden, Demokratie in der Politik ist super,

aber es ist nicht genug, wir wollen auch Demokratie in der Wirtschaft, das heißt das.

Wir wollen mehr Demokratie wagen.

Ja, aber ich finde, es ist wichtig zu erinnerung zu rufen, dass sie so Republik treu sind.

Republik, das ist nicht viel, wieso ist das Republik treu?

Nein, das ist nicht genug. Und das sagen sie auch anlässlich des zehn Jahre Republik,

also Feier im Jahr 1928, also sie bekennen sich ganz klar zur parlamentarischen Demokratie

und sagen halt, wir müssen aber über die Institution immer noch stets beteuern,

dass es etwas eine soziale Grundlage auch braucht.

Das ist ein Wichtiges und will auch mit sich, die erst in den 70er Jahren in einem Interview sagt,

kommt das andere Zitat, Kajski sagt, ja, damals haben die radikalen Sozialisten gesagt,

Demokratie, das ist nicht viel, Sozialismus ist das Sinn.

Und seitdem bezieht man sich irrtümlicherweise auf dieses Zitat

und glaubt, es hätte in den 20er Jahren passiert.

Das ist witzig und wichtig, die glaube ich, die Neuanzen nochmals zu erkennen.

Wenn ich Ihnen jetzt zuhöre und das ernst nehme, was Sie sagen, was ich tue,

dann könnte man ja schon von Verzweiflung gepackt werden.

Denn dann stellt sich die Frage, hat die demokratische Arbeiterbewegung in Österreich

ab 1920, sagen wir mal, überhaupt nur eine Chance gehabt, Wolfgang Madadana.

Oder war man zum Untergang verurteilt, was immer man gemacht hätte,

weil die Rechte ab einem gewissen Zeitpunkt zur Diktatur entschlossen war

und einfach im Gegensatz zur Sozialdemokratie nicht defensiv orientiert war,

sondern durchaus den Willen hatte, zur Tat zu schreiten, hätte es überhaupt eine Chance gegeben?

Na ja, die Perspektive war zunächst einmal schon nicht so schlecht.

Man hat die Republik erkämpft, man hat das Frauenwahlrecht erkämpft,

man hat auf den unterschiedlichsten Gebieten der Sozialgesetzgebung

gewaltige Erfolge erreichen können.

Die Arbeiter kamen an, etc.

Betriebsdemokratie in vielerlei Hinsicht, in allerersten Anfangsformen,

aber immerhin war so etwas wie ein, wenn man das will

und das Widerspruch in sich ist, so etwas wie eine demokratische Revolution.

Das war es zweifellos, dass die Option auf eine Republik Österreicher war hingegen,

man saß sich in eine ganz bestimmte historische Situation, die man nicht wollte, hineingestellt.

Es gibt die Überlegungen von Renner, einer Donauförderation,

es gibt die viel stärkeren Überlegungen seit Viktor Adler einen großen deutschen Wirtschaftsraum

als deutsche Republik und deutsche Demokratie anzustreben

und alles das, die Reduktion auf einen Kleinstadt mit einer zu großen Obststadt,

war nicht ganz vorgesehen.

Nichtsdestotrotz hat man sich mit dieser Republik sehr schnell abgefunden

und bis zum, ganz leider nur noch einmal,

Betonen bis zum katastrophalen Zerfall des Ökonomischen

und damit des Sozialen war die Situation keinesfalls aussichtslos.

Ich würde sagen, es gibt den berühmten Ausspruch von Otto Bauer,

der von der reaktionären Konjunktur spricht,

mit dem Zerfall des demokratisch-parlamentarischen Gedanken

mit dieser sehr starken Sehnsucht nach starken Männern,

die in irgendeiner Form es zusammenbringen mit der Wirtschaftskrise aufzureimen,

kommt die sozialdemokratie unzweifelhaft in eine Alternative.

Man weiß nicht genau, was man für ein Modell dieser reaktionären Konjunktur entgegenstellen soll.

Man hat Wien, man hat Frankfurt, Berlin,

aber auch das kommt mit Fortgang der großen Depression,

der 30er-Jahre zunehmend Unterdruck

und es gibt eigentlich kein positives Modell mehr, das wir dem entgegenstellen können.

Ich erinnere mich an Otto Bauer,

ein kurzer Schrift, der unmittelbar nach der Niederlage des Schutzfonds

im Februar 34 geschrieben hat,

in einigen wenigen Tagen in Bratislava, wohin er geflohen ist,

der Aufstand der österreichischen Arbeiter

und da beschreibt Otto Bauer eindringlich,

wie man nach dieser Ausschaltung des Parlaments 33

den Dolfus förmlich angewinselt hat, verschiedene sozialdemokratische Flüger,

angewinselt hat, zu einem Ausgleich zu kommen.

Und Dolfus hat das mehr oder weniger monatelang,

die alle abblitzen lassen.

Das führt mich zu dieser begründen These von der geteilten Schuld,

die es angeblich 1934 gegeben habe,

der 33-34-Kern von konservativen Historikerinnen vorgebracht,

so quasi halbe, halbe jeder hat ein bisschen Schuld,

wenn Bürgerkrieg ist.

Wie sehen Sie das?

Wie sehen Sie das?

Wenn man diese Otto Bauer-Schrift liest und das klingt sehr glaubwürdig,

dann kann von einer geteilten Schuld aber so was von überhaupt keine Rede sein.

Die Gewichte sind klar verteilt.

Wie würden Sie das analysieren?

Genau, die Gewichte sind klar verteilt und man kann sich zwar diskutieren

über strategischen Fehler der Sozialdemokratie,

aber die sind immer ausgerichtet gegen den Faschismus

und benutzt werden, um eine eigene Schuld zu verorten.

Nein, der geteilten Schuld ist seit Mitte der 70er eigentlich

an Akta gelegt worden.

Der wissenschaftliche Konsens ist ab dem Zeitpunkt so weit etabliert gewesen,

dass es in dieser historischen Verantwortung

der radikalisierten christlich-sozialen Partei außer Frage kam.

Dennoch habe ich immer wieder den Eindruck,

dass eine gewisse Rückkehrtendenz, so schleichend in Mediendiskurs

aber auch in wissenschaftliche Publikationen festzustellen ist.

Es ist vielleicht unbewusst, aber ich finde es problematisch

am Beispiel von Begrifflichkeiten, dass zum Beispiel man nicht von Zerstörung

der ersten Republik, sondern vom Zusammenbruch.

Oder wenn man sagt, wenn man so eine wage Begriff Republik als Subjekt hernimmt

und sagt, die Republik hat es nicht geschafft,

als Zukunftsprojekt wahrgenommen zu werden,

aber die Republik blieb ratlos, etc.

Und das ist bei dem umgang, so unpräzisen Umgang mit Begrifflichkeiten,

schwimmt irgendwie diese Idee mit alle ein bisschen schon nach dem alten Motto,

die einen zu wenig Demokrat, die anderen zu wenig Patriot.

Also ich glaube, und das zeigt nochmals,

dass wirklich Begriffe eine Bedeutung haben

und dass sie auch deswegen auch so präzis benutzt werden sollten.

Und wenn ich das richtig im Kopf habe, hat der Otto Bauer

noch in der letzten Ausgabe der theoretischen Zeitschrift der Kampf

vor den Februarkämpfen weitreichende Zugeständnisse angeboten

an die Dolfusspartei und Dolfusspartien. Wie war das?

Der Otto Bauer hat das letztmögliche Angebot

und das ist wirklich ganz interessant,

zu richtig sagen, dass das in der letzten, in der Februarnummer

das Kampf des theoretischen Organes erschienen ist,

wonach sich die Arbeiterbewegung unter Umständen

auf ein ständestadtliches System einlassen könnte.

Bedienung der Parteivorstand darf nicht sozusagen illegalisiert werden.

Das Grotte Wien muss aufrechterhalten werden, die Gewerkschaften dürfen

nicht gleichgeschaltet werden.

Und dann könnte man über die Einordnung der Arbeiterbewegung

in ein ständestadtliches Modell sprechen.

Das ist ein letzter verzweifelter Versuch,

irgendwie eine, in allerletzter Sekunde gemeinsame Basis zu finden.

Das ist nicht einmal ignoriert worden,

weiter noch, viel weiter noch ist Karl Renner gegangen

mit seinem Verfassungssentwurf,

Renner hat immer wieder Verfassung angeschieben,

weil er eine unglaublich großartige Figur war,

produktiv, teilweise opportunistisch, wie auch immer,

man Renner einschätzen mag, aber auch Renner hat einen weitgehend

Verfassungssentwurf vorgelegt, der so weitgehende Konzession

vorgesehen hat, dass man wirklich sagen könnte,

okay, das war aber jetzt schon sehr nahe an der Aufgabe

jeglicher sozialdemokratischen Position.

Es ist nicht mehr verhandelt worden,

oder es ist überhaupt nie verhandelt worden,

und das hat schon sehr stark mit dem Druck,

Mussolinis zu tun, das hat schon sehr stark mit dem Druck

der faschistisch ausgerichteten Heimwehren zu tun,

auf die er Dolphus verwiesen war,

um irgendwelche Regierungsgewalt ausüben zu können,

er hat dann auch den Ernst Drüdiger von Stamberg

als den großen Erneuerer Österreichs adressiert,

also Stamberg der Chef der Heimwehren,

und ähnliche Sachen mehr, also mehr als ein selbstaufgabe

grenzende Angebote kann man eigentlich nicht machen,

und die hat man nicht einmal ignoriert,

insofern ist die Rede von einer Gedeitenschuld

es ist weder wissenschaftlich noch,

es ist einfach schwachsinnig.

Ich würde zum Schluss unseres Gesprächsgern

auch noch ins Heute kommen, Wolfgang Mardatana,

Sie haben in Ihrer Vorlesung

erschütternde Zahlen genannt über die wirtschaftliche Situation

in den frühen 30er Jahren, was Sie glaube ich nicht gesagt haben,

ist, dass die Sozialdemokratische Partei

in den Jahren der Weltwirtschaftskrise

ein Drittlierer Mitglieder verloren hat,

also auch das noch eine bedeutende Schwächung.

Ich kann mir das gar nicht vorstellen,

aber wenn diese Arbeitslosenzahlen, die Sie genannt haben,

dieses materielle Elend, das Sie skizziert haben,

wenn das hypothetisch heute wieder über Österreich

oder über westliche Demokratien hereinbrechen würde,

würde ich meine Hand nicht ins Feuer dafür legen,

ob nicht ähnliche autoritäre Tendenzen

wieder Boden unter den Füßen gewinnen.

Das Furchtbare ist, aber wir sind heute weit

von einer solch katastrophalen wirtschaftlichen Situation entfernt

und erleben trotzdem wieder autoritäre Wellen,

autoritäre Sehnsüste hier bei uns, hier in Österreich,

Rechtspopulismus, stark wie eh und je seit 30 Jahren,

in vielen anderen westlichen Demokratien.

Die Demokratie ist in Gefahr rund um die Welt von Tunesien,

leider auch in Israel, die man sagen muss,

in vielen anderen Ländern, ist sie schon stark in der Defensive.

Haben Sie eine Erklärung dafür,

woher diese autoritäre Welle, die den Klubus erfasst hat, kommt?

Wolfgang Madadana.

Das ist wohl die schwierigste Frage,

die man überhaupt stellen kann.

Ich glaube, es ist nicht möglich,

aus den historischen Abläufen Gesetzmäßigkeiten abzuleiten.

Das hat man lange Zeit versucht

und das haben sich große Gäste daran versucht.

Ich glaube nicht, dass das in irgendeiner Form möglich ist,

wenn man aber ansatzweise Ähnlichkeiten finden möchte

zwischen der großen Depression der 30er-Jahre

und den Krisenszenario, mit dem wir jetzt konfrontiert sind.

Dann ist es doch das Faktum,

dass ein nicht regulierter, entgrenzter,

stattlich kaum mehr beeinflusster Liberalismus,

den 90er-Jahren Neoliberalismus,

Wirtschaftsliberalismus,

notwendigerweise auch Krisen produziert.

Und das Krisenszenario der 30er-Jahre

ist natürlich ein völlig anderes Heutzutrage,

weil das Krisenszenario der 30er-Jahre

ist im Wesentlichen die Arbeitslosigkeit.

Das ist ja jetzt nicht der Fall,

aber es gibt wieder Spekulations- und Finanzkrisen,

es gibt die alles überragende Klimakrise,

es gibt viele, viele Teilkrisen,

die sich zu einem massiven Szenario verdichten

und viele, viele Menschen gehen in dieser Situation nach rechts,

also sprich in eine gewisse autoritäre Sehnsucht,

man sehnt sich danach, dass per starken Mann oder Frau

all diese zutiefst verunsicherten Krisenphänomene

und die Menschen in ihrem innersten erschütternde Krisenzusammenhänge

das die eben gelöst werden.

Das ist nicht etwas, was demokratische,

republikanische Basis, demokratische etc.

Initiativen und Haltungen befördert

und das mag eine gewisse Parallelität

zu den 30er-Jahren wohl sein.

Wir sind eine auch politische gesellschaftliche Verunsicherung,

die viele Schichten erfasst, auch da könnte man wieder

so eine Angst vor der Moderne ins Treffen führen.

Menschen, die sich fürchten und eine Aversion haben

gegen Klimakleber und Klimakleberinnen,

wie Ernest, Putin und der Orbern haben offenbar kein anderes Thema,

als der decadente Westen durch Schwulen und homosexuellen Rechte

und und und, ich brauche das nicht alles aufzuholen.

Gibt es einfach einen namhaften Teil der Bevölkerung auch im Westen,

der mit dem unglücklich unzufrieden verunsichert ist

und die sich da wieder alte Ordnungen wünschen

oder haben sie auch andere Erklärungen?

Neben der wirtschaftlichen Verunsicherung.

Ich glaube, was jetzt auf jeden Fall dazu kommt

in der heutigen Situation, ist das komplette Versagen

der Sozialdemokratien seit den 80er Jahren.

Es gibt keine linke Parteien, die mehr,

die ein solides sozialpolitisches Programm vertritt,

der Mehrheit dient.

Somit fühlen sich ganz viele Menschen,

arbeitende, nicht arbeitende, jung, alt,

absolut ohne politische Rückhalt

und können somit mit einer sehr leichten Ideologie

nach einer Sünden-Box-Suche etc. zustimmen.

Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Aspekt

und da merkt man, dass der Schutz der Demokratie braucht

und das muss man betonen, 90 Jahre nach der Ausschaltung des Parlaments

braucht starke demokratische Institutionen.

Aber das sollte uns nicht so in einer Fetischisierung

der einzigen Institutionen reinfallen lassen.

Demokratie braucht mehr als das

und in einer krisen Situation,

wo auch die Rechten stark werden braucht es auch

aktive, offensive, soziale Bewegung im Sinne der Mehrheit.

Und ich glaube, da merkt man auch noch ein Punkt,

den man lernen kann, sollte aus diesen 30er Jahren

diese Legende, die mehr der Versuch,

sozusagen bürgerlichen sich sozial nennen Parteien,

den Faschismus abzuwähren, indem man ihre Rhetorik

oder ein Teil ihres Programmes übernimmt, geht zugrunde.

Am Ende dient es den Faschist.

Das haben wir in den 30er Jahren gesehen

und das tut man auch heute.

Für den Historiker Wolfgang Mardatana

und die Historikerin Lucille Dreidemi im Gespräch

mit Günter Keindlstorfer in einer Wiener Vorlesung

vom 9. März 2023.

Bei den Veranstaltern bedanke ich mich sehr herzlich

für die Zusammenarbeit.

Ich verabschiede mich von allen, die uns auf UKW folgen

im Freirad Tirol und auf Radio Agora in Kärnten.

Erklären des zu Geschichte und Zeitgeschichte gibt es

regelmäßig im Falter.

Ich empfehle daher ein Abonnentes Falter.

Auch Probe, Abos sind möglich.

Alle Informationen gibt es im Internet unter der Adresse

abo.falter.at

Wo Sola Winterauer Designation gestaltet,

Philipp Dietrich betreut die Audio-Technik im Falter.

Ich verabschiede mich.

Bis zur nächsten Sendung.

Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.

Mit der Ausschaltung des Parlaments durch Engelbert Dollfuß vor 90 Jahren begann die Zerschlagung der österreichischen Demokratie der Zwischenkriegszeit. Die Historikerin Lucile Dreidemy und Historiker Wolfgang Maderthaner im Gespräch mit dem Journalisten Günter Kaindlstorfer in einer Wiener Vorlesung.

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