FALTER Radio: Die Weltunordnung: Internationale Politik im Chaos – #998
FALTER 9/14/23 - Episode Page - 50m - PDF Transcript
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Falter Radio, der Podcast mit Raimund Löw.
Sehr herzlich willkommen im Falter Radio. Zunehmend bestimmt Chaos, die internationale
Politik. Diese Diagnose klingt banal. Sie wird aber auch von einer wachsenden Zahl von Experten in
Thinktanks und Universitäten geteilt. In den Jahrzehnten nach dem Untergang der Sowjetunion
da waren die USA die einzige Supermacht. Aber dann hat sich Amerika überhoben wie im
Völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak. Die scheinbare Allmacht der USA führte zu
Gegenreaktionen konkurrierender Kräfte. Schließlich schuf der Aufstieg Chinas eine
völlig neue Situation. Es sind instabile Verhältnisse zu denen der Angriffskrieg Russlands
gegen die Ukraine kommt. Der deutsche Politikwissenschaftler Carlo Masala diagnostiziert
in einem Buch gleichen Titels eine Weltunordnung mit der wir konfrontiert sind. Masala ist Experte
für internationale Politik. An der Universität der Deutschen Bundeswehr in München. Seine
Interpretation präsentiert er im Bruno Kreis Geforum in Wien. Samt einer darauf folgenden
Frage und Antwort Session mit dem Historiker Oliver Radkolb. Das Buch heißt nicht umsonst
Weltunordnung. Jetzt ist Unordnung etwas was uns Menschen aber auch Tieren extrem
widerstrebt. Also sie werden sozusagen im menschlichen Bereich, im individuellen Bereich, aber sie
werden auch im Tierreich immer wieder die Tendenz feststellen, Ordnung zu schaffen. Ordnung
die Berechenbarkeit signalisiert auf die man vertrauen kann. Natürlich ist sie nicht
unbedingt stabil. Es gibt immer Brüche aber man versucht halt immer wieder zu so einer
gewissen Ordnung zurückzukehren. Und letzten Endes ist es in der internationalen Politik
nicht unähnlich, wenn wir uns die Geschichte des internationalen Systems seit dem westfälischen
Frieden, aber ich würde sagen auch noch vorher, bevor es sozusagen den modernen Start gab,
anschauen, dann ist die internationale Politik immer durch eine gewisse Ordnung gekennzeichnet.
Ordnung heißt es gibt eine, zwei oder drei Mächte, die haben mehr Macht als alle anderen.
Die haben neben gegensätzlichen Interessen auch gemeinsame Interessen und die versuchen
über Normen, Regeln, teilweise auch über Institutionen halt Ordnung in dieses internationale System zu
bringen. Diese Ordnung muss jetzt nichts Positives sein. Also das ist sozusagen sehr
wertneutral gesagt. Es gibt Ordnungskonzept und Ordnungsmodelle, die uns heute sozusagen mit
unseren moralischen Vorstellungen zutiefst wieder streben, aber es gibt eine gewisse Ordnung,
weil sie suggeriert halt auch eine Prozesshaftigkeit, eine Verlässlichkeit, eine Berechenbarkeit.
Vielleicht wird dem ein oder anderen von Ihnen noch der berühmte Satz von Bill Clinton 1994
im Ohr nachklingeln. Das war in der ganzen Frage, soll die USA in Bosnien intervenieren oder nicht.
Da sagte dann Clinton irgendwann mal in einer Pressekonferenz verdammt, ich vermisse den Kalten
Krieg. Und das hat er nicht gesagt, weil der Kalte Krieg eine super Zeit war, aber weil der Kalte Krieg
eine ganz klare Ordnung hat, aus der Sicht der USA und aus der Sicht der Sowjetunion genauso. Also
vereinfacht gesagt, Washington musste immer nur gucken, was macht Moskau? Und wenn Washington
wusste, was Moskau macht, dann wusste man halt auch, was sozusagen Warschau macht, was Budapest macht
und so weiter und so fort. Und Moskau musste nur gucken, was Washington macht und dann wusste man,
was Paris macht, was Madrid macht und was Bonn nicht Berlin, was Bonn sozusagen macht. Also dieses
Ordnungs, dieses Gefühl, dass Ordnung eine gewisse Stabilität bringt, ist einfach auch in der
internationalen Politik vorherrschend. Und der Auslöser für dieses Buch, das ich in der ersten
Fassung 2016 geschrieben habe, war eigentlich eine doppelte, eine dreifache Beobachtung. Die erste
Beobachtung war, der Kalte Krieg ist eigentlich in einer historisch gesehen einzigartigen Situation
zu Ende gegangen. William Wolfos, Professor für internationale Politik in den USA, hat mal
einen Aufsatz geschrieben und hat sozusagen das Ende des Kalten Krieges auf eine sehr einfache Formel
gebracht, nämlich 2 minus 1, gleiche 1. Also einer der Akteure verschwand plötzlich von der Bühne,
die Sowjetunion. Und übrig blieben die USA. Es war eine der wenigen Fälle, wo sozusagen ein Machtübergang
in einer globalen Ordnung ohne einen großen Krieg einhergegangen ist. Jetzt finden sie immer
wieder sozusagen natürlich die Hinweise darauf, dass auch der Kalte Krieg insofern ein Krieg war.
Da wurde halt nur nicht geschossen zwischen den beiden großen Akteuren. Aber wie gesagt, 2 minus 1
gleich 1, plötzlich waren die Vereinigten Staaten die überragende Macht im internationalen System,
historisch einmalig. Und wir hatten eine Phase 1990, 1991, 1992. Da sah es ja durchaus so aus,
als ob damit auch keiner ein Problem hätte. Also erinnern sie sich an die ganzen Konzepte,
die man hatte, wie jetzt, nachdem diese Bipolarität zu Ende gegangen ist, ein internationales System
geschaffen werden könnte, in dem das Recht im Vordergrund steht, in dem Institutionen im
Vordergrund stehen und in dem sozusagen Konfliktaustrag zwischen großen Staaten friedlich
abläuft. George Bush, der Ältere, mit seiner berühmten Rede vor der Generalversammlung der
Vereinten Nationen, 1991, glaube ich, hat da diese Vision dargelegt in Anlehnung an Woodrow
Wilson's 14-Punkte-Plan. Und dann stellen wir aber fest, dass exakt das Gegenteil passiert ist. Also
wir stellen fest, dass sozusagen diese historisch einmalige Chance eine neue Ordnung zu schaffen,
die berechenbar ist, die friedlich ist, die auf Kooperation beruht, die auf Institutionen beruht,
die sozusagen auf dem Vorrang des Rechts gegenüber der Macht beruht, dass die immer mehr und immer
starker erodiert. Und letzten Endes gleiten wir so peu à peu in das einen, was ich Welt Unordnung
nenne. Also wir haben keine Ordnung in diesem internationalen System mehr. Wir sind sicherlich
momentan, ich komme später darauf noch zu sprechen, wir sind sicherlich momentan in einer
Übergangsphase von einem Unordnungssystem in einem Ordnungssystem, das meines Erachtens durch
eine neue Bipolarität gekennzeichnet werden wird. Und zwar die Bipolarität zwischen den
Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China. Aber auch das wird noch lange dauern, bis sozusagen
diese Bipolarität sich sehr klar herauskristallisieren wird. Und wenn Sie den ganzen Zeitraum nehmen,
also 1990 bis 2023, dann ist es auch, ich hoffe, Herr Ratkott wird mir da nicht widersprechen,
dann ist es auch historisch gesehen ein irrsinnig langer Zeitraum, wo sozusagen nicht eine Ordnung
durch die andere abgelöst wird, sondern wo wir noch immer in so einem Interregum leben. Aber dieses
Interregum ist durch, ja, Unordnung gekennzeichnet. Der heutige Bundespräsident Frank Walter Steinmeier,
als er noch Außenminister war, hat 2014 bei einer Rede in Brandenburg, hat meines Erachtens diesen
schönen Begriff geprägt, er zählt dann auf, was für Krisen und Konflikte es überall auf der
Welt gibt und sagt dann, man könnte den Eindruck haben, die Welt ist aus den Fugen geraten. Und
letztendlich ist dieser Eindruck bis heute existent, die Welt ist aus den Fugen geraten. Und das war
sozusagen dieser Impuls, für mich dieses Buch zu schreiben. Also wie kann es passieren, dass
letzten Endes aus einer historisch einmaligen Chance, also zumindest einmalig nach dem Ende
des Zweiten Weltkriegs dieses Desaster entstanden ist, indem wir in den letzten, weiß ich jetzt nicht,
kann so gut nicht Kopf rechnen, in den letzten 40 Jahren leben. Und dessen Höhepunkt sicherlich
momentan der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist. Da komme ich gerne später noch
drauf zu sprechen. Also warum ich sozusagen diesen Krieg als Höhepunkt einer bestimmten
Entwicklung bezeichne. Wenn man sich nach den Ursachen für diese Entwicklung auf dem Weg begibt,
die herauszufiltern, dann glaube ich, und das war halt sozusagen das Zeichen sehr stark, denn das
erste Kapitel meines Buches aus, dann gibt es eine Tendenz und mit dieser Tendenz verbundenen
Illusionen, die unter anderem, nicht ausschließlich, aber unter anderem dazu beigetragen haben,
dass diese Unordnung bis heute existiert. Und was ist das für eine Tendenz? Sie haben unmittelbar,
nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes, diese große Euphorie der Kantche Friedentritt ein,
haben Sie dieses sehr bekannte Buch, das in allen bekannt ist von Francis Fukuyama,
das Ende der Geschichte. Das Ende der Geschichte sagt, liberale Demokratien, kapitalistische
Systeme haben im 20. Jahrhundert den Faschismus besiegt, sie haben den Kommunismus besiegt,
es gibt keine gesellschaftspolitische Alternative zur Demokratie, zur liberalen Demokratie und zum
Kapitalismus. Und da es keine gesellschaftlich politische Alternative gibt, wird sich sukzessive
die Demokratie als Staatsform überall durchsetzen. Und Anfang der 90er Jahre könnten sie durchaus
argumentieren, dass Fukuyama da irgendwie schon ein bisschen recht hat. Weil wenn Sie sich anschauen,
es gibt in der Tat in vielen afrikanischen Staaten, gibt es Demokratisierungsbemühungen. Viele der
Nachfolgestarten der Sowjetunion sind zumindest laut Verfassung Demokratien, also entwickeln
sich zu Demokratien. Also diese Idee von Fukuyama, es gibt keine gesellschaftliche Alternative,
deswegen ist das jetzt der Siegeszug der Demokratie, hatte durchaus einige Berechtigungen
zu dem damaligen Zeitpunkt für einige Leute. Damit war eine große Hoffnung verbunden. Das führt
aber auch dazu, dass in Anführungszeichen gesprochen, der Westen sich auch den Weg begab,
aktiv diese Demokratisierung der Welt zu betreiben. Aktiv zu betreiben bedeutet zunächst einmal,
dass wenn Sie sich anschauen, jetzt nehmen Sie die Europäische Union mit Ihrer Nachbarschaftspolitik
zum Beispiel, nehmen Sie den internationalen Währungsfonds, eine von Europäern und Amerikanern
dominierte Organisationen zur Kreditvergabe, dass Kreditvergaben an politische Forderungen gebunden
wurden. Und Sie haben, da es keine Alternative gab und da es keine Sowjetunion mehr gab, haben Sie
sehr viele Staaten, die sich auf diesem Weg begeben haben. Also man kann es sich heute nicht
mehr vorstellen, aber Syrien in den Jahren 92 bis 94 aus einer ökonomischen Notlage heraus hat
ernsthafte Anstrengungen unternommen, sein System zu reformieren und zwar in Richtung eines
demokratischen Systems. Weit entfernt von dem sozusagen, wo wir drin leben, aber das war
natürlich für jeden der Syrien kennt, war das sehr erstaunlich und Sie haben die gleiche
Entwicklung in den afrikanischen Staaten. Also der Westen, USA europa-schwerpunktmäßig,
fängt an, eine aktive Demokratisierungspolitik zu betreiben. Warum? Und hier kommt etwas Zweites
rein, was ich immer meinen Studierenden sage, was eigentlich die politisch-wirkungsmächtigste
Theorie der internationalen Beziehungen jemals gewesen ist, nämlich die Idee des demokratischen
Friedens. Die zurückgeht auf Kant und ich will sie jetzt nicht sozusagen mit dem ganzen akademischen
Langweilen, aber letzten Endes, die im Kern sagt empirisch durchaus richtig, Demokratien untereinander
führen kaum Kriege. Das ist ein empirisch richtiger Befund und je weiter sie in die Moderne gehen,
führen sie überhaupt keine Kriege untereinander. Also wenn sie so im 18. Jahrhundert sind je nach
dem, was für eine Demokratiedefinition sie haben, dann führen Demokratien schon den ein oder anderen
Krieg gegeneinander, aber das ist nichts im Vergleich zu den Kriegen, die Demokratien gegen
autoritäre Staaten führen oder autoritäre Staaten untereinander. Und diese seit den 70er-Jahren
existierende Theorie, die dann in den 90er-Jahren auch noch sozusagen sehr eloquent statistisch
unterfüttert wird, wird wirkungsmächtig, wird als politische Idee wirkungsmächtig und zwar in
Washington und auch sozusagen in den europäischen Hauptstädten. Also Demokratisierungspolitik,
nicht sozusagen um der Demokratisierung willen, sondern in der Hoffnung damit ein internationales
System zu schaffen, das per se friedlicher wird, weil Demokratien führen untereinander keine Kriege.
Jetzt kann man akademisch sagen, der empirische Befund stimmt, wir wissen bis heute nicht,
warum das so ist, aber wenn sie nur den empirischen Befund nehmen, dann ist es ganz einfach so,
je mehr Demokratien sie haben, desto weniger Kriege werden sie haben im internationalen System. Deren
Konfliktregulierung läuft entlang anderer Mechanismen als die Konfliktregulierung zwischen
Demokratien und Autokratien. Also haben Sie das Ende der Geschichte, es gibt keine Alternative,
Sie haben sozusagen diese Idee, dass ein demokratisches internationales System oder
ein internationales System, das mehr und mehr Demokratien hat, ein friedlicheres werden wird,
wird politisch handlungsmächtig. Das ist alles noch nicht so problematisch, das fängt erst
dann problematisch an zu werden mit einer gewissen Entwicklung in den Vereinigten Staaten,
die in zwei Richtungen läuft. Die eine Richtung ist und dann sehen Sie sozusagen, dass dann klare
Machtpolitik wieder zurückkommt, die Vereinigten Staaten kommen aus diesem Konflikt, als die
stärkste oder wie Madeline Orbride das mal nannte Second to None Macht heraus, wirtschaftlich und
militärisch. Wenn Sie 1994 die Österreicher mögen, die Bedeutung von Marien nicht so nachvollziehen
können, aber für die USA ist sozusagen die Navy ein zentrales Instrument ihrer Machtprojektion
global. Wenn Sie sozusagen den Stand der US Navy 1994 nehmen und Sie nehmen dann Start 2 bis Start
9 oder 10 und nehmen deren Marien und legen die zusammen, sind die noch nicht mal annähernd so stark
wie die US Navy. Also von daher Second to None, wie Madeline Orbride das nannte, war durchaus richtig.
Die militärische Macht der Vereinigten Staaten war unangefochten, aber das reicht ja auch nicht,
denn Sie haben 1994 haben Sie auch die National Security Strategy der Clinton Administration,
in der sehr deutlich gesagt wird, dass man diese militärische Position nicht nur beibehalten will,
sondern ausbauen will, weil je stärker man ist, desto sicherer ist man. Also die Vereinigten Staaten
begeben sich auf den Weg zu sagen, wir haben diese herausgehobene Position, wir wollen sie halten
und wir wollen sie sogar noch erweitern. Und die zweite Entwicklung, die kommt und die kommt sozusagen
bei Clinton schon zum Tragen, dann aber natürlich sehr stark unter George W. Bush, ist, dass diese Idee
der Neoconservativen, die ja ursprünglich aus der demokratischen Partei kamen und dann zu den
Republikanern in den 80er Jahren gewechselt sind, aber sozusagen auch bei vielen Demokraten durchaus
Anklang fand, ist diese Idee, dass die Demokratisierung gut ist, weil halt weniger Konflikte,
macht die USA sicherer und dass man diese Demokratisierung aber auch gegebenenfalls auch,
wie John Mirsheimer es mal nannte, at the end of a barrel of a gun betreiben
müssen. Also Demokratisierung mit Waffengewalt. Und da sind wir natürlich, größtes Beispiel,
da sind wir beim Irak. Ja man kann jetzt Afghanistan noch, aber ich würde Afghanistan
sozusagen da außen vorlassen, aber da sind wir beim Irak. Das heißt, was passiert, ist eine
Entwicklung, das habe ich in diesem Buch die Illusion der Demokratisierung genannt, ist eine
Entwicklung, in der eine aktive Demokratisierungspolitik betrieben wird unter Rückgriff teilweise auf
Waffengewalt. Und das löst natürlich komplette Gegenreaktionen aus. Bei all denjenigen Staaten,
die befürchten müssen, Opfer amerikanischer Außenpolitik zu werden. Es gibt Berichte,
leider lassen sie sich nicht überprüfen, aber die sind so nett, dass man sie durchaus als
Anekdote in Vorträgen einflächten kann, dass als die Amerikaner sozusagen in den Irak eingeflogen
sind und sie hatten teilweise Luftkorridore über dem Iran, auf iranischen Hochhäusern sozusagen
stand hier die Bombe abwerfen. Also die Hoffnung sozusagen die Amerikaner würden dann auch den
Iran demokratisieren und das Gleiche machen, wie sie mit dem Irak vorhatten. Letzten Endes ist es so,
dass diese ganze Entwicklung dann das produziert, worunter wir bis heute zu Leiden haben unter
anderem, nämlich Gegenmachtbildung. Jede Übermacht wird mit Gegenmacht konfrontiert und sie haben
in dieser ganzen Zeit haben sie natürlich Staaten wie China, Staaten wie Russland, sie haben aber
auch diese ganzen aufstrebenden Regionalhegemone wie Südafrika, Brasilien, um nur einige zu nennen,
die diese Übermacht der Vereinigten Staaten als Bedrohung ihrer Entwicklung wahrnehmen,
ihrer Sicherheit teilweise, da geht es eher um die autoritären Staaten, aber auch ihre eigenen
Entwicklung und die fangen an Gegenmacht zu bilden. Konkrete Ausdruck dieser Gegenmachtbildung ist
etwas, was heute eine immer größere Rolle spielt, das sind die Bricks. Also dieser Zusammenschluss
damals aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Heute sind glaube ich 14 Staaten
in dieser Bricks zusammengefasst, man diskutiert eine gemeinsame Währung, man diskutiert einen
gemeinsamen Markt, man diskutiert sozusagen gemeinsame Sicherheitspolitik und wir haben jetzt das letzte
Treffen vor zwei Wochen in Südafrika gehabt und ich glaube die Türkei und Saudi Arabien haben dort
ihre Mitgliedsanträge hinterlegt, also haben bekundet, dass sie gerne Bricks Mitglieder werden
wollen. Das heißt, wir kommen in so das klassische machtpolitische Feld rein, in der die Übermacht
versucht wird auszubalancieren und das Ganze geht natürlich damit einher, dass in dieser
Ausbalanciierung die Übermacht relativ an Macht verliert und die anderen Mächte relativ an
Macht gewinnen. Also die Vereinigten Staaten ist ein Hegemon auf dem absteigenden Ast, weil sie
relativ im Verhältnis zu den anderen Mächten an Macht verlieren. Nicht absolut, aber relativ und
China wird immer stärker. Das ist die eine große Entwicklung, die in diesem Buch skizziert wird.
Es gab aber dann auch noch andere Fehlannahmen, die aus dieser Zeit resultieren und die, die ich
nicht alle hier aufzählen kann, aber ich will eine nehmen, die glaube ich für so Mittelmächte wie
Österreich und die Bundesrepublik Deutschland von großer Bedeutung ist. Das war doch nett, also
kommen Sie, das war doch echt nett. Das ist die Annahme, dass die zukünftige internationale Politik
primär über Institutionen erfolgen wird und wir hatten natürlich diese ganzen Institutionen, die aus
dem Zweiten Weltkrieg kamen. Also das sogenannte liberale internationale System. Mit den
Vereinten Nationen, jetzt auf europäischer Ebene haben wir die EU und wir haben die NATO,
internationalen Währungsfonds, Weltbank, das sind alles Institutionen, die im Zuge des Endes des
Zweiten Weltkrieges gegründet wurden und sozusagen für die internationale Politik eine große Rolle
spielt. Und hier haben wir zwei Entwicklungen, die letzten Endes dazu führen bis heute, dass diese
internationalen Institutionen und ich glaube, sollte man sich nicht auf europäischer Ebene darüber hin
wegtäuschen, was gerade sozusagen mit der NATO passiert und mit der Europäischen Union passiert,
dass die letzten Endes sowohl international als auch regional extrem geschwächt wurden. Und
zwar ist es eine Gegenläufigentwicklung. Die eine Entwicklung ist, ich habe gerade darauf hingewiesen,
auch die aufstrebenden Mächte, die in diesen internationalen Institutionen nicht mehr die
Realität des 21. oder des ausgehenden 20. Jahrhunderts, jetzt des 21. Jahrhunderts sehen, die den
Punkt richtigerweise machen, das sind alles, sozusagen Institutionen, die wurden 1945 folgende
gegründet und letzten Endes spiegeln die Machtverhältnisse 1945 folgende wieder und sind damit
natürlich dominiert von den Europäern und von den Amerikanern. Und entsprechen nicht der
Realität des 21. Jahrhunderts. Also müssen diese Institutionen reformiert werden, um einen angemessenem
Platz für diese aufstrebenden regionalen Mächte zu haben. Wenn wir jetzt bei den Vereinten Nationen
bleiben, dann wissen sie alle, dass die Vereinten Nationen versucht haben, dreimal den Sicherheitsrat
zu reformieren und dreimal grandiose gescheitert sind. Also die aufstrebenden Mächte sehen in
diesen internationalen Institutionen nicht mehr sozusagen die zentralen Verhandlungsforen für
die internationale Politik des 21. Jahrhunderts. Aber auch die Vereinigten Staaten wenden sich
von diesen Institutionen ab. Die Vereinigten Staaten waren ja führend in Dumbarton Oaks, um die
Vereinten Nationen zum Beispiel zu gründen. Und die Vereinten Staaten haben damals wissend, dass es
einen möglichen neuen strukturellen Konflikt mit der Sowjetunion geben wird. Stanley Hoffmann
hat das glaube ich immer so genannt, die haben sich wie Gulliver sozusagen von den kleineren
Staaten der Vereinten Nationen sozusagen mit Seilen umspannen lassen. Weil sie wussten, sie
brauchen Verbündete und Alliierte und deswegen müssen auch sie sich bestimmten Regeln unterwerfen.
Die haben sie immer mal wieder verletzt, aber sie sind immer wieder zurückgekehrt. Jetzt kommen sie
raus und sind Second Tunnan. Und es gibt keine Sowjetunion mehr. Also brauchen sie auch keine
Partner mehr. Sie können alles alleine machen. Sie brauchen natürlich Partner für gewisse
Legitimitätsfragen, aber um bestimmte Politik wirklich durchzuführen, brauchen sie keine
Partner mehr. Schauen Sie sich die ganzen militärischen Interventionen der Vereinigten Staaten
seit 1990 an. Natürlich gab es auch im zweiten Golfkrieg eine große Beteiligung
anderer Staaten. Es gab in Bosnien eine große Beteiligung anderer Staaten im Kurs, wo uns
so weiter in Afghanistan, aber im Irak, aber letzten Endes muss man sagen, das war alles
sozusagen Staffage, militärisch nicht notwendig. Also wenn sie rauskommen und sagen, wir sind die
stärkste Macht im internationalen System. Und letzten Endes müssen wir jetzt keine Kompromisse
mehr machen, weil es gibt ja die Sowjetunion nicht mehr. Und China war noch weit entfernt davon
sozusagen so stark zu werden, wie es heute ist. Warum sollen sie sich dann in internationale
Institutionen reinbegeben? Warum sollen sie dann sozusagen Kompromisse machen, weil sie Partner
brauchen? Sie machen sie nicht. Der Unilateralismus der Vereinigten Staaten, der schon immer da war,
ja, aber eher Ausnahme als Regel, wird nun mehr regel und damit disavuieren die Vereinigten Staaten
auch diese internationalen Institutionen. Es gab nach 9.11, gab es von den Vereinigten Staaten,
da gab es einen Vorfall im Mittelmeerraum, das hatte was mit dem nordkoreanischen Frachter
zu tun. Der Teile für Nukleartechnologie, für den Iran hatte und es ging um so Boarding-Sachen,
alles zu speziell, zu sehvölkerrechtlich. Aber dann gründeten die Vereinigten Staaten außerhalb
der Vereinten Nationen im Bereich Nonproliferation, wo sie die führende Macht mit den Sowjets in den
60er Jahren waren sozusagen ein ganzes System von Nonproliferation in den Vereinten Nationen zu
gründen, gründeten sie außerhalb der Vereinten Nationen die sogenannte Nonproliferation Security
Initiative, die auf rein bilateralen Verträgen beruhte. USA mit irgendjemand anders. Und John Bolton,
der damals Botschafter bei den Vereinten Nationen war für die Buchadministration, wurde, ich glaube,
von der New York Times gefragt, was denn jetzt der Vorteil dieser Nonproliferation Security
Initiative sei, wo es doch dieses ganze System der Nonproliferationspolitik in den Vereinten
Nationen geben würde. Und er hat John Bolton gesagt, naja, der Vorteil ist, liegt mit Blick auf die USA
völlig auf der Hand. There is no headquarter, there is no secretary general and there is no veto. Also,
eine wesentlich große Handlungsfreiheit in diesen, wie ist die in einer Koalition der Willigen
und der Fägen. Und wir sehen, wenn wir die letzten 30 Jahre Revue passieren lassen und das können
wir runterbrechen bis auf die NATO und das können wir runterbrechen auch bis auf die
Europäische Union. Das Koalition der Willigen und der Fägen entweder innerhalb von Institutionen
oder außerhalb von Institutionen, das bestimmende Muster in der Sicherheitspolitik werden. Ich rede
jetzt nur über die Sicherheitspolitik. Denken Sie an die, ganz einfach, denken Sie an die Intervention
in Libyen, die ist gemacht worden von einer Koalition der Willigen und der Fägen. Vereinigten
Staaten, Frankreich, Großbritannien und ein paar arabische Staaten. Haben Mandat bekommen vom
Sicherheitsrat, ja, aber es war eine Koalition der Willigen und der Fägen. Die NATO ist erst
von einem viel späteren Zeitpunkt damit an Bord gekommen. Dann waren sozusagen die großen
militärischen Kampfhandlungen schon vorbei. Schauen Sie sich militärische Interventionen im Rahmen
der NATO an. Nehmen Sie Kosovo zum Beispiel. Natürlich haben im Kosovo die damaligen 16
NATO-Staaten alle die politische Entscheidung getroffen, militärisch zu intervenieren. Aber es
gab Staaten, die haben das vollumfänglich gemacht. Es gab Staaten wie Griechenland, die haben das
überhaupt nicht gemacht. Also die haben sich militärisch null dran beteiligt. Es gab Staaten
wie Italien, die haben nur Überwachungsflüge über der Adria gemacht. Also diese Idee, man trägt
alles mit gemeinsam, die gab es auch im Kosovo nicht. Das war eine Koalition der Willigen. In ihrem
Kern, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und die USA, die sozusagen die, ich sag jetzt mal,
die Last des Bombardements übernommen haben. Die anderen haben sich ausgesucht, was sie da machen
wollen. Das war jetzt noch innerhalb der NATO. Aber sie haben ganz, ganz viele Felder im Bereich
der Sicherheitspolitik, in denen sie einfach feststellen können, die Sicherheitspolitik findet
außerhalb der etablierten Institutionen statt. Und damit schwächt sie natürlich auch diese
Institution. Daraus wird dann ein Schuh, dass die aufstrebenden Mächte natürlich den alten
Mächten vorwerfen. Sie delegitimieren auch diese Institutionen, was zum Teil auch stimmt. Also
diese Vorstellung, die 1990 auch noch vorherrschte, dass künftige internationale Politik wird viel
starker durch institutionelle Verreglungen bestimmt werden, die erwies sich auch als Schimere
und als Illusion. Und zwar nicht nur, weil die aufstrebenden Mächte, denen aus ihrem Blickwinkel
richtigen Punkte gemacht haben, dass diese Institutionen die Realitäten von 1945 folgende
widerspiegeln und reformiert werden müssten, sondern sie wurden delegitimiert auch von den Mächten,
die rhetorisch zumindest immer auf die Bedeutung dieser Institutionen verwiesen haben. Und da
spielen wir Deutsche genauso eine unrühmliche Rolle wie andere Staaten. Also es sind nicht nur die
USA, man könnte, also es ist die Aufzählung, wer sozusagen unilaterale handelt, wer sozusagen
über Koalition der Willigen handelt, in welchen Feldern ist Legende. Aber ich will nur darauf
hinweisen, dass das die zweite Illusion war, die nach 1990 entstand. Die dritte Illusion hängt
auch eng damit zusammen und das ist ein Problem, das wir mit dem wir uns heute sozusagen auch in
Zukunft immer stark auseinandersetzen müssen. Die dritte Illusion war natürlich die Illusion der
Verrechtlichung. Also wieder zurückgehen auf George Bush, dem Alpen, Rede vor dem Vereinten
Nation, sozusagen der Vorrang des Rechts vor der Macht hat sich komplett als Chimera erwiesen. Wir
sehen, dass immer mehr Staaten, also Russland ist ein Beispiel, aber sozusagen Irak 2003 ist ein
anderes Beispiel, sie können ganz ganz viele Beispiele nehmen, sozusagen das Völkerrecht mit
Füßen treten. Und jetzt kommt ein Punkt, ist hier ein Völkerrecht im Raum, vor denen habe
ich nämlich immer Angst, können Sie mal kurz, oh nee, ja, er wird widersprechen, ich weiß das.
Das Völkerrecht braucht Träger, die ihm Geltung verschaffen und diese Träger gibt es nicht mehr.
Das Völkerrecht, um wirklich zur Geltung zu kommen, braucht eine stabile Ordnung, in der sozusagen die
Ordnungsmächte ein Interesse daran haben, nicht dem gesamten Völkerrecht Geltung zu verschaffen
und sie werden jetzt auch immer selber verletzen, aber darauf zu achten, dass möglichst viele Mitglieder
dieser Ordnung, die kleiner sind, sozusagen sich völkerrechtskonform verhalten. Und damit kommen
wir zu dem zentralen Punkt, der diese Welt Unordnung kennzeichnet. Hadley Bull, ein australischer
Politikwissenschaftler, der in Oxford, glaube ich, gelehrt hat und der in den 70er Jahren ein
fantastisches Buch geschrieben hat, dass man jedem Politikwissenschaftstudenten nur ins Herz legen
sollte, die anarchische Gesellschaft heißt das. Ich glaube, es ist 71 erschienen. Der hat nämlich den
Punkt gemacht, dass er sagt, die Großmächte verstehen sich auch immer als Manager des internationalen
Systems. Also die haben zwar konfliktive Interessen und letzten Endes geht es immer darum,
sozusagen, dass der eine stärker werden will als der andere. Aber in dieser konfliktiven
Auseinandersetzung gibt es auch kooperative Beziehungen zwischen Großmächten, weil sie auch
gemeinsame Interessen haben, die sie auch gemeinsam verfolgen. Ich gebe Ihnen zwei Beispiele aus der
Vergangenheit, um diesen Punkt klar und deutlich zu machen. Die Sowjetunion und die USA, und das
wissen sie alle, haben während des gesamten kalten Krieges oder aus Westkonflikt, wie immer sie
das nennen wollen, in jedem Konflikt irgendwo auf der Welt ihre Partner unterstützt. Ja,
politisch, wirtschaftlich, militärisch. Sie hatten aber beide ein Interesse daran, dass diese
Konflikte eine gewisse Eskalationsschwelle nicht überschreiten, die sie dazu gezwungen hätte,
aktiv in diesen Konflikt einzugreifen.
Weil das bedeutet hätte, dass die andere Seite sich auch möglicherweise gezwungen gesehen hätte, aktiv in
diesen Konflikt einzugreifen. Und dann hätten wir vor dem gestanden, was alle befürchtet haben,
den Dritten Weltkrieg. Wenn Amerikaner und Sowjets sich sozusagen mit ihren eigenen Leuten
irgendwo in einem dieser Schauplätze, wo es Konflikte gab, von 1960 bis 1990, sich begegnet
hätten. Also was hat man gemacht? Man hat die Institution des Peacekeeping geschaffen. Man hat
ein Instrument geschaffen, wo man sozusagen diese Konflikte jetzt nicht beigelegt hat,
aber zumindest entschärfen konnte. Man hat auf die Konfliktparteien eingewirkt, sozusagen Waffen
stillständig zu vereinbaren, der der Entsendung von Peacekeeping-Truppen zuzustimmen. Und das war
das Interesse, nicht aktiv in solche Konflikte mit reingezogen zu werden. Das waren gemeinsames
Interesse der USA und der Sowjetunion. Das zweite gemeinsame Interesse der USA und der
Sowjetunion nur als zweites Beispiel war, nicht allzu viele Staaten auf dieser Welt sollten
Nuklearwaffen erwerben. Deswegen waren sowohl die USA als auch die Sowjetunion sehr erpicht darauf,
dieses ganze Nonproliferationsregime, das wir kennen aus der Vergangenheit ins Leben zu
rufen und sozusagen dem Versuch zu unternehmen, das auch einzuhalten. Ohne dieses gemeinsame
Interesse hätte es vielleicht, also nach meiner Erzählung hätte es schon in den 70er oder 80er
Jahren, hätte es schon 12, 13, 14 Nuklearmächze gegeben. Und das war nicht im Interesse der
Sowjetunion, das war nicht im Interesse der USA, weil letzten Endes hätte es natürlich deren
herausgehobene Stellung im Nuklearbereich geschwächt, aber gleichzeitig auch wusste man,
nuklares Management auf der globalen Ebene wird dadurch schwieriger. Also Großmächte,
die eine gewisse Ordnung, sei sie Bipolar oder Multi-Polar sozusagen abbilden, haben neben
ihren gegensätzlichen Interessen auch gemeinsam Interessen. Wir sind jetzt aber seit 1990 in
einer Phase, in der aufgrund der Tatsache, dass wir aufsteigende Mächte haben, die sozusagen noch
nicht dort sind, wo sie sein wollen und die Vereinigten Staaten auf der anderen Seite, wo wir
keine gemeinsamen Interessen dieser Großmächte haben, denen sie nachgehen, wo sie nicht versuchen,
dieses System sozusagen zu ordnen, Prozesse zu kontrollieren. Wir haben es einfach nicht. Wir
sehen es vor allen Dingen in der Nuklearfrage, sehen sie das iranische Nuklearabkommen, momentan ist
Russland eine der größten Unterstützer des Irans, aus diesem Nuklearabkommen endgültig auszusteigen.
Sehen sie nach Asien, wo die Chinesen bei einigen Staaten keinen Interesse haben,
dass sie Nuklearawaffen erwerben, bei anderen Staaten es aber erlauben, dass sie ihre Technologie
und ihr Wissen weltweit verbreiten, nämlich Pakistan. Das ist die Unordnung. Die Großmächte
in diesem internationalen System verstehen sich nicht als Manager des internationalen Systems.
Und solange wir keine stabile Ordnung im internationalen System haben,
solange es zu befürchten, dass wir keine gemeinsamen Interessen haben in diesem
internationalen System zwischen den Großmächten und solange es zu befürchten, dass auf der Prozessebene,
also auf der Ebene sozusagen unterhalb der großen globalen Sicherheitspolitik,
nämlich auf der regionalen Ebene, die Unordnung weiter existiert. Sie brauchen nur ein Beispiel zu
nehmen. Sowas wie Syrien wäre 1980 nicht möglich gewesen. Ja, also es wäre möglich gewesen,
dass dort sozusagen ein Bürgerkrieg ausbricht, aber es wäre unmöglich gewesen, dass sozusagen
die Russen und die Amerikaner und die Türken und NATO und wer auch immer da in der ein oder
anderen Form seine Finger drin hat und das Ding einfach weiter eskalieren lässt. Sie haben teilweise,
haben sie direkte Begegnungen von Wagnatruppen mit amerikanischen Truppen in Syrien gehabt. Das
wäre früher nicht passiert, weil das genau diese Situation gewesen wäre, wo man befürchtet hätte,
das kippt jetzt um in einen Konflikt zwischen den USA und der Sowjetunion. Also das ist auch
ein Teil dessen, was Weltunordnung bedeutet. Ich habe jetzt noch fünf Minuten. Ich will noch
einen Punkt zum Abschluss machen. Den habe ich am Anfang kurz angedeutet. Ich glaube,
dass dieser russische Aggressionskrieg gegen die Ukraine der Höhepunkt und möglicherweise,
das bleibt abzuwarten. Das hängt entscheidend vom Ausgang dieses Krieges ab und von den
Signalen, die davon ausgesendet wird. Der Höhepunkt, aber möglicherweise auch der Wendepunkt ist,
dieser ganzen Entwicklung, die wir seit verstärkt seit 10, 15 Jahren beobachten können. Es ist der
Höhepunkt aus dem einfachen Grunde, weil jetzt eine Nuklearmacht Waffengewalt gegen einen Nachbarn
einsetzt und versucht sozusagen einen Nachbarn zu zerstören bzw. im jetzt minimalsten Falle
ihm dauerhaft Territorium zu entreißen. Gleichzeitig, die die Ukraine unterstützenden
Staaten natürlich einen schmutzigen Kompromiss machen. Der lautet, die Ukraine mit all dem,
was möglich ist, zu unterstützen, aber selber nicht aktive Konfliktpartei zu werden, weil man
natürlich nicht weiß, was passiert, wenn man gegen eine Nuklearmacht aktiv vorgeht. Und
gleichzeitig, wir einen Akteur haben, nämlich China, der sich sehr genau anschaut, wie diese
ganze Auseinandersetzung ausgeht. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass die Amerikaner
ihren Schwenk nach dem 19. Dezember 2021 durchgeführt haben, weniger mit Blick auf Russland
und die Ukraine, als vielmehr mit Blick auf die Tatsache, dass wenn man in Russen erlaubt,
mit einer militärischen Drohkulisse und absurden politischen Forderungen irgendwelche Gewinne zu
erzielen, man die Blaupause für Taiwan geliefert hätte. Und deswegen ist dieser Krieg weitaus mehr
als nur ein Krieg, der irgendwie im Osten Europas stattfindet und die europäische Sicherheit
nachhaltig bedroht. Es ist auch ein Krieg natürlich, das erleben wir tagtäglich, der jetzt
Bereitschung globale Folgen hat. Aber es ist Teil sozusagen einer Auseinandersetzung um eine
zukünftige globale Ordnung. Und aus diesen Gründen, also aus diesen drei Gründen ist es so existenziell
wichtig, dass man es der russischen Föderation nicht erlaubt, sozusagen territoriale Gewinne in
der Ukraine zu machen, weil man damit sozusagen Signale aussenden könnte, die man nicht mehr
eingeholt bekommt. Lassen Sie mich mit einer Gegenteese beginnen. Sie schreiben in Ihrem Buch, also das
vielleicht am Ende dieser Zwischenphase, wo der russische Aggressionskrieg gegen die Ukraine so ein
Testcase ist, der vielleicht eine andere Form von Neuerordnungen schafft, es in Richtung
Bipolarität gehen könnte, also USA auf der einen Seite, China auf der anderen Seite. Ihr wird
ein kleines Projekt, wo ich mir relativ viele so auch unterschiedlichen Themen, akzentuierte Themen
aus der chinesischen Parteipresse übersetzen lasse. Und das für mich überraschende ist der
chinesische Doublespeak. In Richtung des chinesischen Publikums geht es längst nicht mehr um
Multipolarität, auch nicht um Bipolarität. Es geht um alleinige chinesische Führung. Überall ist
China am besten. Also wie Zeilinger seinen Nobelpreis bekommen hat, ist ein österreichischer
Wissenschaftler, der einen Nobelpreis bekommen hat. Daher die chinesische Presse sieht das ganz
anders. Sie ist in der Quantenphysik, die Weltmacht und schlägt die USA. Jetzt meine Frage, wie
beurteilen Sie die Trends aus Ihrer Sicht in China? Ich sage, es wird eine neue Bipolarität geben.
In den 90er Jahren haben wir vom unipolaren Momentum geredet. Das finde ich falsch, weil es
einfach für Momentum so lange gedauert hat. Aber letzten Endes ist Unipolarität, historisch gesehen
eher eine Anomalie seit dem westfälischen Frieden. Vorher sozusagen nicht, aber seit dem westfälischen
Frieden, weil China würde dann mit den gleichen Prozessen konfrontiert werden, wie die USA wurden,
nämlich mit der Gegenmachtbildung. Das Interessante beim chinesischen Doublespeak finde ich nämlich eher,
dass die Chinesen sehr offen intern sagen, es geht um die Bipolarität und dann um die
Unipolarität, dass sie natürlich aber, um Partner zu haben, in ihrem Bricks zusammenhängen oder
jetzt auch, als die Russen, also als Vladimir Putin am 21. Februar 2022 da war zur Eröffnung der
Winterspiele, in dem Kommunikier immer von Multipolarität reden. Und wenn man sich jetzt mal
anschaut, wirklich die Zahlen, gibt einen schönen Aufsatz in Foreign Affairs, der vor zwei oder drei
Wochen erschienen ist, der das Ganze mal aufdrüsselt. Also was brauchen sie, um Pol zu sein
in der internationalen Politik? Sie brauchen natürlich wirtschaftliche Macht, sie brauchen
militärische Macht, sie brauchen so eine Art politische Stabilität, gibt noch andere Faktoren, aber das
sind sozusagen die drei wichtigsten, die sie brauchen. Wenn man das einmal auf die Welt anlegt,
dann gibt es nur zwei Kandidaten, das sind die Vereinigten Staaten, das ist China. Alles andere,
ja, also die Europäer wollen ja auch in Pol werden. Die Brasilianer finden Multipolarität super und
die Südafrikaner auch. Die sind weit entfernt, auch nur annähernd an die Machtpotenziale der USA
und China zu kratzen. Deswegen muss man ganz einfach sagen, Multipolarität ist so ein Mythos,
den wir jetzt seit ein paar Jahren in der politischen Diskussion haben, der durch nichts
unterfüttert wird. Also wenn sie es rein macht, politisch sehen wird es, wenn überhaupt zwei
Zentren geben und das eine Zentrum ist in den USA und das andere Zentrum ist in Peking. Aber die
Tendenz ist immer da, zu sagen, klar, am Ende des Tages wollen die Chinesen natürlich stärker
werden und wollen Unipol sein. Zwei Dinge würde ich gerne nachfragen, die Sie auch in Ihrem Buch und
in Ihrem Vorträgen thematisieren, ist die Frage, wo steht die Europäische Union, wohin soll sie,
weil ja die Europäische Union ja auch Teil dieser Weltunordnung ist und auch eben keine
militärische Macht mit Ausnahme jener EU-Mitglieder, die Teil der NATO sind und sie haben ja jetzt
gerade auch perfekt exerziert, dass es letzten Endes eine dominante Macht auch in der NATO gibt,
das sind die USA, so will mach politisch, also noch stärker militär technologisch. Die Frage,
wo steht die EU in dieser Weltunordnung oder was immer dann nachher kommt in der Bipolarität?
Also ich glaube, die EU muss sehr viel Anstrengung unternehmen und dann nehme ich jetzt mal so ein
Beispiel, die ganze Frage künstlicher Intelligenz und der Einsatz von künstlicher Intelligenz in
der Wirtschaft, also wir reden jetzt nicht über Streitkräfte und Militärtechnologie. Europa
muss extremer Anstrengungen unternehmen, um glaube ich ökonomisch weiterhin so stark zu bleiben,
wie es ist. Europa ist ökonomisch ein Global Player, ja muss man sagen, also wenn sie es
ökonomisch sehen, gibt es irgendwie drei, dreieinhalb Zentren auf dieser Welt, das sind
auch immer die USA, das ist China, das ist zum Teil Japan und das ist die Europäische Union.
Politisch wird Europa nie ein einheitlich handelnden Akteur werden und militärisch wird
Europa auch nie ein einheitlich handelnden Akteur werden und deswegen wird Europa sozusagen in
dieser Weltordnung jetzt kein eigenständiger Pool sein. Und wenn es diese neue Bipolarität gibt,
wie ich sie erwarte, dann sind Vorstellungen, wie sie, naja vor allen Dingen, ja Scholz ist auch
geht in diese Richtung, aber vor allen Dingen Macron vertreten sozusagen diese Autonomie und
Souveränität Europas sich letzten Endes aus dieser Konfrontation mehr oder weniger herauszuhalten,
ich glaube die sind illusorisch, ich glaube die sind illusorisch. Also ja Europa ist ein 200,
na, ein 100 Kilo Schimpanse in dann einer Bipolarität mit zwei 800 Kilo Gorillas,
da wird man nicht eigenständig und autonom sein, da wird man unter Druck gesetzt werden.
Und ich glaube jetzt auf einer rein normativen Ebene, Europa würde gut daran tun und Europa
bewegt sich in diese Richtung, aber müssen gucken ob diese Tendenz sozusagen nachher wirklich
wirkungsmächtig wird, zu sagen in der grundsätzlichen Frage steht man mit Washington auf einer Seite,
aber natürlich werden wir dann in vielen politischen und vor allen Dingen ökonomischen Fragen massive
Konflikte auch mit den Vereinigten Staaten haben, weil die Vereinigten Staaten natürlich auch aufgrund
der Tatsache, ich meine nehmen Sie jetzt mal diesen, ich vergesse mal den Namen, diesen neuen
Ekt unter beiden, der sagt Buy American, das ist ja Prozektionismus pur, der schadet ja auch uns,
das ist ja nicht nur so, dass er den Chinesen schadet, der schadet ja auch uns.
Also wir werden wirtschaftlich, wenn wir weiterhin Konflikte mit den USA haben, aber ich glaube wir
sollten keinen Zweifel daran lassen, dass wir in der grundsätzlichen Frage, wie gehen wir mit dieser
Frage Bipolarität um an der Seite der Vereinigten Staaten stehen. Der zweite Punkt ist, ich bin
relativ skeptisch ob die Europäische Union so wie sie Politik betreibt, weiterhin noch handlungsfähig
bleiben kann. Also diese Idee, dieses Musketierprinzip, also wir gehen alle gemeinsam voran, die hat
sich erschöpft, dazu muss man ganz einfach sagen, dazu ist die Europäische Union zu groß geworden
und je größer sie werden, desto mehr divergierende Interessen haben sie und das ist jetzt mal
unabhängig von diesem Spezialfall Ungarn oder vielleicht Polen, aber es ist ganz einfach die
Größe der Mitglieder. Das heißt, die in den Verträgen ohnehin schon niedergelegten Möglichkeiten
zur flexibleren Kooperation, glaube ich, sollten viel viel stärker genutzt werden, nicht inklusiv
in dem Sinne, dass für alle Zeiten andere Staaten ausgeschlossen sind, sondern wenn Staaten
dann fähig und bereit sind, sich dieser Kooperationsform anzuschließen, dann sollte es Verfahren geben,
wie sie es machen können. Aber ich glaube ohne, ja, nennen sie es, wie sie es wollen, Geometrivariable,
flexible Kooperation, wie auch immer konzentrische Kreise gibt es ja nicht alles diese Konzepte
aus den 90er Jahren, die sozusagen unterschiedlichster Art aber die gleiche Idee haben, wird die Europäische
Union ein politisches Problem bekommen. Das leitet ein bisschen über auch in den Aggressionskrieg
Russlands gegen die Ukraine, nämlich die ganz spannende These vom Graham Ellison mit
Tukydides Falle und auch seiner These, also gerade die USA, aber auch die Europäer haben so was wie
einen strategischen Narzissmus und sind nicht im Stande strategische Empathie zu entwickeln,
also sozusagen mehr oder weniger, die den Rollentausch von Interessen und auch politischen Zielen
vorzunehmen, um sozusagen dann politisch auch richtig reagieren zu können. Jetzt zurückprojektiert
auf Putin, Russland, Russische Föderation, Ukraine. Sind wir da auch in der Tukydides Falle gelandet?
Nein, finde ich nicht. Also wenn ich Ellisons Buch noch richtig in Erinnerung habe, dann ist
diese Tukydides Falle, es ist ja letzten Endes, ist ja die alte Idee der Power Transition. Die einen
steigen auf, die anderen gehen runter. Es gibt irgendwann mal diesen Kreuzpunkt, wo die Gefahrene
im Militärischen Auseinandersetzung groß wird und dann knallt es in aller Regel. Gibt weniger
Ausnahmen in der internationalen Politik, historisch gesehen, wo es nicht geknallt hat.
Ich glaube nicht, dass wir bei den Russen in der Tukydides Falle sind. Also man kann sogar argumentieren,
dass im Westen Europas alles getan wurde, um Russland irgendwie einzubinden. Wir haben uns
sehenden Auges in ökonomische Abhängigkeiten mit der Russischen Föderation begeben. Ohne
jemals drüber nachzudenken, was passiert eigentlich, wenn die Idee, die dahinter steht,
die politische Idee nicht aufgeht. Also ich glaube, diese ganze Narrativ von Russland provozieren
ist einst, was die Russen aufgebracht haben, um sozusagen eine gewisse Legitimation zu bekommen
für bestimmte Politiken. Aber wenn ich mir das ganz einfach ansehe, ich meine jede verdammte
NATO-Ostarbeitung ist zunächst einmal mit einem Angebot an die Russen gegangen zur engeren
Kooperation, dass sie jedes Mal angenommen haben. Oland und Merkel haben verhindert,
dass damals ging es eher um Georgien als um die Ukraine, aber haben verhindert, dass Georgien
und die Ukraine in die NATO aufgenommen werden, schon 2008. Also mehr Rücksicht als auf Russland
ist nirgendswo genommen worden. Deswegen glaube ich nicht, dass sie in der Tukydides Falle sind.
Also eigentlich das Gegenteil? Ja, eigentlich das Gegenteil. Also strategische Empathie,
ich meine, es ist ja bis heute noch so. Ich kenne jetzt nicht sehr, ja doch ich kenne
sie schon, ich will nichts Böses sagen. Also ich kenne auch ein bisschen die österreichische
Diskussion. Aber da ich ja Gast bin, haue ich jetzt auf die deutsche Diskussion ein. Schauen Sie,
wie viel Empathie noch für die russische Föderation vorherrscht in Teilen der deutschen Eliten.
Also weniger der politischen mittlerweile als der intellektuellen. Das ist ja absurd. Also man
hat ja das Gefühl sozusagen, wenn aus Versehen ein ukrainischer Soldat, keine Ahnung, einem russischen
Kind, es gibt ja keine Russen in der Ukraine, sondern russische Soldaten, aber ich sage
mal, im Donbass einem Sympathisanten der russischen Amelie in Fuß bricht, dann ist der Aufschrei
riesengroß, wenn die Russen machen können, was sie wollen, das wird alles entschuldigt und dann
teppisch gekehrt. Also von daher, es gibt verdammt viel Empathie für Russland noch. Und gerade in
Deutschland, das ist sicherlich anders als in Österreich, ist ja immer diese Vorstellung,
Deutschland und Russland, das ist irgendwie so eine Seelenverwandtschaft, das hat ja kulturelle
Hintergründe, aber dann auch politische Hintergründe über Rapallo und so weiter,
die ist noch immer sehr stark verwurzelt. Ich bin in ganz, ganz vielen Foren, diesen meistens
wirtschaftliche Foren, wo die Leute sagen, ja alles schlimm und ja klar, Sanktionen, alles wichtig
und irgendwann ist der Krieg ja dann vorbei, dann können wir doch wieder Geschäfte mit Russland
machen und einfach sagen, nein, werdet ihr nicht machen. Also ihr werdet auf die nächsten zehn
Jahre keinen Fuß mehr in dieses Land setzen können, solange da eine gewisse Politik und
eine politische Idee vorherrscht, aber dieser Drang in dieses Land und man hat irgendwie so eine
Seelenverwandtschaft zu dieser russischen Melancholie, das ist in Deutschland extrem
stark ausgeprägt. Die Veranstaltung im Bruno-Kreis-Geforum fand am 6.06.2023 statt.
Ich bedanke mich beim Kreis-Geforum sehr herzlich für die Zusammenarbeit. Karlo Masalas Buch
Weltunordnung, die globalen Krisen und die Illusionen des Westens können Sie im Falterbuch
versandt bestellen. Ich verabschiede mich von allen, die uns auf UKW hören. Debaten zur internationalen
Politik gibt es regelmäßig im Falter, daher empfehle ich ein Abonnement des Falters. Alle
Informationen dazu finden Sie im Internet unter der Adresse abo.falterbuch.at Ursula Winterauer
hat die Signation gestaltet. Philipp Dietrich betreut die Audio-Technik im Falter. Im Namen des
gesamten Teams verabschiede ich mich bis zur nächsten Sendung.
Sie hörten das Falterradio, den Podcast mit Raimund Löw.
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Der deutsche Politikwissenschaftler Carlo Masala untersucht, warum zunehmend Chaos die internationale Politik bestimmt. Die Supermächte USA und China werden alleine das Sagen haben, prophezeit der deutsche Experte im Gespräch mit dem Historiker Oliver Rathkolb im Bruno Kreisky Forum.
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