FALTER Radio: Die Türkei vor den Stichwahlen - #940

FALTER FALTER 5/18/23 - Episode Page - 44m - PDF Transcript

Die Fall der Sonnergespräche im Wienermuseumsquartier zu den heißen Themen des Jahres.

Mittwoch, den 30. August, nimmt die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler-Platt.

Es geht um die drängende Frage, wie wir die Klimawende schaffen.

Umweltministerin Leonore Gewessler im Gespräch mit Barbara Todt und Katharina Krobshofer.

Mittwoch, den 30. August und 19 Uhr auf der Bühne im großen Hof im Museumsquartier in Wien.

Der Eintritt ist frei. Schauen Sie doch vorbei.

Falter Radio, der Podcast mit Raimund Löw.

Herzlich willkommen, meine Damen und Herren im Falter.

Für die Stichwahlen in der Türkei am 28. Mai ist Präsident Recep Tayyip Erdogan der Favorit.

Dass er sich diesen Wahlen überhaupt stellen muss, zeigt jedoch gleichzeitig auch die Verwundbarkeit des autoritären Herrschers.

Die Türkei ist nicht einfach eine Diktatur, aber der hofte Umbruch in Richtung demokratischer Opposition, in Richtung Demokratisierung,

ist beim ersten Wahlgang ausgeblieben.

Die Auswirkungen der türkischen Wahlen gehen weit über das Land selbst hinaus.

Unter Erdogans Führung ist die Türkei von den Europäern abgerügt.

So Joe Biden und zu den USA ging die Türkei auf Konfrontationskurs.

Putin freut sich jetzt schon.

Erdogan ist das Erfolgsmodell des nationalistischen Demagogen schlechthin, notiert die Washington Post.

Dabei ist Erdogan vor mehr als 20 Jahren als pro-europäischer Politiker ans Ruder gekommen.

Die kurdische Sprache ist zugelassen worden.

Und Erdogan begann sogar Geheimverhandlungen mit Abdullah Öcalan, dem gefangenen Gründer der kurdischen Untergrundorganisation, der KK.

Jetzt sind viele kurdische Politiker wieder im Gefängnis.

Politikwissenschaftler sprechen von einer elektoralen Autokratie,

weil der autoritäre Umbau auch mit Hilfe von Wahlerfolgen und Referenten betrieben wird.

Die Opposition gibt nicht auf, aber die Rolle der Türkei als unberechenbare Regionalmacht verfestigt sich.

Überall diese Fragen sprechen wir heute.

Und ich freue mich sehr, dass der Politikwissenschaftler Cengiz Gühnei gekommen ist. Willkommen.

Danke.

Cengiz Gühnei leitet das österreichische Institut für internationale Politik.

Und er hat den Wahltag in der Türkei erlebt.

Diese Atmosphäre, wie würden Sie die beschreiben am letzten Sonntag?

Also ich war in einer Gegend, wo vor allem die Opposition sehr stark ist.

Und es war ein richtiges Volksfest.

Es war das Gefühl sehr stark, dass es diesmal tatsächlich möglich ist.

Und es war ja auch wirklich noch nie so knapp wie diesmal.

Es ist schon alleine ein Riesenerfolg, obwohl das viele jetzt im Moment in der Türkei nicht zu sehen

und ein großer Katzenjama in der Opposition ist.

Aber allein dass Erdogan noch einmal in die Stichwahl muss,

ist schon eigentlich ein großes Zeichen, wie stark die türkische Opposition trotz dieser Autokratisierung

über die letzten Jahre geblieben ist.

Wie gut sie sich gesammelt und organisiert hat.

Man darf nicht vergessen, in den Medien waren sie kaum präsent.

Das ist über soziale Medien vor allem gelaufen oder das Parteivolk auf der Straße Erzettel verteilt.

Aber im Großen war vor allem Erdogan und seine Partei sichtbar.

Und dennoch konnte eine Stimmung des Aufbruchs sozusagen erzeugt werden.

Und genau diese Hoffnung und weil jedes Mal sozusagen es möglich ist,

doch irgendwie eine Chance, eine Veränderung herbeizuführen,

ist jetzt die Enttäuschung umso größer.

Ich freue mich sehr, dass Bär Yvonne Ausland gekommen ist. Hallo.

Danke für die Einladung.

Bär Yvonne Ausland ist Wiener Landtagsabgeordnete der Grünen.

Sie ist Expertin für Migration, engagiert sich seit Langem für Menschenrechte,

nicht nur in der Türkei.

Wie groß ist die Enttäuschung bei der Opposition?

Dass es diesmal nicht gelungen ist?

Ja, eigentlich sehr groß.

Man hat schon damit gerechnet, dass der Erdogan jetzt diesmal nicht schaffen wird.

Obwohl man hat gewusst, er hat enormen Korruptionsvorwürfe,

die wirtschaftliche Lage ist sehr schlecht.

In seiner eigenen Partei bröselt es, die Erdbebenkatastrophe wird ihm,

das versagenen Erdbebenkatastrophe wird ihm vorgeworfen.

Es hat sehr viele Gründe gegeben, warum der Erdogan die Wahl sozusagen nicht mal,

diesmal nicht mal schafft.

Es war noch sehr enttäuschend, weil man am Wahltag ein anderes Ergebnis dann hatte.

Aber de facto wusste man dann, dass er schon für die Opposition ein Erfolg war,

dass er überhaupt in eine Stichwahl gekommen ist.

Weil allein schon im Wahlkampf war er überall Stamngast.

In jedem Medium war er Stamngast.

Und kurz bei der Wahlkampffinale, kurz einen Tag vor dem Wahlkampf,

war er vielleicht in 30 unterschiedlichen Medien, war er live auf Sendung zu sehen.

Und trotzdem unter 50 Prozent.

Und trotzdem war er unter 50 Prozent.

Und ja, seit gestern tut sich auch viel, das muss man auch dazusagen,

aber dazu können wir dann später gerne kommen.

Ja, die Hoffnung ist noch da,

weil ich glaube Hoffnungslosigkeit bedeutet für die Opposition Niederlage.

Und diese Niederlage will man nicht so einfach hinnehmen.

Und man wartet noch ab, was sich der jetzt tun wird.

Ich begrüße Sie herzlich, Robert Treichler. Hallo.

Hallo, danke schön.

Robert Treichler ist aus dem Politikchef des Profis.

In seinen Kommentaren weißt er immer auf die geopolitische Bedeutung der Türkei.

Hin, wie wichtig ist das für Europa auch für Österreich,

wie diese Wahl-Auseinandersetzung letztlich ausgeht?

Europa für Österreich, für die ganze Welt, denke ich.

Die meisten Beobachter waren sich einig, das ist die wichtigste Wahl dieses Jahres.

Sie haben Eingangs gesagt, Erdogan ist der Prototyp,

das Demagogen, der ein Land noch weiter in eine autoritäre Richtung lenken kann.

Das tut er, das erleben wir nicht nur in der Türkei,

aber natürlich ist das, was jetzt in der Türkei passiert,

auch ein atmosphärischer Beitrag dazu,

wie sich die geopolitischen Verhältnisse zwischen Demokratie und Autokratie entwickeln werden.

Deswegen hat alles auf die Türkei geblickt.

Wir haben ebenso wie der Falter auch der Türkei-Wahl eine Covergeschichte gewidmet.

Ich glaube, es war unbestritten, das war jetzt nicht nur eine Wahl,

die für die Türkei und die Türkei Bedeutung hat, sondern eigentlich für die ganze Welt.

Ich freue mich, dass Lukas Matzinger es geschafft hat, ins Studio zu kommen.

Hallo, Lukas Matzinger war für den Falter am Wochenende in Istanbul.

Was ist so für den Reporter aus Österreich das Überraschende gewesen,

das erstaunliche gewesen, in diesen Tagen in Istanbul?

Ja, zunächst, ich kann das nur teilen, was Eingangs besprochen wurde.

Es war wirklich am Sonntag, am Vormittag, die Stimmung in großen Teilen von Istanbul.

Das war es jetzt, das ist der letzte Tag, wo wir in einer Diktatur aufgewacht sind.

Die Leute sind so feierlich zur Wahl gegangen, die waren sich so sicher.

Wir glauben, das könnte, sondern wir werden das gewinnen.

Wir haben die Demokratie vermisst, so, das war die Ausgangslage.

In einem Teil.

In einem Teil.

Und dann über den Tag ist immer ruhiger geworden, immer leiser geworden.

Und dann hat es geheißen, irgendwie die Zählung ist manipuliert und so weiter.

Aber irgendwann ist dann die Gewissheit gekommen, okay.

Er wird es offenbar wieder schaffen, er wird offenbar wieder Präsident bleiben.

Und die Ernüchterung war unglaublich.

Ich habe mit vielen jungen Menschen gesprochen, in den, sagen wir mal,

moderneren, eher westlicheren Gegenden von Istanbul, die jetzt fix die Pläne geschmiedet haben,

die die Türkei jetzt verlassen zu wollen, weil sie sagen, sie können das nicht mehr.

Und der Druck wird auf sie immer größer, wenn sie in irgendeiner Weise aktiv sind.

Da haben schon einige Auswanderungspläne geschmiedet.

Ich freue mich sehr, dass online der Europaabgeordnete Lukas Mandl mit dabei ist. Willkommen.

Danke für die Einladung. Hallo.

Herr Mandl vertritt die ÖVP im Europaparlament und damit die Europäische Volkspartei

im außenpolitischen Ausschuss konkret des Europaparlaments.

Herr Mandl, das waren keine faire Wahlen, wird von internationalen Beobachtern festgestellt,

weil die Opposition in den Medien untergegangen ist, wenig Chancen gehabt hat.

Aber der Wahlvorgang selbst gibt doch offensichtlich das Ergebnis des Wählerwillens

heißt das jetzt auch im Brüssel. Muss man sich darauf einstellen,

höchstwahrscheinlich wird Erdogan als autoritärer Präsident jetzt auftreten können mit der Message,

ich habe die Mehrheit des Volkes hinter mir, wenn er die Stichwahl gewinnt, was doch sehr wahrscheinlich ist.

Also neben allem, was schon gesagt wurde, was die innenpolitische Situation in der Türkei

beschreibt und auch die gesellschaftliche Lage, den starken Mittelstand, der sich Demokratie

in voller Ausprägung wünscht, gibt es auch die geopolitische Rolle der Türkei,

die für uns in Österreich wichtig ist, für die Europäische Union und für die Welt wichtig ist.

Joe Biden, der US-Präsident, hat gesagt, wer gewinnt, der gewinnt eben, die Welt hätte viele andere Sorgen.

Das ist gleichzeitig richtig und auch falsch, weil viele Sorgen, die die Welt hart hängen,

auch damit zusammen, wie die türkische Führung nach außen agiert.

Und ja, die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass wir weiterhin eine türkische Führung haben,

die weiterhin so nach außen agiert. Wie bisher, das betrifft uns in der Europäischen Union,

das beginnt bei der Instrumentalisierung von Migrationsströmen gegen die Europäische Union

und endet dort, wo die Türkei nach außen in sehr viele verschiedene Gesichter zeigt,

mit einer sehr, sehr negativen Einflussnahme in Syrien beispielsweise,

mit dem Versuch, sich im Russlandkrieg in einer friedensstiftenden Vermittlungshalle zu zeigen,

der aber gründlich gescheitert ist dieser Versuch, es findet so nicht statt, auch wenn das noch so sehr betont wird.

Und das ist es womit wir vermutlich, es gibt ja noch die Stichwahl,

aber allen Analysen und Erwartungen zufolge weiterhin umgehen müssen.

Ich kann schon mit Ihnen teilen, dass zu Beginn des Russlandkriegs auch in Brüssel absolut wahrnehmbar war,

dass auch in der türkischen Führung, zumindest einige Wochen lang,

eine große Unsicherheit darüber da war, was das jetzt zu bedeuten habe,

dass in solcher Krieg inklusive Kreuzdaten auf europäischen Boden möglich ist

und gestartet wird mit all den Implikationen, die das hatte und hat.

Also auch hier wurde die türkische Führung auf dem falschen Fuß erwischt,

hat sich aber dann dazu entschieden, sich der Welt in einer Vermittlungsrolle zu präsentieren,

die aber eben wie gesagt gründlich gescheitert ist.

Insgesamt leben wir in Zeiten eines großen geopolitischen Paradigmenwechsels

und da ist trotz allem eher daran, dem alten Paradigma zuzurechnen

und sicher nicht dem Neuen, an dem wir, glaube ich, alle aufgefordert sind, zu arbeiten.

Wir haben in der Türkei eine unglaubliche Polarisierung erlebt,

wäre Yvonne Aslan, auf der einen Seite die große Hoffnung der Opposition,

die sie auch geteilt haben, viele geteilt haben

und dann doch eine Resilienz, eine Hartnäckigkeit,

eine sehr, sehr großen, wahrscheinlich größeren Teil der Bevölkerung,

gesagt, okay, wir geben ja dort nicht auf, 20 Jahre in der Macht ist nicht genug, soll bleiben.

Wie tief ist diese Polarisierung, woher kommt sie?

Also auch dieses Wahlergebnis hat uns einfach gezeigt, dass in der Türkei

Nationalismus und Fundamentalismus viel stärker ist als die Demokratie.

In der türkischen Geschichte war Nationalismus immer schon ein sehr wichtiger Punkt,

ein sehr wichtiger Aspekt, um Wahlen zu gewinnen

und aufgrund der Einheitsideologie in der Türkei hat man immer versucht vor den Wahlen

oder beim Wahlkampf hat man immer mit diesen Ängsten

und auch mit Rassismen hat man dann immer wieder gespielt

und auch mit Verschwörungssyrieren, das hat auch Erdogan in diesem Wahlkampf gemacht,

in dem er der Opposition vorgeworfen hat, dass sie mit Terroristen kooperieren,

dass sie mit den Westen kooperieren und dass sie durch den Westen beeinflusst sind

und dass sie eine Gefahr für die Türkei darstellen etc.

Eine Polarisierung Grundumfragen des Nationalismus, des autoritären Nationalismus,

das ist ja nicht Spezielles in der Türkei, das erleben wir in vielen Staaten,

inwiefern ist diese Polarisierung, die jetzt extrem war, in der Türkei etwas,

das eigentlich typisch ist für unsere Zeit und das in vielen Gesellschaften,

vielleicht in Europa, vielleicht auch anderswo, die Entwicklung bestimmt.

Also Polarisierung ist eine Strategie, die autoritäre Populisten überall anwenden,

wie Sie richtig sagen, wir sehen es in den USA, wir sehen es in Ungarn,

in anderen Ländern ist es zu beobachten.

In der Türkei, das was jetzt interessant ist, ist, dass die Voraussetzungen bei diesen Wahlen

insofern anders waren als das Land in einer wahnsinnig tiefen Wirtschaftskrise steckt.

Sehr, sehr viele Leute von dieser Inflation negativ beeinflusst sind dadurch oder darunter leiden

und dann noch ein verheerendes Erdbeben stattgefunden hat, das offengelegt hat,

das Missmanagement des Staates beziehungsweise die Unfähigkeiten, die es da gibt.

Dennoch hat die Polarisierung den Wählerblock rund um die Regierungspartei zusammenhalten können.

Also das ist das Phänomen, das war immer die Annahme, dass eigentlich Wirtschaft etwas ist, das dominiert

und wir sehen jetzt aber, dass Wirtschaft, das war eigentlich lange Zeit so,

dass Regierungen durch Wirtschaftskrisen gekommen oder gegangen sind

und dass das jetzt die Economistupid Bill Clinton, wir sehen, dass es da eine Verschiebung gibt.

Man kann mit Polarisierung rund um nationalistische Themen die Sicherheit und alles Mögliche mit suggerieren,

weiterhin Wahlen gewinnen offensichtlich, obwohl die Wirtschaft eben nicht brummt.

Interessanterweise etwas, das auf das zum Beispiel in den USA die Republikaner setzen.

Lukas, wie erlebt man das, diese Polarisierung, wenn man durch Istanbul besucht, die verschiedenen Stadtteile besucht?

Wie tief ist das?

Diese Normtief, natürlich der erste Eindruck ist dieses, ein Strom von 16 Millionen Menschen und Fähren und Möwen

und dieses unglaubliche Treiben, weswegen auch Millionen von Touristen jedes Jahr nach Istanbul fliegen.

Aber wenn man sich mit den Menschen unterhält, ist die Polarisierung enorm.

Es gibt diese zwei Lager, die einen finden Erdogan ist ein Diktator und die anderen sagen, die Opposition sind alles Terroristen.

Das ist vielleicht übertrieben, aber es geht in diese Richtung.

Was mir jetzt ein bisschen zu kurz gekommen ist, ist auch, wie stark diese Polarisierung in der Linie Religion passiert in der Türkei.

Das hat Erdogan ja sehr gezielt auch betrieben.

Er sagt, er bekommt seine Befehle von Gott und die Opposition sind die Ungläubigen.

Er ist sozusagen derjenige der Schutzjahr, der Muslime dort und ich glaube schon, dass das eine sehr starke Linie ist in der Türkei,

nicht nur Alter und also nicht Nationalismus, sondern auch eben diese Religion.

Je gläubiger du bist als Muslim, desto eher musst du Erdogan wählen.

Er ist der gottgesannte Präsident und mit dem Gotteswillen legt man sich...

Das ist nicht so ganz anders in den USA. Kann man das vergleichen, diese Polarisierung in der Türkei

und sagen wir in Amerika oder auch in anderen Staaten Europas, Robert Reichler?

Auf einer bestimmten Ebene vielleicht schon.

Natürlich ist in den USA der Culture War, wenn wir erleben, der musste erst entstehen.

Die Frage Wokeness etc. oder Anti-Wokeness, diesen Konflikt, der ist sehr jung, den Begriff gibt es überhaupt seit Kurzem.

Wohingegen in der Türkei sind religiöse Fragen seit sehr langer Zeit ein Streitthema.

Und ich glaube, eine Sache, die wir vielleicht uns vor Augen halten sollten ist,

wir interpretieren diese Wahl als Wahl zwischen Pro-Demokratie und Pro-Autokratie.

Unsere Profilreporterin Franziska Schinderle hat eine Reportage gemacht vor den Wahlen

und hat auch mit Erdogan-Wählern und Wählerinnen gesprochen.

Und für die war zum Beispiel die Frage, kann ich ein Kopf durchtragen?

Und ich glaube, für die war jetzt die Wahl nicht so sehr gehen wir in Richtung Demokratie oder Autokratie,

sondern eine sehr persönliche Sache.

Ich möchte mein Kopf durchtragen und ich fürchte, dass im Falle eines Sieges, des Oppositionskandidaten,

ich das dann möglicherweise nicht mehr darf.

Das setzt an Dingen in der jüngeren Geschichte.

Tatsächlich war die CHP ja eine Partei, die das Kopf durch lange Zeit verbieten wollte

und die auch erst seit sehr kurzer Zeit in der eigenen Partei überhaupt Mitglieder erinnern.

Mitglieder, sagen wir jetzt, Mitglieder zulässt die Kopf durchtragen.

Ein Punkt aus der Landesetzung, der in der Berichterstattung vielleicht nicht so im Zentrum gestanden ist,

das ist das Verhältnis zu Europa.

Der Oppositionskandidat hat gesagt, er wird die eingefrorenen Verhandlungen mit Brüssel

für den Beitritt der Türkei wieder in Gang bringen.

Es wird eine Annäherung an Europa geben.

Und aus der Europäischen Union, Lukas Mandl, hat es eigentlich sehr wenig Reaktionen darauf gegeben.

Hat man in Europa unterschätzt die Zustimmung, die es in der Türkei gibt

und so eine möglichen engeren Verbindung an die EU, dass wieder Beitrittsverhandlungen beginnen können,

hat man sich nicht selbst ins Knie geschossen, indem eigentlich aus Brüssel immer nur gesagt hat,

wir wollen die Türken überhaupt nicht und das hat letztlich dem Erdogan geholfen?

Also ich schätze die pro-europäische Haltung der Bürgerinnen und Bürger der Türkei sogar viel höher ein,

das sehr viele andere auch in dieser Runde habe ich jetzt viel gehört darüber, wie nationalistisch die Türkei sei.

Ich glaube, dass die Türkei sehr bunt ist, sehr vielfältiger, dass man schwer Pauschal-Urteile treffen kann,

dass es vor allem ein starkes Unternehmer tun gibt, eine starke unternehmerische Haltung.

Deshalb ist ja auch die Verletzlichkeit durch diese von Erdogan verursachte, mit verursachte hohe Information so gegeben.

Ist es richtig, jetzt die Economy Stupid, das habe ich im Freundeskreis als erste Reaktion auf dieses Jahr durch schlechte Wahlergebnisse für Erdogan gesagt

und gleichzeitig kommt ein Beitritt der Türkei zur Europäischen Union absolut nicht in Frage.

Wir müssen ganz anders miteinander reden.

Die Türkei ist offizieller Beitrittskandidat.

Wir müssen andere Allianzen suchen, ich wende mich auch schon seit vielen Jahren gegen die sogenannten Vorbeitrittshilfen an die Türkei,

weil das ist das einzige, was eine reale Bedeutung hat durch diese Beitrittskandidaten, die es da gibt.

Ich glaube, es sollten nicht gewissermaßen unrealistische Szenarien überhaupt diskutieren.

Ich glaube, es war richtig erlöft, dass seitens der Europäischen Union nicht vor der Wahl große Kommentare abgegeben wurden,

weil es ist schon so, wie mit dem Populismus innerhalb unserer Gesellschaft, je mehr es da Aufmerksamkeit gibt,

gewissermaßen für diejenigen, die Spalten, die die Polarisierung suchen, die populistisch agieren,

desto mehr hilft das Vielfalt auch dem Populismus.

Ich glaube, mit Sachlichkeit, mit Klarheit, auch mit einer gewissen staatstragenden Ruhe an die Dinge heranzugehen

und auch festzustehen, wo Europa steht, das scheint mir wichtig zu sein.

Und die jüngere Geschichte der Türkei, ich meine die Zeitgeschichte, also das vergangene Jahrhundert,

zeigt ja von Attaturk an, eigentlich könnte ja die Türkei das Musterbeispiel eines großen Landes sein,

in dem eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger Muslime sind und dennoch Religionsgemeinschaften

auf der einen Seite und der Staat auf der anderen Seite getrennt sind.

Das ist ja eigentlich die Erfolgsgeschichte des 20. Jahrhunderts für die Türkei.

Mit dieser Erfolgsgeschichte hat Erdogan aus meiner Sicht völlig ohne Not gebrochen

und damit stehen wir jetzt in dieser schwierigen Situation, die wir bearbeiten müssen,

mit der wir umgehen müssen, wir müssen mit vielen Staaten rund um Europa ganz neue Wege suchen

und auch auf dem europäischen Kontinent, wenn ich an die UK denke, oder die Schweiz,

oder Belarus, die Freiheitsbewegung dort, die eigentlich in der europäischen politiker Community sein sollte

und so müssen wir, ich sage auch dazu, unabhängig davon, wer das Land führt,

mit der Türkei neue Wege suchen und all die ganzen Spielmitteaktiven, die viel Gesellschaft,

die absolut in einem freien Land leben möchte und die gegen diese negativen Entwicklungen sich auf besser Wahl gewendet haben.

Lukas Martus, ich möchte da jetzt einen vielleicht ketzerischen Gedanken einbringen,

wenn der Begriff Erlaubnis in dem Zusammenhang, aber kann es nicht auch sein,

dass da in der EU gewissermaßen zwei Herzen schlagen, was die Türkei und Erdogan angeht,

dass zwar natürlich Menschenrechtsverletzungen und oppositionelle Einsperren immer gern kritisiert wird,

aber dort, wo es dann wirklich weh tut, nämlich die Wirtschaftsbeziehungen unter Erdogan waren exzellent,

die europäischen Unternehmen importieren und exportieren wahnsinnig viel dorthin

und letztlich hat uns Erdogan auch zwischen drei und vier Millionen syrische Flüchtlinge vom Leib gehalten.

Durch das Abflüchtlingsabkommen.

Der europäischen Politik einige Probleme erspart und ich habe irgendwie das Gefühl,

dass es da auch vielleicht ein, dass sie eigentlich gar nicht so schlecht leben können bei diesen Dingen mit Erdogan

und den Mal machen lassen.

Die Verhandlungen, die Beitrittsverhandlungen, sind ja in den letzten Jahren eingefroren worden,

aber seit 25 Jahren ist die Türkei offiziell Beitrittskandidat der Europäischen Union

und das ist ziemlich populär in der Türkei.

Diese Idee, wie populär ist das noch?

Also es hat die Zustimmungsrate zur EU ziemlich abgenommen im Vergleich zu dem, wie es damals 1999 war,

wie dieser Status der Türkei gewährt wurde und dann die ersten Reformen hinsichtlich eines EU-Beitritts,

der einen richtigen Wind erzeugt haben in der Türkei, große Veränderungen dank einer EU-Perspektive

und dann ist es immer mehr zu einer Art Polarisierung gekommen, das liegt nicht nur an der Türkei,

sondern ist auch mitbedingt durch die EU, wo ja innerhalb der EU in vielen Gesellschaften

der Widerstand gegen einen türkischen Beitritt gestiegen ist,

dass auch ausgebeutet, auch ausgeschlachtet wurde populistisch von den einzelnen Parteien.

Das heißt man kann ja öffentliche Meinung auch ein bisschen bespielen, das ist auch passiert

und das ist dadurch sozusagen auf beiden Seiten zu einem wachsenden, wie ich sagen unpopularität eines türkischen Beitritts gekommen.

Auch in der Türkei, weil Erdogan dann auf die nationalistische Schiene gesetzt hat

und gegen Europa polarisiert hat, erst beim Wahlkampf 2018 war ja das ein wichtiges Thema.

Identität sozusagen der Westen, der uns ausgeschlossen hat, uns nicht will, unehrlich ist und so weiter.

Das hat ihm geholfen eigentlich.

Und in dem Wahlkampf hat es aber keine Rolle gespielt

und ich glaube, wenn von der EU jetzt andere Signale kommen würden,

würde die Popularität in der Türkei für einen EU-Beitritt wieder sofort ansprechen.

Peter, wie sehr war das kontraproduktiv, diese harte Haltung Brüssels gegenüber der Türkei,

die zum Ende der Beitrittsverhandlungen konkret geführt haben wäre, wenn das war.

Ja, also ich sehe ein bisschen eine doppelmoralische Politik, und zwar von beiden Seiten,

weil je mehr Rechtspopulismus islamophobien in Europa betrieben wurde,

desto mehr hat man Erdogan in die Hände gespielt, aber auch umgekehrt.

Also je mehr Erdogan versucht hat, hier politische Einflussnahme zu bewirken in Europa,

desto mehr hat er natürlich auch den rechten Parteien in die Hände gespielt.

Das war sozusagen so ein Ping-Pong-Spiel zwischen rechten Parteien und Erdogan.

Und gleichzeitig, was die EU-Spitze betrifft, da muss ich schon sagen,

ich hätte mir schon einen sehr mutigeren und auch einen sehr offenen Umgang gewünscht in dieser Phase,

weil der Türkei-Deal hat dazu geführt, dass immer mehr die Rechtsstaatlichkeit ausgehüllt wurde,

immer mehr die Demokratie ausgehüllt wurde.

Erdogan hat dann angefangen, die Urteile unserer Höchstgerichte zu ignorieren.

Also er hat die ganzen Urteile des Europäischen Menschenrechts, Hof hat er komplett ignoriert.

Und das hat natürlich den Auswirkungen auf die europäische Bevölkerung.

Die türkische und die europäische.

Und auf die europäische Bevölkerung, weil ich denke ein einfacher Bürger denkt sich dann, okay,

dann brauche ich gar nicht eine Klage gegen die Regierung einreichen,

weil wenn der Staatspräsident die Urteile der Höchstgerichte ignoriert, dann passiert eh nichts.

Das ist sehr gefährlich für die Rechtsstaatlichkeit.

Ich fahre nicht, dass, hat sich herausgestellt, dass das kontraproduktiv war.

Diese Messages aus Brüssel, also eigentlich, wir wollen euch nicht und Beitritt ist unmöglich.

Hat das letztlich nicht dem Erdogan geholfen?

Also ich glaube zu dem Zeitpunkt, dass man die Beitrittsgespräche begonnen hat, hatte man eine klare Strategie.

Man will die Türkei zu einem EU-Staat machen.

Man will eine demokratische Türkei.

Die war damals auch noch nicht demokratisch, dürfen wir nicht vergessen.

Aber zurzeit in die falsche Richtung gegangen.

Aber die Idee war, dass die Türkei die Werte der EU annimmt, umsetzt in den Institutionen

und zu einem potenziellen EU-Staat wird.

Als die Türkei sich dann wegentwickelt hat, ist das durchaus nachvollziehbar,

dass die EU gesagt hat, unter diesen Umständen können die Beitrittsverhandlungen nicht weitergehen

oder jedenfalls zu keinem positiven Ende kommen.

Das sieht jeder ein.

Die Frage ist auch, wenn Herr Mandel jetzt sagt, die Türkei kann auf keinen Fall EU-Mitglied werden,

dann muss man sagen, die selben Leute, die damals die Beitrittsverhandlungen begonnen und befürwortet haben,

sagen jetzt, die kann auf gar keinen Fall mitglied werden.

Natürlich, so wie sie jetzt ist, kann sie nicht mitglied werden.

Aber die Idee, die strategische Idee, die Türkei zu einem EU-Staat zu machen, die müsste eigentlich aufrecht sein.

Und ist das nicht, Herr Mandel, eine Situation, die jetzt von europäischer Seite vergleichbar ist mit der Ukraine?

Also auch die Ukraine, so wie sie ist, kann nicht mitglied sein.

Trotzdem sagen die Europäer, wir wollen, dass die Ukraine irgendwann einmal mitglied wird.

Warum sagt man das nicht bei der Türkei?

Ist das nicht in beiden Fällen eine Situation, wo der Weg das Ziel ist?

Nämlich die Annäherung und die wirtschaftliche Anhörung, die rechtsstaatliche Anhörung in Ukraine natürlich noch das Ende des Krieges.

Wer es nicht gescheitert zu sagen, ja, es stimmt so, wie diese Staaten heute sind, geht es nicht.

So wie die Europäische Union heute ist, geht es auch nicht.

Aber wir wollen daran arbeiten, diese geopolitischen Ziele doch umzusetzen.

Das habe ich eigentlich versucht, davorhin zu sagen, es wird aber nicht zu einem Beitritt der Türkei führen.

Was jetzt gesagt wurde zuletzt, das geht einerseits in die Richtung EU-Kritik,

wenn man zu wenig scharf mit dem Erdogan-Regime umgegangen wäre

und andererseits EU-Kritik an der Europäischen Union, weil man möglicherweise zu wenig in Aussicht stellt.

Ich möchte warnend davor, das Erdogan-Regime auf eine Stufe zu stellen mit demokratisch legitimierten Spitzen der Europäischen Union.

Es ist, glaube ich, zunächst einmal wichtig festzuhalten.

Die Europäische Union, das sind wir, wir haben demokratisch legitimierte Spitzen,

wir umlaufen Perioden ab und dann steht es wirklich auf Null und wahlen können, fair ablaufen

und damit wechseln auch die Spitzen, wie das auch in Kennzeichen einer Demokratie ist

und das dann aufs Einlevel zu stellen, das halt nicht für gefährlich und falsch.

Zweitens möchte ich dazu einladen, die Dinge in ihrer Wirklichkeitsnächsten Form zu sehen.

Die Türkei ist riesig. Die Türkei hat nicht vielleicht uns zu liebe syrische Flüchtlinge betreut,

sondern sie hat eigentlich das gemacht, was sowohl moralisch als auch übrigens rechtlich sowieso ihre Verpflichtung war,

nämlich in der unmittelbaren Nachbarschaft eines Krisenherz sich um Flüchtlinge zu kümmern,

so wie das jetzt in der Europäischen Union mit der Temporary Protection Directive,

mit der ukrainischen Kriegsflüchtlinge beispielsweise geschieht, aber die Türkei

unter der Führung von Erdogan hat uns zusätzlich doppelt erpresst, weil einerseits Geld dafür verlangt wurde,

dass das gemacht wird, was sowieso gemacht werden muss, nämlich sich um Flüchtlinge zu kümmern

und zweitens dann, wenn noch aus politischen Gründen Druck an die EU-Grenzen ausgeübt wurde,

diese Flüchtlinge und noch ein Unterschied zur Ukraine ist da, Herr Löw.

Die Ukraine ist Opfer einer Aggression, hat eine demokratisch-legitime Regierung,

unter anderem eine demokratisch-legitimierte Regierung hat diese Opfer dieser Aggression.

Die Türkei ist vielfach gewalttätig nach innen, das haben wir heute schon besprochen,

aber steckt auch nach außen hin, davor nicht zurück.

Wir haben heute auch noch nicht gesprochen über die nachrichtenwinstlichen Netzwerke,

die immer unterschätzt werden, wenn sie von der Erdogan-Regierung getrieben werden,

weil die Türkei die zweitgrößte NATO-Armee ist, was ja Teil der westlichen Welt sein müsste,

aber dennoch wird eben anders agiert. Deshalb sage ich, die Türkei hat viele Gesichter

und gleichzeitig möchte ich noch mal getonen, ergreifen wir die Hand derer in der Türkei,

die unternehmerisch und pro-westlich auf der Basis von Menschenrechten und pro-demokratisch

mit uns arbeiten wollen und vielleicht noch ein letztes, ich glaube nicht, dass wir zu sanft

umgegangen sind, über die Jahre hinweg Österreich hat sich da auch stark eingebracht,

auf der europäischen Ebene mit Verletzungen des Völkerrechts und auch der Menschenrechte

durch die Türkei. Wir haben beispielsweise es geschafft,

diesen Druck, diese Erpressungssituation durch Migration aufzulösen, indem wir die Auflösung

des Zollabkommens mit der Türkei in den Raum gestellt haben, denn wir haben ein Zollabkommen

mit der Türkei und das hilft der türkischen Wirtschaft selbstverständlich, das hilft

insgesamt der Weltwirtschaft und wir wären dazu bereit gewesen, um ein allerletztes aus

der täglichen parlamentarischen Arbeit, wenn sie mit unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern

in Zypern und Griechenlands sprechen, zwei EU-Mitgliedsstaaten, dann wissen sie, dass die

Aggressionsseiten des Erdogan-Regimes alltäglich da ist und die beiden Verhandlungen davon,

was wir schaffen können, wir schaffen es nicht mal, die kleinen Staaten des Westpalkens

zu integrieren, die pro-europäisch fünf von sechs zumindest eingestellt sind. Das wäre

unsere ureigenste Aufgabe und da ist die EU sehr langsam und leider hat viele Versäumnisse,

also die riesige Türkei ist als Beitrittskandidat sicher nicht realistisch.

Ich würde gern hier einen Schnitt machen und zur geopolitischen Dimension der Situation

kommen. Cengiz Günay, wie sehr freut sich Putin darüber, dass Erdogan jetzt gute

Chancen hat, Präsident zu bleiben?

Ich glaube er freut sich sehr und es gibt ja auch Berichte darüber, dass Russland bzw.

russische Hacker zum Teil eine Rolle gespielt haben. Zumindest ist es behauptet, dass die

Opposition, dass ihr IT-System ständigen Hacker-Angriffen aus Russland ausgesetzt war

am Tag der Wahl, am Wahlabend vor allem. Und es gab auch vorher schon Berichte, dass

Russland involviert ist im Wahlkampf, indirekt natürlich. Und für Präsident Putin ist

Tayyip Erdogan inzwischen ein wichtiger Kooperationspartner. Es deutet auch darauf hin,

dass, was Sie vorhin erwähnt haben, ich glaube Sie haben es gesagt, dass Joe Biden gesagt hat,

dass in Wahlen halt die Stadt gefunden haben und wer gewinnt, gewinnt. Es deutet darauf hin,

dass irgendwie das Interesse der USA auch ein bisschen abgenommen hat, an dem in welche

Richtung sich die Türkei entwickelt. Die USA blicken mehr inzwischen nach Asien und

China ist vor allem das Hauptproblem. Und Putin braucht Erdogan jetzt vielleicht nicht

in der Dimension, wie man es glauben möchte, aber er ist nicht unwichtig, weil es ein wichtiges

Tor ist in Richtung Westen. Die Türkei hat sich mehr oder weniger neutral verhalten in

diesem Konflikt. Und allein das schon ist für Präsident Putin vom Bedeutung.

Robert Reikler historisch ist ja eigentlich immer Realität gewesen zwischen dem Osmanischen

Reich und dem zauberistischen Russland. Und da war nicht sehr viel von Verständigung.

Wie ungewöhnlich ist das, dass jetzt geopolitisch unter Erdogan die Türkei sich Putin annähert,

Russland annähert? Erdogan möchte, dass die Türkei eine wichtige geopolitische Rolle spielt

und er sieht sich um, wo kann er Allianzen schmieden, wo kann er auch Bedeutung erlangen

für die Türkei. Ganz neutral formuliert und jetzt positiv oder negativ ist aus unserer Sicht.

Und allein die Tatsache, er konnte auch die NATO herausfordern, indem er russische Waffensysteme

gekauft hat. Ein absolutes No-Go für einen NATO-Staat hat natürlich die USA und die ganze

NATO vor den Kopf gestoßen und hat gezeigt, ich habe Optionen. Deswegen war auch der Wunsch

Europas, ursprünglich die Türkei an sich zu binden, strategisch natürlich eine wirklich

wichtige Sache. Denn stellen wir uns vor, die Türkei wäre ein europäischer Staat jetzt

auch politisch. In so vielen Dingen würden uns die geopolitischen Krisen wesentlich leichter

fallen. Als die Beitrittsgespräche begonnen haben, gab es noch keinen Syrien-Bürger-Krieg

und es gab natürlich auch noch nicht den Krieg in der Ukraine. Und jetzt sehen wir, was das

alles bedeutet, wie schwierig das alles macht. Aber aus der Sicht Erdogans ist natürlich,

er kann sich ein wenig Russland zuwenden, trotzdem NATO-Mitglied sein, er hatte einen

schweren Konflikt mit Israel, jetzt kommt es eher zu einer Aussöhnung. Er hat viele Optionen

und er nutzte. Lukas? Das ist mir vielleicht vor einer wenig zu kurz gekommen und hat auch

diese geopolitische Tangente. Ich glaube, man unterschätzt den Unterschied, den es gab bei

Beginn der Beitrittsverhandlungen und jetzt ist der Türkei ein komplett anderes Selbstbewusstsein.

Und das ist ja auch das, was die Erdogans hoch anrechnen. Die Volkswirtschaft ist unglaublich

gewachsen. Die Türkei ist jetzt eine Nummer, die überall ein bisschen mitmischt, Beziehungen

pflegt nach Russland und in die arabische Welt und überall hin eigentlich und Satelliten

in den Weltraum schießen und so weiter. Und ich habe in Istanbul mit Erdogan-Fans gesprochen,

die sagen, wir brauchen keine Europäische Union mehr. Das sind selber eine riesen Nummer, die überall

in der Welt eine Rolle spielt und am liebsten sogar mehr seine Regionalmacht ist. Das heißt,

ich frage mich, ob dieser Wunsch der Türken in die EU zu kommen, jetzt überhaupt jemals wieder

so aufflammen wird, wie das ist. Ich glaube, die sehen sich einfach ganz anders und vor allem

in Zukunft ganz anders. Ja, dieser Schaukelkurs, den die türkische Führung gefahren ist,

auf der einen Seite Annörungen an Russland, auf der anderen Seite der Türkei, das heißt,

ich war ein total wichtiger NATO-Partner mit den wichtigen militärischen Sicherheitspolitischen

Allianz, trotz aller Spannungen in die USA. Wie populär ist das, kann man das sagen,

in der Bevölkerung? Diese Idee, ja, wir als Türkei sind jetzt mehr beim Putin als in

Washington-Amerika, ist doch ein starkes, auch ein starkes Symbol und die Verbindung

zu Amerika war doch immer auch wichtig für die Türkei. Die Öffentlichkeit, die Menschen,

wie sehen Sie diesen Schaukelkurs mit Annäherung an Putin und Russland?

Also die ersten zehn Jahre hat sich Erdogan die Unterstützung der muslimischen Ländern vor allem

geholt, das hat ihm sehr wohl viel gebracht, innenpolitisch. Und dann in den letzten fünf

Jahren, wo er gemerkt hat, dass in der innenpolitische Lage für ihn ganz schwierig wird, hat er versucht

für seine Macht erhaltern, seine internationale Connections nochmal aufzufrischen. Er ist ja in den

letzten eins bis zwei Jahren soweit gegangen, dass er sogar mit den Armenien zusammengesetzt

ist, dass er sogar mit Israel zusammen, also all seine Feinde, die er sozusagen als Feinde

erklärt hat, mit denen hat er sich nochmal versöhnt, um der eigenen Bevölkerung zu

zeigen, dass er verbindend ist, dass er für wohl der Türkei bereit ist hier internationale

Unterstützung zu holen für die Türkei. Und das hat ihm auch natürlich viel geholfen.

Das war auch unsere Kritik, wo wir kurz vor der Wahl gesagt haben, naja, europäische Politiker

sollen lieber die Finger davon lassen, den Armen kurz vor der Wahl sozusagen zu unterstützen,

indem man ihn auf roten Teppchen sozusagen hoffiert. Und das hat ihm jetzt bei der Wahl

schon sehr viel gebracht. Und in Bezug auf die Erdbebenkatastrophe hat er natürlich daraus

einen Pluspunkt gezogen, indem er gesagt hat, naja, schau, ich habe ja dafür gesorgt,

dass jetzt humanitäre Hilfe sozusagen jetzt in der Türkei ankommt und er hat sich wirklich

dann auch im Wahlkampf die letzte Woche hat er sich als den perfekten Krisenmanager dargestellt

und der Opposition sozusagen versagen vorgeworfen.

Ganz kurz, Herr Mandel, wenn die Stichwahl geschlagen ist und Erdogan sagt, ich bin ein

Legitim von der Mehrheit meines Volkes gewählter Präsident, wird es dann, erwarten Sie dann

aus Brüssel, aus Europa, eine Art Versuche eines Neuanfangs mit der neuen, alten, aber dann bestätigten

türkischen Führung?

Wenn ich mich ja zwischen Jahren nicht entscheiden muss, in dieser Entscheidungsfrage würde ich sagen, nein,

weil wir haben dann denselben Präsidenten weiterhin in der Türkei und wir sind daran gewöhnt,

mit dieser Situation umzugehen. Gleichzeitig haben wir viele Herausforderungen.

So lese ich eigentlich auch die US-Administration, nicht dass das egal wäre, wobei es natürlich

stimmt, dass die USA sich mehr auf Asien konzentrieren, aber es ist nicht egal, wer die Türkei führt,

es ist nur nicht zu ändern offenbar, wenn die Stichwahl wirklich Erdogan wieder als Präsident bringt.

Und dann wissen wir, wir sind mit der Allianz der Freien Welt abzüglich der Türkei herausgefordert,

den Krieg auf europäischen Boden zu überwinden, Freiheit für die Ukraine zu schaffen und vor allem

diesen Präzettenzfall nicht zuzulassen, dass es möglich ist, auf europäischen Boden mit Waffengewalt

etwas zu erreichen. Da steht, dass Erdogan Regime nicht an unserer Seite.

Und wie gesagt, der Versuch, sich als Vermittler zu inszenieren, das ist ja nahe an dem, was

Bärhevan Aslan gerade völlig richtig gesagt hat, sich auch als Staatsmann der Verbinde zu inszenieren.

Dieser Versuch ist kräglich gescheitert in Russland-Prik und ich sage das nicht gerne,

das wäre ja schön, wäre er gelungen, aber es gibt eben keine Vermittlung bei dieser

Aggression, wie sie bis zur Stunde von Putin-Rostrand befinden.

Jetzt sind wir wenige Tage vor dieser Stichwahl. Zengels Gühne, wie viel Kraft hat die Opposition

noch das Ruder doch noch herumzureißen?

Also es wird sehr schwierig. Eine Chance, muss ich erwähnen, ist, dass es im ersten

Wahlgang ja notwendig ist, dass ein Kandidat über 50 Prozent erlangt.

Jetzt im zweiten Wahlgang zählt einfach, wer mehr Stimmen hat.

Das ist eine neue Mischung der Karten, aber die Ausgangslage ist natürlich sehr schlecht.

Präsident Erdogan hat 49,5 Prozent im ersten Wahlgang gehabt und Khalid Starolo fast knapp

unter 45 Prozent. Das schwierigste wird sein, glaube ich, die eigene Wählerschaft neu zu mobilisieren.

Es ist eine große Demotivierung bei den Unterstützern von Khalid Starolo.

Viele glauben, das Spiel ist gelaufen, es gibt keine Chance, sie sind demotiviert.

Dann muss er natürlich neue Wähler dazu gewinnen, vor allem vom dritten Präsidentschaftskandidaten

Oran, der Ultranationalist ist.

Ultranationalist, aber es ist ein bisschen eine Black Box, der ist neu angetreten.

Wir wissen nicht genau, wer dessen Wählerschaft ist.

Das spricht davon, dass es vor allem junge, urbane Nationalisten sind.

Aber in welche Richtung die tendieren würden, ist auch nicht ganz klar.

Und er müsste sogar Stimmen aus dem Erdogan-Lager zu sich holen.

Und das ist die große Herausforderung aus dieser demotivierten Lage heraus.

Ich glaube, dass diese Vorwürfe mit einer Wahlmanipulation, sollten sie sich wirklich bewahrheiten,

sicher ein Game-Changer werden, weil die türkische Wählerschaft meistens

auf Seiten des Opfers bislang gestanden ist.

Das war eine Bestandsaufnahme der spannungsgeladenen Situation in der Türkei vor der Stichwahl.

Danke für die Einsichten hier, danke für die Einsichten, Herr Mandl.

Danke für Ihr Interesse, Berichte über die Türkei, Berichte aus der türkischen Community,

gibt es regelmäßig im Falter.

Daher ist ein Abermordesfalter immer eine gute Idee.

Ich darf mich verabschieden im Namen des gesamten Teams.

Bis zur nächsten Folge.

Copyright WDR 2021

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Bleibt Erdoğan an der Macht? Freut sich Putin darüber? Im FALTER bei Raimund Löw diskutieren der Politikwissenschaftler Cengiz Günay (Österreichisches Institut für Internationale Politik), die Kommunalpolitikerin Berîvan Aslan (Grüne), der Außenpolitik-Journalist Robert Treichler (Profil), der EU-Abgeordnete Lukas Mandl (ÖVP) sowie FALTER-Journalist Reporter Lukas Matzinger.

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