11KM: der tagesschau-Podcast: Die deutsche Sparwut hinter der polnischen Grenze

tagesschau tagesschau 3/21/23 - Episode Page - 26m - PDF Transcript

Kommt ein Kunde zur Friseurin rein und sagt, das ist mir hier aber zu teuer.

Geht's nicht belliger?

Dabei ist der Haarschnitt sowieso schon halb so teuer wie in Deutschland.

Bisschen frech, oder?

Das ist aber oft die Realität auf den Märkten kurz hinter der deutsch-polnischen Grenze.

Dort, wo viele Deutsche gern ihre Sparwut ausleben.

Die Inflation in Polen ließ fast doppelt so hoch wie in Deutschland.

16 Prozent statt 8 Prozent.

Und das sorgt an der deutsch-polnischen Grenze auf den sogenannten Polenmärkten für einen

harten Preisdruck.

Wie ist es dort zu arbeiten, wenn die Deutschen zum Geldsparen rüberkommen und fragen, geht's

bitte noch billiger?

Ihr hört 11 km der Tagesschau-Podcast.

Ein Thema in aller Tiefe.

Mein Name ist Victoria Michalsack und heute ist Dienstag, der 21.

März.

Jan Tenhafen hat für Arte und den MDR einen Grenzmarkt mit der Kamera besucht, in Polen

im Grenzort Wegnetza, kurz hinter der deutschen Grenze.

Und er kann uns erzählen, wie der Mikrocosmos-Grenzmarkt funktioniert und warum er vielleicht

bald ausstirbt.

Jan, herzlich willkommen.

Hallo.

Waffen, Welpen, Wurst.

Dieser interessante Dreiklangen, der kommt in eurem Film vor, das fand ich total interessant.

Ich selbst war nämlich noch nie auf einem sogenannten Polenmarkt, kann man das da alles

kaufen?

Ich kannte diese Polenmärkte auch immer nur so von der Durchreise, wenn man mal so mit

dem Auto von Deutschland nach Polen gefahren ist, gibt's die so in den Grenzgebieten,

oft in diesen kleinen Grenzorten.

Und das sind immer so Ansammlungen von so Ständen, so rechtlose nebeneinander.

Und es ist wirklich sehr, wie soll ich das diplomatisch sagen, sehr rammschig, also

es gibt so alles.

Es gibt Lebensmittel, es gibt polnische Lebensmittel von den lokalen Bauern, es gibt aber auch

gefälschte Markenprodukte, es gibt auch so Nazi-Devotionalien teilweise, also es gibt

so vereinzelterne Feuerzeuge mit Adolf Hitlerkopf drauf, also Sachen, die in Deutschland verboten

werden.

Ah, okay, ach klar, und weil die da verboten sind, gibt sie dann hinter der Grenze, weil

in Polen ist es nicht verboten?

Die haben da entweder laxere Gesetze oder es wird weniger kontrolliert.

Es ist so ein bisschen so ein Graubereich, diese Märkte, jeder weiß, dass da auch illegales

Zeugs vertickt wird, aber entweder gucken die Gesetzesfüter nicht so genau drauf oder

da ist so ein großer Umschlag auch an Händlerinnen und Händlern, die kommen und gehen, dass

das sich so ein bisschen verflüchtigt.

Okay, und genau das sind da jetzt gar nicht mehr nur so ein paar Stände, sondern die

sind ja riesig, diese Märkte, ne?

Wir sind mit einer Drohne extra drübergeflogen, also wir waren ja in Wegnica, das ist an

der ostsexischen polnischen Grenze, also auf der deutschen Seite heißt der Ort Bad Muskao

und der polnischen Seite Wegnica und das ist, wenn man mit der Drohne so über dieses schöne

Flusstal fliegt, das sieht also wirklich ganz malerisch aus und dann schieben sich so diese

rostigen Wellblech-Dächer ins Bild.

Man merkt, da war jetzt kein großer architektonischer Plan dahinter, das wurde offenbar immer weiter

erweitert und es ist so ein Labyrinth von Gängen und in Wegnica, der Ort, der ist, dieser Markt,

der ist so 60 Fußballfelder groß, ich hab mal versucht zu überschlagen, wie viele, ja das

sind mehrere hundert Stände, die sind auch ganz viele kleine Stände nebeneinander und

selbst nach so einer Woche Dreharbeiten hab ich mich da immer noch verlaufen, es sieht

auch alles gleiche aus teilweise und es ist so ein Labyrinth, das ist halt so ein Mikrokosmos,

es ist so ein eigener Organismus dieser Markt mit eigenen Gesetzen, mit einer eigenen kleinen

Infrastruktur und das fanden wir so spannend, also da mal rein zu gucken.

Wie war das denn dort zu drehen?

Das war gar nicht einfach, also eigentlich wäre es gar nicht zustande gekommen, meine

polnische Kollegin Agata Czakowska und ich, wir haben beide, wir kennen diese Märkte,

sie aus ihrer Kindheit, ich von meinen Grenz übertritten und haben aber beide keinen Bezug

dazu gehabt, es ist auch keine besonders liebliche Stimmung dort, aber wir waren beide neugierig

wie so ein Organismus tickt und wir dachten okay, wir würden da gerne drehen und haben

erstmal relativ naiv angerufen, so ein paar Leute, die wir kannten, die dort vor Ort

sind und auch von ein paar Händlerinnen hatten wir Telefonnummern und die sagten alle no way,

also hier Fernsehen überhaupt nicht, hier dreht keiner mit euch.

Okay, woher kommt das?

Kann ich nur mutmaßen, also es gibt mehrere, also offensichtliche Gründe, also zum einen

weil die natürlich Sachen verkaufen, die so an der Grenze der Legalität sind, das

sind diese gefakten Markenklamotten, also du kriegst eine Handtasche von Gucci für unter

10 Euro, du kriegst sehr billige Zigaretten, du kriegst auch Waffen, die auch glaube ich

in Deutschland nicht zugelassen sind und dann wie gesagt diese komischen Nazi-Klamotten,

Hundewelten aus sehr fragtwürdiger Zucht und da gab es natürlich schon einige Fernsehberichte

über dieses Thema und die fallen dann natürlich auch entsprechend aus und da waren die alle

auch gebrannte Kinder und die konnten sich überhaupt nicht vorstellen, dass ein Fernsehteam

wirklich mal interessiert ist an dem Markt als solches und an den Marktleuten, das war

ja unser Interesse, wir wollten diesen Marktleuten nahekommen und da war ein ganz ganz großes

Misstrauen, war da und aus der Ferne war das absolut nicht machbar und wir sind dann hingefahren

einfach eines Tagesmal und es war ein ganz furchtbarer Tag noch im Winter, es hat genießelt,

es war noch grauer als sowieso und sind da durch diese Verwähler ähnliche Labyrinthe

gelaufen und die Händler waren auch ein schlechter Tag, es waren halt kaum Kunden da, die waren

auch wirklich schlecht drauf und alle haben uns sehr feinselig auf sobald sie mitbekommen

hatten, wir sind Presse angeguckt und gesagt also nur mit dem Kopf geschüttelt und weg

und haben sich weggedreht und dann haben wir glaube ich mit 80 Leuten gesprochen und von

den 80 haben dann am Ende 4 oder 5 gesagt, ja mal gucken, ihr könnt ja mal kommen.

Boah, das ist ja echt eine krasse Quote und auch dann so wie wir arbeiten, es waren ja

nicht nur Interviews, die wir machen wollten, sondern wir wollten ja wirklich so embedded

sein, also wirklich Teil des Marktes werden und also den Alltag von diesen Leuten auch

miterleben, auch das waren dann die nächste Hürde, das haben die überhaupt nicht verstanden,

dass wir jetzt nach 2-3 Fragen immer noch da rum lungern, ja.

Aber es war wirklich so, ich hab macht den Job ja schon ein paar Jahre und war auch viel

unterwegs und auch viel in schwierigen Situationen gedreht, aber so eine feindliche Atmosphäre

habe ich selten erlebt und die Agata, also meine Kollegin, die eben perfekt Polnisch

spricht, dann immer übersetzt, was die polnischen Händlerinnen so gezischt haben, so wenn wir

immer wieder in der Nähe war und das waren, kann ich jetzt nicht widergeben, ziemlich böse

Schimpfwörter.

Aber ganz wenige haben euch ja zugesagt, wer war das denn?

Das waren nur eine Handvoll Frauen, wir hatten unter anderem Ivorna und Anneta, so Ende 30,

die beiden Frauen haben eigenen Friseursalungen, das war ihr Lebenstraum, die haben früher

so als Angestellte Friseurinnen gearbeitet und haben sich vor sechs Jahren selbstständig

gemacht.

Und wenn man jetzt so hört, Friseursalon, das ist eine bessere Beretterbude, ein bisschen

böse gesagt, da gibt es ganz viele von auf diesem Markt, weil die einfach deutlich bessere

Preise machen können als in Deutschland, also du kriegst da so ein Haarschnitt für ungefähr

Pimaltauben, halben Preis wie in Deutschland.

Es war wirklich so am Ende des Tages, wo wir die Recherche gemacht haben, waren wir auch

beide, also meine Kollegin, die Agata und ich, so ein bisschen gefrustet, weil wenn du

dann nur Absagen kassierst, ist das halt auch anstrengend und da sind wir bei denen rein

und die haben so grinsten so und sagten, oh ja, Fernsehen doch finden sie gut und man

merkte so, ach die fühlten sich so ein bisschen gebauchpinselt, dass sie jetzt so berühmt

werden, konnten sich aber überhaupt nicht vorstellen, was wir da machen und das war

auch dann so am ersten Drehtag, haben wir dann so ein paar Interviews mit denen gemacht

und so zwei, drei Kundinnen auch schon mal gedreht.

Und dann sagten sie so eigentlich so, war schön mit euch, ihr könnt jetzt gehen und sagten,

wir nee, das war erst der Anfang, wir wollen eigentlich jetzt hier fünf Tage lang euch

auf der Lauer liegen und dann mussten wir so ein bisschen schlucken und haben uns dann

auch immer wieder mal wieder so weggeschickt, jetzt ist das dann mal echt zu eng gerade,

deswegen ein winzige kleine bessere Bretterbude, wie groß ist das da, ach so, oh Gott fünf

mal fünf Meter oder so, man glaub ich drei oder vier Friseurstühle und dann gab es

noch eine Frau, die wir auf, gut auch irgendwie Ende 30 geschätzt haben, hinterher kam raus,

sie ist Ende 50, auch eine Friseurin, die aus Livy, was der Ukraine stammt, die ist

in den allerersten Kriegstagen, ist ihr Hals über Kopf geflüchtet mit ihrer Tochter,

mit zwei Enkeln und ihrer eigenen Mutter, man ist da geblieben im Krieg und die hat

einen eigenen Friseursalon mit neuen Angestellten in Livy und ist jetzt in Polen aufgenommen

worden und hat dort Arbeit gefunden in diesem Bretterverschlag und das war auch sehr berührend

zu sehen, mit was für eine Hingabe und unglaublichen Würde sie dort gearbeitet hat, das war für

sie, man merkte sie lebt dafür für diesen Job, für diesen Beruf des Haareschneidens

und auch der Umgang zwischen den Frauen, den polnischen Frauen und der ukrainischen

Frau war so ganz liebevoll und ganz solidarisch und das inmitten dieses doch sehr raunen Klimas

des Marktes, wo es viel Konkurrenzkampf gibt.

Und die habt ihr begleitet, was habt ihr mit denen so erlebt, wie ist deren Leben da?

Was für alle Frauen gilt, dass die wahnsinnig hart arbeiten, dieser Markt lebt ja davon,

dass er billig ist, das ist der einzige Grund, warum man da hingeht.

Man geht da nicht hin, weil es ein schönes Shoppingerlebnis ist, sondern weil es billig

ist und das heißt, die haben relativ kleine Margen, das ist auch noch mal härter geworden

jetzt, weil die Inflation hat auch in Polen zugeschlagen, die ist da viel, viel höher

als in Deutschland und trotzdem mussten sie ihre Preise stabil halten.

Du hast da höht, glaube ich, letztes Jahr oder dieses Jahr, aber so minimal, wir können

es uns hier nicht leisten den Preis zu sehr zu erhöhen, wir versuchen auch, wie alle

anderen hier durchzuhalten, wir haben keine Wahl, wir wollen arbeiten, wir wollen das

machen, also müssen wir es irgendwie machen.

Ich glaube, das ist ja auch mal so eine romantische Vorstellung, die man manchmal von so Märkten

hat, letzten Endes geht es bei den Leuten auch ums Nackt überleben oder um Umsatz,

das sind solche kleinen Margen, die müssen verkaufen und die können sich gar nicht erlauben,

dass sie da mal einen Tag lang so ein Kamerateam vor der Hütte stehen haben, das nimmt die

Kundschaft weg, die haben einfach wenig Polster, also keiner macht da richtig großes Geld

auf diesem Markt.

Okay, weil das hätte ich jetzt dich auch noch gefragt, also hätte ja sein können, dass

wenn das so frequentiert ist, so ein riesiger Markt, dass man da gut von leben könnte,

aber du sagst, nee, das sind eher Leute, die müssen das machen.

Ja, total, also keiner hat uns da natürlich jetzt in seine Bücher gucken lassen, aber

es ist eindeutig, wenn man sieht, wie billig diese Produkte verkauft werden oder wie billig

so eine Gardienfrau arbeiten muss, da kann nicht viel hängen bleiben, die zahlen auch

noch mieten, oft diese Stände gehören wiederum an anderen Leuten, die müssen auch noch

mieten und das ist wie gesagt, das ist alles auf Kante genäht, die leben nur davon, dass

sie weniger sind als auf deutscher Seite und die Lebenshaltungskosten in Polen sind aber

natürlich auch in den letzten 20, 30 Jahren gestiegen und gleichen sich allmählich den

Deutschen an und jetzt zuletzt noch die Inflation, die in Polen deutlich höher ist als in Deutschland.

Die Inflation in Polen, das war mir ja gar nicht so klar, das habe ich nochmal nachgeschaut,

die liegt tatsächlich bei 16 Prozentpunkten, also die ist echt viel höher auch nochmal

als in Deutschland, können das die Märkte aushalten?

Also was sie nicht können, sie können die Preise nicht erhöhen oder nur ganz marginal,

weil sie sagen dann bleiben die Kunden weg, also obwohl dort ein Haarschnitt nur die Hälfte

kostet von deutschen Preisen, haben die Leute immer noch versucht zu handeln.

Was kostet das, nur runter und abschneiden?

Mit waschen, Frau?

Nein, nicht.

Na trocken?

Mit waschen?

Nein, nicht waschen.

Nur?

So?

Aber ein bisschen schneiden?

Stufen mit Frau?

Nein, noch kürzer.

Kürzer?

Ja.

Kurze Konfliktsorge, wie viel kostet?

2, 30 Euro Frau.

Das ist aber toll, ja.

So ja?

Ja.

So toll ja für sie?

Ja.

30 Euro?

Machen wir aber 2 Euro?

Nein.

25 Leute lebe ich nie.

Aber noch trocken schneiden?

Ja, ja.

28.

Das ist gut für sie?

Nein.

Wenn man 20 ist für mich das höchste der Gefühle, dann muss ich mal gucken.

Das sind auch so Situationen, wo man sich ein bisschen fremdschämt, weil dann diese

Haltung oft von den Kunden da ist, ich komme hier aus Deutschland, ich habe das dicke Geld

und ich kann jetzt hier die Preise bestimmen.

Und wenn man weiß und so mit diesen Frauen mal die Tage verbringt und sieht, wie hart

die Arbeit und wie wenig da übrig bleibt, dann tut das weh, wenn dann noch Leute so von

oben herab anfangen wollen zu handeln, weil sie irgendwie glauben, dass das geht so.

Wer ist das denn, der da rüberfährt so aus Deutschland?

Das sind viele Deutsche aus der Grenzregion, aus der Lausitz in dem Fall oder aus Ost-Sachsen,

aber die kommen teilweise auch von richtig weit her, also viele kommen so aus Heuerswerder,

das ist eine ungefähr eine Stunde Autofahrt entfernt, die kommen da zum Tanken und dann

machen die natürlich in Schlenker noch über den Markt und kaufen da noch billig ein.

Und es gibt so Kaffeifahrten, immer wieder mal so, ne, deutsche Rentnerinnen und Rentner,

die dann für den Tag hinkommen und dort billig, ja so mit dem Bus so, genau, und dann billig

Butter kaufen.

Butter war übrigens der Renner da, als wir gedreht haben.

Wir haben eben schon mal so ein bisschen angerissen das Verhältnis zwischen Deutschen und Polen,

was man da sieht, vielleicht auch ein bisschen von Deutschland und Osteuropa, so insgesamt.

Findest du denn jetzt nach dem Dreh, also dieses Aufeinandertreffen miteinander handeln, aber

auch die Emotionen, die es da gibt zwischen Deutschen und Polen oder zwischen Deutschland

und Osteuropa, ist das irgendwie sinnbildlich, was da auf dem Markt passiert oder überhaupt

nicht?

Ist das was, was speziell nur da in dieser Grenzregion ist?

Ich hoffe nicht, dass es sinnbildlich ist, das wäre schade, weil ich glaube, das ist

auch so gewachsen.

Also durch diesen krass, also nach der Wende krassen Unterschiede im Einkommen und auch

in den Preisen zwischen dann Deutschland und Polen, ist so ein gewisses Gefälle entstanden

oder auch so ein Hierarchie denken.

Also wir, die Reichen Deutschen, ihr, die Armen, Polen und dieses Denken ist bei vielen

Leuten, habe ich so einen Eindruck, ist immer noch ganz schön da und also dieses auf dem

Markt gehen und so ein bisschen auf dicke Hose machen, ja, weil ich bin ja aus Deutschland,

ich habe ja das Geld, ich kann mir das alles leisten hier und dann aber noch handeln wollen,

aber gleichzeitig auch natürlich auch immer auf Deutsch sofort reden, auf denen die Mühe

machen, auch mal einfachste Worte auf Polnisch zu sagen, das hat so ein bisschen so ein unangenehm

Touch manchmal.

Also das ist so, da finde ich, da sind, muss ich ganz selbstkritisch sagen, glaube ich,

wir Deutschen sind noch nicht so auf der Höhe der Zeit und haben noch nicht kapiert, dass

Polen uns in vielen Dingen mindestens gleich auf ist, ja, oder dass die wahnsinnig aufgeholt

haben, auch wirtschaftlich und unternehmerisch.

Das ist bei, glaube ich, bei manchen noch nicht angekommen, hatte ich so den Eindruck und

das sind dann so diese unschönen Szenen, ja, wenn dann so ein bisschen so in so Herren-Menschen-Mentalität

dann mit den Polen von oben herab geredet wird, ja, wenn dann sofort geduzt wird und

gefragt und wenn man Preis verhandelt hat und dann wird er aber nochmal infrage gestellt

und nochmal gedrückt, wir hatten eine Lebensmittelhändlerin, Beata Oberhoffner, hatten deutschen

Nachnamen, weil sie mit einem Deutschen verheiratet ist, die aber schon seit 30 Jahren auf dem

Markt steht und vielso regionale Produkte verkauft und da haben wir auch so Situationen

erlebt, wo dann auch Beata, unsere Lebensmittelhändlerin, wo man merkte, innerlich ihr Platz

gerade der Kragen und es gab auch eine Situation, die auch zufälligerweise im Film ist, wo

sie dann irgendwie sagte, so, nee, gute Frau, hat ihr die Butter wieder aus der Hand genommen,

jetzt ist Schluss, sie können ja woanders hingehen, aber bei mir kaufen sie die Butter nicht,

die Butter kostet ein Euro und billiger geht es einfach nicht.

Und wenn ich jetzt 30 Stück nehme, wie viel bezahl ich?

Meine Liebe, ein Euro bei mir, dann sie muss gehen, ganz einfach zurück und kaufen Margarine,

wirklich, das ist meine Meinung, wirklich, wirklich, wirklich.

Ja, so eine Grenzregion, das ist ja ein Ort der Begegnung des Austauschs und sei er

einfach nur rein wirtschaftlich, aber da treffen ja Menschen aufeinander, trotzdem gibt es

ja noch diese Grenze und ihr habt auch jemand getroffen, der die Seite quasi gewechselt hat.

Ja, das war ganz spannend, also die Beata Oberhoffner, die hat halt auf dem Markt so seit 30 Jahren

schon so einen Stand, aber sie sagt auch, die ist auch nicht mehr die Allerjüngste, das

ist einfach hart, da bei Wind und Wetter zu stehen, das ist unglaublich zugegelt da und

sie hat immer davon getreut, mal einen echten Laden zu haben.

Die stammt aus dem Ort auf einer polnischen Seite und hat vor einigen Jahren einen Deutschen

geheiratet und lebt, deswegen sozusagen auch auf der deutschen Seite, das sind ja wirklich

nur wenige Meter, also der Markt ist ja wirklich direkt an der Grenze, man geht nur über die

Fußgängerbrücke rüber und ist auf deutscher Seite und direkt da lebt sie ja auch so und

Beata hatte immer davon geträumt zuletzt, dass sie mal irgendwie einen echten, richtigen

Laden hat, also so mit Tür und Fenster und nicht so.

So ein Verschlag auf dem Markt.

Und nicht nur so ein Verschlag, also wenn man irgendwann dann so gehen, dass der 50 ist,

hat man vielleicht auch kein Lust mehr jeden Tag da zwölf Stunden zu stehen und es ist

wirklich hart, es ist laut, es ist unglaublich zugig, es ist kalt, im Sommer ist es wahnsinnig

heiß unter diesem Wellblech und sie hat dann aber interessanterweise sich ihren Traum

nicht auf polnischer Seite erfüllt, sondern auf deutscher Seite, auch weil dort die Mieten

mittlerweile eben sehr, sehr günstig sind, weil viele kleine Läden sind ausgestorben

und hat eben auf deutscher Seite ein Lebensmittelladen, wo sie auch jetzt vom Montag bis Freitags

die meiste Zeit ist und sie ist jetzt nur noch am Wochenende auf dem Markt und ist seit

dem, sagt sie, uns aber kompletter Outcast und wird komplett gedisst von ihren polnischen

Händlerkolleginnen und Kollegen, weil sie so ein bisschen als eine Verräterin gilt.

Also sie hat den Markt verlassen und sie hält sich jetzt für was besseres, weil sie

den Laden hat.

Ach, sie ist die Verräterin quasi, ich habe jetzt verstanden, es gibt einen riesen Konkurrenzdruck,

klar, da hätte ich jetzt gedacht, wenn da einer geht und eben ganz woanders mitspielt, dann

würden die wahrscheinlich applaudieren, aber nee.

Naja, es gibt vor allem Missgunst, so dass sie es jetzt geschafft hat, sie hat jetzt

so einen echten Laden und vielleicht ist sie natürlich auch so ein Sinnbild dafür, dass

der Markt in der jetzigen Form kein Zukunft hat, weil sie sagt, also sie sagt auch, es

gibt viele Kunden, die jetzt zu ihrem Laden kommen auf deutscher Seite, die sagen, sie

gehen gar nicht mehr so gerne auf den Markt, weil die Atmosphäre sich so gewandelt hat.

Also dieses früher noch etwas beschaulichere deutsch-polnische Ding ist jetzt eben viel

bunter und für viele Leute auch vielleicht bedrohlich er geworden, weil da sind jetzt

diese Rumänen und die Bulgarien und die sind so aufdringlich und viele Kunden wollen da

gar nicht mehr hingehen.

Und gehen da lieber in den Laden, da stehen dann Preise dran und das ist so wie ein stinknormaler

Lebensmittelladen und vielleicht, das ist jetzt meine Interpretation, ahnen auch die

anderen Händler, dass das so ein bisschen, ne ja schon so das Zeichen am Horizont ist

hier so, das geht mit dem Markt vielleicht auf Dauer nicht lange gut.

Also das heißt aber die BA-Teile, die hat ja jetzt aktuell kein Stand mehr auf dem Markt

oder doch?

Die hat den noch, die hat den noch, ist selber nur am Wochenende da, also die fährt gerade

zweigleisig und sie hat einen Sohn, der hilft ihr so ein bisschen aus auf dem Markt und das

ist gerade ihre große Sorge, ob der wohl irgendwann diesen Marktstand übernehmen wird, der wollte

nicht mit uns drehen, aber was ich so zwischen den Zahlen rausgehört habe, ist, dass der

wohl eher nicht auf dem Markt arbeiten wird.

Okay.

Und also mit ihr auf dem Markt zu drehen, war jetzt nicht so leicht, nicht so angenehm,

oder?

Das Verhältnis zwischen ihr und uns war super, aber sobald die anderen Händler irgendwie

mitbekommen haben, dass wir jetzt auch so, das ist ja auch so absurd, also einerseits will

keiner mit uns drehen, andererseits ist dann auch wieder so ein Neid da gewesen, dass wir

jetzt so lange mit der einen drehen.

Wenn man da so flüchtig drüber geht, dann sieht man diese Billig-Ramstartikel, man sieht

die Waffen, man sieht die geschmuggelten Zigaretten und so ja und findet das irgendwie alles nur

furchtbar oder sieht halt nur so diese Oberfläche.

Wenn man dann aber so mehrere Tage am Stück da ist und diese Leute kennenlernt, dann

habe ich zumindest einen Wahnsinns-Respekt vor diesen Frauen bekommen, die so unglaublich

hart arbeiten, wo es auch dann im Kleinen, also es gibt untereinander natürlich auch

diese Rivalitäten, die gibt es, aber im Kleinen ganz, also dann innerhalb dieses Friseursalons

zum Beispiel eine große Solidarität und eine große, also wo man merkt, die unterstützen

sich gegenseitig, das war ein Team und das war toll zu sehen, also so viel Menschlichkeit,

so viel Frauen-Solidarität in dem Fall auch, das war toll, es ist halt, wenn man von oben

drauf guckt, sieht man Wellblech-Dächer, dann gehst du näher ran, du siehst diesen ganzen

Rammst, du siehst diese teils illegalen Klamotten und geht man da noch näher ran, dann siehst

man auf einmal Menschen, die wahnsinnig hart arbeiten, was mir schon mal Wahnsinns-Respekt

abverlangt und man sieht auch im Kleinen dann doch auch schöne Momente und deswegen wollten

wir diesen Film auch machen, weil es halt so ein Mikrokosmos ist, wo man erstmal als

Außenstehender so davor steht und eigentlich nur die Oberfläche, in der Oberfläche kratzt,

aber so, es ist uns zumindest gelungen, glaube ich, in den Tagen so ein bisschen von der

Oberfläche wegzukratzen und diesen Menschen näher zu kommen.

Das war 11km der Tagesshop-Hotcast für heute, mit einem detaillierten Blick in den Mikrokosmos

der Grenzmärkte. Jan Tenhaven ist gemeinsam mit Agatajakowska für Arte Reh und den MDR

in diese Welt eingetaucht. Den Link zum Film packen wir euch in die Show-Notes. FKM findet

ihr in der AID-Audiothek und überall, wo ihr sonst Podcasts hört. Abonniert uns da gerne.

Folgenautorin ist Azadeh Peshman, mitgearbeitet hat Sandro Schröder, Produktion Florian Teichmann,

Gerhard Vicho, Ruth Maria Ostermann und Simon Schuling, Traditionsleitung, Lena Gürtler und

Fomiko Limm. 11km ist eine Produktion von BR24 und NDR Info. Mein Name ist Victoria

Michalsack, wir hören uns morgen wieder. Tschüss!

Am Ende dieser Folge möchte ich euch noch einen Tipp aus der AID-Audiothek mitgeben,

und zwar den BR24-Podcast Thema des Tages. Worum es dabei geht, erklärt euch meine

Kollegin am besten selbst. Hi, ich bin Stefanie Mannhardt vom BR24 Thema des Tages. Wenn ihr jeden

Tag in weniger als zehn Minuten über das aktuelle Nachrichtenthema Bescheid wissen

möchtet, dann hört doch mal bei uns rein. Wir sprechen mit Expertinnen und Experten über

Politik, Wirtschaft, Digitales, Gesellschaft und Kultur. In jeder Folge steigen wir bei einem

Thema tiefer ein, erklären Hintergründe und bringen euch auf den neuesten Stand.

Das BR24 Thema des Tages gibt es jeden Werktag neu in der AID-Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

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Kurz über die deutsch-polnische Grenze, dort ein paar Stück Butter und ein Haarschnitt zum halben Preis. Die sogenannten “Polenmärkte” sind für viele Deutsche eine beliebte Anlaufstation für günstige Preise. Aber Polen ist längst nicht mehr das Billiglohn-Land wie früher und die Inflation ist in Polen doppelt so hoch wie in Deutschland. Aber auch überholte deutsch-polnische Klischees lassen das Geschäftsmodell der Grenzmärkte aussterben. 11KM taucht mit Jan Tenhaven vom MDR ab in den Mikrokosmos Grenzmarkt.

Hinweis: Im Podcast ist die Rede davon, dass sich der Markt über eine Größe von etwa 60 Fußballfeldern erstreckt. Das bezieht sich auf den erweiterten Bereich rund um den Markt mit Tankstellen und Hotels. Der reine Markt ist etwa 16 Fußballfelder groß.



Die Doku von Arte Re: “Preiskämpferinnen - Leben auf dem Polenmarkt”

https://www.arte.tv/de/videos/110246-003-A/re-preiskaempferinnen/



Und hier der Link zu unserem Podcast-Tipp am Ende der Episode:

https://www.ardaudiothek.de/sendung/br24-thema-des-tages/90776374/



An dieser 11KM-Folge waren beteiligt:

Autor:in: Azadê Peşmen

Mitarbeit: Sandro Schroeder

Produktion: Florian Teichmann, Gerhard Wicho, Ruth-Maria Ostermann, Simon Schuling

Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler

Host: Victoria Michalczak

11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info. Die redaktionelle Verantwortung für diese Episode trägt der NDR.