FALTER Radio: Die Causa Rammstein - #955

FALTER FALTER 6/14/23 - Episode Page - 23m - PDF Transcript

Die Fall der Sommergespräche im Wienermuseumsquartier zu den heißen Themen des Jahres.

Mittwoch, den 30. August, nimmt die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler-Platt.

Es geht um die drängende Frage, wie wir die Klimawende schaffen.

Umweltministerin Leonore Gewessler im Gespräch mit Barbara Todt und Katharina Krobshofer.

Mittwoch, den 30. August und 19 Uhr auf der Bühne im großen Hof im Museumsquartier in Wien.

Der Eintritt ist frei. Schauen Sie doch vorbei.

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Falter Radio, der Podcast mit Raimund Löw.

Till Lindemann hat sich nach einer Woche doch noch erklärt.

Er sei unschuldig, niemals habe er Frauen unter Drogen gesetzt oder Gammis braucht.

Und wer gegenteiliges behaupte, so droht sein Anwalt, werde verklagt.

Das ist die jüngste Wendung im Fall der deutschen Rockband Ramstein,

die kürzlich noch erklärte, die Frauen hätten ein Recht auf ihre Sicht der Dinge.

Der Fall Ramstein erschüttert Deutschlands Kulturszene, eine Methuauffäre in der Musikbranche.

Und die Öffentlichkeit stellt sich zur recht wichtige Frage.

Wie gefährdet sind junge Frauen auf Konzerten?

Wie können sie sich gegen sexuellen Missbrauch, gegen Übergriffe und gegen Machtmissbrauch wehren?

Und wie funktioniert das System der Row Zero und wie kann man Frauen darin vor Übergriffen schützen?

Darüber diskutieren wir heute im Fall der Radio.

Herzlich willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer.

Mein Name ist Florian Kleng.

Ich bin Chefredakteur des Falter und ich begrüße heute Karin Tonsan von Sister of Music.

Guten Tag Frau Tonsan.

Hallo.

Karin Tonsan ist Meisterin der Veranstaltungstechnik und seit über 10 Jahren als Produktionsleiterin,

Turnstage-Managerin, National- und International-Tetik.

Und sie hat vor knapp 4 Jahren ein gemeinnütziges Netzwerk für Frauen in der Veranstaltungsbranche gegründet.

Fast 240 Frauen, alle aus Österreich, größte Technikerinnen sind darin vertritt.

Vor 2 Jahren hat Tonsan das Projekt Sisters on Side gestartet.

Eine Evaluierung hinsichtlich sexueller Belästigung und Sicherheit bei Veranstaltungen.

Und sie hält Vorträge zu diesem Thema.

Vor Tonsan beginnen wir vielleicht bei den aktuellen Entwicklungen.

Deutschlands Kulturszene staunt in der Rammsteinaffäre über 3 Dinge.

Dass sich Frauen Gehör verschaffen und wie sie es tun.

Zweitens, wie die Band reagiert, nämlich mit Klagstrohungen.

Und drittens, dass die Musiker einfach weiterspielen, als wäre nichts gewesen.

Was eigentlich überrascht Sie daran am meisten?

Am meisten überrascht mich zum einen die Reaktionen.

Vor allem die aus der Musikbranche von meinen Kollegen und Kolleginnen.

Also, dass das sehr wenige Statements dazu gab.

Mir überrascht auch sehr die Reaktion der Band.

Weil Vorwürfe ganz geben, passieren ja auch in anderen Lebensbereichen.

Das ist immer nur die Frage, wie man damit umgeht.

Und wenn man gleich mit Klagstrohungen kommt, dann hat das schon ein sehr einschüchternden Faktor dabei.

Das hat eigentlich etwas sehr altfadrisches, würde man meinen.

Oder das ist man eigentlich gewohnt von den klassischen alten weißen Männern,

die gegen Kritik einmal gerichtlich vor sich gehen.

Ja, genau. Also man könnte das ja auch anders angehen, indem man einfach sagt,

gut, man wird das jetzt mal prüfen, man geht das Sache nach.

Und das auf einer ganz neutralen Ebene.

Was ist der Grund Ihrer Meinung nach, dass die Rammsteinaffäre so explodiert ist?

Viele sagen, dass was da in der Row Zero passiert, das sei allgemein bekannt.

Und warum regt man sich auf?

Warum kommt das jetzt so laut und so unvermittelt zur Sprache?

Ich glaube, das hat mehrere Faktoren.

Also zum einen ist dann natürlich Social Media sehr unterstützend,

dass Informationen relativ schnell weiterverbreitet werden können,

dass dadurch auch sehr viele Frauen sich ja jetzt auch gemeldet haben.

Also es ist jetzt eben kein Einzelfall oder zwei Personen,

sondern es haben sehr richtig viele Frauen gemeldet.

Von unterschiedlichen Konzerten mit sehr, sehr detaillierten Angaben dazu.

Also nicht nur, ja, ich war Beproffene, ich habe das auch mal erlebt,

sondern die wirklich sehr ins Detail gehen.

Ich finde auch diese Fotos, die man gesehen hat beim ersten Beitrag auf Twitter,

sehr erschütternd.

Das waren Fotos, müssen wir jetzt eine kurze Kontentwarnung geben,

das waren Fotos von Planflecken, von Gewalt.

Also ein Fan hat sich so sagen, hat gezeigt,

dass da wirklich offensichtlich Übergriffe stattgefunden haben,

von wem auch immer sie letztlich waren.

Das werden die Gerichte klären.

Genau, also da kann man jetzt auch nicht mal vom blauen Flecken sprechen

oder bei so einem kleinen Unfall passiert,

sondern da sprich, also das sind ja wirklich massive Hematome.

Und ich glaube aber auch, dass es damit zusammenhängt,

dass es eine sehr bekannte deutsche Band ist.

Also dass es jetzt nicht irgendwo auf der Welt passiert ist,

entweder vielleicht oder Personen, zu denen man sogar keinen Zugang hat,

sondern Ramstein ist eben sehr bekannt.

Viele von uns waren schon auf Ramstein-Konzerten

und dadurch kriegt es halt auch eine andere Dynamik.

Und schlussendlich dann auch noch, wie jetzt berichtet wurde,

dieses System, das dahinter steckt.

Kommen wir mal zu diesem System.

Was ist das für ein System?

Es gibt Fans, die sagen, naja, dieses System ist doch bekannt.

Die Frauen, die in die Row 0 gehen, die Row 6,

die suchen die Nähe zu ihren Stars.

Sie haben es doch immer schon gegeben,

von den Rolling Stones bis Metallica,

von Robby Williams.

Sie wüssten, warum sie sich einlassen.

Was antworten sie diesen Fans?

Was antworten sie den Leuten, die jetzt Bilder posten von den Fans

und zeigen, naja, ihr habt euch ja so gekleidet,

dass es ja ganz klar war, was ihr wolltet.

Und jetzt regt ihr euch auf.

Na ja, der ganz große Unterschied ist der Missbrauchsvorwurf in dem Fall.

Also das hat ja dann auch strafrechtliche Konsequenzen,

wenn das dann auch bestätigt wird.

Das heißt, das eine ist, ich bin Fan und such Kontakt zu meinen Idolen.

Und wenn es dann auch einvernehmlich stattfindet,

ist das natürlich die eine Sache.

In dem Fall wird da ja aber gesprochen von Frauen,

die sich ja nichts mehr erinnern können,

wo eben K.O. Tropfen erwähnt werden.

Und das macht natürlich den ganz, ganz großen Unterschied.

Und es kann auch nicht sein,

dass Betroffenen und Frauen von Gewalt immer wieder gesagt wird,

ja, ihr seid selber schuld.

Es war da Minirock, was auch immer.

Also schuld haben Täter, ganz eindeutig.

Jetzt ist die YouTuberin Kaila Schicks aufgetreten,

die sehr differenziert beschrieben hat,

wie diese Frauen so auf der Partys gelockt wurden.

Und wie sie dann auf einmal von Bodyguards bewacht,

der Handy ist entledigt,

eigentlich fast schon zu Beutesstücken,

die Lindemanns geworden sein sollen.

Wir müssen da medienrechtlich festhalten,

dass Lindemann das bestreitet,

wird Schlagen-Code, die sowas behaupten.

Aber ist das üblich,

dass es sozusagen verschiedene Zonen gibt,

in die Frauen kommen,

dass es sozusagen die klassische Afterparty gibt,

aber dass es dann Räume gibt,

in denen wenige Frauen sind,

in denen sie getrennt werden von Freunden,

von Freunden, in denen sie in den Kommunikationsmitteln.

Ist sowas üblich?

Mir ist das überhaupt nicht bekannt.

Also was schon üblich ist,

wenn man jetzt mal von diesem Backstage-Bereich spricht,

gibt es im Backstage-Bereich immer öffentliche Bereiche,

wo zum Beispiel auch das Kettering steht,

wo dann gibt es eigene Räume,

wo die Produktion, die örtliche,

wie findet, also Büro-Räumlichkeiten.

Und dann gibt es natürlich die einzelnen Künstler-Gadaroben.

Und das ist so ein Bereich,

wo ich zum Beispiel als örtliche Produktionsleiterin

nicht hineingehe.

Ich würde das mal so vergleichen,

wie man kommt zu jemanden auf Besuch,

man hält sich im Wohnzimmer auf,

aber es gibt Räumlichkeiten in einer fremden Wohnung,

die jetzt nicht betritt.

Das hat einfach auch den Respekt gegenüber den Artists zu tun.

Damit die eben auch Backstage nochmal eine eigene Privatsphäre haben,

sich vorbereiten können auf ihr Konzert, umziehen können, etc.

Das, was jetzt eben beschrieben wurde,

das es da eben eigene Party-Räume, etc. gab,

kennen ich nicht.

Also natürlich gibt es Backstage-Partys,

aber die laufen natürlich in einem ganz anderen Rahmen ab.

Also so kennen sie ich eben auch.

Es ist ja bekannt geworden,

ich formuliere es jetzt so,

wie es mit der Vorwürfe regelrecht frisch Fleisch

für Tilindemann rekrutiert haben soll.

Eine russische Agentin,

die Mädchen über Instagram oder Social Media

angeschrieben hat und gesagt hat,

sie sind so besonders hübsch und besonders schön

und sie sollen sich schön anziehen und zu ihm kommen.

Ist dieses Rekrutieren von Frauen in der Row Zero

ist das etwas, das sie bei großen Konzerten erleben ist?

Ist das üblich?

Nein, überhaupt nicht.

Diese Begriff Row Zero ist mir ganz neu.

Ich habe auch in den letzten Tagen

mit Kolleginnen und Kollegen drüber gesprochen.

Und diesen Begriff gibt es nicht.

Mit Row Zero wird ja anscheinend gemeint

der Bereich zwischen Bühne und Publikum.

Wir nennen das Bühnengraben,

den gibt es bei jedem größeren Konzert.

Behalten Sie normal fall die Security auf,

Fotografinnen um bessere Sicht auf die Bühne zu haben

und an und ab vielleicht auch mal Freunde

oder Familienmitglieder, die mit Bens unterwegs sind.

Das ist so eine Zwischenzone,

die eine ganz besondere Intimität darstellt.

Entweder weil es privat begründet ist,

familiär, beruflich oder eben auch,

wie man jetzt sieht, sexuell.

Genau, aber eigentlich dient dieser Bereich dazu,

um relativ schnell Hilfe leisten zu können.

Zum einen, also wenn eben in den Vorderen rein was passiert,

dass die Security relativ schnell eingreifen kann.

Und zum anderen auch,

dass die Artists auf der Bühne geschützt sind,

also dass man eben nicht zu leicht auf die Bühne springen kann.

Das habe ich halt gelesen,

dass es in Kanada bei einem Konzert

tatsächlich ganz offizielle Anfragen von Rammstein gegeben hat,

dass man besonders schöne Frauen casten soll,

um sie so im Konzert ganz nah an die Band heran zu führen.

Und dort hat den Konzertveranstalter das interessanterweise abgelehnt.

Hat mir gesagt, das macht man nicht, das hat man nie gemacht.

Sind solche Anfragen irgendwann nochmal üblich gewesen?

Haben Sie sowas schon einmal gehört?

Nein, indem sie nicht.

Überhaupt nicht. Ich habe das eben auch gelesen.

Ich bin aber ehrlich gesagt so ein bisschen überrascht,

dass man das dann eigentlich auch so abtut.

Ja, da war halt die Anfrage.

Nein, wir sind dem nicht nachgekommen,

aber damit hat sich die Sache auch erledigt.

Also ich glaube, würde mir das passieren,

wäre das schon eine Sache,

über die ich länger nachdenken würde

und da wahrscheinlich auch dranbleiben würde.

Sie kritisieren insgesamt,

dass die sexuelle Gewalt auf Konzerten zu wenig dokumentiert wird.

Sie unterscheiden auch sozusagen ganz strukturell

zwischen der Gewalt, die hinter der Bühne passiert

und der Gewalt, die im Publikum passiert.

Und sie sind spezialisiert darauf,

dass man dieses Fern für Frauen sicher gestaltet.

Wie macht man das?

Was müssen heute der Konzertveranstalter wissen,

damit es eben nicht zu solchen Übergriffen kommt?

Ich fange mal hinter der Bühne an.

Also da kenne ich jetzt weniger die Gewalt oder sexualisierte Gewalt.

Das hat dann eher die Form von sexueller Belästigung,

von Respektlosigkeit gegenüber Mitarbeiterinnen,

Klischees, die bedient werden,

Frauen und Technik etc.

Im Publikumsbereich wissen wir aufgrund von Studien,

es gibt leider auch keine Zahlen aus Österreichs,

dass es da wirklich zu massiven Übergriffen kommt.

Also ich kann dann zum Beispiel nennen,

es gibt aus der UK eine Festivalstudie von 2018,

wo 43% der Frauen, der Besucherinnen angegeben haben,

auf dem Festival oder auch Festivals belästigt,

waren zu sein beziehungsweise sexualisierter Gewalt ausgesetzt worden.

43%, das klingt nach einer absoluten Horrorzahl.

Kann man das differenzieren?

Reden wir da von blöden Sprüchen

oder reden wir tatsächlich von körperlicher, von verbaler Gewalt?

Ja, das fängt eben bei Belästigung an

und endet dann wirklich bei sexualisierter Gewalt,

also Vergewaltigung etc.

Werden wir ganz konkret, wenn ich jetzt zu Ihnen komme,

als Konzertveranstalter, ich möchte ein großes Konzert organisieren,

was würden Sie mir raten?

Welche strukturellen Einrichtungen bräuchte ich?

Wie müsste ich vorgehen?

Ja, man musste zu sagen, jede Veranstaltung ist verschieden.

Das hat zu tun mit den Räumlichkeiten,

wo findet es statt, was ist unser Publikum,

welche Bands wird auftreten etc.

Also da gibt es sehr viele Parameter, die man mal beachten muss

und dementsprechend kann man dann eben auch Maßnahmen setzen.

Und diese Maßnahmen müssen aber schon im Vorfeld passieren.

Das heißt, ich kann mir nicht irgendwie am Veranstaltungstag

oder zwei Tage vorher überlegen, was mache ich alles,

sondern es ist sehr wichtig, dass das eben auch kommuniziert wird.

Das heißt, dass unsere Besucher ihnen auch wissen,

was wird überhaupt angeboten.

Es kann sein, ein Awareness-Team, das können Kotwörter sein,

wo ich mich beim Personal melden kann,

wo kann ich mir überhaupt Hilfe holen etc.

Das muss gut kommuniziert werden.

Was mir immer fehlt,

ist auch die Konsequenzen, die Täter haben werden,

wenn es zu Übergriffen kommt.

Weil das ist ja ganz oft das Problem,

dass Frauen, die dann eben betroffen sind von Belästigung oder Gewalt,

sich eben nicht beim Veranstaltungspersonal melden,

teilweise aus Scham, aber auch aus dem Grund,

weil sie davon ausgehen, es glaubt ihnen eh niemand,

es wird ihnen eh nicht geholt.

Das heißt, es müsste vor Ort richtige Teams geben,

die, wenn ein gewisses Kotwörter gesagt wird, wirklich eingreifen

und die Männer, wahrscheinlich werden meistens Männer sein,

ausschmeißen oder rausziehen

oder wie kann man sich das konkret vorstellen?

Genau, das müssen wir sich dann halt im konkreten Fall ansehen,

also um was da genau gibt, ob es da jetzt nur Verwarnungen gibt

oder wirklich Polizei geholt wird,

Festivalverweise, Veranstaltungsverweise etc.

Ich möchte vielleicht noch ganz kurz

nochmal auf diese Studie von 2018 zurückkommen,

da wurden eben diese betroffenen Frauen auch gefragt,

an wem sie sich gewandt haben,

nach dem Vorfall der Belästigung und der Gewalt

und da hat sich herausgestellt,

dass nicht mal 10% der belästigten Frauen

oder der betroffenen Frauen

sich an das Veranstaltungspersonal

beziehungsweise an die Polizei gewandt haben.

Und das zeigt uns schon,

dass dann ganz, ganz hohen Nachholbedarf gibt.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Einfach, weil sie nicht ernst genommen werden,

weil es keine Ansprechstellen gibt?

Zum Teil ist das sicher auch ein Grund.

Zum anderen, wie gesagt,

dass man sie eben nicht ernst nimmt.

Das heißt, wir müssen eben auch unsere Personalschulen,

sprichte immer gern vom psychologischer Erste Hilfe.

Das heißt, wenn eine Person in Krise ist,

egal aus welchen Grund, wie kann man sie ansprechen,

wie kann man sie unterstützen,

ohne die Situation noch schlimmer zu machen

und wie kann man eben einen Umfeld schaffen,

damit sich diese betroffene Personen auch wohl schön.

Sie veranstalten, habe ich gesehen,

selbst Konzerte von Frauen,

Mitfrauen für alle.

Was läuft dort anders?

Was läuft dort anders als bei Konzerten,

die von Männern organisiert werden

oder die von Leuten organisiert werden,

die keine Expertise haben?

Das heißt, das sind Frauen bzw. schlinter Personen.

Auf der Bühne haben wir ein Old Female

bzw. female fronted line-up.

Das müssen wir kurz für die Älteren zu erklären.

Was ist ein female fronted line-up?

Das sind Bands mit einer Frontsängerin

bzw. Bands Old Females,

die sich nur aus Frauen und flinter Personen zusammensetzen.

Und wir haben jetzt schon festgestellt,

dass wir bei den Ticket-KRF'n

einen sehr, sehr, sehr hohen Frauenanteilung haben.

Das heißt, es ist schon so,

dass sich das, was auf der Bühne und hinter der Bühne passiert,

dann durchaus auch wieder im Publikum spiegeln kann.

Sie sagen gleichzeitig aber,

dass alle awareness-Maßnahmen sinnlos sein.

Wenn dann auf der Bühne ein Rapper steht,

der zu Gewalt gegen Frauen aufruft.

Was meinen Sie damit?

Hat sozusagen die Kunstfigur, die da oben auf der Bühne steht,

die jetzt schon sich behaupten würde,

ich bin ja nur bei Lindemann,

hat man das Wort gemacht,

ich bin ja nur das Lyrische Ich,

ich bin ja nur der Künstler, der das spricht.

Ich bin ja gar nicht selbst der, der das spricht.

Hat das tatsächlich Auswirkungen

auf das, was im Publikumsraum passiert?

Ja, finde ich schon.

Kunst darf und muss natürlich kritisch sein,

gar keine Frage, aber Kunst kann niemals

Stacksmantel für Sexismus, Rassismus

oder Homophobie sein.

Also ich finde, das ist schon so eine Gratwanderung

und das muss man eben auch beachten.

Nun gibt es eben auch nicht die Freiheit,

unreflektiert zu sein.

Wo würden Sie da die Grenze ziehen?

Ich meine, wenn ich mir die Texte von Frank Zappertorch

lesen würde oder von den Rolling Stones,

dann strotzen Sie ja sozusagen

von sexistischen Fantasien,

von Gewaltfantasien,

von Männern,

die ihre Fantasien besingen.

Wo würden Sie die Grenze ziehen

zwischen einem Kunstwerk,

in dem ein Sänger sozusagen

oder eine Sängerin eine Person spielt

oder sozusagen ein Gedicht über eine Person darstellt

und tatsächlich als sexualisierter Gewalt.

Wo ist da für Sie die Grenze?

Puh, das ist ein bisschen schwierig

zu beantworten, müsste man sich vielleicht

dann auch im Einzelfall ansehen.

Die Frage ist halt auch immer,

was will ich mir damit bezäcken?

Also möchte man jetzt irgendwie

eine Grundlage schaffen,

um Probleme-Themen zu diskutieren

im öffentlichen Rahmen,

um vielleicht auch eine Lobby zu geben

oder geht es da wirklich nur

um die Öffentlichkeit,

um ins Kandal, sage ich jetzt mal,

im härtesten Fall zu produzieren.

Letzte Mal ist das Thema aufgebaut

mit jungen Hohlen bei den Wiener Festwochen,

der dort aufgetreten ist, wo man gesagt hat,

der soll ja nicht auftreten, die Orem haben gesagt,

das ist ein Sexist, der hat auf einer Bühne nichts verloren.

Teilt Sie diese Einschätzung?

Ja, definitiv.

Man muss ja auch dazu sagen,

gerade natürlich nicht im ganzen Deutschrap,

aber bei einigen Musikern

ist das dann eben schon so,

dass das jetzt auch nicht nur

eine Bühnenfigur ist.

Also das finde macht ja dann nochmal den Unterschied

und man sagt ja, man repräsentiert auf einer Bühne

ein bestimmtes Klischee

oder eine Kunstfigur

und abseits der Bühne

ist man dann einfach eine Privatperson

und das findet ja dort oft nicht statt

und es gibt ja dann eben auch Beispiele,

wo Frauen zum Beispiel

beim Rapper Flair,

deren Kopfgeld auf eine Kritikerin ausgesetzt hat.

Also das überstreitet

ja weit aus Grenzen

und es gibt ja auch sehr viele Texte

in Deutschrap,

wo ich sage, ja,

also würde ich dir jetzt irgendwie

auf Social Media posten, wer in Sekunden

ein Account gesperrt.

Die Rock- und Popkonzerte waren historisch

immer auch Freiheitserlebnisse.

Das Logan Sex, Rock'n'Roll

war ja eigentlich ursprünglich kein Freibrief

für KO-Tropfen und Vergewaltigung,

sondern eigentlich eine Schiffre

für sexuelle Befreiung,

eine Befreiung von einem gesellschaftlichen Move

von Repressionen,

auch einer faschistischen Gesellschaft.

War dieses Versprechen eigentlich immer schon

ein Mythos auf Kosten von Frauen?

Ja, vermutlich.

Also generell ist ja nichts dagegen

gegen ein Freiheitserlebnis

und Spaß einzuwenden,

solange es immer noch einvernehmlich

stattfindet.

Und die Frage ist halt dann auch immer,

warum fahren Personen auf Festivals

oder gehen zu Konzerten.

Das ist der Grund, um Spaß zu haben,

um gutes Wochenende zu haben,

um Musik zu erleben

oder geht es darum,

quasi ein Freibrief zu haben,

weil man es in einem Umfeld befindet,

wo man tun und lassen kann, was man möchte.

Ohne Konsequenzen oftmals.

Rammstein wird in einigen Wochen

in Wien auftreten.

Sind Sie nicht der Meinung, dass die auftreten sollen?

Oder soll man diesen Auftritt

seitens der Veranstalter einfach absagen?

Ja, also ich kann das nicht entscheiden.

Ich muss nur sagen,

wenn so Vorwürfe in Raum stehen,

wie sie jetzt eben auch stehen,

sollten sie eigentlich

alle Beteiligten überlegen,

wie man damit umgeht.

Da gibt es einfach viele Möglichkeiten,

das muss jetzt nicht immer schwarz und weiß sein,

sozusagen, ja, wir treten auf

oder wir treten nicht auf, aber einfach mal

die Frage auch, wie man damit umgeht.

Und wenn dann eben so Aussagen

im Raum stehen,

ja, wir klagen jetzt sowieso alle

unsere Kritikerinnen an,

dann finde ich das wirklich sehr, sehr schwierig.

Totansane, ich danke für das Gespräch.

Das Konzert, das Sie gerade organisieren,

wann wird das stattfinden

als kleiner Hinweis?

Es gibt noch Karten dafür?

Ja, es gibt noch Karten dafür.

Das findet statt 7.07.

in der Open Air in Wien.

Und die Karten kann man wo besorgen?

Im Ticketladen.

www.ticketladen.at

Und ich habe gesehen, man kann auch

jetzt kaufen, also man kann

Menschen, die sich kein Ticket leisten können,

auch ein Ticket zur Verfügung stellen.

Ganz genau, diese Tickets

gehen direkt an Frauenberatungsstellen,

die das ihren einkommenschwachen Klientinnen weitergeben.

Das heißt, man kauft auf der Webseite

im Ticketladen ein Ticket und sagt,

bitte diesen Platz.

Genau, die heißen

Sister's Tickets,

das heißt entweder man kauft

ein reguläres Ticket, plus ein solidarisches Ticket

oder man sagt, man hat

vielleicht keine Zeit, kann nicht kommen

und möchte aber trotzdem unterstützen.

Dann besteht auch hier die Möglichkeit.

Also liebe Zuhörer und Zuhörer,

Sie wissen, was zu tun ist.

Am 7.07. gehen Sie auf

Ticketladen.at.

Danke Karin Tonsan, danke für dieses Gespräch

und den Einblick in Ihre Welt.

Und liebe Damen und Herren,

wenn Sie den Falter unterstützen wollen

und Podcasts wie diesen möglich machen wollen,

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um den Falter nachschließen können.

Dazu auch einen längeren Essay

von unserem Foto-Chef Matthias Tussini.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

Bis zum nächsten Mal.

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Welche Fehler wurden gemacht und was muss sich ändern in der Musikbranche? Florian Klenk spricht mit der Veranstalterin und Awareness-Expertin für den Kunstbereich, Karin Tonsern, über den Fall Rammstein. 

Hinweis: In diesem Gespräch werden Vorwürfe sexueller Übergriffe und sexualisierter Gewalt thematisiert.


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