11KM: der tagesschau-Podcast: Die Ampel-Regierung. Zum Streiten verdammt?

tagesschau tagesschau 6/22/23 - Episode Page - 30m - PDF Transcript

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Bundeskanzler Olaf Scholz zeigt Gefühle.

Tickstreiber! Tickstreiber ist Putin!

SPD, FDP und Grüne hören nicht auf zu streiten.

Streit ist ein großes Wort.

Dass es nicht aufgesetzt wird, ist aus meiner Sicht ein Wortbruch.

Man schweigt sich auseinander und man diskutiert sich zusammen.

Mit einer fatalen Wirkung.

Nur noch 20 Prozent Zufriedenheit mit der Arbeit der Bundesregierung.

Der schlechteste Wert für die Ampel, den wir hier gemessen haben.

Was ist gerade los in der Ampelkoalition?

Wir schauen heute bei 11km, was hinter den Regierungsstreitereien steckt.

Und fragen uns Bundeskanzler Olaf Scholz,

Finanzminister Christian Lindner, Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Können die nur Zoff oder können die auch anders?

Was lief schief in den vergangenen Wochen?

Der Tagesschau-Podcast, ein Thema in aller Tiefe.

Heute mit Torben Ostermann.

Als ARD-Korrespondent im Hauptstadtstudio

beobachtet er die Ampelkoalition und bekommt so manche Dinge mit,

die es nicht in die Tagesschau schaffen.

Mein Name ist Victoria Michalsack.

Heute ist Donnerstag, der 22. Juni.

Hallo, Torben. Hallo, Victoria.

Wir beginnen Mitte Mai.

Es ist der 17. Mai.

Schönen guten Tag, willkommen zu einem Presse-Statement

mit Bundesminister Robert Habeck.

Ja, es deutete sich so ein bisschen an an dem Tag,

weil irgendwann kam eine Einladung per E-Mail,

wie das so oft ist, vom Bundeswirtschaftsministerium

für eine kurzfristig angesetzte Pressekonferenz.

Der Bundesminister hat das Wort.

Das war so angedeutet, es würde um personelle Entscheidungen gehen.

Jetzt ist es soweit, Robert Habeck entlässt sein Staatssekretär.

Wir haben die Berichterstattung rund um die Verwandtschaftsverhältnisse

von Patrick Greichen zum Anlass genommen, um die Compliance-Verfahren.

So war es dann auch, Robert Habeck ist vor die berühmte blaue Wand,

wo BMWK, also Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz,

hinten draufsteht.

Er hat noch mal sehr detailliert beschrieben, was die Verfehlungen waren.

Und sprach dann irgendwann so wörtlich, das war der eine Fehler zu viel.

Er erklärt, dass er seinen engsten Mitarbeiter wahrscheinlich auch,

so haben es viele beschrieben,

seinen wichtigsten Mitarbeiter entlassen wird.

Ich habe mich in den letzten Wochen trotz des schweren Fehlers

bei der Diener Neubesetzung vor Patrick Greichen gestellt.

Menschen machen Fehler, jeder und jede von uns.

Er hat ein bisschen leiser gesprochen als sonst,

hat auch etwas gedämpft gewirkt einfach, sah müde aus, aus meiner Sicht.

Es ist eine weitreichende, schwere Entscheidung.

Weitreichend für mein Haus, schwer für mich und sehr hart für Patrick Greichen.

Das hatte sich ja lange hingezogen,

die sogenannte Verwandten- oder auch Greichenaffäre von Habeck.

Und er hat ja lange dem Druck standgehalten,

obwohl er auch aus den eigenen Reihen angegangen worden ist,

also von der Regierungskoalition.

Habeck wollte Greichen einfach lange gar nicht entlassen.

Trotz aller Kritik, wie hat das denn gewirkt?

Im Grunde wurde ja den Grünen unterstellt,

eine Art Familienbetrieb aufgebaut zu haben

im Bundeswirtschaftsministerium.

Und in Teilen konnte man diesem Eindruck

auch nicht mehr wirklich entgegenwirken.

Aber dass Robert Habeck am Ende die zentrale Figur entlassen musste,

mit der Erwehrend der Energiekrise, also im vergangenen Winter,

sehr, sehr eng zusammengearbeitet hat,

sehr viele Stunden Nächte durchgearbeitet hat,

um im Grunde Deutschlands Energiesicherheit zu gewährleisten,

dass viel ihm äußerst schwer.

Das war für ihn sicherlich auch persönlich ein sehr harter Schritt.

Das war also im Mai, es kam schon mal nicht gut an bei der Bevölkerung.

Die Probleme und Baustellen für den Wirtschafts- und Energieminister Habeck,

die waren schon immer gewaltig, eigentlich schon seit seinem Amtsantritt.

Unmittelbar, nach dem Start der Ampel

ging ja nun mal dieser Krieglos der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine.

Und damit verbunden, startete auch unmittelbar diese Energiekrise.

Es kam kein Gas mehr aus Russland.

Ein großer Teil der Gasversorgung war nicht mehr sichergestellt.

Ich erinnere mich noch, wie wir alle auf die Füllstände

in irgendwelchen Gasspeichern geguckt haben.

Die Frage damit verbunden, kommen wir durch den Winter,

müssen wir verzichten, die Öffentlichkeit wurde aufgerufen,

weniger zu duschen, weniger warmes Wasser zu verbrauchen,

auch weniger zu heizen.

Robert Habeck hat da versucht, mit einem guten Beispiel voranzugehen,

hat die Temperaturen im Bundeswirtschaftsministerium

so stark abgesenkt, dass tatsächlich da Leute mit Decken saßen.

Das hat natürlich einen gewissen symbolischen Wert,

aber zweifellos war dieses erste Jahr,

dass Robert Habeck als Wirtschaftsminister verbracht hat,

war sicherlich ungewöhnlich hart

und wahrscheinlich hat kaum jemand seiner Vorgänger

so eine harte Phase durchstehen müssen.

Also, Habeck und die Ampel im Krisenmodus.

Aber wenn wir jetzt die aktuellen schlechten Umfragewerte

von der Koalition ansehen,

welchen Anteil hat Robert Habeck von den Grünen daran?

Also, Robert Habeck hat sicherlich einen Anteil daran,

dass die Ampel so wirkt, wie sie wirkt.

Es gibt sehr viele Einigungskorridore.

Wir haben noch mal viele Schritte unternommen,

um die Möglichkeiten zu erweitern.

Er scheut sich nicht in öffentlichen Äußerungen, in Interviews,

auch den Koalitionspartner oder die Koalitionspartner zu kritisieren.

Wenn man will, kann man zueinander kommen.

Aber man muss es jetzt auch wollen.

Das hat er getan, im Grunde recht stark

jetzt in diesem ganzen Kontext mit dem Heizungsgesetz, mit der FDP.

Aber auch bei der SPD hat er schon das eine oder andere kritisch

auch festgestellt.

Und wenn man nicht will, dann liegt es nicht daran,

dass es nicht einigungsfähig ist,

sondern dass offensichtlich die letzte Energie fehlt,

ist dann letztens zusammenzubringen.

Robert Habeck versucht, stark seine Rolle wahrzunehmen

als Realpolitiker, also zu gucken von all dem,

was wir Grüne wollen, was können wir realistisch

in der Koalition, in der gemeinsamen Regierung umsetzen.

Das Problem ist, dass das oft den Grünen nicht reicht.

Er ist da in erständigen Auseinandersetzungen

zwischen dem, was er sich bereit ist, vorzustellen,

einen Kompromiss wirklich dann auch hinzubekommen.

Und gleichzeitig mit der ständigen Kritik

aus seiner eigenen Partei konfrontiert zu sein,

der das selten reicht.

Das ist sicherlich eine komplizierte Ausgangssituation.

Und deswegen, ich meine, diesen Eindruck erzeugen alle.

Und deswegen hat auch Robert Habeck seinen Anteil daran,

dass die Ampel so wirkt, wie sie gerade wahrgenommen wird.

Habeck's Heizungsprojekt als Teil der Energiewende

ist vorerst ausgebremst.

Der heutige Tag ist der vorläufige Höhepunkt des Streits

zwischen der FDP und den Grünen.

Kurz nachdem die FDP das umstrittene Heizungsgesetz

nicht auf die Tagesordnung des Parlaments lässt,

stellt auch die grüne Fraktionsvorsitzende auf Sturm.

Eigentlich streitet die Ampel, wenn man mal ehrlich ist,

schon seit Monaten über dieses Heizungsgesetz.

Mit dem Gebäudeenergiegesetz von Habeck

soll ja im Prinzip geregelt werden,

wie Gas- und Ölheizungen durch klimafreundlichere Anlagen ersetzt werden.

Von 170 Seiten gehören 120 in die Tonne,

zwittert ein Liberaler.

Die FDP ist eine unzuverlässige, destruktive Klicke,

entgegnet ein Grüner.

Opposition in der Koalität.

Die FDP zweifelt an der Praxistauglichkeit des Gesetzes

und hält die geplante Verabschiedung vor der Sommerpause

für ausgeschlossen.

Diesem Vorwurf muss ich zu Recht ausgesetzt sehen.

Hat gewisse soziale Komponenten nicht mitgedacht.

In einer Zeit, in der die Bevölkerung angespannend ist,

wo Corona noch nicht ganz vergessen ist.

Und die Einschnitte, die jeder in seinem Leben gespürt hat,

dann die steigenden Preise, die Inflationen,

in so einer Zeit ein sehr sensibles Gesetz auf den Weg zu bringen,

was ja wirklich viele Menschen auch ganz persönlich betrifft.

Weil sich Fragen anschließen, wie kann ich das denn umstellen?

Wie kann ich mir das leisten?

Es gab davor schon ein Gesetz,

das mit der Gasumlage auch da waren, grobe,

handwerkliche Fehler festzustellen.

Das kann man alles rechtfertigen über den großen Zeitdruck,

der geherrscht hat.

Aber das hat am Ende ein Fehler gewesen.

Und dass dann die Debatte natürlich medial so eskaliert ist,

dafür kann Robert Habeck weniger was.

Natürlich ist es auch besorgniserregend,

wie teilweise im Boulevard stark verkürzt

und mit Unwahrheiten auf so ein Gesetz reagiert wird.

Das hatte mit Berichterstattung im klassischen Sinne

nur noch recht wenig zu tun.

Der Eindruck, der entstanden ist, war absolut verheerend.

Und hat am Ende dazu geführt,

dass dieser ganze Prozess so kompliziert abgelaufen ist.

Also du sagst dafür, wie groß und in welcher Form

das Ganze dann debattiert wird, konnte er vielleicht nicht so absehen.

Aber du hast gesagt, er hat manche soziale Komponenten nicht bedacht.

Das ist sehr nett ausgedrückt.

Kann man auch sagen, einfach die Stimmung?

Meinst du, er hätte irgendwie ...

War es einfach der falsche Zeitpunkt?

Oder hätte man es anders kommunizieren müssen?

Oder wie wäre es besser gewesen?

Es gibt mittlerweile einige bei den Grünen,

die sagen, dass man solche Vorhaben eigentlich

in der Kommunikation anders gestalten muss.

Also es wird ja dann immer vom Klimaschutz gesprochen.

Und das ist, ich meine, natürlich gibt es eine große Zustimmung

in der Bundesrepublik, dass man grundsätzlich

irgendwie was tun müsste, um den Klimawandel aufzuhalten.

Gleichzeitig ist es aber so, dass ...

Erst mal, wenn ich persönlich betroffen bin

und irgendwie das Szenario im Raum steht,

ich muss irgendwie 50, 60.000 Euro aufbringen,

um mir da jetzt eine neue Heizung einzubauen.

Dann ist dieses Argument mit dem Klimaschutz irgendwie ...

Ja, geht so, denn denken natürlich schon viele Deutsche wahrscheinlich.

Ja, mein Gott, Deutschland am Ende,

ja ein kleines Land im internationalen Vergleich,

was bringt das jetzt, wenn ich mir meine Heizung ausbaue?

Und deswegen gibt es mittlerweile einige Grüne,

die sagen, wir müssen das eher aus der Verbrauchersicht argumentieren.

Wir müssen sagen, es macht für euch Sinn,

diese neue Heizung einzubauen, weil ihr dann künftig

nicht mehr von diesen steigenden Öl- und Gaspreisen betroffen seid.

Ihr tut euch selbst eingefallen, wenn ihr die einbaut.

Und netter Nebeneffekt natürlich, dem Klimaschutz ist es auch dienlich.

Aber alles immer über den Klimaschutz zu argumentieren,

hat offensichtlich nicht verfangen.

Also, handwerkliche Fehler, sagst du,

bis zuletzt noch ungeklärte Details

und ein offener, wirklich beispielloser Streit.

Unter anderem darüber, was Bürgerinnen und Bürgern

zugemutet werden soll.

Das Heizungsgesetz, das ist für Regierungskritiker aktuell,

ist so ein Symbol für Versagen der Regierung.

Es wird als solches hergenommen.

Und es wird auch von einigen gerade auch populistisch ausgeschlachtet.

Aber von ein bisschen mehr als einer Woche,

dann die vorläufige Einigung, der hätte man meinen können,

jetzt wird alles gut.

Im Winter müssen wir unsere Häuser heizen.

Der Bundestag hat heute in erster Zeit

auch ein Stück für Stück gesetzt,

der Ampelkoalition beraten.

SPD, Grüne und FDP haben erst vor 2 Jahren

auf ein Kompromiss mit zahlreichen Änderungen.

Aber heute hat es sich, glaube ich, zu Ende geruckelt.

Und wir haben eine Verständigung gezielt.

Das ist Bundeskanzler Scholz.

Klingt ganz entspannt.

Das war am Tag der Einigung, an dem Tag,

wo die SPD ihre legendäre Spargelfahrt organisiert.

Also, es gibt ein Fest,

was Einigen in der SPD sehr, sehr wichtig ist.

Jahr für Jahr lädt der Seeheimer Kreis,

das ist so der konservative Zirkel bei der SPD,

zu einer Spargelfahrt ein auf dem Berliner Wannsel.

Wie immer werden da auch Vertreter anderer Parteien eingeladen.

Die Wärmewende besorgt auf viele Menschen.

In diesem Jahr war Cem Öztemir von den Grünen mit dabei

und eben Christian Lindner.

Und Christian Lindner hatte sich in seiner Rede nicht nehmen lassen,

den Grünen noch mal ein mitzugeben in diesem Heizungsstreit.

Gibt es auf viele technisch-physikalische Probleme.

Wer wüsste das besser als die Grünen?

Die seit drei Jahren

ihre Parteigeschäftsstelle auf eine Wärmepumpe umstellen wollen.

Entschuldigung, ich hab dafür alles Verständnis.

Das ist eine faszinierende Technologie.

Der Unterschied zwischen den Grünen und mir ist nur,

die Doktern seit drei Jahren an ihrer Wärmepumpe rum

meine Zuhause läuft schon.

Das hat ihm natürlich eine Menge Lacher beschert bei der SPD,

weil, ich sag mal so, da gibt's auch viele gerade im konservativen

Milieu der SPD, die sind manchmal genervt von den Grünen

und von ihren ambitionierten Klimaplänen.

Das heißt, das war für die Situation genau das Richtige.

Aber wenn man sich vorstellt,

dass an dem Tag wirklich Spitzaufknopf dieser Einigung erzielt wurde,

in dem allerletzten Moment,

um es noch vor der Sommerpause ins Parlament zu bringen,

dann kann man sagen, Alter Schwede, das ist schon auch ein bisschen kühn,

ist sozusagen sich da nochmal so über die Grünen lustig zu machen.

Auf der anderen Seite wurde das von allen auch so verstanden,

wie er es vielleicht ja auch gemeint hat, nämlich als ...

Ja, kleiner Diss, aber das war nicht unter der Gürtellinie,

das wurde auch jetzt von Keim da irgendwie als boshaft wahrgenommen.

Aber das ist Christian Lindner's Spezialität im Grunde.

Sehr, sehr feine Spitzen zu senden.

Und da schont er auch nicht seine Partner in der Ampel.

Ja, man ist zwar eine Regierung, aber ja nicht eine Partei.

Also, da wird auch innerhalb der Regierung oponiert.

Ist das klug?

Ja, das ist natürlich so eine tägliche Überlegung,

die auch in den Parteizentralen gemacht werden.

Also, inwieweit stärken wir unser eigenes Profil,

inwieweit bleiben wir erkennbar als Partei, FDP, grüne SPD,

und inwieweit demonstrieren wir aber auch,

dass wir jetzt geschlossen in einer gemeinsamen Regierung zusammenarbeiten.

Das geht mal besser und mal schlechter aus.

Lange Zeit, nachdem die FDP aus diversen Landtagen geflogen ist

und wirklich in den Umfragen auch nicht gut darstand,

dass sie teilweise so an der 5-Prozent-Hürde gekratzt hat,

war offensichtlich die Strategie der FDP eher auf Ersteres zu setzen.

Also, wir sind eine eigenständige Partei.

Und das sind unsere Themen.

Das geht aber auch nur bis zu einem bestimmten Punkt.

Das darf man wirklich nicht überreizen,

weil irgendwann fragen sich natürlich auch viele,

die das Ganze beobachten, sag mal, seid ihr euch eigentlich noch sicher?

Wollt ihr noch Teil dieser Regierung sein?

Oder wollt ihr vielleicht lieber wieder Oppositionsarbeit machen?

Wir müssen natürlich weiterhin so reden.

Das ist ein Balanceakt, der mal besser, mal schlechter gelingt.

Ja, das gilt natürlich eigentlich für alle drei Parteien der Ampel-Regierung.

Wie ist das denn bei Lindner jetzt speziell?

Wie klappt das bei ihm?

Und wie sieht's die eigene Partei, also die FDP-Fraktion in dem Fall?

Christian Lindner hat in seiner Fraktion eine sehr, sehr, sehr starke Spreizung.

Also, da gibt es Menschen, die noch etwas jünger sind,

wie zum Beispiel Konstantin Kuhle oder Johannes Vogel,

die teilweise sehr sozial-liberal argumentieren,

die auch absolut verstehen, dass das Land jetzt transformiert werden muss,

dass Klimaschutz elementar ist,

um irgendwie die nächsten Jahrzehnte noch gut in Deutschland erleben zu können,

die dadurch auch keine großen Konflikte,

zumindest keine größeren Konflikte mit den Grünen haben.

Und dann gibt es aber auch andere Menschen in dieser Fraktion,

z.B. Wolfgang Kubicki, der hat Habeck mit Putin verglichen,

weil er ihm ein diktatorisches Vorgehen vorgeworfen hat.

Dann gibt es da jemanden wie Frank Schäfler,

der sehr gut darin ist, Bündnisse zu schmieden innerhalb der Fraktion,

der im Grunde der stärkste Gegner war, dieser Wärmewende

und dieses Heizungsgesetzes,

der immer bei jeder sich bieten den Gelegenheit gesagt hat,

das muss komplett umgeschrieben werden,

das muss Christian Lindner irgendwie einfangen.

Und da muss Christian Lindner darauf achten,

dass er kein Flügel verliert

und dass beide Flügel ihn noch unterstützen.

Weil es am Ende natürlich auch um seine Position

und damit auch um seine Macht innerhalb der FDP geht.

Mhm. Okay, also das heißt, Christian Lindner könnte man so sagen,

ist so ein bisschen der innerhalb dieser Ampel,

der schon auch ein bisschen den Finger in die Wunde legt

und sich auch vielleicht gerne profiliert.

Macht das aber bestimmt auch,

weil er aufpassen muss, dass da noch der Rückhalt aus der Fraktion ist.

Hab ich jetzt so verstanden, ist deine Wahrnehmung?

Ja, und dabei ist wahrscheinlich das Problem einfach in der Wahrnehmung,

warum einige vielleicht auch bei den Grünen im Problem haben

mit Christian Lindner, er hat manchmal diese sehr gönnerhafte Art.

Er lächelt dann immer so ein bisschen und sagt,

na ja, also ist ja völlig klar, das muss man so und so machen.

Und anders geht's eigentlich auch nicht.

Und übrigens, die schwarze Null steht

und wir werden uns da jetzt auch nicht weiter verschulden und so weiter.

Und ich kann gern noch mal auch den Kolleginnen und Kollegen

in der Ampel erklären, wie das so läuft,

einen Haushalt aufzustellen.

Er hat manchmal dieses, ja, etwas lehrerhafte, gönnerhafte,

besser wisserische.

Und das kommt natürlich selten gut an, wenn man so, ja,

wie soll man sagen, gemanzt planet wird.

Es ist wahrscheinlich nicht immer einfach,

in der Regierung mit so einem Politiker zusammenzuarbeiten.

Also der FDP ist es schon gelungen,

für sie wichtige Punkte einzubringen in die Kompromisse,

auch wenn es oft sehr mühsam ist und für die Partner nicht leicht.

Er spannt den Bogen so weit, bis dieser Kompromiss entstehen kann,

bis Grüne und SPD sagen, alles klar, wir gehen mit.

Und das ist das, was wir jetzt machen,

und das ist das, was wir jetzt machen.

Grüne und SPD sagen, alles klar, wir gehen mit.

Ohne wirklich die Risse so groß werden zu lassen,

dass man nicht mehr zusammenarbeiten kann.

Er spielt da wirklich sehr hart, aber am Ende gelingt es.

Ja, also irgendwo alles sehr konflikträchtige Politiker,

die auch die Emotionen rausfordern.

Wir hatten Habeck von den Grünen und FDP-Chef Lindner.

Fehlt der Dritte.

Schauen wir auf den Bundeskanzler, auf Olaf Scholz.

Den hat man ja erst mal nicht mit großen Emotionen in Verbindung.

Zumindest lange Zeit wurde ihm ja auch oft genug regelrecht vorgeworfen.

Aber Olaf Scholz kann auch anders.

Wissen wir jetzt, seit an Familien.

Olaf Scholz war da auf einer SPD-Veranstaltung

in der Nähe von Berlin in Falkensee

und hat auch über die Ukraine-Politik gesprochen.

Liebe Freie Heide, liebe EU!

Und im Publikum befand sich eine kleine Gruppe an Menschen,

die allerdings sehr laut waren

und sich eine Stunde Olaf Scholz vorgeworfen haben,

Kriegstreiberrei zu betreiben.

Kriegstreiber! Kriegstreiber ist Putin!

Er ist mit 200.000 Soldaten in die Ukraine eingefaschiert!

Und das ist so ein Punkt, der bewegt Olaf Scholz offensichtlich,

weil er sicher für jemanden hält, der sehr behutsam unterwegs ist.

Also sich sehr gut überlegt, was liefern wir, was liefern wir nicht.

Oft ja auch mit dem Vorwurf verbunden,

er würde zögerlich handeln oder so.

Er zerstört Städte, er zerstört Wolfer,

er zerstört Eisenbahnlinien und Autobahnen.

Und er hat unglaublich viele Bürger und Bürger,

Kinder und Alte in der Ukraine getötet.

Ja, aber das ist ja eigentlich untypisch, ne?

Also eigentlich ist er doch jemand,

ich würde sagen, ein ruhiger Typ.

Er leise und zurückgenommen,

jetzt im Vergleich zu Lindner und Habeck vor allen Dingen, oder?

Absolut, also Olaf Scholz ist sachlich.

Man kann auch manchmal sagen, dass er sehr kompliziert spricht,

sehr technisch.

Er ist das, was man einen Aktenfresser nennt.

Er ist tief im Stoff, er liest viel,

und zwar nicht nur Bücher über politische Philosophie,

sondern er ist auch nach allem, was ich höre,

sehr tief in den meisten Themen drin.

Scholzomat, diesen Spitznamen hat er ja vor ein paar Jahren mal angetragen,

weil er eben so leicht roboterhaft und still

und manchmal auch etwas unverständlich spricht.

Sicherlich auch in Deutschland unterschiedlich gut an.

Ich sag mal, alle, die nördlich von Hannover wohnen,

können wahrscheinlich mit seiner Art zu sprechen

deutlich mehr anfangen als Leute aus dem Rheinland oder aus Bayern.

Er ist da einfach, ja, sehr hanseatisch, sehr sachlich,

sehr zurückhaltend.

Das hat man ja auch über die Ex-Kanzlerin

über Angela Merkel oft gesagt, sachlich, zurückhaltend.

Ich weiß noch, dass das bei Jürgen auch durchaus

als positiv wahrgenommen worden ist, diese Sachlichkeit.

Und Olaf Scholz ist jetzt auch so ein Typ

und hat so eine meist zurückhaltende Art.

Das wird von vielen allerdings als Führungsschwäche interpretiert.

Das zeigen eben auch die aktuellen Umfragewerte.

Wenn wir uns zum Beispiel den ARD Deutschland-Trend anschauen,

wieso ist das eigentlich so?

Wieso wird das als politische Inkompetenz ausgelegt?

Die Frage ist natürlich, was ist Führung?

Und du kannst führen, indem du laut bist,

indem du deine Partner öffentlich zurechtweißt

und anmahnst und sagst, wir machen das jetzt übrigens so,

wie ich das möchte?

Oder du führst eher im Hintergrund.

Und Scholz ist absoluter Verfechter, davon im Hintergrund zu führen.

Und ich glaube auch, dass das die richtige Strategie ist.

Er lässt manchmal Dinge sehr weit laufen.

Da sagen dann einige in der politischen Analyse,

ja, das macht er, weil das vielleicht auf die SPD einzahlt.

Das glaube ich gar nicht, weil grundsätzlich so Zerrissenheit

und Streit und lange Diskussion,

glaube ich, jetzt eher als etwas Negatives wahrgenommen werden.

Aber er sieht natürlich sich zwischen zwei Parteien

mit sehr unterschiedlichen Auffassungen.

Und er versucht im Hintergrund,

und es gibt sehr oft diese Runde Scholz, Habeck, Lindner,

also die treffen sich auch häufiger oder stimmen sich häufiger ab,

als wir das so mitbekommen.

Das ist sein Weg.

Sein Weg ist im Grunde, Kompromisse hinzubekommen,

ohne zu stark öffentlich damit in Erscheinung zu treten.

Also Scholz, meinst du, lässt das einfach noch nicht so raushängen,

dass er schon machtpolitisch taktiert und die Koalition auch lenkt.

Weil es Teil seiner Strategie ist, oder warum?

Also, um zu beschreiben, wie er führt und wie er Kompromisse herbeiführt,

er lässt sich das vielleicht so sagen.

Wenn im Kanzleramt manchmal in kleinerer Runde

über bestimmte Themen diskutiert wird,

dann ist das eine bewährte Methode von Olaf Scholz,

hin und wieder mal den Raum zu verlassen,

also im Grunde den Raum wieder zu öffnen,

ohne dass er dabei ist, um die anderen diskutieren zu lassen.

Dann geht er in den Nebenraum, wo vielleicht andere Leute

gerade sprechen über ein anderes Thema, das nennt man Pendeldiplomatie.

Das heißt, er geht von Raum zu Raum, guckt sich an,

wie ist der Sachstand, was muss man den ein vielleicht noch geben,

damit sie sich ein bisschen bewegen.

Darin soll Scholz nach allem, was ich höre, ziemlich gut sein.

Und diese Praxis bewährt sich auch immer wieder.

Also es gibt denn ja immer wieder auch Kompromisse.

Aber es ist Scholz absolut zu wieder

und wahrscheinlich ist es auch machtpolitisch aus der Mode

und vielleicht auch einfach aus der Zeit gefallen zu erwarten.

Da ist einer, der sich vorne hinstellt und rumbrüllt

und mit der Hand auf den Tisch legt.

Kurzfristig kann das vielleicht zu einem Erfolg führen.

Er hat ja einmal dieses Machtwort gesprochen.

Dann sagen jetzt Leute, naja, das könnte er ja häufiger machen.

Also bei allen möglichen Auseinandersetzungen

kommt ja denn irgendwann die Frage, ja, wo ist denn eigentlich der Kanzler?

Kann der nicht jetzt mal ein Machtwort sprechen?

So was nutzt sich irgendwann auch ab.

Und wenn die Partner das Gefühl haben,

unser Interesse wird eigentlich gar nicht mehr wirklich gewürdigt.

Und am Ende kommt da immer der Kanzler und sagt so,

wir machen es jetzt übrigens so, wie ich das möchte.

Basta-Politik aller Gerhard Schröder.

Da würde ich mal die Frage zurückstellen.

Kann so was noch funktionieren heutzutage 2023?

Ich würde da wirklich ein großes Fragezeichen hintermachen.

Also Kanzler Scholz als ruhiger, sachlicher,

eher zurückhaltender Typ, der hinter den Kulissen

um einen Ausgleich bemüht ist.

Aber wenn wir schauen, wie die Ampel nach außen hin wirkt,

dann scheint ihm das nicht so gut gelungen zu sein.

Was letzten Endes rüberkommt, ist eher Zerstrittenheit, Uneinigkeit.

Die kriegen nichts auf die Reihe so nach dem Motto.

Warum kommt das so an und nicht eher die Koalition arbeitet

und ringt um Lösungen?

Ja, da denke ich viel drüber nach in letzter Zeit,

weil es da aus meiner Sicht schon eine Lücke gibt

zwischen dem, was die Ampel tatsächlich erreicht hat.

Also wir haben jetzt gerade eineinhalb Jahre,

gute eineinhalb Jahre rum Ampelkoalition.

Und aus meiner Sicht sind dafür eine ganze Menge

wirklich schon auf den Weg gebracht worden.

Und trotzdem ist das Bild von der Ampel ein wahnsinnig Schlechtes.

Und es gibt sicherlich eine gewisse mediale Faszination

von Rivalitäten, von Streit, von persönlichen Geschichten.

A gegen B und C gegen D und so weiter.

Es gibt natürlich eine sehr, sehr enge mediale Begleitung auch.

Der politischen Blase in Berlin, das heißt,

nach jeder Fraktionssitzung gibt's Statements.

Dann kommt da einer raus, der sagt vielleicht,

irgendwie das Heizungsgesetz ist Murks.

Und auch wenn man sich auf der Sachebene

vielleicht schon relativ einig ist und total weit gekommen ist,

dann dominiert dieses Statement vielleicht wieder

für ein paar Stunden irgendwie die Seiten,

Tagesschau.de, Spiegel online und so weiter.

Dann fühlt sich vielleicht wieder einer von den Grünberufen zu sagen,

nein, das ist gar kein Murks, das ist gut.

Und wir sind uns doch total einig.

Also da wird natürlich auch ein Streit manchmal medial verstärkt

weitergetragen und entspricht vielleicht nicht immer dem tatsächlichen

Streit, den es in der Regierung gibt.

Also, ist die Ampelregierung eigentlich besser als ihr Ruf?

Ich würde sagen, die Ampel ist besser als ihr Ruf.

Denn dieser Koalition gelingt relativ viel.

Ich glaube, dass man da zwei Ebenen voneinander ertrennen muss.

Es gibt einmal die Regierung, also die Ministerinnen und Minister,

die sich mindestens einmal die Woche ja auch alle persönlich treffen

bei der Kabinettsitzung im Bundeskanzleramt.

Nach allem, was ich höre, sind die nicht zerstritten.

Die streiten sich oft, diskutieren sehr oft, aber sind nicht zerstritten.

Da gibt es jetzt keine Beziehungen, die irgendwie wirklich zerbrochen sind,

wo Minister kaum noch miteinander sprechen.

Auch Robert Habeck und Christian Lindner kommen miteinander aus

und mit Scholz geht es auch irgendwie.

Das Problem, wenn man das als Streit sozusagen als Problem beschreiben möchte,

steckt dann eher in den Fraktionen,

weil die Fraktionen vertreten eher die reine Lehre der eigenen Partei.

Und so entsteht, glaube ich, auch in der Diskussion,

denn häufig dieser Eindruck, dieser Uneinigkeit und dieses Streits.

Aber ich glaube schon, dass die Ampel, was die Ministerin und Minister angeht,

nicht so zerstritten ist, wie es manchmal den Eindruck macht.

Auch wenn die Debatten hart geführt werden.

Torben, vielen Dank dir für deine Einschätzung.

Danke dir fürs Zuhören.

Bis dann. Tschau. Tschüss.

Das war 11 km der Tagesschau-Podcast, heute mit Torben Ostermann,

der als Hauptstadt-Korrespondent

unter anderem die Ampel-Koalition genau beobachtet.

Und er hat uns seine Einschätzung erzählt.

Und nach einem Streit ist vor einem Streit aktuelle Entwicklung

rund um die Ampel-Koalition findet ihr,

gut sortiert, immer auf tagesschau.de.

11 km findet ihr in der AID-Audiothek.

Abonniert uns doch gerne, um keine Folge zu verpassen.

Folgenautor ist Marc Hoffmann.

Mitgearbeitet hat Katharina Hübel,

Produktion Christoph von der Werf, Jonas Lasse-Teichmann und Eva Erhardt.

Redaktionsleitung Lena Gürtler und Fumiko Lipp.

11 km ist eine Produktion von BR24 und NDR Info.

Mein Name ist Victoria Michalsack.

Wir hören uns morgen wieder. Tschüss.

Ach, und noch diese eine Sache.

Wenn ihr nach dieser 11 km Folge jetzt wissen wollt,

wie der Alltag als Abgeordneter oder Abgeordneter im Bundestag

denn so aussieht, dann empfehle ich euch den Podcast

Plötzlich Mächtig, das erste Jahr im Bundestag.

Hey, ich bin Birte Sönnigsen vom Podcast Plötzlich Mächtig.

Und wir haben vier neue Abgeordnete

in ihrem ersten Jahr im Bundestag begleitet.

Und die sind da eigentlich mit großen Zielen gestartet.

Rassismus bekämpfen oder Milliarden für Bildung rausholen.

Die haben Selfies gemacht mit dem Bundeskanzler

und Kicken für den FC Bundestag.

Aber dann wirft der russische Angreifskrieg

ihre Pläne über den Haufen und stellt ihre Überzeugung in Frage.

Und die vier spüren plötzlich, wie viel Verantwortung sie haben.

Und merken auch, was der Job mit ihnen und ihrem Privatleben macht.

Ist es das am Ende wert?

Und sind sie mächtig genug, um überhaupt was zu bewegen?

Die sechs Folgen plötzlich mächtig.

Die gibt's in der ARD Audio Take und überall, wo's Podcast gibt.

Wir würden uns freuen, wenn ihr mal rein hört.

Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.

Heizungsstreit und CO: Was ist gerade los in der Ampel-Koalition? Bei 11KM: der tagesschau-Podcast schauen wir, was hinter den Regierungsstreitereien steckt und fragen uns: Können Bundeskanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck nur Zoff oder geht es auch konstruktiver? In der Öffentlichkeit hat sich längst das Bild festgesetzt: Die Ampel-Regierung kann nur im Streit-Modus miteinander umgehen. Im ARD Deutschland-Trend sackt die Ampel-Regierung daher auch auf einen Tiefstwert. 11KM blickt mit ARD-Hauptstadtkorrespondent Torben Ostermann hinter die Kulissen des Berliner Politikbetriebs und kommt zur Erkenntnis: Manchmal funktioniert die Koalition tatsächlich anders als es nach außen wirkt.



Hier bekommt ihr die aktuellen Meldungen zur Ampel-Koalition: https://www.tagesschau.de/thema/ampel-koalition



Hier findet ihr den aktuellen ARD DeutschlandTrend: https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend



Unser Podcast-Tipp: “Plötzlich mächtig - das erste Jahr im Bundestag”:

https://www.ardaudiothek.de/sendung/ploetzlich-maechtig-das-erste-jahr-im-bundestag/12000167/



An dieser Folge waren beteiligt:

Folgenautor: Marc Hoffmann

Mitarbeit: Katharina Hübel

Produktion: Jonas Teichmann, Christoph van der Werff, Christine Dreyer, Eva Ehrhard

Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler

11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info. Die redaktionelle Verantwortung für diese Episode liegt beim BR.