11KM: der tagesschau-Podcast: Deutschlands Moore: Klimakiller oder Hoffnungsträger?
tagesschau 7/12/23 - Episode Page - 27m - PDF Transcript
Nassemore speichern Treibhausgase und schützen damit unser Klima trockengelegte More, aber stoßen
sogar Treibhausgase aus. Und zwar 20 mal mehr als alle deutschen Inlandsflüge pro Jahr zusammen
verursachen. Und fast alle More in Deutschland wurden trockengelegt für die Landwirtschafts.
Mit Blick auf den Klimawandel ein großer Fehler. Kein Land der Erde hat so viel seiner ursprünglichen
Moorfläche entwässert wie Deutschland. Um die Klimaziele überhaupt noch erreichen zu können,
müssten in den nächsten Jahrzehnten hunderttausende Hektar wieder geflutet werden. Die Politik will
das auch umsetzen. Nur bisher ohne konkreten Plan. Und das, obwohl das einen großen Strukturwandel
in Deutschland verursachen wird. Nikolas Goldsch von Radio Bremen war in trockengelegten Moorgebieten.
Er dort Landwirte besucht, die die Flächen als Ackerland nutzen und die nicht wissen,
wie es weitergeht. Er hat den More-Pabs getroffen. Ja, den gibt es wirklich. Und Nikolas hat versucht,
die Politik mit dem Dilemma Klimaschutz vs. Landwirtschaft zu konfrontieren. Hallo Nikolas.
Moin, hallo. Ihr hört 11 km der Tagesschau-Podcast. Ein Thema in aller Tiefe. Heute mal wieder mit
mir. Ich bin Hannes Kunz und heute ist Mittwoch der 12. Juli.
Felix Müller ist ein junger Landwirt, 31 Jahre alt, der vor ein paar Jahren den Hof seines Vaters
übernommen hat. Der Hof ist bei Rastide. Das ist auf dem placken Land gelegen, könnte man so sagen,
niederdeutsche Tiefebene. Man fährt erst mal lange Landstraßen, lange und an dieser Landstraße
liegen vereinzelt die Hilfe. Wie das so ist in Niedersachsen in vielen Regionen und einer davon
ist eben der von Felix Müller. Früher hatte er auch mal ein Schweinemast, dieser alte Schweinestall,
der war noch im Robo aus sich da und den baut er gerade um, um da ein paar seiner Tiere reinzustellen,
damit die einfach mehr Platz haben. Hier müssen wir noch plastern, das ist alles noch nicht so weit,
aber hier ist jetzt unsere Baustelle aktuell. Er zieht Bullen auf, die kriegt er als kleine
Kälber und Mäste, die dann quasi bis sie Schlachtreif sind. Er hat seinen Hof mit den Bullen und
ringsrum liegen ganz viele einzelne Felder, auf denen er Futtererbsen anbaut, auf denen er Hafer
anbaut, auf denen er Gras anbaut, um einfach das Futter für seine Tiere da selber anzubauen.
Den Hof hat er geerbt, hast du gesagt? Genau, der hat er von seinem Vater übernommen, ist jetzt ein paar Jahre
her und er ist jetzt mittlerweile die zwölfte Generation auf diesem Hof, also wirklich ein sehr
traditionsreicher mittelständischer Betrieb in Niedersachsen. Das wäre richtig fatal, wenn nach
zehn Jahren gesagt wird, ich darf das hier alles so nicht mehr und ich hätte dann aber noch offene
Kreditrechnungen bei der Bank offen, sodass wir hier sehr viel eigenes Mittel, also eigen gespartes
Geld eingesetzt haben, was in den letzten Jahren verdient wurde, sodass wir die Bank nicht so
lange auf einen langen Zeitraum beleihen mussten, sondern nur grob etwa die Hälfte. Dieses mögliche
Jahr könnte sein, dass das in zehn Jahren nicht mehr betrieben werden darf, hat schon mit dem Moorschuss zu tun,
also mit dem Moor. Ja. Also so ungefähr die Hälfte seiner Flächen liegt im Moor, das heißt da war mal
Sumpfgebiet, ganz klassisch, wie man sich vorstellt, also blubbernde Landschaften und zugängliche Gebiete,
wo man nicht viel machen konnte, weil es einfach sehr nasser Boden war.
Wenn man da irgendwas reingebaut hätte, wäre sofort versunken. Und das haben die Vorfahren von
Felix Müller irgendwann mal trocken gelegt. Und denen war aber nicht klar, was sie damit anrichten?
Nee, da kann man denen jetzt auch gar keinen Vorwurf machen. Es war tatsächlich, könnte man fast
sagen, Staatsreson damals, dass die Moore wegmüssen. Moore galten für Landschaftsplaner, für Politiker,
bis vor wenigen Jahrzehnten eigentlich noch, als Bauffehler der Natur. Als Bauffehler der Natur.
Bauffehler der Natur ist ein bisschen verständlich. Früher waren Moore mystische Orte, es war gefährlich,
durchs Moor zu gehen, der Mythos der Moor-Leiche ist vielleicht bekannt. Manche Leute sind nie wieder
zurückgekommen, wenn sie ins Moor gegangen sind. Und deswegen hatte man natürlich ein Interesse daran,
diese nutzlosen Flächen aus derer Sicht wegzubekommen, um Siedlung zu bauen, um Landwirtschaft zu
betreiben, Felder anzulegen, Höfe zu bauen und so weiter. Wenn es damals nicht passiert wäre,
wie säßt denn da heute aus? Dann säßt auch heute relativ ursprünglich und natürlich aus und es
wären Gebiete, in die man so nicht reingehen könnte. Wenn man sich das Niedersachsen mal anschaut,
ist das eine relativ große Fläche. Also ungefähr wie mal daum 10 Prozent der Landesfläche sind
Moor-Gebiet. Das heißt, 10 Prozent der Landesfläche Niedersachsens wären dann einfach mal kaum
betretbar und nicht nutzbar. Das heißt also, früher war es Staatsräson zu sagen, die Moore
müssen weg, das ist heute anders. Heute hat man einfach erkannt, das war aus Klima sich zumindest
ein Fehler, damals die Moore zu entwässern. Und ja, man möchte es jetzt rückgängig machen.
Lässt sich das denn beziffern, wie viele Landwirte wir währenden betroffen, wenn jetzt
tatsächlich alle trocken gelegte Moore wieder vernässt würden? Also es wären sehr viele,
das ist das, was man sagen kann. Genaue Zahl ist schwierig zu schätzen. Es gibt zumindest Zahlen
für Niedersachsen, die das Grünland-Zentrum Niedersachsen Bremen mal so grob erhoben hatte und die
gehen davon aus. Wenn man wirklich eine extreme Variante nimmt der Wiedervernäsung, also fast
alles wieder vernässt, dann werden allein in Niedersachsens Küstenregion um die 54.000 Menschen
ihren Arbeitsplatz verlieren. Das sind nicht alles Landwirte, sondern es sind auch Menschen,
die an der Milchwirtschaft dranhängen. Allein in Niedersachsen 54.000. Genau. Lässt sich das
bundesweit sagen oder geht es bei den Mooren tatsächlich, sprechen wir um, hauptsächlich
über Norddeutschland? Wir sprechen zum großen Teil über Norddeutschland. Das ist halt so ein
bisschen diese verschiedene Betroffenheit des Themas. Also in Norddeutschland gibt es sehr
viele Moore. Betroffen sind vor allem Niedersachsen, Nikolay Bovopommern, Brandenburg, Schleswig-Holstein
und im Süden, so im Alpenvorland. Da gibt es auch noch einige Moore. Baden-Württemberg,
Bayernwellen betroffen sein. Alles, was so dazwischen ist, NRW, Hessen, Thüringen, Sachsen,
ist so gut wie nicht mitgetroffen. Der Präsident des Niedersächsischen Bauernverbandes,
Olga Henges, hat es ganz gut zusammengefasst. Früher hat der Staat die Bauern ins Moor geschickt.
Heute will er sie wieder zurückholen aus dem Moor raus. Und Felix Müller schaut wie auf
diese Diskussion? Felix Müller schaut darauf mit sehr großen Sorgen, weil er ganz konkreten nicht
weiß, was das für ihn bedeutet und das kann ihm auch niemand sagen. Er will natürlich gerne wissen,
ist denn sein Hof auch davon betroffen? Wenn wir jetzt mal annehmen, so,
Politik sagt jetzt so, Herr Müller, tut uns leid, wir möchten, dass diese Fläche
wieder vernässt wird. Was würde dann überhaupt passieren? Wir könnten sie nicht mehr bewirtschaften.
Gerade so ein Standort hier. Es würde keine Bewirtschaftung mehr stattfinden. Seine Sorge ist,
dass er seinen Hof quasi aufgeben muss. Also wenn er diese Flächen nicht mehr hat,
die Moor liegen und die Potenzie hier in Frage kommen für die Wiedervernässung, dann kann er
einfach seine Bullen nicht mehr ernähren. Das heißt, dann müsste er sein Hof wahrscheinlich
dichtmachen, zumindest in der Form, wie er ihn jetzt führt. Wie geht er damit um?
Relativ resigniert. Also er bittet die Politik um Antworten, aber die bekommt er im Moment nicht.
Felix Müller habe ich kennengelernt auf einer Fachtagung, die in Bremen war. Die hat der
Bauernverband mal veranstaltet. Das war so im Juli 2022. Und das war quasi so der Auftakt des
Ganzen, weil die Bauern gespürt haben, da kommt gerade irgendwie was hoch. Die Politik will da was
machen, aber wir wissen eigentlich gar nicht genau was. Die Stimmung war relativ gedrückt, könnte
man sagen, als dann die Bauern gehört haben, was sich so die Politik vorstellt, was die Wissenschaft
auch für Forderungen und Vorstellungen hat. Da sind die Landwirte doch relativ resigniert zurückgeblieben,
weil sie gemerkt haben, es gibt eigentlich noch nicht so wirklich Pläne, Konzepte und Ansagen.
Die Politik war da, also ganz konkret auch in Form von Bundeslandtagsminister Jim Esdemir. Auch Landesminister
waren da, aber das Problem ist, die wissen ja selber noch nicht so genau, in welche Richtung es gehen soll.
Felix Müller hat sich da auch beteiligt an der Podiumsdiskussion und da er aufgestanden,
hat gesagt, er hat hier seinen Betrieb, möchte gerne dies weiter tun.
Ich bin Felix Müller, ich bin im Landwirt aus der Gemeinde Rastede Ortschaft Lehmten und ich
möchte gerne meinen Betrieb zu Hause entwickeln. Und würde doch gerne wissen, ob auch sein Hof
irgendwann betroffen ist von einer Widerwarnessung. Ich möchte halt einfach eine klare Ansage haben
und ein Zeitfenster haben. Hat er Antworten bekommen? Nee, keine einzigen.
Die Wissenschaft ist die einzige, die sozusagen ganz klar ist in ihrer Aussage. Die Wissenschaft sagt,
wir müssen so gut wie alle Moore in Deutschland wiedervernessen. Lass uns mal ein bisschen
wissenschaftlich werden und darüber sprechen, warum Moore überhaupt so wichtig für den Klimaschutz
sind. Das Spannende ist ja, Moore sind beides Klimakiller und Hoffnungsträger je nach Zustand.
Ursprünglich, also nass, schonen sie das Klima. Warum? Weil in Mooren ja über die Jahrmillionen
ganz viel Kohlenstoffreiches Material eingelagert worden ist. Zum Beispiel in Niedermoren sind es
eben die Wurzeln von Pflanzen, die abgestorben sind. Das ist alles konserviert worden im Moor. Man
kann sich so ein bisschen vorstellen wie so ein Gurkenfass. Also saure Gurken halten sich auch
ewig, wenn sie eingelegt sind, weil eben kein Sauerstoff dran kommt. Und so ist das bei den
Mooren auch dieses ganze organische Material, was viel Kohlenstoff in sich hat, ist da konserviert
unter Wasser. Dementsprechend bleibt halt auch der Kohlenstoff da drin. Wenn man das jetzt
alles trocken legt, zerfällt das unter der Grasnahme unbemerkt im Untergrund und lässt
eben jedes Jahr sehr, sehr viel CO2 in die Luft, so einandere Treibhausgase. In Zahlen ist das ganz
konkret 53 Millionen Tonnen CO2-Equivalente, werden jedes Jahr durch trocken gelegte Moore in
Deutschland in die Atmosphäre gepustet. 53 Millionen Tonnen, das ist im Vergleich, dass wir
eine Einordnung haben. Ja, es sind sieben Prozent der deutschen Treibhausgasemission, ein bisschen mehr
sogar. Also sieben Prozent der Emissionen, die Deutschland in die Luft bläst, kommen aus entwässerten
Mooren. Das ist mehr als das 20-Fache dessen, was innerdeutsche Flüge in Deutschland in die
Luft blasen. Also wenn man ganz konkret zum Beispiel fordert ein Verbot von Inlandsflügen in
Deutschland, dann ist es 20-mal effektiver, die Moore wiederzuvernessen. Jetzt wurde in Deutschland
ja das mit dem Trockenlegen sehr exzessiv gemacht, 95 Prozent der Moore wurden trocken gelegt. Was sagt
jetzt die Wissenschaft, was nun passieren muss? Wir müssen die Moore wieder vernessen, sonst schaffen
wir erst nicht der Klimaänderung im Griff zu bekommen. Wir müssen noch viel mehr daneben
tun, aber wir müssen auch die Moore angehen. Hans-Jousten ist quasi der Moore-Pabs, so wird er
immer auch bezeichnet und jeden, den ich getroffen habe zu diesem Thema, kennt Hans-Jousten. Und dann
habe ich gedacht, wie kann ich das am kürzesten ausdrücken? Und dann ist diese, also es ist
kein Satz, Moore muss nass rauskommen. Moore muss nass, das ist so sein Schlagwort, das er seit 40
Jahren benutzt und der sagt wirklich, fast alle Moore müssen wieder vernässt werden. Moore muss
nass eingängig. Hat er irgendwann vor 40 Jahren mal ans Ende eines Fachartikels geschrieben und seit
dem hat sich das versebständigt. Das ist auch grammatikal vollständig falsch, aber darum geht
es nicht, es kommuniziert, es drückt genau alles aus, was es sein muss, geht Moore, es muss und was
muss sein nass. Mehr ist nicht notwendig, das ist grammatikal falsch, aber inhaltlich vollständig
effektiv. Also ich glaube, es gibt in Europa keinen Menschen, der so viel über Moore weiß wie
Hans-Jousten und der dieses Thema so zur Lebensaufgabe gemacht hat wie er. Ich habe ihn besucht an seinem
Arbeitsplatz quasi, ist mittlerweile emeritiert, aber immer noch an der Universität aktiv. Das ist
so ein altes Nebengebäude der Universität in Greifswald, sollte eigentlich längst abgerissen
werden, aber Hans-Jousten hat das mit seiner frau auf eigene Faust renoviert und sich darin seine
Moore Bibliothek so nennt er es eingerichtet, ist einfach ein großer Raum, der bis oben hin bis
zur Decke voll geprofft ist mit Büchern aus aller Herren Länder in verschiedenen Sprachen über
die Moore, seine Bewohner, mögliche Wiedernebvernässungsprojekte usw. Und das ist quasi sein Arbeitsplatz,
das ist relativ urig wie er da immer sitzt. Also dieser Raum bis oben hin mit Büchern zugestellt,
mittendrin ein großer Schreibtisch mit noch mehr Büchern drauf und daran sitzt Hans-Jousten.
Hans-Jousten hat selber in den Niederlanden seine Heimat angefangen in einer radikalen
Aktivistengruppe, wo er selber Moore quasi auf eigene Faust geflutet hat. Das war so in den
70er Jahren, als jetzt außerhalb der Wissenschaft noch niemand über dieses Thema gesprochen hat
und hat damit schon für sehr viel Furoro gesorgt. Er ist dann irgendwann ein bisschen gemäßig
da geworden, so könnte man sagen, mit dem Alter, er hat sich in der Wissenschaft betätigt, ist dann
an der Universität Greifswald auch der erste Professor für Moore Kunde geworden, den es überhaupt
gab in Deutschland. Moore muss nass, was sagt er denn, wie schnell das Ganze jetzt gehen sollte?
Weil wir haben letztendlich noch, sag mal, etwas 30 Jahre um das Problem zu lösen. Da muss man
gucken, wann kann der Umstieg oder Ausstieg stattfinden? Wann ist der Zeit gekommen? Wann
kann man einen Bauernbetrieb umbauen? Also wir müssen jetzt ordentlich an Tempo
zulegen. Das ist das, was Hans-Jousten sagt. Hans-Jousten sagt, wir müssen jedes Jahr eine
Fläche widervernessen, jedes Jahr, die so groß ist wie der Bodensee. Gerade erreichen wir das nicht
im Ansatz. Gerade vernessen wir so in Deutschland ungefähr 2.000 Hektar pro Jahr wieder. Fläche
des Bodensees sind um die 50.000 Hektar. Also diese Fläche muss man mal eben vor 25 fachen,
die wir jetzt bisher vernessen. Das lässt sich in 30 Jahre planen, aber man muss jetzt anfangen,
das zu planen und nicht warten, mit einem Kopf in dem Sand oder im Moor bis es 2049 ist und dann
alles in ein halbes Jahr regeln müssen. Das geht nicht. Jetzt mal unabhängig davon, wie viel
jetzt tatsächlich, wie schnell vernetzt werden müsste Felix Müller der Landwirt. Wie blickt
der denn auf diese Diskussion? Felix Müller sagt, Wiedervernessung im Prinzip gute Idee,
aber bevor man das tut, muss man den Landwirten sagen, womit sie dann künftig ihr Geld verdienen
können. Also ob es alternative Geschäftsmodelle gibt, die auch wirklich wirtschaftlich sind.
Und dann müsste man sich erst mal angucken, wo sind denn die Regionen, die wirklich dafür in Frage
kommen. Also wo es zusammenhängende Moorflächen gibt, die man so Wiedervernessen kann, damit man am
Ende auch eine Klimawirkung erzielt. Und gibt es denn die Möglichkeit, so Wiederverneste Moorflächen
zu bewirtschaften? Die gibt es zumindest in der Theorie. Also daran wird gerade geforscht. Das
ist quasi die Idee, die auch auf Anziösten zurückgeht, der mal gesagt hat, Wiederverneste
Moore müssen ja nicht zwangsläufig Naturschutzgebiete sein, sondern Landwirte dürfen die ja ruhig
weiter nutzen, diese Flächen, eben nur unter der Voraussetzung, dass die Flächen bis zur
Oberkante unter Wasser stehen. Man muss ein Wort erfinden, um überhaupt kommunizieren zu können,
um eine Idee vermitteln zu können. So das habe ich in 1998 gedacht, wir müssen ein Wort dafür
Das ist sozusagen die Zukunftsperspektive. Die Wissenschaftler wie Anziösten für Landwirte wie
Felix Müller entworfen haben. Sumpfwirtschaft kann man nicht positiv belebt sein. Das ist unmöglich.
Es muss auch, sagen wir ein bisschen, ein bisschen schaftlich klingen. Palos. Und dann habe ich gesagt,
das muss es sein. Palos lateinisch für Sumpf oder Morast? Palos paludis. Und deshalb heißt es
Paludicultur. Paludicultur. Paludicultur, ja. Paludicultur. Nur noch mal, dass ich es verstehe,
es geht darum, die Moorflächen, die jetzt sozusagen wieder vernässt sind, anders auch zusätzlich zu
nutzen. Was sind das für Beispiele? Also was ist da theoretisch denkbar? Können wir ein kleines
Gedankenexperiment machen? Also die Flächen von Felix Müller würden jetzt wieder geflutet. Das
heißt, das, was er da jetzt anbaut, Futtererbsen, Hafer, Gras, würde dann nicht mehr wachsen. Die
Idee der Wissenschaftler ist, ist, dass er dort zum Beispiel Mose anbauen könnte. Torfmose. Das heißt,
diese Fläche wäre dann vernässt. Man könnte diese Mose, die e-Vorkommen in einem Hochmoor,
dort züchten, ausbringen, wachsen lassen und dann irgendwann abernten. Das wird schon getestet in
Hanghausen. Das ist auch ein Niedersachsen. Da hat die Unigrafswahl so eine Versuchsfläche
eingerichtet. Muss ich das so vorstellen, es sind quasi große Flächen, wo nichts drauf wächst,
also zumindest nichts Hues, außer diesen Mosen. Die werden dort ausgesät oder ausgebracht und dann
kommt in gewissen Abständen ein großer Bagger und erntet diese Flächen ab. Die Mose könnten dann
in gehächteltem Zustand zum Beispiel im Gartenbau eingesetzt werden für die Erde, als Torfersatz,
als Substrate usw. Und was sagt Felix Müller zu der Idee von Paludi Kultur? Ja, der sagt,
das ist ja eigentlich eine schöne Idee, aber es ist halt nicht wirtschaftlich. Und das ist tatsächlich
auch der Haken, woran all diese Geschäftsmodelle, die es gibt oder diese Ideen, die es gibt, scheitern,
dass sie eben nicht wirtschaftlich sind. Also es wird ausprobiert, aber die Landwirte können damit
derzeit noch kein Geld verdienen. Und deswegen fordern sie Geld von der Politik? Genau, sie fordern
Geld von der Politik, weil sie sagen, okay, wenn ihr das wirklich wollt, dass wir unsere Flächen
nicht wieder vernessen, dann müssen wir da ja irgendwie ein Ausgleich bekommen. Weil das ist
nur mal das Land, mit dem wir unseren Beruf ausüben. Und ein Landwirt ohne Land ist ja kein Landwirt mehr.
Bei dieser Fachtagung in Bremen, die du ja miterlebt hast, Cem Özdemir war dort,
der Bundeslandwirtschaftsminister. Was sagt er zu den Forderungen? Cem Özdemir sagt erst mal,
dass es ein gemeinsamer Prozess werden soll. Das hat er betont, das war ihm ganz wichtig.
Es darf kein Gegensatz sein. Die Landwirte sind diejenigen, die besonders unter den Folgen
der Klimakrise leiden. Er sagt, das ist ein Prozess, der noch sehr lange dauern wird. Wir wollen da
auch Geld in die Hand nehmen, aber das Geld ist das eine. Das andere ist natürlich auch,
dass man die Psychologie dabei nicht außer Acht lassen darf. Die Landschaft,
wie wir sie hier im Norden kennen, das ist ja auch harte Arbeit gewesen. Man hat dann Natur was abgerungen.
Er hat sehr viele Allgemeinplätze von sich gegeben und man hat gemerkt, er möchte möglichst wenig
Konkretes sagen, weil er einfach noch nichts Konkretes sagen kann. Er hat sich auch die Sorgen der Landwirte
dann nicht mehr angehört. Er hat eine Rede gehalten, ist dann wieder verschwunden,
aus Termingründen hieß es. Und das ist bei den Landwirten schon relativ sauer aufgestoßen.
Ich wollte gerade sagen, das ist auch so ein bisschen sinnbildlich, vielleicht für den
Umgang der Politik insgesamt mit dem Thema, oder? Dass man es schon irgendwie erkannt hat,
aber nicht so richtig einen Plan hat. So ist es. Das Thema ist natürlich jetzt gerade auch erst
aufgekommen. Das kann man der Politik auch wieder vorwerfen, dass die Politik es einfach viel zu
lange nicht angegangen hat, weil die Ergebnisse der Wissenschaft sind eigentlich schon lange da.
Was gibt es denn überhaupt? Gibt es irgend so was wie einen Fahrplan zumindest?
Nein, den gibt es noch nicht. Also das einzige, was es gibt, ist eine Vereinbarung zwischen Bund
und Ländern, die sagt, wir wollen jedes Jahr fünf Millionen Tonnen CO2 und andere Treibhausgase
einsparen durch MoWiedervernessung. Und Cem Özdemir hat so einen ganz groben Rahmen vorgegeben von
100.000 bis 250.000 Hektar in Deutschland, die wiedervernässt werden können oder sollen. Aber
das ist natürlich eine sehr große Spanne. Und nützt den Landwirten im Prinzip nichts,
weil sie dann immer noch nicht wissen, ist mein Hof denn betroffen oder nicht.
Das heißt, sie wissen nicht, ob das Ganze freiwillig stattfindet, ob sie verpflichtet werden können
dazu? Genau, also die Ansage der Politik, was Cem Özdemir sagt, ist, es soll freiwillig
stattfinden, zumindest erst mal. Aber wenn es jetzt keine wirtschaftlichen Alternativen für
die Landwirte gibt, dann werden jetzt nicht so sehr viele Landwirte bereit sein, das zu machen.
Und wenn die Politik dann merkt, wir erreichen auf freiwilliger Basis unsere Ziele nicht, könnte
es schon sein, dass man irgendwann mit Ordnungsrecht erst mal rankommt, dass man also irgendwelche
Auflagen macht, um das Wirtschaften in den Moren relativ schwierig oder unmöglich zu machen und
das dann in letzter Konsequenz, wenn es denn freiwillig nicht klappen sollte, auch in Eignung drohen.
Hast du nach diesem eher kurzen Auftritt von Cem Özdemir das Landwirtschaftsministerium noch
mal angefragt? Habe ich natürlich, ich wollte noch gerne ein halbes Jahr später ungefähr mit
Özdemir noch mal sprechen, um zu fragen, was hat sich denn verändert jetzt in der Zeit? Für
ein Interview stand er nicht zur Verfügung, Termingründe hieß es da und deswegen habe ich
dann mit der Staatssekretärin zumindest sprechen können, Sylvia Bender quasi seine Stellvertreterin
im Ministerium. Ich habe 30 Minuten mit ihr gesprochen, das Ergebnis war relativ mau, sagen
wir mal so. Also ich habe sie glaube ich zehnmal gefragt, so wie viel Prozent der Moefläche
soll denn jetzt wiedervernest werden und welche Landwirte werden betroffen sein? Was hat sie gesagt?
Die Landwirte sollten sich tatsächlich darauf einstellen, dass es eine Transformation ihrer
Wirtschaftsweise geben muss. Wichtig wäre, dass sie nicht nur auf Ansagen warten, sondern dass sie
genau diesen Weg der Transformation gemeinsam mit uns als Politik auch gestalten, gemeinsam mit der
Gesellschaft gestalten. Also sie hat gesagt, es soll freiwilliger Prozess sein, wir wollen die
Landwirte mitnehmen und wir gucken jetzt, dass wir hier Geschäftsmodelle entwickeln für die
Landwirte, wie sie diese Flächen nutzen können, aber es war alles noch sehr in der Schiebe. Ich
bin ja, ich sage mal, mit 31 Jahren auch noch sehr jung und ich habe ja den größten Teil meiner
beruflichen Tätigkeit noch vor mir, will ich mal sagen. Ich bin ja gerade mal seit 12 oder 13
Jahren gelernter Landwirt und seit sieben Jahren auf dem Betrieb und damals war das kein Thema.
Felix Müller sagt, er fühlt sich alleine gelassen, er fühlt sich im Stich gelassen und
macht sich erst mal große Sorgen um seine Zukunft, weil das ist der Job, den er gelernt hat und auf
den er Bock hat. Generation von Generation konnten da von der Landwirtschaft leben und dann ist man
auf einmal die letzte Generation, weil das nicht mehr möglich ist und das ist ja eigentlich das traurige.
Aber bei dir ist ja die Frage, selbst wenn das irgendwann mal wieder verneßt werden sollte,
dann wirst du ja noch keine 80 sein und in die Rente gehen können, sondern du musst ja
irgendwas noch machen, dann bist du in der Rente. Ja, also das ist dann eine gute Frage, was macht
man dann? Noch bin ich ja auch, sag ich jetzt mal lernfähig oder könnte noch mal irgendwas anderes
machen, aber wenn ich erst mit 50 dann auf einmal aussteigen muss, dann nochmal wieder was anderes
zu machen, dann wird es auch schwieriger. Ich muss bei dieser Morddiskussion auch an den Strukturwandel
in der Braunkohle denken, in den Braunkohle revieren, mit dem Unterschied, dass die Bundesregierung
den Wandel unterstützt mit Milliarden. Ist das vergleichbar aus deiner Sicht? Ja, das ist
vergleichbar. Das sagen auch alle Landwirte, mit denen ich gesprochen habe, auch das Bundesland
Wirtschaftsministerium schließt sich dem an, also auch Sevilla Bender, die Staatssekretärin sagt ja,
das ist mit dem Braunkohle-Ausstieg vergleichbar der Strukturwandel, der ansteht und ist ja auch
nicht so, dass die Politik jetzt gar kein Geld zur Verfügung stellt. Also sie sagt auch ganz klar,
wir werden das finanzieren müssen. Im Moment stehen zum Beispiel vier Milliarden Euro bis
2026 im Raum, das ist in diesem Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz drin, fast Bundesumweltministerin
Steffi Lemke und der Landwirtschaftsminister eben vorgestellt haben, aber die Wissenschaftler und
die Landwirtschaftsvertreter sagen schon, das wird hinten und vorne nicht reichen. Wer wäre denn
betroffen von diesem Strukturwandel? Also direkt natürlich erst mal die Menschen, die an der
Landwirtschaft hängen, die derzeit noch auf entwässerten Moorflächen betrieben wird. Das sind
nicht alles Landwirte, das sind auch Menschen, die einfach in der Milchwirtschaft arbeiten, die
daran hängen an diesen landwirtschaftlichen Arbeitsplätzen, aber wenn man das mal ein bisschen
hochrechnet, kann man sich so grob ausdenken, wie viele Menschen direkt betroffen sein werden.
Das heißt, da steht ein Strukturwandel an, es werden ganze ländliche Regionen wahrscheinlich
dazu gezwungen werden, sich zu verändern. Das ist ein riesiger Strukturwandel, der Milliarden
verschlingen wird und dieses Geld muss ja erst mal irgendwo herkommen. Ist das den Menschen
bewusst? Es wird noch sehr vielen Menschen bewusst werden, was da auf sie zukommt und was die
Politik da eigentlich von ihnen möchte und dann wird es auch Widerstände geben, das sagen die
Landwirte. Also das wird noch sehr viel Unmut hervorrufen in den kommenden Jahrzehnten. Danke dir,
Nikolas. Sehr gerne. Nikolas Golsch von Radio Bremen hat auch eine experimentelle Schilffarm in
einem Niedermord besucht und einen Wasserbüffelzüchter. Auch das sind Möglichkeiten der Parludi-Kultur.
Das gibt es zu hören im ARD-Radiofeature. Den Link in der ARD-Audiothek den findet ihr wie immer in
unseren Shownotes. Auch wir, 11km, sind in der ARD-Audiothek zu Hause. Ihr findet uns aber auch
überall, wo es sonst noch Podcasts gibt. Folgenautor ist Hans-Christoph Böhringer,
mitgearbeitetter Sandro Schröder. Produktion Alex Berge, Jonas Teichmann,
Hannah Brünjes, Gerhard Wichow, Ursula Kirstein und Christiane Gerhäuser Kamp. Redaktionsleitung
Lena Gürtler und Fumiko Lipp. 11km ist eine Produktion von BR24 und NDR Info. Ich bin
Hannes Kunz. Wir hören uns. Ciao.
Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.
Nasse Moore speichern Treibhausgase, trockene Moore stoßen sie aus – zwanzig Mal mehr als innerdeutsche Flüge produzieren. Und kaum ein Land hat so viele Moore für die Landwirtschaft trockengelegt wie Deutschland, Tausende Hektar müssten jetzt für den Klimaschutz wieder vernässt werden. Nikolas Golsch von Radio Bremen erzählt in dieser 11KM-Folge vom Dilemma zwischen Klimaschutz und Landwirtschaft – und der Bundespolitik, die bisher keinen konkreten Plan für das Problem der Landwirte hat, die das trockengelegte Land seit Generationen nutzen.
Das Politik-Magazin Panorama hat gerade eine Recherche zum Thema Moore veröffentlicht - "Die Moorbauern und das Klima":
https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL25kci5kZS9jNmQzOTJjMi0zOWM0LTQ1ZjMtYjk3ZS1iMzRlN2I2MzRjN2E/
Das ARD-Radiofeature von Nikolas Golsch über Moore in Deutschland: https://www.ardaudiothek.de/episode/radiofeature/gefaehrliche-moore-doku-ueber-deutschlands-gruenen-klimakiller/bayern-2/12649561/
Über Alternativen, um Moore trotz Klimaschutz weiter landwirtschaftlich zu nutzen, hat Nikolas Golsch auch beim NDR-Podcast “Mission Klima” gesprochen:
https://www.ardaudiothek.de/episode/mission-klima-loesungen-fuer-die-krise/schilf-statt-acker-so-gelingt-die-wiedervernaessung-von-mooren/ndr-info/12648741/
An dieser 11KM-Folge waren beteiligt:
Folgenautor: Hans Christoph Böhringer
Mitarbeit: Sandro Schroeder
Produktion: Alex Berge, Hanna Brünjes, Gerhard Wicho, Ursula Kirstein und Christiane Gerheuser-Kamp
Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler
11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info. Die redaktionelle Verantwortung für diese Episode liegt beim NDR.