11KM: der tagesschau-Podcast: Der falsche Polizist (Wiederholung)

tagesschau tagesschau 4/6/23 - Episode Page - 26m - PDF Transcript

Hi, ich bin's, Victoria Michalsack. Schön, dass ihr hier seid. FKM ist gerade in Osterpause.

Die nächste neue Folge gibt's hier am Montag, den 17. April. Bis dahin empfehle ich euch hier

folgen. Heute eine, die ich besonders spannend fand. Denn schließlich bekommt man nicht jeden Tag

einen echten Betrüger vor's Mikro, der falsche Polizist, unser FKM vom 2. Februar. Trickbetrüger

am Telefon sagen oft sowas wie, hey Oma, ich stecke in Schwierigkeiten oder sie sagen, guten Tag,

Polizei-Hauptkommissar hier, wir brauchen ihre Hilfe. Am Ende geht's immer um Geld oder um

Wertsachen, die ganz schnell irgendwo übergeben werden müssen. Seltener wird ein Telefonbetrüger

einfach so sagen, ja, ich bin ein Betrüger und es tut mir echt leid. Aber genau das ist in diesem

Fall passiert. Per Zufall kommt die NDR-Investigativreporterin Angelika Henkel in Kontakt mit einem,

der sich Herr Jäger nennt. Er ruft aus dem Ausland an, aus der Türkei. Jäger zockt seine

Opfer ab und hat trotzdem ein schlechtes Gewissen, sagt er. Er trifft sich tatsächlich mit der

Reporterin und gibt ja einen Blick in die organisierte Kriminalität. Eine Welt in der

Telefonbetrug abläuft wie ein Bürojob. Ihr hört FKM der Tagesschau-Podcast, ein Thema in aller

Tiefe. Mein Name ist Victoria Michalsack, heute ist Donnerstag, der 2. Februar. Angelika, ihr habt

ja wirklich nen Betrüger live gegenüber gesessen und der hat euch dann vorgemacht, wie er die Leute

betrügt, ne? Ja, das war ein Ismir, wir haben uns eine kleine Ecke gesucht, wo wir ungestört waren.

Plötzlich setzte er sich anders hin, rückte vorne auf die Stuhlkante, hat ne ganz andere

Körperspannung bekommen und hat dann gesprochen wie ein Polizist. Also er hat Wörter benutzt,

die Polizei benutzt, er hat ganz, ganz andächtig und ruhig plötzlich gesprochen, überzeugend irgendwie.

Und was hat er dann gesagt? Er hat dann gesagt, ja, hier ist Polizeikommissar Jäger. Und leider

muss ich Ihnen mitteilen, dass es einen Einbruch gab in ihrer Nachbarschaft. Es geht um den Einsatz,

der sich heute bei Ihnen in der Nachbarschaft zugetragen hat. Da habe ich ein paar Fragen an Sie.

Wir haben vor kurzem bei Ihnen in der Nachbarschaft zwei Täter verhaftet, ja. Es handelt sich hier um

Rumänen und die waren gerade dabei, bei einer älteren Dame einzubrechen. Haben Sie davon mitbekommen?

So in der Art. Und dieser Betrüger, wie seid ihr an den gekommen?

Also alles begann mit einem Bekannten, einem Mann Anfang 70 aus Hannover, Winfried Wallat. Hallo Winnie.

Hast du mal für Geschichten erlebt, echt? Der saß in seiner Altbauwohnung an seinem Schreibtisch

vor ungefähr einem Jahr und kriegt er dann einen Anruf. Ja, hier ist die Polizei so und so.

Und am Anfang habe ich einen Schreck gekriegt, als er sagte, Kriminalpolizei,

da hatte ich hoch, was habe ich denn angestellt. Und dann meinte er dann, Sie brauchen keine Angst zu haben.

Und Winfried war gleich elektrisiert, denn es ging da um eine Einbruchsbande, die gegenüber offenbar

eingebrochen hatte, eine romänische Bande, wie der Polizist ihm anvertraute. Und einen Teil dieser

Bande hätten sie festnehmen können und da hätte man einen Zettel gefunden, wo Winfrieds Name

vermerkt war und das bei ihm auch was zu holen war. Sie werden wahrscheinlich vielleicht beobachtet,

es ist nicht umsonst, dass Sie auf diesem Zettel da stehen und so weiter, passen Sie mal auf und so.

Und wenn irgendwelche näheren Infos, die wir rauskriegen, vielleicht aus der Vernehmung,

dann werden wir Sie noch weiter informieren, dürfen wir das machen. Okay, also so nach dem

Motto gleich kommen Einbrecher zu Ihnen, wir wollen Sie warnen, so ist das ein bisschen aufgebaut.

Ja, genau so. Er sei in Gefahr und müsste genau aufpassen und dann ging das Gespräch weiter

und man überlege auch, es sei eine Geheimoperation, ob er der Polizei helfen könnte, diese Kriminalität

aufzudecken, man bräuchte seine Hilfe und Winfried hat sich da Gebauchpinsel gefühlt, weil er

wirklich dachte, wow, hier ich kann der Polizei helfen, Verbrecher zu überführen. Okay.

Ja, die Geschichte entwickelte sich dann so, dass erzählt wurde, dass sie auch noch etwas

größerem auf der Spur sein, nämlich einem großen Falschgeldskandal, wo die EZB Banknoten

rausgeben würde und Sie müssten das jetzt dringekontrollieren, ob die Bank die richtigen

Banknoten weitergeben würde, ein bisschen Obstruß. Winfried sollte dann 5.000 Euro

von der Bank abheben und den Polizisten übergehen, damit die feststellen können, ob es die

richtigen Banknoten sein. Und da hat Winfried auch noch dran geglaubt. Es gab dann einen

winzigen kleinen Moment, als gesagt wurde, ja, wir sind hier die Kripo in der Herrschelstraße,

eine Straße im Stadtzentrum und da dachte Winfried Moment, wieso kümmern die sich denn um solche

Deliktsfelder und da kam ihm Zweifel auf. Also ist Winfried wieder nach Hause gegangen und hat

auf den Anruf gewartet, denn der Herr Jäger, wie sich dieser falsche Polizist nannte, wollte

wieder anrufen. Telefon klingelt, Winfried geht ran, ja, hier ist ja wieder der Polizeikommissar

Jäger und dann hat Winfried gesagt, nein, ich glaub ihn nicht mehr. Ich weiß jetzt. Sie sind

einer von diesen ganz gemeinen Trickbetrügern, sie sind ein falscher Polizist. Ja. Wie hat er

reagiert? Dann sagt er, ja, es tut mir leid. Und der Mann am anderen Ende der Leitung sagt, ja,

das stimmt. Und wissen Sie was, ich mach das gar nicht gerne. Es tut mir so leid, dass ich immer

wieder alte Leute um ihr Geld betrüge und wenn ich dachte, was, es gibt es doch wohl nicht. Das

ist wirklich, das ist so unglaublich was. Ja, total überraschend und dann haben sie sich länger

unterhalten über die Situation und dann hat Winfried ganz pleatsch gesagt, wissen Sie was,

ich war doch früher beim Norddeutschen Rundfunk beschäftigt, wenn sie möchten, stelle ich

Kontakt zu Kollegen her und dann können sie erzeigen, ob ihr schlechtes Gewissen groß genug

ist, um ein Interview zu geben. Und sagt der Mann, ja, okay. Das war ich und vor allem ein

Kollege Lars Stuckenberg. Also ihr habt ihm geschrieben, hallo Herr Jäger, hier sind die

Journalisten vom NDR und was hat der geantwortet? Ja, hi. Und dann ging es ein bisschen hin und

her, Smalltalk, so wie man halt so eine Unterhaltung anfängt. Also vor allen Dingen kostbar waren die

zwei Telefonate, die da stattgefunden haben. Er hat immer gesagt, er kann erst nach der Arbeit,

das fanden wir erst ziemlich lustig, haben aber dann kapiert tatsächlich die richtige Arbeitstage,

Arbeitszeiten, in denen er nicht so verfügung steht, weil er da halt seinem Beruf, ich weiß,

seinem Job nachgeht. Erzähl mal, wie war das, als ihr mit dem Telefoniert habt? Ja, hat sich

immer mit Herr Jäger gemeldet. Lars und ich saßen hier gemeinsam beim NDR, das war natürlich

schon abends, überall dunkel, nur noch ein paar Schreibtischlampen an und wir haben über immer

unterschiedliche Messenger telefoniert damit, weil wir ja nicht wussten, das ist mit seiner Leitung

und dann haben wir immer genau versucht zu hören, wo hält er sich auf, weil wir wussten

ja am Anfang nicht, ist er in Osteuropa oder in Spanien oder in der Türkei. Und dann ratten

wir, dass er in einem Supermarkt an der Kasse war und dann wurde da türkisch gesprochen, dann

haben wir uns da halt zusammengereimt, dass er offenbar in der Türkei wohnt. Da sitzen ganz

viele von diesen Banden. Echt? Das ist in der Türkei eine große Sache? Ja, da hat sich eine

Hochburg, vor allen Dingen um die Stadt Ismir, im Westen der Türkei, eine wunderschöne Hafenstadt

am Meer, da hat sich eine Hochburg entwickelt von diesen Leuten. Vor allen Dingen sind das Leute,

die hier aufgewachsen sind, Männer, die... In Deutschland? In Deutschland, deshalb sprechen

die auch relativ gut Deutsch und kennen hier das Polizeivokabular und wie das hier so funktioniert

und mit wem sie da telefonieren, haben sie auch eine Vorstellung. Man vermutet, dass diese Leute

entweder abgeschoben wurden wegen Straftaten, wegen schwerer Straftaten oder dass sie vor der

Strafverfolgung geflüchtet sind dorthin und sich dort das halt wieder als Masche aufgebaut haben,

weil man damit großes Geld verdienen kann. Deutsche Ermittler gehen davon aus, dass es zum

einen Teil so richtige professionelle Callcenter gibt. Das sah man auch aus Bildern von Hausdurchsuchungen,

dass da ja, wie so Anrufboxen, wie so Nischen, ganz viele Anrufer parallel nebeneinander sitzen

und telefonieren, aber man geht auch davon aus, dass es eher so semi-professionelle Banden sein

können in Wohnungen, wo zum Beispiel die Polizei halt auch mittehört, wenn einer reinkommt und sagt,

ich geh mal eben was zu essen holen, wer möchte was, wie man sich das so vorstellt. Also richtig

wie so eine Firma. Ja, es gibt mehrere Rollen, da sieht man auch, wie komplex so ein System ist. Also,

es gibt denjenigen, der Anruf. Der Anruf, der Anruft, 100, 200 Leute am Tag, genannt oft Filterer. Und

wenn dann jemand anbeißt und es gibt die Möglichkeit, dass da was zu holen ist, dann übernimmt

der Abschließer. Der kommt mit einer neuen Rolle ins Spiel, ist jemand, der sehr gut darin ist,

die Menschen dann in Haken zu lassen und weiter unter Druck zu setzen und nebenbei wird dann schon

in Deutschland der nächste Mitarbeiter. Das nächste Bandenmitglied wird informiert. Das ist der Logistiker,

der organisiert dann, wie weit das ist, wie weit man da hinfahren muss und organisiert das ein

Abholer oder eine Abholerin. Das sind auch ganz oft Frauen, dann da hin fährt und klingelt und das

Geld dann abholt als vermeintliche weitere Polizisten. Natürlich aber eine Komplizin. Also

richtige Berufsbezeichnungen, Filterer, Abschließer. Ja, geteilte Rollen, organisierte Kriminalität.

Man geht davon aus, dass die Logistiker Vertrauensleute sind zu den Leuten in der Türkei, dass man

sich schon von früher kennt. Und die Abholer, das sind in der Regel Leute, die das Plankton in

der Nahrungskette drogenabhängige oder Menschen, die ganz dringend Geld brauchen, weil sie spielsüchtig

sind. Die werden manchmal mit Ebay Kleinanzeigen angeworben oder manchmal sieht man auch ein

Laternenfall, 5000 Euro für einfach ein Job. Ich habe mich mal gewundert, aber offenkundig

sind das solche Angebote. Aber es ist doch kein türkisches Phänomen, oder? Also ich meine,

Trigbetrüger gibt es ja überall. Aber das hört sich gerade so an, als wäre es so ganz

spezifisch so ein deutsch-türkisches Phänomen. Also dieses falsche Polizisten, da blicken die

Ermittler tatsächlich ganz viel in die Türkei. Es ist aber so, dass nicht nur Rentner und

Rentnerinnen in Deutschland betroffen sind, sondern auch in Belgien, in den Niederlanden,

überall gibt es diese Betrugsanrufe. Ja, da wo das Geld zu holen ist und in vielen europäischen

Ländern gibt es noch mal viel Geld bei älteren Leuten zu Hause. Wie ging das denn jetzt weiter

mit Herrn Jäger? Ja, irgendwann dachten wir, jetzt müssen wir mal Nägel mit Köpfen machen. Und

dann haben wir ihn gefragt, wo können wir uns am besten treffen. Und dann haben wir uns verabredet

und sind hingeflogen mit einem Billigflieger. Also ihr seid da in Ismir, am Flughafen, oder wo habt

ihr euch mit ihm verabredet? Ja, wir sind in die Innenstadt gefahren und bekamen von ihm dann gesagt,

ja lass uns da und da treffen, an einem großen Platz, stellt euch da mal in die Mitte und dann

dachte ich, oh jetzt hier so ein Katzenmausspiel. Und dann haben wir immer geguckt, aber kam er

noch nicht. Und dann hat er uns geschrieben, ja geht mal da und da hin, den Weg runter, haben wir

gemacht und dann sprach er uns von hinten plötzlich an, denn er hatte Sorge, dass wir verfolgt

werden von der Polizei oder dem türkischen Geheimdiesel, was auch immer, wollte erst mal gucken,

ob uns irgendwer folgt. Klar. Und dann ist er da. Ihr dreht euch um, wer steht da vor euch? Ein

sehr höflicher junger Mann Mitte 20, sage ich mal. Er hatte extra Kleidung und Schuhe angezogen,

die er sonst nicht trägt. Kapuzenpolis, Jeans, schwarze Turnschuhe, ich würde sagen aller Welt's

Look. Wenn du dir den jetzt mal in so Polizeihuniform vorgestellt hast, wär der durchgegangen als

Polizist? Absolut, ja. Echt? Ja und dann haben wir erst mal darüber gesprochen, wie wir dieses

Interview machen wollen und wir haben dann gesprochen, dass wir uns duzen, also ein

Arbeitsduf vereinbart und auch, dass seine Stimme nachgesprochen wird und dass wir dafür sorgen,

dass sein Material gelöscht wird von unserem Server hier, damit niemand Zugriff haben kann,

der das nicht haben soll. Wir wollten ja, dass unsere Aufnahmen so authentisch wie möglich sind

und deshalb war die Frage, wenn wir ihn nachsprechen, wie machen wir das? Und wir haben dann einen

Bekannten gefragt, dem es tatsächlich gelungen ist, mit jedem Irm und Lachen und Zweifeln in der

Stimme Herrn Jäger nachzusprechen. Also alles, was man hört an Tönen von ihm sind nachgesprochenes

Szenen, die aber sehr authentisch sind, weil er es wirklich geschafft hat, die Stimmlagen und die

Stimmungen genau so zu transportieren, wie Herr Jäger sie eingesprochen hatte. Was war dein bester

Abschluss? Mein bester Abschluss war alles, was in meiner Tasche, also am Ende, waren 25 in meiner

Tasche. War das leicht oder hart verdient? Leicht. Es war an einem Tag nicht mal fünf Stunden, wenn man

so überlegt. Jetzt rechnen wir aus 25.000 geteilt durch fünf. Er hat uns auch gezeigt, wie man das

macht. Also er guckt in das Telefonbuch, das örtliche, das gibt es ja auch online und geht dann

so vor, dass er Namen eingebt, älterklingende Namen, wie Winfried zum Beispiel. Das wäre so ein

Klassiker, ne? So ganz einfach, dann geht man auf erweite Suche, sag mal Namen. Raus wieder. Die

Vornamen, okay? Ja, Vornamen, genau. Und dann guckt er, wie kurz die Nummer ist, weil wenn die

Nummern kurz sind, spricht das dafür, dass der Telefonanschluss natürlich auch schon älter ist.

Und manchmal guckt er noch bei Google Maps, was für Straßenzüge drum rum sind, wo die nächste

Polizeivache ist, damit das eine stimmige Geschichte ist, die er präsentieren kann. Oder er weiß dann,

ob Bäume vom Haus stehen oder nicht. Also das richtige Recherche, die er leistet. Wir haben

einen Kollegen gebeten, am anderen Ende der Leitung zu sein, aber in dem Moment, wo das losging,

hat sich Herr Jäger verändert. Der ist in diese Rolle richtig reingeschlüpft. Herr Müller, es geht

um den Einsatz, der sich heute bei Ihnen in der Nachbarschaft zugetragen hat. Da habe ich ein

paar Fragen an Sie. Plötzlich saß er ganz aufrecht und plötzlich sprach er wie so ein

Polizeikommissar. Und leider, Herr Müller, muss ich Ihnen mitteilen, dass Sie da auch mit

aufgelistet wurden. In erster Linie ist bei Ihnen denn irgendwas, worauf es die Täter abgesehen haben.

Also sind bei Ihnen irgendwelche Goldgegenstände, irgendwelche Geldsummen, um Gottes Willen. Woher

wissen die Täter von so was Bescheid? Da konnte ich mir plötzlich schon ein bisschen besser vorstellen,

warum Leute drauf reinfallen. Ja, ja. Ja, also man lernt das auch von Anfang an, wenn man so was

macht, man muss selber davon überzeugt sein. Man muss wirklich in den Filmen kommen. Du bist

jetzt ein Polizist, du rufst jetzt an, du klärst dich jetzt wirklich, es sind wirklich Verbrechen

passiert und du bist dann klein. So muss man reingehen. Im Interview hat er halt beschrieben,

wie geil das ist, wenn es klappt. Und dann fing auch seine Augen an zu leuchten. Also im

einen Moment hat er uns gesagt, dass er ein ganz schlechtes Gewissen hat. Aber in dieser

Moment, wenn das dann funktioniert und die Leute beißen an und man geht immer weiter,

man geht immer weiter. Und dann sagen Sie, wie viele Wertsachen Sie zu Hause haben, dass das

wie so ein Sog ist, das Erfolgs. Und dass das, wenn man dann erfolgreich ist und nur mit seiner

Stimme von der Türkei aus 2.000 Kilometer entfernt Leute dazu gebracht hat, ihr habt

und gut auszuhändigen, dass das dann eine Leistung ist. Keine gute Leistung, keine positive

Leistung, aber ja. Also welchen Eindruck hattest du dann so vor Ort, was überwiegt denn dann da

eigentlich eher die Scham darüber? Er sagt ja, es tut ihm leid, was er da tut. Oder dann doch irgendwie

so eine Art Stolz, dass er das kann. Beides, beides gleichzeitig. Warum gibst du uns dieses

Interview eigentlich? Ich weiß nicht. Also vor allem will ich ein bisschen halt vielleicht ein

bisschen die Leute da draußen informieren, wachröteln. Vielleicht auch so, dass ich ein bestes

Gefühl dann habe. Du hast ein schlechtes Gewissen? Das ist auf jeden Fall. Also ich meine, wer das

macht und sagt, ich habe kein schlechtes Gewissen, der hat kein Gewissen. Er hat gesagt, dass er spürt,

wie einsam die Menschen sind, die er anruft. Dass sich Menschen freuen, wenn die Polizei anruft und

mit ihnen dann redet und dann wie bei unserem bekannten Winfried, sagt, können Sie uns weiter

helfen? Wir wollen hier Verbrecher fassen, dass deine Sehnsucht danach da ist, auch wertgeschätzt

zu werden. Das fand ich bezeichnend, dass er das so entdeckt hatte. Ja, das ist ja auch so eine

Generationensache vielleicht ein bisschen. Als ältere Menschen noch wirklich sehr viel Vertrauen

in die Polizei haben, oder? Ja, absolut. Die Polizei, dein Freund und Helfer, das haben die älteren

Menschen richtig verinnerlicht und was uns Betroffene, die wirklich Geld auch verloren haben,

gesagt haben, ist, dass sie die ganze Zeit unter Druck gesetzt wurden. Also man hat keine Möglichkeit mal

mit dem Gedanken auch nur einen einen Seitentritt zu machen und Zweifel zuzulassen. Weil dank dank

dank. Können Sie einmal nachschauen, ob alles noch am rechten Platz ist? Immer weiter Forderung und

Unterhaltung notwendig ist. Man wird da sehr gebunden und unter Druck gesetzt. Und leider,

muss ich Ihnen mitteilen, dass sie da auch mit aufgelistet wurden. Manchmal werden auch noch

Geräusche eingespielt, also einen Herr, mit dem ich gesprochen habe, der reingefallen ist, der hat

im Hintergrund ganz eindeutig gehört, wie Funksprüche eingespielt wurden in englischer Sprache. Ja, sagt

der Jäger, das ist bei YouTube, kann man Videos abrufen, die sich dann nach Polizei anhören,

wo man so Wocky Talkies hört und so. Richtig gewieft. Richtig gewieft, ja. Es ist ganz verbreitet. Ich

glaube, man muss darüber reden, damit dieses Tabu gebrochen wird und man nicht denkt, ich bin so

ein Depp, ich war der Einzige. Nee, nee, das passiert ziemlich vielen Leuten und es hat nichts mit

Intelligenz, nicht mit Vernunft zu tun. Es ist erstaunlich, aber es funktioniert. Und der Herr Jäger,

der sagt ja, dass er da Reue empfindet, also diese Scham, die er da zumindest zur Hälfte ungefähr

empfindet, nimmst du ihm das eigentlich ab? Er hat ein schlechtes Gewissen, das ist für mich klar,

das stimmt auch, wenngleich seine Vorstellungen von einem Leben so sind, dass sie nicht mit einem

Mindestlohn zu bestreiten sind. Also der möchte später leben, eigentlich fast bürgerlich in

einem Haus mit Hunden und einer großen Familie und dann aber auch mit Pool und mit großem Auto und

da wird schon klar, dass seine Vorstellungen von einem Leben nicht die sind, die man mit einem

normalen Job erreichen kann. Ja, aber ich sage mal, wenn er nicht von alleine aufhört, wenn er

sich jetzt noch nicht so einen Ausstieg gesetzt hat und das ist alles so, wie die Polizei das auch

weiß, meinst du, die fangen den irgendwann? Also es gab jetzt verschiedene Verhaftungswellen in der

Türkei, die Ermittler sind da, also in verschiedenen Dienststellen, in Niedersachsen wird weiter

ermittelt, es gibt überall in Niedersachsen zum Beispiel Dienststellen, die sich mit Straftaten

gegen ältere Menschen abgekürzt im Polizeideutsch, Sam, wo ermittelt wird, ja. Straftaten, ältere

Menschen, SRM. Straftaten zum Nachteil gegen ältere Menschen, ja. Wir haben das auch abgefragt,

also zum Beispiel in sehr mittleren Stadt Braunschweig, in Niedersachsen, da gab es 2022

1300 Anrufe, die die Beamten verzeichnet haben, also Versuche. Wir haben auch die Schadensumme

abgefragt, zum Beispiel in Niedersachsen Höchststand 2022 ist ein Schaden entstanden von 4,5 Millionen

Euro. Wow. Und das ist ja Geld, das fehlt den Senioren, das fehlt auch den Erben der Senioren

und es fehlt auch in unserem Wirtschaftskreislauf irgendwann, die werden einfach hier rausgezogen,

in Bayern Achtung aufgepasst, ein Schaden von 18 Millionen Euro 2022. Also das heißt,

im vergangenen Jahr haben in Bayern Menschen insgesamt 18 Millionen Euro abgehoben von

ihrem Konto und das Verbrechern in die Hand gegeben. Das ist krass. Im Glauben, dass das

halt Staatsanwälte sind oder Bankangestellte oder halt Polizisten. Hallo Herr Wallert. Guten Tag,

Herr Jäger. Guten Tag, Herr Wallert. Alles gut bei Ihnen. Wir haben Winfried angerufen aus der

Türkei gemeinsam mit Herrn Jäger, haben aber natürlich dann die Videokamera ausgestellt,

damit Winfried Herrn Jäger nicht sehen kann. Also Winfried, dein Bekannter, der dich mit dem

Trigbetrüger in Kontakt gebracht hat, die haben dann echt nochmal miteinander telefoniert. Die

haben sich unterhalten und Winfried hatte auch tausend Fragen auf Lager, die er auch noch mal

stellen wollte zum Beispiel. Und Herr Jäger, warum suchen Sie sich denn nicht einen normalen Job?

Und man sah Herrn Jäger an, wie schwierig das ist, weil solche Fragen hat noch nie jemand an

ihn gestellt. Klar, weil er ja sonst nicht konfrontiert wird. Genau. Herr Jäger, ich hoffe,

ich hoffe, dass Sie doch noch mal ein regulierender Job haben und viele arme Leute nicht hinter sich

lassen. Und Ihnen wünscht ich auch alles alles gut, Herr Wallert. Und wie war das jetzt? Ein bisschen

komisch auf jeden Fall, dass man Ihnen auch jetzt gesehen hat. Vorher kannte ich nur sein Stimme und

Bild. Ich glaube, habe ich im Internet gesehen, als ich ihn also angerufen habe, ja. Was soll ich

das sagen? Meinst du, es hat was mit ihm gemacht? Das hat er zumindest gesagt. Ich weiß nicht,

ob es stimmt. Ja, man muss natürlich auch aufpassen, wie viel man professionellen Betrügern

glauben kann. Genau, jemand, der mit seiner Stimme Leute betrügt, der kann natürlich auch uns

betrügen. Ja, klar. Deshalb ist es wichtig, von Angesicht zu Angesicht jemanden zu treffen und

ja auch einen Eindruck zu bekommen in der Recherche. Die ist ja jetzt in dieser Doku gemündet,

die wir gemacht haben. Danach gab es auch Zuschriften, die gefragt haben, ja, und geben Sie jetzt

Ihr Wissen der Polizei weiter. Denn wir haben ja auch mit der Polizei gedreht, wir haben Einblicke

bekommen, aber es sind ja getrennte Rollen. Wir fahren dahin, um besser zu verstehen, um zu informieren

uns und natürlich dann auch unsere Zuschauer und Zuhörer und Zuhörerinnen. Wir wollen verstehen,

mit den verschiedenen Perspektiven reden. Wir sind aber nicht die Helfer von staatlichen

Ermittlungsbehörden. Das müssen die schon selber machen. Die Leute wollten dann wissen,

ob ihr den Herrn Jäger geoutet habt bei der Polizei. Genau, und das tun wir selbstverständlich nicht.

Ich muss auch sagen, die Ermittler, mit denen wir Kontakt hatten, die haben auch nicht danach

gefragt. Das war also professionell von beiden Seiten. Sehr gut. Vielen Dank für diese super

spannende Recherche, diese unglaubliche Geschichte und dass du uns davon erzählt hast. Gerne.

Das war unsere heutige Folge 11km der Tagesschau-Podcast. Angelika Henkel hat mit ihrem Kollegen

Lars Stuckenberg Herrn Jäger getroffen und recherchiert zum Thema Trittbetrug für die NDR-Doku

Tatort-Telefon, wie falsche Polizisten Millionen erbeuten. Die findet ihr in der ARD-Mediathek,

den Link dazu hier in den Show-Notes. Uns findet ihr in der ARD-Audiothek, 11km der Tagesschau-Podcast.

Autor der Folge, Hans-Christoph Böhringer. Mitgearbeitet hat Katharina Hübel, Produktion

Fabian Zweck, Viktor Werresch und Jürgen Kopp. Redaktionelle Leitung, Fumiko Lipp und Lena

Gürtler. FKM ist eine Produktion von BR24 und NDR-Info. Mein Name ist Victoria Michalsack. Wir hören uns. Tschau.

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Ein Anruf bei einem älteren, alleinstehenden Herrn. Die Polizei will seine Hilfe. Aber ist es wirklich die Polizei? Oder nicht vielmehr ein falscher Polizist, ein Trickbetrüger? In unserer Wiederholung der 11KM-Folge vom 2. Februar (wir sind bis 17. April in der Osterpause) ist NDR-Investigativreporterin Angelika Henkel bei Host Victoria Michalczak zu Gast. Ein Trickbetrüger-Anruf hat die NDR-Journalistin nach Izmir gebracht. Dort trifft sie sich mit dem Anrufer. Der falsche Polizist, der sich als “Doktor Jäger” am Telefon meldet, ist hin und her gerissen zwischen Stolz auf sein Handwerk und der Scham über die Abzocke und gibt Einblick in ein Business, das sich gut organisiert und in höchstem Maße professionalisiert hat.



Angelika Henkel hat exklusiv für die ARD über das Thema “Tatort Telefon” berichtet:

https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/falsche-polizisten-103.html

Wer “Doktor Jäger”, den falschen Polizisten, bei der Arbeit erleben möchte, dem sei die halbstündige Fernsehdokumentation von Angelika Henkel empfohlen: https://www.ardmediathek.de/video/doku-und-reportage/tatort-telefon-wie-falsche-polizisten-millionen-erbeuten/ndr/Y3JpZDovL25kci5kZS9hZDc4NzJmMi00ZDMxLTRkNDEtOWNlYi0xYTRlZDRjZWIwMTc



An dieser Folge waren beteiligt:



Autor: Hans Christoph Böhringer



Mitgearbeitet hat: Katharina Hübel



Produktion: Fabian Zweck, Viktor Veress und Jürgen Kopp



Redaktionelle Leitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler



Host: Victoria Michalczak



11KM ist eine Produktion von BR24 und NDR Info. Die redaktionelle Verantwortung für diese Ausgabe liegt beim NDR.