11KM: der tagesschau-Podcast: Das brutale Geschäft mit den ungewollten Kälbchen

tagesschau tagesschau 6/5/23 - Episode Page - 28m - PDF Transcript

Das ist ein Glas Milch. Kuhmilch.

Damit das in meinem Glas landet, braucht es logisch eine Kuh.

Aber auch ein Kälbchen.

Nur die Kälber, die von Milchkühn geboren werden,

sind wirtschaftlich gesehen ein Nebenprodukt.

Eins, dass man schnell loswerden will.

Ein Kalb von einer Milchkuh, das bringt deutschen Bauern nicht viel.

Nicht mal Geld.

In dieser Folge erfahrt ihr,

was deswegen mit den Kälbchen aus deutschen Höfen passiert

und warum sie letztendlich sogar

an einem Kran in einem spanischen Hafenbecken landen können.

Die Kälber, die von Milchkühn geboren werden,

sind wirtschaftlich gesehen ein Nebenprodukt.

Eins, dass man schnell loswerden will.

Ein Kalb von einer Milchkuh, das bringt deutschen Bauern nicht viel.

Und was das mit dem Glas Milch in meiner Hand zu tun hat.

Ihr hört 11 km der Tagesschau-Podcast.

Ein Thema in aller Tiefe.

Zum abonnieren und weitererzählen.

Mein Name ist Victoria Michalsack

und heute ist Montag, der 5. Juni.

Der Fachjournalist Edgar Verheyen

beschäftigt sich schon seit mehr als 20 Jahren

mit allem rund um Tierschutz und Tiertransporte.

Für den SWR hat Edgar jetzt die Spur der Kälber verfolgt.

Mehrere 1.000 km.

Edgar, hallo.

Ja, hallo.

Noch ein Hinweis, bevor es losgeht.

In dieser Folge beschreibt Edgar die teils

otalen Bedingungen während des Transports der Tiere.

Ich war bei einem Biolandwirt

auf der Schwäbischen Alp Frank Sifat,

der einen großen Milchviehbetrieb hat.

Der war erstaunlich offen und ehrlich

auf die Frage, wie er denn die Kälber sieht

und was es für ihn bedeutet, Kälber groß zu ziehen.

Wie soll ich sagen, das ist eine Last.

Das ist ja noch ein Übel, das es gibt.

Im Moment leider.

So muss man es sehen.

Also Kälber als Abfallprodukt,

das war die Haltung, die er hat.

Wieso haben Landwirte ein Problem mit Kälbern?

Was ist da die Problematik?

Es gibt in Deutschland rund 4 Mio. Milchkühe in den Betrieben.

Diese Milchkühe liefern nur dann Milch,

wenn die Kühe auch Kälber zur Welt bringen.

Das heißt, die Tiere müssen ständig rechtlich gehalten werden.

Damit sie Milch geben.

Deutsche Milchkühe bringen im Jahr

rund 3 Mio. Kälber zur Welt.

Wenn diese Kuh jetzt männlichen Nachwuchs bekommt,

dann haben wir hier ein sogenanntes Bullenkalb,

das natürlich keine Milch gibt, wo aber sehr schmal ist.

Also das meibliche Tier ist sehr kräftig, sehr groß,

liefert viel Milch.

Das männliche Tier ist sehr schmal,

hat kaum Fleisch auf den Rippen

und diese Tiere haben keinen Wert.

Wir reden nie von Preisen von 50 Euro bis 120 Euro

für ein Kalb.

Wer bekommt der Landwirt nicht nach 4 Wochen aufzucht?

Das ist wirklich ziemlich wenig.

Wie viel kostet es denn,

dann diese 4 Wochen lang so einen Kalb aufzuziehen?

Also man sagt, zum Schnitt kostet ein Kalb nur an Futterkosten

pro Tag rund 5 Euro.

Seit dem ersten Jahr müssen Landwirte die Tiere 28 Tage

mindestens behalten.

Das sind das alleine Futterkosten von rund 140 Euro.

Das heißt also, wenn der Landwirt eine Summe bekommt

zwischen 50 und 120 Euro für ein solches Bullenkalb,

dann macht er Verlust.

Also mit dem reinen Kälber produzieren sozusagen,

verdient er kein Geld.

Also das ist nicht nur, dass es sich wenig lohnt,

das ist sogar richtig Verlustgeschäft.

Und was machen die Landwirte dann mit denen?

Die Kälber sind ja da.

Ja, es gibt Betriebe, die kommen mit diesem Kostenproblem,

das sie haben nicht zurecht.

Nur gibt es tatsächlich Landwirte,

die lassen die Tiere verenden

und bringen die toten Tiere dann zur Tierkörperbeseitigungsanlage

oder verscharren sie auf dem Grundstück des Hofs.

Ja, aber ganz kurz, du hast jetzt gesagt,

die lassen die verenden, was heißt das?

Wir haben hier ein Fahrer aus Brandenburg,

da hat der Landwirt Kälber angekettet

und dann im Stahl einfach verwungern lassen.

Die sind da 2-3 Tagen, sind solche jungen Kälber tot,

wenn sie keine Nahrungsmittel bekommen

und keine Milch bekommen von der Mutterkuh.

Hast du so was gesehen bei deinen Recherchen?

Ja, also wir haben Bilder bekommen

von der Tierrechtsgruppe Sokotierschutz.

Ich war auch bei dem Landwirt

und habe ihn mit den Aufnahmen konfrontiert.

Und der Landwirt hat bestritten,

dass er die Tiere deswegen angekettet hat,

aber der Fall wurde angezeigt,

dass er der Näheramt hat den Fall untersucht

und er bekam dann ein Bußgeld,

dass er die Möglichkeit geahnt hat.

Okay, also tatsächlich, manche Bauern

lassen die Tiere absichtlich verhungern.

Man muss wissen, Kälber sind erst dann für die Behörden existent,

wenn sie mindestens sieben Tage leben.

Ab dem siebten Tag bekommen sie eine so genannte Ohrmarke,

das ist so eine Ziffernkombination,

die kriegen sie ins Ohr getackert.

Ja, so ein Knopf im Ohr.

Das sieht man genau, woher kommt das Tier aus welchem Bundesland.

Okay, also das heißt, die ersten sieben Tage laufen die Kälber noch

unterm Radar quasi.

Und wie oft kommt das vor, dass da die Tiere verenden, wie du sagst?

Also ich hoffe mal, das ist jetzt nicht Standard.

Es gibt auch Zahlen hierzu.

Die Akademie für Tierschutz hat diese Fälle mal hochgerechnet.

Und die sind darauf gekommen,

dass etwa 600.000 Kälber im Jahr in Deutschland sterben,

weil sie nicht wirtschaftlich zu halten sind.

Also über eine halbe Million Kälber in Deutschland?

Ja.

Allein sterben auf diese Art und Weise?

Weil es sich nicht lohnt, sie aufzuziehen, ja.

Jetzt hast du eben gesagt, wir reden über ungefähr 3 Millionen Kälber.

Was passiert denn mit den übrigen 2,5 Millionen Tieren?

Also ein Teil der Tiere bleibt natürlich auf den Hülfen.

Weibliche Tiere werden für die Nacht zurückgebraucht,

damit die Herden die gleiche Größe behalten.

Aber ein großer Teil geht eben auf die Reise.

Die werden sehr schnell verkauft und werden dann wegtransportiert.

Sie gehen über Belgien, Frankreich nach Spanien.

Ganz schön weit.

So ist das.

Es gibt eine europäische Transportverordnung.

Hier heißt es, die Tiere dürfen 9 Stunden transportiert werden.

Dann müssen sie mindestens eine Stunde ruhen.

Dann dürfen sie wiederum 9 Stunden transportieren.

Das heißt, Transportzeiten von 19 Stunden wären hier nach legal.

Also das heißt, eigentlich dürfen die nicht länger als 19 Stunden unterwegs sein.

Die müssen versorgt werden, die müssen Pausen machen.

Ja.

Aber in Wirklichkeit sieht der Transport aus Sicht eines Kälbchens

ab Deutschland ganz anders aus.

Also wenn die Viehhändler die Kälber abholen bei den Bauernhöfen,

dann bringen die sie sozusagen zu sich nach Hause.

Zu sich nach Hause, das bedeutet, dort gibt es einen großen Stall,

der ist mit Stroh ausgestattet.

Dort werden die Tiere abgeladen und erst einmal untergebracht und versorgt.

Das ist eine sogenannte Sammelstellung.

Okay, also so eine Art Drehkreuz, Umschlagplatz.

Ja, genau.

Am selben Tag noch holt ein anderer Viehhändler die Tiere dort ab.

Also Viehhändler 2 bringt sie wiederum zu einer weiteren Sammelstelle.

Von dort gehen sie dann meistens ins Ausland, in die Niederlande

oder von dort aus weiter über Belgien, Südfrankreich, nach Spanien.

Das sind elendlich lange Transporte, auf denen die Tiere auch nicht versorgt werden.

Es gibt Tiere, die überleben auch diese Transporte nicht.

Diese Transporte sind einfach nur qualvoll für diese Tiere.

Also die Kälber werden nicht versorgt.

Die NGO Animal Welfare Foundation hat mal solche Transporte vom Beginn

bis zum Ende nach Spanien begleitet und hat dabei herausgefunden,

dass diese Transporte bis zu 70 Stunden unterwegs sind,

ohne dass die Tiere mit Milch versorgt würden.

Es handelt sich ja hier um sogenannte nicht abgesetzte Kälber.

Nicht abgesetzt bedeutet, diese Tiere brauchen eigentlich noch die Muttermilch.

In diesen Lkw können diese Tiere aber nicht mit Milch versorgt werden.

Die bekommen dort nur Wasser.

Also eine richtige Versorgung mit lebenswichtigen Bestandteilen bekommen sie nicht.

70 Stunden Fahrt, nur Wasser.

Gibt es da keine Kontrollen, die sowas verhindern können?

Jeder beteiligte Antisentiertransporte ist eigentlich immer nur am nächsten Schritt interessiert.

Also das ist ein Teil des Problems.

Die gesamte Kette bis zum Ende wird von den Veterinärbehörden überhaupt nie kontrolliert.

Und du bist den Kälbern ja ins Ausland gefolgt quasi?

Du bist ja für deine Recherche.

Du bist also bis nach Spanien, wo sie dann hinkommen, hinterher gefahren?

Genau.

Spanien verfügt über sehr große Futtermittel, Anbaugebiete gerade im Norden.

Das ist auch der Grund, warum gerade Katalonien auch so ein Gebiet ist,

in dem viele Massbetriebe sich befinden.

Von dort aus gehen die dann auf die Farmen.

Und eine solche Farm habe ich gesehen und die wird von den Betreibern der Samestelle auch unterhalten.

Der hat etwa 800 Tiere auf dieser Farm.

Und die ganzen jungen Kälbern, die gerade frisch angekommen sind, stehen zum Teil noch in sogenannten Iglus.

Das sind so kleine Boxen, in denen sie sehr warm liegen und stehen können.

Und dieses Tier wird einzeln versorgt mit Futter und Flüssigennahrung und Fisternahrung,

bevor sie dann später dann in den Gruppen gehalten werden.

Also diese Altersgruppe hat ein eigenes Abteil in diesen Farmen.

Die Farmen sind sehr, sehr groß.

Alle Abteile sind mit Stroh ausgestattet.

Also diese Farmen haben einen sehr modernen Standard.

Man muss aber wissen, viele Tiere, die nach so einem Transport in Spanien ankommen,

sind von diesem Transport so geschwächt, dass sie erst einmal mit Antibiotika versorgt werden.

Und dort werden die Tiere dann bis zum Alter von 11, 12 Monaten dann großgezogen, bevor sie dann geschlachtet werden.

Also für die Tiere, für die es in Deutschland, muss man jetzt mal so sagen, keine Verwendung gab,

ist das dann die letzte Station?

Viele der Tiere werden in Spanien geschlachtet, aber eben nicht alle.

Viele werden dann auch von zum Teil arabischen Viehändlern aufgekauft

und werden dann auf Schiffe gebracht, mit denen sie dann in den Nahen Osten gebracht werden.

Moment mal kurz, also die Kälbchen aus Deutschland.

Die haben eine sehr lange Fahrt hinter sich, bis sie in Spanien sind.

Dann sind sie dort mehrere Monate auf einer Farm

und jetzt werden sie weiter transportiert.

Also Tarragona ist der Haupthafen in Katalonien, also im nördlichen Teil Spaniens,

von wo aus Tiere transportiert werden in den Nahen Osten.

Wir waren dort im Herbst und es war ein lauwamer Tag

und als die Tiere dort vorgefahren wurden auf Lkw.

Die Lkw sind regionale Fahrzeuge, die die Tiere von den spanischen Farmen bringen

und die werden sehr schnell ausgeladen.

Also das heißt, dass die Arbeiter von den Schäften stehen an so einer langen Rampe,

haben Schlaginstrumente in der Hand oder auch Elektrotreiber, die über uns nicht zulässig sind.

Das sind so Stäbe, die Elektroschocks abgeben, wie so eine Art elektrische Peite.

Kleine Elektroschocker sind das und auf Knopfdruck wird dann Impuls ausgelöst

und die Tiere kriegen das in das Hinterteil gepiext und das soll die nach vorne treiben.

Diese Rampen, die die Tiere da in die Schiffereien gelotzt werden, sind oftmals sehr, sehr eng.

Sie sind so schmal, dass immer nur ein Tier nach vorne laufen kann

und dann gibt es da immer einen kleinen Stau von hinten drücken, aber die nächsten Tiere schon nach.

Die Tiere brechen dann da teilweise auch aus, verletzten sich gegenseitig

oder laufen auch zurück, weil sie nicht wissen, wo sie jetzt eigentlich hinlaufen sollen.

Weil von hinten stehen diese Arbeiter und drücken mit diesen Elektrotreibern die Tiere nach vorne

oder schlagen sie auch. Also eine einzige Hektik, ein einziges Geschrei.

Die Arbeiter brüllen die Tiere schreien und das führt dann auch zu Verletzungen der Tiere.

Ich habe Aufnahmen gesehen, dass Tiere dann auch aus dieser Rampe,

aus diesem Gehweg in das Schiff ausbrechen und ins Wasser stürzen.

Da wurden also junge Bullen dort mit einem Kran dann an der Kette hängen aus dem Hafenbecken gezogen

und dann hatten sie sich verletzt und wurden dann dann Landtüder notgetötet.

Also solche Fälle habe ich gesehen.

Ist die Situation auf diesem Transportschiff dann wenigstens tierfreundlicher?

Das muss man sich so vorstellen, das sind umgebaute Autofahren,

also wirklich Schiffe, die früher mal als Autofahren gebaut wurden

und umfunktioniert umgebaut für T-Transporte.

Das sind ziemlich groß, 18 bis 100 Meter lang und da passen weit über 2000 Tiere drauf.

In mehreren Etagen sind die dort in kleinen engen Abteils eingepfercht.

Diese Abteils werden oftmals überladen, damit sich das auch lohnt.

Dass das in der EU möglich ist, das wundert mich.

Es ist möglich, es ist möglich, weil diese Schiffe oftmals nicht kontrolliert werden.

Es gab ein paar Audits von EU-Prüfern, die haben sich diese einige Schiffe angeguckt.

Die haben massive Missstände auf den Schiffen festgestellt, aber die Schiffe fahren nach wie vor.

Es wurde auch nicht umgebaut, die Missstände sind nach wie vor dieselben.

Es gibt immer wieder Probleme.

Es sterben auch an Bord der Schiffe während des Transports Tiere.

Wenn Tiere an Bord versterben während der Überfahrt, werden sie meist ins Wasser geworfen.

Einfach ins Meer oder wie?

Werden ins Meer geworfen, werden ins Meer entsorgt.

Die Matros schneiden den meisten noch den Bauch auf, damit sie nicht wieder hochtreiben.

Und dann landen die mehr.

Und das passiert in Spanien, hast du gesagt?

Das passiert auf der Überfahrt von Spanien in den Nahen Osten.

Ja, ich habe Aufnahmen gesehen, die wir von einer israelischen NGO zugeschickt wurden.

Da sieht man einen Strand in der Nähe von Tel Aviv.

Und da liegen tote Kühe am Strand.

Die wurden also angetrieben.

Wer war die von den Schiffen dort weggeworfen oder reingeworfen worden ins Meer?

Und die wurden dann angetrieben an die Küste.

Man sieht da Surfer mit dem Surfbrett am Strand lang spazieren und mittendrin liegt ein toter Bulle.

Also solche Aufnahmen gibt es.

Und die, die noch leben und nicht verletzt sind, die landen dann wo genau?

Also in arabischen Ländern gibt es eine große Nachfrage nach Rindfleisch aus Europa.

Es gibt ja in diesen Ländern kaum eine eigene Zucht.

Es sind doch wenig Futtermittel, sodass eine Aufzucht von Rindern dort viel zu teuer wäre.

Und diese Länder sind auf die Importe aus der EU quasi angewiesen.

Wir sprechen hier vom Libanon, wir sprechen von Gaza, Ägypten, Libyen vor allen Dingen.

Das sind die Hauptabnehmerländer dieser Tiere, die von Spanien kommen.

Diese Tiere werden dort ohne Betäubung geschichtet.

Also Schächten, das ist eine religiöse Praxis, kommt im Judentum und im Islam vor.

Und es heißt Schlachten ohne Betäubung.

Also den Tieren wird bei vollem Bewusstsein die Halsschlagader aufgeschnitten und die bluten dann aus.

In Deutschland ist das nicht möglich, oder?

In Deutschland ist das Schächten nur mit Ausnahmegenehmigung erlaubt.

Ich habe diese Recherche gemacht und habe alle Bundesländer abgefragt, ob es irgendwo eine solche Ausnahmegenehmigung gibt.

Ergebnis der Umfrage ist, es gibt keine einzige Ausnahmegenehmigung in Deutschland.

Also das findet in Deutschland offiziell nicht statt.

Okay, also das heißt in Deutschland ist Schächten eigentlich verboten.

Also für die Kälbchen hier ist die Regel ja gemacht, die sollen eigentlich nicht geschichtet werden.

Richtig, genau so ist das.

Also das heißt auch das sollte eigentlich nicht so sein.

Aber die deutschen Tierschutzregelung werden da einfach umgangen über diesen Weg von Deutschland,

über verschiedene andere Länder, mit den Lkw zuerst, dann mit dem Schiff.

Und schließlich passiert dann was mit Kälbern, was überhaupt nicht gedacht ist.

Wissen die Bauern das eigentlich am Anfang dieser Kette in Deutschland, was mit ihren Kälbern da passiert, die sie verkaufen?

Also ich bin dem nachgegangen, es ist ja so bei den Dreharbeiten im Libanon, da hatte die Gruppe Animals International,

die haben dort in Schlachthöfen gefilmt und die haben mir Aufnahmen zukommen lassen von deutschen Bullen, die dort geschlachtet wurden.

Die Ohrmarken der Tiere wurden auch gefilmt und ich konnte aufgrund der Ohrmarken jetzt nach recherchieren,

aus welchem Bundesland sind die Tiere gekommen und konkret, von welchem Bauernhof.

Ich bin dann zu den Bauern gefahren und das war etwa ein Betrieb in Gesandten am Niederrhein.

Und der Landwirt dort hat mich empfangen, ich habe ihm die Aufnahmen aus dem Libanon vorgeführt.

Er konnte erkennen, dass es ein Rind aus seinem Bestand ist, das als junges Kalb im Alter von 14 Tagen weggebracht wurde.

Und er war sehr entsetzt darüber, dass das Tier am Ende im Libanon auf diese Weise geschichtet wurde.

Wir versuchen eigentlich regional hier zu produzieren und wenn das dann natürlich nachher ins Ausland und soweit der Weg hinter sich im Libanon verschickt wird, können wir doch auch nicht aufgehen.

Also ich könnte jetzt jedes einzelne Tier, ich kann aber nach und nur noch nachvollziehen.

Ich kann ja nicht jedes Tier verfolgen über Datenbanken und Nachfragen, wo es am Ende gelandet ist.

Dafür haben die Betriebe dann auch zu viele Tiere und verkaufen zu viele Kälber, als dass sie diese Recherche machen können. Das macht niemand.

Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen und wir müssen natürlich auch hier, aber das, was ich jetzt gerade gesehen habe, ist natürlich nicht toll. Ganz klar.

Du hast ja insgesamt drei Landwirte konfrontiert mit den Bildern aus dem Libanon. Wie haben die alle so reagiert?

Ich habe die Bauern besucht, ich habe denen die Aufnahmen gezeigt und alle drei waren entsetzt.

Aber einer sagte auch, ich kann den Tieren ja auch hinterher weinen.

Ja, es ist schon schwierig, das finde ich nicht so gut, aber es ist schade.

Tiere sind eine Ware, Tiere sind eine Ware und bei den Preisen muss man sagen, die werden heutzutage verramscht.

Würde mich noch interessieren, gibt es da einen Unterschied bei Bio?

Nein, eben nicht. Ich war auf dem Biobauernhof auf der Schwäbischen Alb und habe den Landwirt auch gefragt, ob er vielleicht mit den Kälbern anders rumgeht,

ob er eine andere Vermarktung hat, wie es bei ihm ausschaut und einige weibliche Behälter für die eigene Nachzucht, aber die Bullenkälber seien für ihn einfach nur ein Problem.

Der Mann war ehrlich, der hat es auf den Burg gebracht.

Also, die Kälber von Milchkühen sind für Bauern ein Verlustgeschäft und sogar ein Übel.

Die Tiere werden bis zu 70 Stunden, also fast drei Tage, durch halb Europa transportiert und hat heils brutalen Bedingungen und viele landen am Ende auf einem anderen Kontinent.

Und das sollte ja eigentlich alles nicht passieren. Was sagen denn die Verantwortlichen aus der Politik dazu, zum Beispiel die Bundesregierung?

Ja, ich habe mit allen Stellen gesprochen in Berlin. Ich habe ein Interview gemacht mit Ophelia Nick.

Das ist die parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium von den Grünen.

Und sie sagte mit Verweis auf die EU, ja, man sei da dran, man sehe das Problem.

Dieses sogenannte Sammelstellenhopping, was Sie benennen, ist auch ein Thema, was nicht erlaubt ist.

Das heißt, wenn Sie davon Kenntnis haben, dass sowas passiert, wären wir auch sehr dankbar, dass Sie uns das melden.

Denn wir haben klare Tierschutzverordnungen, also Transportverordnungen, wie Kälber transportiert werden.

Die kann man sicherlich auch noch verbessern. Aber das, was Sie gerade beschreiben, das entspricht nicht geltendem Recht.

Nur, ich muss sagen, das kann ja die Sache der Journalisten sein, die Behörden hier aufzuklären.

Das müssen Sie schon selber machen. Dafür sind Sie ja christlich da.

Ja, okay, also in Berlin, das war eher ein Nüchtern für dich.

Aber das Landwirtschaftsministerium hat ja auf die EU-Kommission verwiesen. Was sagen die denn?

Auf EU-Ebene habe ich Fragen hingeschickt, habe dann nachgehakt, was man denn zu tun, gedenkt, um diese Transporte besser zu kontrollieren, die Schiffe besser zu kontrollieren.

Dann wurde mir gesagt, ja, man sei da dran, man sehe das Problem.

Wir wollen noch in diesem Jahr das Ziertransportproblem an das Regeln.

Ich frage mich, was man da anders regeln möchte, denn die Regeln sind ja da.

Man muss es einfach nur besser kontrollieren und im Verzug haben wir ein Problem.

Ja, weil ich denke, jetzt eigentlich klingt doch gut, oder?

Also wenn die sagen, ja, okay, wir wollen da was ändern und es soll sogar noch dieses Jahr was gemacht werden, auch von der EU-Kommission aus.

Da sollten in diesem Jahr sich was verändern. Wieso glaubst du, dass das nicht passiert?

Also ich halte es nur für Absichtserklärung und halte es nicht für seriös, was da gesagt wird.

Denn auf EU-Ebene brauchen wir immer einen Kompromiss, eine Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten.

Und die ist bei dem Thema hier schlichtweg nicht gegeben.

Wir haben unterschiedliche Interessen, die Spanier exportieren selber in den Nahenosten.

Wir haben Länder wie Italien, Kroatien, die exportieren Tiere ebenfalls auf die andere Seite des Mittelmeers.

Also es gibt unterschiedlichste Interessen.

Viele Länder, wo eine ganze Industrie davon lebt, dass diese Tiertransporte stattfinden.

Für diesen Hintergrund kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass es hier einen ernsthaften Willen gibt, da etwas zu korrigieren.

Aber dann liegt es ja irgendwie doch daran auch, dass die Nachfrage nach Milch so groß ist.

Brehnt es ja nicht vielleicht doch, wenn wir weniger Milch trinken?

Ja, das macht der Verbraucher ja teilweise schon.

Also der Milchabsatz ist ja zum Teil zurückgegangen, weil ja auch zunehmend alternative Produkte am Markt sind, die auch stark nachgefragt werden.

Soja, Milch, Hafermilch, alles da.

Aber gleichwohl, die Milchmengen sind nach wie vor hoch, sind zu hoch.

Und wie wenn wir den Landwirten das erklären, dass wir weniger produzieren sollen.

Auf den ersten Blick verdienen sie dann ja auch weniger.

Also da kommen die nicht raus.

Es fehlt bei den Einzelnen das Bewusstsein, das große Ganze sozusagen im Blick zu haben.

Und das kann man von den Bauern auch eigentlich nicht erwarten.

Eigentlich muss als erstes mal eine Rundertischschere, wo die ganzen Marktsteilnehmer sich zusammensetzen und versuchen eine Lösung zu finden.

Anders wird es nicht gehen.

Und wie geht es dir eigentlich so vom Gefühl her nach dieser Recherche?

Du hast das alles gesehen, trinkst du noch Milch oder trinkst du noch gerne Milch?

Nein, ich trinke schon lange keine Milch mehr und trinke mein Kaffee schwarz.

Ansonsten nehme ich auch keine Milchprodukte zu mir.

Also auch kein Käse, nichts, das hast du aufgegeben.

Das ist eine Form von Tierausbeutung, die ich nicht unterstütze.

Und ich bin zwar nicht voll komplett vegan, aber jedenfalls versuche ich schon so weit es geht, damit zu steuern.

Aber den Verbraucher kann man auch nicht die Schuld geben an diesem Ganzen.

Der Verbraucher erwartet, dass er ein Produkt bekommt, das rechtskonform produziert wurde.

Dass er auch nicht bei Autos genauso wie bei Milch und bei Fleisch und bei sonst etwas.

Edgar, danke, dass du uns davon erzählt hast.

Gerne.

Das war FKM, der Tagesschau-Podcast.

Hat euch diese Folge gefallen? Dann schickt sie gerne weiter.

Und abonniert uns in der ARD-Audiothek oder überall, wo es Podcasts gibt.

Edgar Verheins Fernsehdoku, die Spur der Kälbchen, findet ihr in der ARD-Mediathek.

Da seht ihr zum Beispiel auch, wie Edgar zu einer Sammelstelle in Belgien fährt

und versucht, mit den Mitarbeitern dort zu sprechen.

Autor dieser Folge ist Sebastian Schwarzenböck.

Mitgearbeitet hat Jasmin Brock, Produktion Konrad Winkler, Victor Werisch,

Ruth Maria Ostermann und Alexander Gerhardt.

Redaktionsleitung Lena Gürtler und Fumiko Lipp.

FKM ist eine Produktion von BR24 und NDR Info.

Mein Name ist Victoria Michalsack.

Wir hören uns morgen wieder.

Ciao, bis dann.

Bis zur nächsten Folge FKM habe ich noch einen Podcast-Tipp für euch,

der sich mit der Frage beschäftigt, wie ähnlich Mensch und Tier sich sind.

Den Podcast Wie die Tiere von Bremen 2 findet ihr in der ARD-Audiothek

und bei uns in den Shownotes.

Hey, ich bin Daniel Kehler und ich bin der Host von Wie die Tiere.

Das ist der Podcast, in dem es alle zwei Wochen darum geht,

wie Tiere so durchs Leben kommen.

Manchmal entdecken wir sogar Gemeinsamkeiten zwischen Tieren und Menschen.

Das mache ich zusammen mit dem Biologen Mario Ludwig,

der so ziemlich alles über die noch so verrücktesten Tiere weiß,

von denen ich teilweise vorher noch nie gehört habe.

Zum Beispiel haben wir mal über Wohngemeinschaften im Tierreich gesprochen.

WGs gibt es nämlich nicht nur bei uns Menschen.

Und da sind Mario direkt die Siedelweber eingefallen.

Die Siedelweber selbst sind so kleine Vögel,

etwa wie ein Spatz, so groß sind auch ganz unscheinbar braunen Gefärb

und sind im südlichen Afrika zu Hause.

Und was machen die die Bauern sogenannte Gemeinschaftsnester?

Und zwar Gemeinschaftsnester, in denen bis zu 150 Familien Platz finden,

also insgesamt 300 Tiere, wenn man von der Paar ausgeht,

und jede Familie verfügt natürlich über ihr eigenes Apartment.

Wie so eine Vogel-WG aufgebaut ist,

darüber sprechen wir bei Wie die Tiere,

aber auch darüber, wie Tiere schwanger werden,

wie sie in noch so schwierigen Umgebungen überleben können

oder wie sie mit Werkzeug arbeiten.

Das gibt es nämlich auch.

Oder wie sie auf Partnersuche gehen.

Da gibt es auch Parallelen zwischen Mensch und Tier

und wie das im Tierreich abläuft

und welches Tier beim Flirten so ein Geräusch macht.

Das hört ihr bei Wie die Tiere.

Alle zwei Wochen neu von Bremen 2 in der ARD Audiothek

und überall sonst, wo es gute Podcasts gibt.

Copyright WDR 2021

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Für Milch braucht es Milchkühe - und Kälbchen. Etwa drei Millionen pro Jahr “entstehen” bei der Milchproduktion. Nur wohin mit den Tieren? Die ungewollten Kälber werden oft schnellstmöglich verkauft und dann geht er los, der lange, meist qualvolle Transport von einem Land ins nächste - trotz EU-Vorgaben, die das eigentlich verhindern sollen. In dieser 11KM-Folge verfolgen wir die Spur deutscher Kälbchen bis in den Libanon mit Edgar Verheyen, der seit über 20 Jahren über Tierschutz und Tiertransporte berichtet.



Hinweis: In dieser Folge wird der Tod von Tieren beschrieben, auch außerhalb des Schlachthofs. Wenn ihr das (gerade) nicht hören wollt, überspringt diese Folge.



Die SWR-Dokumentation von Edgar Verheyen:

https://www.ardmediathek.de/video/betrifft/die-spur-der-kaelbchen-die-schattenseiten-der-milchwirtschaft/swr/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzE4Mzg2Njk



An dieser Folge waren beteiligt:

Folgenautor: Sebastian Schwarzenböck

Mitarbeit: Jasmin Brock

Produktion: Konrad Winkler, Viktor Veress, Ruth-Maria Ostermann, Alexander Gerhardt

Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler

11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info. Für diese Folge ist der BR redaktionell verantwortlich.



Und ihr noch unser Podcast-Tipp in der ARD-Audiothek “Wie die Tiere”:

https://www.ardaudiothek.de/sendung/wie-die-tiere/76488266/