FALTER Radio: Clash der Nationalisten um Kosovo - #953

FALTER FALTER 6/10/23 - Episode Page - 33m - PDF Transcript

Die Fall der Sommergespräche im Wienermuseumsquartier zu den heißen Themen des Jahres.

Mittwoch, den 30. August, nimmt die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler-Platt.

Es geht um die drängende Frage, wie wir die Klimawende schaffen.

Umweltministerin Leonore Gewessler im Gespräch mit Barbara Todt und Katharina Krobshofer.

Mittwoch, den 30. August und 19 Uhr auf der Bühne im großen Hof im Museumsquartier in Wien.

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Sehr herzlich willkommen meine Damen und Herren im Falter Radio.

Von neuem Tob, dem Balkan, der Kampf der Nationalisten und den Kosovo.

In Serbien lente sie ab, die Unabhängigkeit der Republik Kosovo anzuerkennen,

die vor 25 Jahren erkämpft wurde.

Brennpunkt des aktuellen Konflikts jetzt ist der Norden des Kosovo in dem Serben leben.

Eine Minderheit im albanisch dominierten Kosovo.

Und die Serben im Norden akzeptieren die staatlichen Behörden Kosovo nicht

und werden dabei von Belgrad unterstützt.

Ende Mai ist es zu gewaltsamen Zusammenstößen gekommen in Nordkosovo.

Dutzende Soldaten der KV-Friedenstruppe, einer NATO-Einsatstruppe in Kosovo,

wurden von gewalttätigen serbischen Demonstranten angegriffen und zum Teil schwer verletzt.

Diese Eskalation kommt zu einem Zeitpunkt, an dem ein paar 100 Kilometer entfernt in Belgrad

die dortige Regierung des serbischen Präsidenten Aleksandra Bucic ins Bankengerät,

10.000 demonstrieren jede Woche gegen die Regierung Bucic.

Die Sorge ist in Europa, genauso wie in Amerika,

dass in dieser instabilen Situation der Nationalitäten Konflikt zwischen Serben und albanern wieder voll ausbrechen könnte.

Wir versuchen in dieser Sendung die unübersichtliche Lage ein bisschen zu entwirren

und ich freue mich, dass es weiter mit der Mitarbeiterin Nina Brunader ist.

Hallo, Nina Brunader hat aus Belgrad berichtet. Nina, wie angespannt ist diese Situation in Serbien, im Augenblick?

Wie hast du das erlebt?

Ich bin vor zwei Wochen nach Belgrad gefahren, weil Präsident Aleksander Bucic ein historisches Ereignis quasi angekündigt hat.

Er hat zum größten Treffen in der serbischen Geschichte geladen

und dieses Treffen kam nicht von ungefähr. Aleksander Bucic versucht hier eine Flucht nach vorne.

Er steht nämlich massiv unter Druck in Serbien von der Straße

und das, was jetzt passiert in Serbien, ist etwas, was man in Belgrad spöttisch Prebrojavani nennt.

Es wird durchgezählt, wer ist stärker, die Opposition oder Bucic.

Und dass die Situation im Kosovo just an diesem Tag eskaliert ist, als er dieses große Treffen hatte, hat seiner Inszenierung sehr gedient.

Er hat sich inszeniert als der starke Mann, der die Armee in Bereitschaft setzt.

Überall gab es große Fahnen, martialische Märsche wurden gespielt,

Leute, seine Anhänger, die in T-Shirts herumgelaufen sind, mit seinem Konterfall.

Auf auf geheizte nationalistische Stimmung in Belgrad.

Zugeschaltet ist der Balkanexperte Vedran Cic. Willkommen.

Einen schönen guten Tag.

Vedran Cic ist Mitarbeiter im österreichischen Institut für internationale Politik.

Wie groß ist denn international die Sorge, dass diese Lage voll explodieren kann im Kosovo?

Ich glaube, die Sorge in den letzten Tagen war sehr, sehr, sehr ausgeprägt.

Und zwar aus mehreren Gründen.

Einerseits gab es zwar im Kosovo immer wieder Spannungen, aber das auf einmal dutzende Soldaten der NATO-Truppe,

der KFOR verletzt oder steils schwer verletzt werden und auch noch mit Blendgranaten oder mit Handgranaten, das passiert ja auch nicht jeden Tag.

Zweitens hat man im März dieses Jahres nach einer langen Kette von Spannungen den konservarischen Premierminister Albin Kurti und den serbischen Präsidenten Wucic dazu gebracht,

dass sie eine Vereinbarung abschließen, zwar nicht unterzeichnen, aber abschließen und der Vermittlung der USA und der Europäischen Union,

wo sie versprochen haben, dass sie die Beziehungen zueinander normalisieren werden

und schrittweise aus diesem Teufelskreis auch herauskommen möchten.

Und im besten Hofte man tatsächlich im März, als man ihn auch jetzt diese Vereinbarung traf, dass es nun zu einer langfristigen Stabilität in der Region kommen wird

und kaum zwei Monate später hat man dann diese Szenen, die auch auf den Titelseiten der westlichen Medien standen.

Und natürlich ist da die Enttäuschung sehr groß, aber auch die Angst, dass man diesen Teufelskreis aus Gewalt, aus Nationalismen, aus Spannungen nicht durchbrechen wird können.

Jetzt unmittelbar vor Ort, wie ist die Situation da jetzt, diese Zusammenstöße, die gab es Ende Mai, hat sich die Situation beruhigt

oder ist in Wirklichkeit noch immer das Gefühl, das kann jederzeit wieder losgehen?

Es ist derzeit eine gewisse Form von Ruhe, oder besser gesagt angespannter Ruhe, sichtbar und fühlbar.

Es gibt keine Ausschreitungen mehr, aber es gibt auch keinen klaren Weg aus diesem Komplikt heraus.

Also was wir derzeit erleben in den vier Gemeinden sind, die KFO-Soldaten, die weiterhin stationiert sind.

Diese Truppe wurde auch mit 700 weiteren Soldaten, vor allem aus der Türkei, verstärkt.

Das ist auch ein Ausdruck der Sorge des Westens.

Was aber derzeit politisch sehr schwerwiegend ist, es gibt einen starken Druck der Vereinigten Staaten von Amerika auf den konservarischen Pliminister Albin Kurti.

Man will, dass es eine Sonderpolizei aus dem Norden abzieht und man will, dass in diesen vier Gemeinden noch einmal Wahlen stattfinden, wo dann auch die serbische Minderheit teilnehmen kann.

In der Zwischenzeit setzt sich in Serbien die Propaganda in den Boulevard-Medien fort, also Albin Kurti wird nahezu jeden Tag als Bösewicht Nummer eins bezeichnet.

Insgesamt unversöhnliche Haltung der beiden Seiten zueinander.

Ich würde sagen ein ratloser Westen weiterhin und eine angespannte Ruhe im Norden des Kosovoes selbst.

Entzündet hat sich ja dieser Konflikt im Norden des Kosovoes an der Frage, ob gewählte Bürgermeister in diesen vier Gemeinden in ihre Gemeindeämter einziehen können.

Das haben sie versucht und ihre Arbeit aufnehmen können.

Diese Bürgermeister sind dann vertrieben worden durch die serbischen Demonstranten.

Warum ist es zu diesen gewaltsamen Demonstrationen gekommen?

Die Bürgermeister sind ja gewählt, sind demokratisch gewählt.

Warum gewalt gegen demokratisch gewählte Bürgermeister Vedran Cihic?

Erstens war diese Wahl, die nun stattfand am 23.04. war sie von den Serben boykottiert.

Die Wahlbeteiligung war bei 3,5%.

Und die Serben sagen, diese Menschen, die hier gewählt wurden, dass sie noch Kosoval bei Anna, die akzeptieren wir nicht als Legitime Vertreter.

Dem Ganzen ist aber doch eine ganze Kette von Ereignissen vorausgegangen.

Zunächst einmal im November des letzten Jahres hat Wucic de facto angeordnet,

dass sich die Bürgermeister, die serbischen Bürgermeister aus den Ämtern zurückziehen,

dass auch die serbische Polizei, die im Kosovalischen Dienst stand,

dass diese auch die Uniformen auszieht und den Dienst verlässt.

Man hat ja dann die Barrikaden errichtet im Dezember und da gab es ja auch damals diese riesengroße Spannung.

Der Westen hat daraufhin den Dialog eingeleitet und hat auch akzeptiert.

Das muss man auch unterstreichen, dass die Kosoval diese Wahlen abhalten können.

Es gab ja noch vor den Wahlen aus den USA Besseermeldungen,

wo auch die US-amerikanischen Vertreter, auch die Europäische Union gesagt haben,

also man muss nach Verfassung und nach demokratischen Prinzipien folgen und diese Wahl abhalten.

Aus die Wahl dann stattfand und aus Curti interessanterweise sich entschieden hat,

doch den Westen zu reizen und zu testen.

Man sagt, dass ihm die US-amerikaner klar mitgeteilt haben,

er darf nicht mit Gewalt diesen Bürgermeister versuchen zu installieren.

Das hat er dennoch getan und für die USA und für den Westen war das offensichtlich eine rote Linie.

Und die serbische Reaktion war nahezu zu erwarten und vorprogrammiert.

Da hat man bei diesen Protesten, also wo Serben auf die KV-Soldaten eingedroschen sind,

gerade abgeworfen haben, auch viele Menschen aus dem serbischen Polizeidienst gesehen,

auch viele Geheimdienstler.

Und da kann man schon auch sagen, dass hier auch eine orchestrierte Menge,

ein Mob auf die KV-Soldaten losgegangen ist.

Das heißt, hier ist eine Kontextualisierung notwendig, um mal tatsächlich auch zu verstehen,

was jetzt auf dem Spiel steht.

Diese albanischen Bürgermeister in den serbischen Gebieten, die sind jetzt abgezogen worden,

sind nicht mehr in ihren Ämtern.

Das heißt, sie führen ihre Tätigkeit von außerhalb ab,

aber sie sind sozusagen vertrieben worden durch diese Konflikte.

Jetzt, Nina Bernader, wie sehr regt das eigentlich die Menschen in Belgrade noch auf?

Es gibt so viele Probleme in Serbien.

Und das sind doch Fragen, die unmittelbar lokale Bedeutung haben.

Wie sehr hat das noch ein Potenzial, nationalistisch aufzuwühlen, die Menschen in Belgrade?

Also es wirkt vielleicht für Außenstehende vielfach befremdlich,

die Art und Weise, wie in Serbien das Thema Kosovo besprochen wird.

Und es ist tatsächlich ein sehr, sehr wundepunkt innerhalb der serbischen Bevölkerung.

Kosovo ist ein Trauma für Serbien.

Und er ist auch stellvertretend, steht er für alles, was sozusagen Serbien auch verloren hat in den 90er Jahren.

Die serbische Bevölkerung hat auf Nationalismus gesetzt und hat verloren.

Serbien hat diesen Krieg verloren in den Serbensinn, in Kroatien.

Heute eine kleine Minderheit.

Bosnien ist quasi komplett umgewühlt, wenn es auch, selbst wenn es sozusagen auf dieser Republik,

die das einzige ist, was die serbische Politik hervorgebracht hat, aber Montenegro ist heute ein eigenständiger Staat.

Und all diese Dinge sind sozusagen heute noch unverdaut innerhalb der serbischen Bevölkerung.

Und es gibt keine Auseinandersetzung mit diesem Jahrzehnt.

Er würde sehr, sehr viel auch Mutter vor, dann innerhalb der serbischen Bevölkerung nämlich auch einzugestehen,

dass man selbst ja auch an all diesen Dingen Schuld ist.

Und auch zu sagen, Schuld einzugestehen, was man alles an Leid den anderen Bewohnern des ehemaligen Yugoslaviens angetan hat.

Wenn man das mal sagt an Jugendlichen Burschen Dausenden in Srebrenica, ist das irgend ein Thema?

Es ist kein Thema, es wird nicht darüber gesprochen.

Wenn man heute durch Belgrad geht und an Touristen lokalen vorbeigeht,

dann hört man Musik-Lieder, nationalistische Lieder, die aufs übelste Bosnianen-Muslime beschimpfen.

Und man hat das Gefühl, man ist gefangen in den 90er-Jahren, wenn man durch Belgrad geht, teilweise.

Ein trauriges Bild.

Aber der starke Mann Serbians, das ist Alexander Wutschitsch, der Präsident.

Wie ist er zu beschreiben?

Wie muss man denn verstehen?

Autoritärer, nationalist, demagoge, mit Wurzel in der Milosewitzzeit.

Was ist heute seine Stärke und was ist heute seine Position?

Wutschitsch ist natürlich ein Produkt der 90er-Jahre, wie du richtig sagst.

Er ist ein eingefleischter Nationalist, der ein Großserbien propagiert hat in den 90er-Jahren

und Serbien bis an die kroatische Art der Erküste quasi verortet hat.

Das dürfen wir nicht vergessen, die rechte Opposition von Slobodan Milosevic,

der dann wegen Kriegsverbrechen angeklagt wurde.

Er ist natürlich in gewisser Weise zu vergleichen mit Erdogan, wenn man so will,

und Orban.

Aber Erdogan beispielsweise geht dann doch noch mal stärker gegen die Opposition vor,

die in Serbien auch nicht so wahnsinnig gut organisiert ist, wie diese neuen Proteste zeigen.

Die sind nämlich auch überrascht von der Wucht der Proteste, die ausgebrochen sind,

aber darüber können wir noch reden.

Wir verstehen weder am Sieg wie wichtig ist die Person,

dass Alexander Wutschitsch für die gesamte Situation erbalken.

Es ist doch bemerkenswert, dass jetzt auch aus Washington Signale gibt.

Ja, man will mit Wutschitsch sprechen, obwohl er ein Politiker ist,

der dauernd in Richtung Moskau blinkt.

Also Wutschitsch aus der Macht übernahm im Jahr 2012 galt bereits aus jemandem,

der kompromisslos diese Macht auch an sich reißen wird und alles in Bewegung setzen wird,

um tatsächlich diese Gesellschaft zu kontrollieren.

Er hat ja auch als Persönlichkeit messiarische Züge.

Er appelliert dann die Größe, also seiner Persönlichkeit und auch des Volkes.

Und ich habe auch das Gefühl, wenn ich ihm zuhöre und es ja nahezu jeden Tag

in Fernseherkanälen zu sehen, dass er tatsächlich glaubt,

einer der ganz grossen Serben der Geschichte zu sein.

Was aber jenseits der Persönlichkeit steht, ist tatsächlich doch eine tiefe Verburzlung

in einem nationalistischen Diskurs der 90er Jahre.

Er selbst war ja zeitlang auch Witze-Informationsminister in der Regierung Milosewitsch noch in den 90er Jahren.

Und diesen Nationalismus aus der Hickel oder aus Machtmittel hat er nie aufgegeben.

Er hat sich zwar immer wieder als Pragmatiker dargestellt.

Also noch in der Zeit von Angela Merkel hat er es auch geschafft,

dass er aus seinem pragmatischen Politiker aufgefasst und verstanden wird.

Und man hat immer wieder auch vom Westen aus auf ihn aus einem Stabilitätsanker

und aus einem möglicherweise pragmatischen Politiker gesetzt,

der in der Lage sein wird, auch einmal entgegelt, diese leidige Kosswoffrage zu lösen.

Was sich aber dann in der Zwischenzeit herausgestellt hat,

dass dieser Zugang, den man in der Literatur als Stabilitokratie bezeichnet,

also man setzt auf die Autokraten und hofft, dass diese Stabilität liefern,

also dass das eigentlich nach hinten losgeht, Serbien heute,

und um jetzt wirklich zu beschreiben, wie das in Serbien nach hinten losgegangen ist,

Serbien heute ist ein, kann man sagen, kompetitiver, autoritärer Staat,

wo nahezu alle Institutionen von Wuczowiczy und von seiner Partei beherrscht werden,

die mediale Öffentlichkeit, Polizei, Geheimdienste.

Aber das ist keine Diktatur.

Das ist keine Diktatur, es gibt ja noch, wie man das aus der Türkei auch aus Ungarn kennt,

es gibt ja noch die Warn, es gibt die Opposition, die zwar unter Druck gesetzt wird,

aber nicht jetzt schlimm verfolgt wird.

Jetzt gibt es ja ein berühmtes Foto weder an Ciccia, auf dem Wuczic zu sehen ist,

gemeinsam mit dem Ungarn Wiktor Orban und dem österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer,

wobei man sich schon fragt, was der österreichische Bundeskanzler in einer solchen Gesellschaft zu suchen hat,

aber da ist es gegen Flüchtlinge gegangen und da ist offensichtlich auch einem österreichischen Kanzler kein Bündnis zu schwierig.

Wie positioniert sich Wuczic gegenüber Europa und der Europäischen Union?

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Wuczic versucht ja eigentlich rhetorisch immer und auch politisch aus, ist ein Spagat.

Er hat seit Jahren darauf gesetzt, dass er die Beziehungen zu China, zu Russland, aber auch gleichzeitig zum Westen pflegt,

hat eine sehr eigene Beziehung zu Angela Merkel gehabt, aber auch zum russischen Präsidenten Putin, der immer wieder in Belgrade war

und hat den chinesischen Präsidenten Xi Jinping als seinen größten Freund bezeichnet.

Diese Strategie ist mit dem Beginn des Krieges in Ukraine ins Waren geraten.

Also Serbien ist auch weiterhin der einzige Staat auf dem europäischen Kontinent neben Weißrussland,

das keine Sanktionen gegen Russland eingeführt hat.

Und hier ist der Druck des Westens größer geworden auf Serbien.

Man will aus der Perspektive von Washington keine neue oder keine zweite Flanke in Europa aufmachen.

Und deswegen versucht man, und da bin ich auch sehr kritisch in Bezug auf die USA,

man versucht eigentlich zu sehr mit der Wuczic zu kuscheln in dieser Situation.

Man hat auch in den letzten Tagen gesehen, dass zum Beispiel der US-amerikanische Botschafterin Belgrade Christopher Hill

davon gesprochen hat, dass Wuczic ein immer besserer und besserer Partner des Westens wird.

Und was hier ausgeblert wird, ist wirklich die Demokratielage in Serbien.

Serbien ist in den letzten zehn Jahren gemeinsam mit Ungarn, mit der Türkei, eines der Länder gewesen,

das sich am stärksten autokratisiert haben weltweit, das zeigen alle Studien.

Ich möchte dann gleich auch mit Nina Brunner über diese Protestbewegung gegen Wuczic sprechen,

aber weil wir bei Kosovo waren, der Gegenspieler des Wuczic ist Albin Kurti, der kosovarische Regierungschef,

ein Mann, der nicht aus dem Establishment kommt, der ursprünglich so ein bisschen ein Oppositionspolitiker war,

auch als Grüner bezeichnet wurde und nichts zu tun hat mit den Politikern, die aus der UCK,

also aus dem bewaffneten Widerstand herkommen.

Wie ist Albin Kurti zu bezeichnen?

Wie ist er einzuschätzen als Gegenspieler des Wuczic?

Also ich kenne Albin Kurti auch persönlich seit einiger Zeit.

Er hat sehr, sehr starke und klare Prinzipien.

Man könnte auch fast sagen, in seiner Politik auch recht stur manchmal,

weil er ganz einfach überzeugt ist von dem, was er tut, und er ist auch jemand, der nicht korrupt ist.

Das muss man schon sagen, das hat auch jetzt vor einigen Tagen der britische Journalistin Judah gemeint,

warum ist es so schwer, den Druck auf Kurti auszuüben und er meinte deswegen,

weil er ganz einfach nicht korrupt und nicht erpressbar ist.

Das ist ja eigentlich kein Vorwurf, das ist eigentlich ein Kompliment.

Das müsste ein Kompliment sein, aber in dieser derzeitigen Situation, die wir sehen,

sieht man das natürlich auch mit Albin Kurti, der sehr stark auf Souveränität des Kosovo setzt,

auf die territorial Integrität, das mit ihm schwieriger zu verhandeln ist als mit Wuczic und mit den anderen,

weil er sich auf Spiele nicht einstellen lassen will.

Und wie man das gesehen hat, in den letzten Tagen sind die Amerikaner nahezu wild geworden

und haben eigentlich auch fast allein den Albin Kurti in die Schuhe geschoben für die Ereignisse Ende Mai.

Und da sieht man natürlich die große Frage, die sich stellt,

also wird Albin Kurti auch klein beigeben, wird er sich kompromissbereiter zeigen

oder wird er ganz einfach auch gegen der Druck des Wessens seine Politik durchziehen?

Das können wir derzeit, glaube ich, noch nicht verantworten.

Weiß bei den Albanern sehr populär gerade deshalb,

weil er nicht von irgendwelchen Korruptionsvorwürfen betroffen ist?

Ja, also das stärkt seine Popularität und man muss auch wirklich sagen,

dass diese Beziehungen zwischen Albanern und Serben seit Jahrzehnten angespannt sind

und viele Albaner sehen ja in dem eine Figur, die endlich auch dem besten,

aber auch durchaus jetzt hier und vor allem auch Serben, sagt, bis hierher und nicht weiter,

wir lassen uns auf dieses Spielchen nicht heilen.

Und das alles in einer Situation, in der es in Belgrade runter und drüber geht,

Nino Bernada riesige Protestbewegungen seit Wochen gegen Wucic,

die Menschen gehen auf die Straße, gegen den Präsidenten ausgelöst,

wurde diese Bewegung durch Zweitragödie Anfang Mai,

wo in Belgrade ein 13-jähriger Schüler ein Massaker angerichtet hat,

in einer Schule mit Schiller erschossen hat,

Szenen, die man aus den USA traurigerweise kennt, aber nicht in Belgrade

und ein paar Tage später hat es eine ähnliche Szene in einem Dorf gegeben.

Warum erschüttert das und die serbische Bevölkerung in so großem Ausmaß weg?

Gewalt ist ja im Balkan in den letzten Jahren, Jahrzehnten leider immer wieder präsent gewesen.

Ja, also wir haben in Serben eine sehr spezielle Situation.

Wir haben Waffenbesitz in Privathaushalten, der höchste ist in Europa.

Also 40 von 100 Haushalten besitzen zumindest eine Waffe im Schrank,

irgendwo da im Keller oder im Abstandkammerl.

Das ist das eine, das andere ist, es gibt natürlich niemand von den protestierenden Wucic

der Regierung, die schult an diesen Massakern direkt.

Aber was sehr wohl ein Thema ist und was sozusagen auch der Auslöser war von diesen Protesten,

ist die allumfassende, tiefgreifende Gewaltkultur in Serbien,

die massiv gehegt und gepflegt wird von einem Mediensystem,

das Gewalt in Dauerschleife zeigt, einerseits und andererseits ganz klar von Alexander Wucic kontrolliert wird.

In Serbien sehen die Menschen fern, also so viel fern wie in kaum einem anderen Land in Europa

und Wucic läuft dort in Dauerschleife.

Beispielsweise hat die NGO Zürcher herausgefunden oder recherchiert,

dass er 24-mal im Monat vor die TV-Kameras drückt

und dort 3,5 Stunden ohne Unterbrechung spricht.

Das sind Dinge, die sozusagen sehr massiv den Alltag durchdringen

und eine Gewalt normalisieren, die total schädlich ist für das Klima in dem Land

und bevor es diese schrecklichen Tragödien gab, war Serbien in einer Art Appatie gefangen.

Also das hat ganz, ganz viel aufgebrochen und auch die Opposition total überrascht.

Die Opposition, ich habe mit einigen Leuten gesprochen, die wussten eigentlich nicht, wie ihnen geschieht, was da passiert

und ich hatte auch den Eindruck, sie haben auch nicht wirklich eine Ahnung,

wie sie das tatsächlich in politische Erfolge ummünzen könnten, all das, was auf der Straße passiert,

die Proteste, an die sie sich angelehnt haben.

Da ist Wuczic's Position ernsthaft gefährdet, die Opposition geht auf die Straße, demonstriert, okay,

aber ist auch nicht einer Meinung, es gibt pro europäische, demokratische Oppositionelle,

es gibt ultranationalisten, denen der Wuczic zu wenig nationalistisch ist.

Ist er gefährdet jetzt in seiner Stellung?

Das Interessante ist, die Opposition fordert eigentlich aktiv gar nicht Neubalen, was bemerkenswert ist

und das hat natürlich einen Grund. Sie wissen, sie hätten keine fairen Bedingungen für einen Wettbewerb der Ideen

und der politischen Ansichten, weil nämlich das mediale System so dermaßen kontrolliert wird vom System Wuczic.

Genau deswegen ist auch quasi Kern, Forderung der Proteste, eine Ungestaltung des Mediensystems,

konkret eine Neubesetzung der Regulationsbehörde für elektronische Medien.

Wir dürfen nicht vergessen, in Serbien gibt es Wuczic nahe Medien, die einst eine Lizenz bekommen haben

als TV-Sender für Kinderprogramm und heute Reality Shows zeigen, in denen Frauen geschlagen werden

und kriminelle erklären, wie man jemanden wirkt, erwirkt, ohne dabei Spuren zu hinterlassen.

Also das ist Serbien 2023. Und die Opposition hat da schwierige Chancen.

Zurück zur Situation im Kosovo, Bedran Cic, wie kann es weitergehen?

Es gibt die Vermittlungsversuche oder die Beruhigungsversuche aus Washington, aus Brüssel,

aber auf der anderen Seite mehrere hundert zusätzliche Soldaten aus der Türkei.

Man sieht Bilder von türkischem Kriegsmaterial, das danach Kosovo gebracht werden.

Wie sind die Chancen auf eine Entspannung in der jetzigen Situation?

Naja, gerade diese Bilder von neuen KV-Truppen und die Vermittlungsversuche, die zugleich laufen,

zeigen, dass der Westen doch einigermaßen ratlos ist und vor allem auch die europäische Diplomatie eingesehen hat,

dass sie wirklich in den letzten Monaten und auch Jahren, muss man schon sagen, nicht unbedingt sehr erfolgreich war.

Warum es jetzt geht? Die Prognosen sind sehr schwer.

Es geht um eine unmittelbare Beruhigung der Situation und um eine Deeskalation.

Also das, was jetzt versucht wird, ich glaube, der nächste Unmittelbauschnitt müsste dann sein,

dass in diesen Gemeinden neue Wahlen stattfinden, dass man versucht, dass auch die serbische Seite an diesen Wahlen teilnimmt.

Und im Gleichschritt, und das ist eben der große Elefantin in diesem Raum, im Porzellanladen,

fast schon, es geht um die Bildung eines Gemeindeverbands, serbischer Gemeinden,

der seit einiger Zeit auf dem Tisch steht und wo die Kosovalische Seite sich bereits 2015 verpflichtet hat,

diese Autonomie für die Serbengewissermaßen auch einzurichten.

Das ist eigentlich der Kern des derzeitigen Streits.

Alexander Wucic verlangt zunächst einmal die Bildung eines solchen Gemeindeverbands und dann die Wahlen zuzulassen.

Und Albin Kurti besteht darauf, dass ein serbischer Gemeindeverband zwar eingerichtet werden kann,

aber eben eher der Kosovalische Verfassung entsprechen muss.

Es gibt die große Angst, dass sich etwas wiederholt, was wir aus Bosnien und Herzegovina kennen,

die Bildung einer Einheit, die heißt Repudika Sipska,

wo Sessionsforderungen seitens der serbischen Seite an der Tagesordnung stehen

und wo eigentlich der bossische Staat kaum einen Zugriff auf diese Entität hat.

Das mag oder möchte Albin Kurti verhindern.

Also ich sehe derzeit keinen unmittelbaren Ausgang aus dieser Situation.

Also ich sehe jetzt nur die Möglichkeit, zu dieser Vereinbarung von Ochritz nochmal zurückzugehen.

Das war der Kompromiss, der zwischen Wucic und Kurti ausgehandelt wurde vor ein paar Monaten in der Zwischenzeit,

der aber dann nie umgesetzt wurde.

Genau, am 18.03. gab es eben diesen Kompromiss, der wurde nie umgesetzt.

Und in diesem Kompromiss, der meiner Meinung nach für keine der beiden Seiten wirklich optimal ist,

hat sich Serbian eigentlich de facto verpflichtet, Kosovo über kurz oder lang anzuerkennen.

Also das kann und will Wucic in dieser Situation, wo er sehr hinterstaatlich unter Druck befindet, nicht tun.

Er braucht den Kosovo, seine Mobilisierungsmaschinerie.

Er braucht diesen Nationalismus.

Und aus dieser Perspektive sehe ich eigentlich jetzt wirklich nur den Versuch, das einmal zu beruhigen.

Und dann im nächsten Schritt, da müssten sich sowohl die US-Amerikaner als auch die Europäer nochmal zusammenraufen

und versuchen, die beiden Seiten auf den Tisch zu bringen.

Und denen auch tatsächlich was anzubieten langfristig.

Und das sehe ich als großes Problem, die Perspektive der EU-Erweiterung,

die eigentlich dazu dienen sollte, dass es hier auch Reformen gibt, dass sich diese Staaten bewegen.

Die bleibt für den Westpark ganz mehr für diese beiden Staaten vorkommen aus.

Um die Dimensionen nur im Kopf zu haben, Serbien hat 7 Millionen Einwohner.

Der Kosovo 2 Millionen und die serbische Minderheit in der Republik Kosovo sind 10 Prozent,

ungefähr der 2 Millionen, also 200.000.

Das waren Einblicke und Ausblicke, in die nicht ganz einfache Situation auf dem Balkan,

die aber uns in Österreich sehr nahe ist und immer wieder betrifft.

Ich bedanke mich sehr herzlich für dieses Gespräch.

Danke für Ihr Interesse.

Ich verabschiede mich von allen, die uns auf UKW hören, im Freirad Kirol und auf Radio Agora in Kärnten.

Aktuelles von den Entwicklungen auf dem Balkan, aber nicht nur dort,

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Daher empfehle ich ein Abonnentesfalter.

Alle Informationen gibt es im Internet unter der Adresse www.abo.falter.at.

Ursula Winterauer hat die Signation gestaltet.

Miriam Hübel betreut dieser Tage die Audio-Technik im Falter.

Ich verabschiede mich bis zur nächsten Sendung.

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