11KM: der tagesschau-Podcast: Auf den Spuren eines Milliardenbetrugs

tagesschau tagesschau 10/18/23 - Episode Page - 28m - PDF Transcript

Hey, ich bin's, Victoria. Heute ein ganz anderes Thema von uns. Falls ihr mal Pause braucht

von der aktuellen Nachrichtenlage. Und jetzt geht's los.

Es ist eine riesige Betrugsmaschinerie. Und mit ihr wurden hunderte Millionen, vielleicht

sogar über eine Milliarde Euro erbeutet. Und obwohl es mehrere Verhaftungen gab, obwohl

die Masche aufgeflogen ist, beschäftigt dieser Fall die Ermittler bis heute. Denn es geht weiter.

Niklas Rech und Karoline Uhe vom Recherchteam des Saarlandischen Rundfunks haben den Fall über

vier Jahre begleitet, beim Sammeln der Beweise und auf der Suche nach weiteren Hintermännern.

In dieser Folge 11KM erzählt Niklas, wie sie der Spur der Täter in den Kosovo gefolgt sind.

Warum kann so ein Betrugssystem da so viele junge Menschen anwerben? Und wieso ist es so schwer,

dagegen vorzugehen? Ihr hört 11KM, der Tagesschau-Podcast. Ein Thema in aller Tiefe. Mein Name ist

Victoria Kopmann. Heute ist Mittwoch, der 18. Oktober.

Auto auf, Einsteigen und losfahren.

Ihr seid nach Pristina gereist. Wie sieht's da aus?

Es ist schon eine andere Welt. Man sieht schon noch die Folgen des Bürgerkrieges im Kosovo recht

deutlich. Es sind viele Häuser noch sehr ärmlich, wo man sieht, da waren Sachen kaputt. Und auf der

anderen Seite wird aber auch sehr sehr viel neu gebaut, richtige Luxushochhäuser. Und es ist

wirklich ein krasser Gegensatz zwischen Luxussachen, die, wie man merkt, sehr wichtig sind. Und auf

der anderen Seite eben diese ärmliche Seite. Also mich hat das schon alles sehr nachdenklich

gestimmt und auch irgendwie mir noch mal gezeigt, wie gut es uns hier eigentlich geht.

Was genau war euer Ziel in Pristina? Das eine war eben ein Callcenter oder den Standort eines

früheren Call Centers, uns genauer angucken, von wo aus eben ganz viele Leute im deutschsprachigen

Raum betrogen wurden. Und du hast es schon gesagt, das ist ein ehemaliges Callcenter. Wie

sieht das denn da aus? Wir wussten ja, wie es vorher ausgesehen hat. Das war ein sehr,

sehr schickes Callcenter. Schöne Möbel, so Sinssprüche an den Wänden. So Dinger wie

If you can dream it, you can do it. Also wenn du es träumen kannst, dann kannst du es auch tun. So

Motivationssachen, sage ich mal. Ein Kicker, der dort stand. Obstschüsseln und so weiter. Also

wie so ein moderne Start-up fasst. Und wir wollten uns eben angucken, wie sieht das jetzt aus? Als

wir dort hingelaufen sind, haben wir dann eben schon gesehen, die Tür, die Glastür ist so

bisschen blind. Das sieht so aus, als wäre das seit drei Jahren keiner mehr gewesen. Und ja,

man konnte so ein bisschen reinspitzen. Da hat man gesehen, da liegen Pakete rum und alles

möglich ist. Stand da rum, kaputte Bürostühle. Also es war einfach verlassen, offensichtlich.

Nichts mehr passiert seitdem die Razzia das Callcenter damals hat hochgehen lassen.

Diese Razzia im Kosovo, die war im Juni 2019. Es war eine von mehreren Razzien in dem Jahr, die in

verschiedenen Ländern durchgeführt wurden. Ja, also die Ermittler hier aus Deutschland, die haben

eben irgendwann rausgefunden. Die Leute, die da anrufen, die rufen nicht tatsächlich aus Frankfurt

und London an, so wie es die Telefonnummern eben vorgegeben haben, sondern die sitzen in

Osteuropa und ein Standort war eben der Kosovo, der größte Standort. Und dann haben wir eben

rausgefunden, dass das dort ist und haben dann dort eben eine Razzia gemacht, um diese Bande

hochgehen zu lassen. Und waren dann sehr, sehr überrascht, hat mir auch der Ermittler erzählt,

der hier aus der Brücken ist vom Landeskriminalamt der Stefan Planz, wie professionell das alles

aufgezogen war. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass das komplette Etagen mit Geschäftsräumen

für diese Coal-Zentra waren. Wir hatten gedacht, dass das eventuell Coal-Zentras in

den Teilweise in diese Richtung telefoniert wird oder es mehr so eine Tinderzimmer ist,

aber dass man in Firmen reinkommt, die komplett organisiert sind und wo 40, 50 Tische stehen,

an denen telefoniert wird, um die Geschädigten hier auszunehmen. Das konnte man uns nicht vorstellen.

Stefan Planz hat die Ermittlungen koordiniert. Das waren ja nicht nur die Brücker-Ermittler,

die dabei waren, sondern das war auch eine internationaler Ermittlung, also Kollegen aus

Österreich dabei. Und der hat eben das von Anfang an mitverfolgt und hat deswegen uns da sehr,

sehr gute Einblicke geben können, wie das gelaufen ist. Und bei der Razzia war halt eine

Besonderheit auch, dass die dort angekommen sind und tatsächlich war aber dann kaum mehr jemand.

Und ja, es war wohl so, dass die vorher gewarnt wurden, wie genau das passiert ist, weiß man nicht,

aber auf jeden Fall waren kaum mehr welche da, aber sie konnten trotzdem noch einiges an Daten sichern.

Ihr habt ja auch mit dem Ermittler, mit dem Stefan Planz viel besprochen. Was hat er denn dazu

gesagt, zu dem, was da am Ende alles rausgekommen ist?

Also muss dazu sagen, er ist ein ganz nüchterner Ermittler, der lässt, hatten wir den Eindruck,

wenig an sich ran, aber an so paar Stellen ist schon so ein bisschen was Emotionales rausgeblitzt.

Und eine Stelle war genau das, als die IT-Ermittler ihm gesagt haben, das hier war Bingo, was wir da

gefunden haben. Da standen Sachen drin, die helfen uns extrem. Da ist kurz mal durchgeblitzt, dass

er da an der Stelle schon, sag ich mal, zumindest in der Tasche die Faust geballt hat und so ein bisschen

gejubelt hat, weil sie wussten, jetzt haben sie einen richtigen Ansatz, um das Ganze eben auch zu beweisen.

Das ist vielleicht die Stelle, an der wir einmal kurz erklären müssen, was da eigentlich passiert ist.

Es geht um einen riesigen Betrug, bei dem ganz viele Menschen geschädigt wurden. Wie haben die das

gemacht? Wie hat diese Abzocke funktioniert? Ja, das war wirklich so ein mehrstufiges System,

kann man sagen. Also mal übergeordnet. Es geht darum, dass den Leuten gute Rendite versprochen

wurde, indem sie auf Börsenkurse wetten. Also steigt der Kurs und du hast richtig angesagt,

dann gewinnst du und wenn du eben falsch wettest, dann verlierst du. Also diese Versprechungen,

die gibt es dann auf Webseiten, die sehen aus, als wären sie Portale für Anleger, aber eigentlich

sind sie fake, ganz professionell getan mit irgendwelchen Börsenkursen und Service-Hotlines.

Wie sind denn Leute überhaupt auf diese Seiten gekommen? Da wurden die halt mit Anzeigen hingelockt,

zum Beispiel so Fake-Anzeigen. Diese Investoren haben hier eine Software entwickelt, mir der quasi

im Schlafgeldverdienst aus 250 Euro kannst du 10.000 machen in nur wenigen Wochen. Also die

waren, haben ja mittlerweile auch gesagt, immer so ein Schritt voraus, weil wenn jemand gesagt hat,

achter, zweifle ich mal, kann das überhaupt sein und dann googelt man danach und wenn das dann halt

Medien sind, denen man prinzipiell mal vertraut, dann ist vielleicht so, ach ja, wenn es da steht,

dann wird es schon irgendwie sein und 250 Euro kann man ja mal machen. Und dann war es eben so,

dass die Leute angerufen wurden von den Brokern dann eben aus dem Kosovo und die haben den dann

erzählt, wie das weitergehen soll. Also die haben sich auf einer Internetseite angemeldet und dann

wollten sie aus dem Coil Center angerufen und sollten 250 Euro investieren, um dann angeblich

irgendwelche Aktien damit zu füttern. Genau, also da wurde dann gesagt so, pass auf, wir machen jetzt

mal paar Traits, ich berate dich, ich bin ein guter Broker, ich bin seit zehn Jahren in London oder in

Frankfurt tätig und das Besondere war, die konnten diese Echtzeitbörsenkurse einspielen, aber sie

konnten sie auch manipulieren und konnten quasi dadurch entscheiden, ob die Traits erfolgreich

sind oder nicht. Und am Anfang wollten die natürlich, dass die Leute merken, ach, da, das ist

ein super Geschäft und nach ein paar Tagen ist aus den 250 Euro auf dem fiktiven Online-Konto

vielleicht 780 geworden und dann war dann beim fetten 5. Anruf so, siehst du, es klappt doch,

jetzt leg doch mal mehr rein. Und dann kommt eben mehr rein und am Ende aber nichts mehr raus.

Genau, also es war so, das konnten die Ermittlungen klar zeigen, es wurden nie irgendwelche

Traits gesetzt, das Geld ist direkt immer abgeflossen in die Taschen der Betrügerbande

über so ein Firmennetzwerk dann weg und die haben relativ viel Geld verdient vor Ort und

auch die Bosse dahinten dran haben sehr, sehr gut verdient und ja. Ja, und dieses Geld landet

dann eben bei den Betrügern? Genau, also bei diesen Razzien und den Ermittlungen sind eben Videos und

Fotos beschlagnahmt worden und das ist schon Wahnsinn. Also das war auch für mich ein Moment

in der Recherche, wo ich gedacht habe, was? So sind die vorgegangen, also mal ein Beispiel.

Wir sind dann mit einem dicken Auto durch Pristina gefahren und haben in den CD-Player einfach so

50 Euro Scheine reingesteckt, jede Menge und haben die so durchs Auto fallen lassen und nachkommen,

wir haben es ja, das war so ein Moment, wo ich echt geschluckt habe, weil das kam mir schon so

sehr deutlich vor, wir eigentlich verhöhnen wir damit ja auch ein bisschen euch Opfer von denen

wir das Geld eigentlich haben. Das war so ein Ding oder aus dem Callcenter selbst waren Videos,

wo einfach so telefoniert wird. Ja, Sie haben alle Zeit der Welt und dann wird mal der Stinkefinger

gezeigt und so oder ist einer, der so die Wand anbumst, sage ich jetzt mal ganz da lobbt und

solche Sachen oder wo gejubelt wird, wenn Geld reinkommt. Also das war schon so für uns in der

Recherche ein Moment, wo wir echt schlucken mussten, weil das war für uns auch krass. Ich kann mich an

zehn erinnern, wenn da mehrere hundertausend eingetrieben worden sind und das am sogenannten

Dashboard dann erschienen ist, dann sind die Callcenter Mitarbeiter aufgestanden, als wenn

sie im Stadion stehen und ein Tor bejubeln, haben geklatscht und geholt. Da ist ja Nullscham im

Gegenteil, die feiern sich sogar. Ja, also das war schon, kann man ganz klar so sagen und für uns

war das halt auch krass, weil wir ja auch viel mit Opfern zu tun hatten, also wir wussten ja auch,

wer auf der anderen Seite ist. Also sie haben ja wirklich viel Schaden verursacht und auch

im Existenzen zum Teil zerstört und das ist eben schon dann irgendwie krass, wenn man diesen

Gegensatz so sieht. Ja. Und ihr habt ja nicht nur Videos und Fotos davon gesehen, ihr, deine

Kollegin Karolina Uhl und du, ihr habt ja wirklich wen getroffen, der da mitgemacht hat.

So, jetzt ist gleich das Interview mit dem jungen Mann, der im Callcenter im Kosovo gearbeitet hat.

Keine Ahnung, wer gleich zur Tür reinkommt. Also wir waren da vorher schon echt ein bisschen

aufgeregt, muss man sagen, weil die mit jemand aus der organisierten Kriminalität zu sprechen

und da waren wir vorher ja, wussten wir einfach nicht so genau, was passieren wird.

Er ist reingekommen, so ein kleiner, schmächtiger Kerl eigentlich sage ich jetzt mal,

eigentlich unscheinbar ziemlich und er hat dann losgelegt und irgendwie relativ schnell

hat er gesagt, ja klar, von Anfang an wusste ich, dass ich da betrüge und ja, nur ein Blödmann

hätte nicht gemerkt, was da abgeht und ab dem Moment wussten wir, okay, der ist jetzt hier um wirklich

ehrlich zu schildern, was er da erlebt hat, wie er da gehandelt hat und das war natürlich für

uns wichtig, weil wir wollten ja eben eine authentische Aussage von jemanden, der da direkt dabei war.

Ja, und da fragt man sich natürlich schon ein bisschen, warum macht er das? Warum

spricht er da mit Journalisten so offen über das, was er da getan hat, über diesen Betrug?

Das ist ja auch ein Straftat und er ist noch auf freiem Fuß, also der hat ja was zu verlieren,

warum macht er das überhaupt? Seine Bedingung war, dass wir ihn nicht zeigen und dass wir seine Stimme

verfremden, aber unser Eindruck war, gemacht hat er das, der wollte so diesen Moment der

Berühmtheit, er wollte der Insider sein, der schildert, so war es. So haben wir das gemacht,

wir haben den Leuten irgendwas erzählt, wir haben die angelogen, wir haben dann gejubelt,

wenn es abging und haben das Geld verprasst und er wollte derjenige sein, der das erzählt. Selbst

wenn er nicht zu erkennen ist, er weiß es und wenn er sich danach her anguckt und anhört,

dann ist klar, das war ich. Ist ja irgendwie erst mal ein bisschen unlogisch, dass man denkt,

das ist doch total negative Aufmerksamkeit, aber ich habe schon ein paar mal gehört, dass

manchmal Betrügern oder Hochstaplern das gefällt, auch zu prallen, wie schlau sie waren oder wie es

wirklich war, weil das ja Insider wissen ist, was sonst keiner hat und dann kann man sich so

ein bisschen wichtig fühlen oder so, war das so bei dem? Das war auf jeden Fall so, ich glaube,

das können wir relativ deutlich so bejahen. Wir haben das ja auch übereinander legen können,

wir hatten ja auch diese Videos und Fotos gesehen, was dort abging und er hat das genauso geschildert,

das war für uns auch so nochmal als Rückversicherung wichtig, dass wir gesehen haben, der erzählt

genau das, was wir auch schon wissen, bestätigt das, setzt manchmal noch einen drauf und da haben

wir einfach gewusst, der weiß das, er war dabei und da hat man einfach gemerkt, dem gefällt das so

bisschen, sich da zu sonnen sage ich jetzt mal fast und uns auch in Erstaunen zu versetzen, weil das

hat er definitiv getan. Und was ist das denn für ein Mensch eigentlich, den ihr da getroffen habt,

erzähl mal, was ist so sein Hintergrund? Also allzu viel können wir zu ihm nicht sagen, einfach

um ihn zu schützen, das haben wir ihm ja zugesagt, aber er war in seinen 20ern, als er dort gearbeitet

hat und seine Motivation war einfach so bisschen, hat er uns erzählt, er hatte damals gerade eine

neue Freundin und wollte die so ein bisschen beeindrucken und mit dem Geld, was er so normal

verdient hat, was halt eben nicht so viel war, konnte das nicht und naja, 300 Euro als Kenner

verdienen oder ein paar Tausender dort, also was würdest du denn tun? Und das bei ihm das,

und er hat gesagt, ich konnte ja Deutsch. Deutsch habe ich vom Fernsehen gelernt, als ich klein war,

durch Zeichentrickserien, so nach dem Krieg hier gab es nicht viele Möglichkeiten, Fernsehen zu

schauen. Durch ein Receiver mit einer Antenne hatten wir die Gelegenheit, die deutschen Kanäle

anzuschauen. Pro sieben ATL, zwei SuperATL, da war ich ja noch jung. Durch Jugio,

One Piece, diese Zeichentrickserien habe ich dadurch Deutsch gelernt. Er hat auf jeden Fall

gesagt, als er damit angefangen hat mit diesem Betrüger-Job, hat er auch nochmal sein Deutsch

verbessert, weil er ja gemerkt hat, je näher er an den 100 Prozent ist, je besser er mit den Leuten

kommunizieren kann, desto eher hat er auch Erfolg im Sinne von, die Leute sind bereit, ihm zu vertrauen

und Geld einzuzahlen. Also diese Mitarbeiter, die müssen deutschsprachig sein, weil sie eben dann

in Deutschland anrufen, werden die auch so angeworben oder wie ist er dahin gekommen? Genau, also es gibt

sogar, das haben wir auch auf Fotos gesehen, gab damals Werbung für dieses Call Center, für die

Firma, die das betrieben hat, so wenn man vom Flughafen gefahren ist, war das so mehr oder

weniger die erste großflächige Plakatwerbung, die man gesehen hat. Wie sehen die denn aus,

die Plakate? Wie werben denn Betrüger auf einer Plakatwerbung? Also es ist auf jeden Fall nicht

so, dass man das sieht und denkt, ah, da ist doch irgendwas Komisches, sondern das sind ganz normale

Werbeplakate, da war dann zum Beispiel auch ein kleines Kind drauf und offensichtlich der Vater

unterstand dann, du hast deinem Vater jetzt lang genug auf der Tasche gelegen, verdienen jetzt sein

eigenes Geld, kommt zu uns, solche Sachen. Auch im Radio haben wir eben gehört, dass auf Deutsch

Werbung lief für diese Firma, die die Call Center betrieben hat, um eben direkt zu sehen, aber

wer das hört auf Deutsch und sich dann meldet, dann wissen wir schon, der spricht Deutsch. Also das

war schon ganz gezielt, um die anzusprechen und ja, also aber auf den ersten Blick hätten wir das auf

jeden Fall nicht erkannt. Und das spricht ja genau dieses Bedürfnis an, was dann auch bei dem

Menschen funktioniert hat, mit dem ihr dann gesprochen habt. Also du verdienst nicht genug Geld

und deine Eltern müssen für dich sorgen und jetzt hast du die Chance hier richtig Kohle zu machen.

Ganz genau, also das hat er ja auch relativ ganz genau so gesagt. Er musste raus, nicht mit dem

Vater auf der Tasche liegen, Geld verdienen, dann ist das auf jeden Fall eine Motivation,

die oftens sichtlich vor Ort ganz gut funktioniert hat, weil es waren ja doch insgesamt viele,

die da mitgemacht haben. Ja, wobei das Wort verdienen, da vielleicht ein bisschen

relativ ist. Genau, erbeuten muss man sagen. Ja, man muss dazusagen,

für die war das ein regulärer Job. Also die haben ganz normale Gehaltsabrechnung

bekommen, die haben Steuern bezahlt. Von daher war das ja auch vor Ort ein Wirtschaftsfaktor. Ich

sage jetzt mal 3 bis 400 Leute, die relativ viel Geld verdienen, die A dann Steuern zahlen und die B

halt auch Geld haben, um das wieder in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen. Das darf man nicht

so ganz vernachlässigen, dass das eben vor Ort einfach Geld ins Land gebracht hat.

Der Betrüger, den ihr getroffen habt, der wollte ja seine Freundin mit dem Geld beeindrucken,

hast du gesagt. Was heißt das denn? Was hat der sich denn vorgestellt für ein Leben?

So dieser Luxus, ein schönes Auto zu haben, eine dicke Uhr, das hat man schon im Kosovo gemerkt,

das ist wichtig, also diese Statussymbole. Also es gibt nämlich dann irgendwie neben dem Markt,

wo irgendwie Kohl und so weiter verkauft wird, direkt neben dran in der Fußgängerzone relativ

viele Jubiliergeschäfte mit Uhren oder Schmuck, wo man gemerkt hat zu dieser Gegensatz ist irgendwie

überall präsent und das hat er halt auch gesagt für sich. Ich habe das Geld irgendwie gebraucht

für meinen Lebensstandard und deswegen habe ich das gemacht. Also Luxus braucht man ja nun nicht.

Das ist ja schon eine interessante Sicht auf die Dinge. Und hat dann auch so ganz provokant,

sag ich ja, fast gefragt, was würdest du denn machen? Dieses Luxus und so hatte ich auch nicht

zu Hause. So nach dem Krieg, jeder hatte Probleme, jeder Mensch würde ja für seine Familie alles machen,

egal was das ist. Das habe ich auch gemacht. 20.000 war der erste Monat von mir. Dann vergiss man einfach,

dass uns was Schlechtes gemacht hat. Aus der mittel-europäischen Sicht würden wir auf jeden Fall

sagen, nee, das kannst du doch nicht machen und so. Und wenn man dort aber sieht nach dem Krieg, wie die

alle aufgewachsen sind, da habe ich mich selbst so ein bisschen gefragt, fange ich gerade an Verständnis

für den zu haben. Aber so ein bisschen ist es so, weil du kommst zumindest echt so ins überlegen,

was wäre mit dir gewesen, wenn du so aufgewachsen wärst? Also es war einfach so, dass man sieht,

obwohl der Krieg jetzt schon über 20 Jahre her ist, dass einfach die Spuren davon noch

merklich sind. Wenn man dann hört, dass Durchschnittseinkommen im Jahr sind 4.000 Euro, das ist ja einfach

so sehr, sehr weit weg von dem, was wir haben. Und dann gerätst du schon so ein bisschen ins

Nachdenken, was wäre denn gewesen, wenn ich so aufgewachsen wäre? Ich hoffe, ich hätte gesagt,

ich mache das auf keinen Fall, aber kann man das so wissen, wenn man eben den Luxus hatte, so aufzuwachsend

wie wir das haben? Schwierig. Also jetzt ist dieses Callcenter, in dem er gearbeitet hat,

aufgeflogen. Wie hat das geklappt? Also bei der Ratia selbst, da hatte ich ja eben schon mal kurz

erwähnt, waren die meisten Leute weg. Also auch die Geschäftsführer von dem Callcenter, so die Chefs

vor Ort, sag ich mal, die waren ausgeflogen, weil sie vorher gewarnt wurden, sind wohl in die Türkei

gereist, kurzfristig vorher. Aber einen davon, den haben sie trotzdem ein bisschen später erwischt,

da ist er nämlich nach Albanien in den Urlaub gereist. Und wenn er eben außer Landes geht, also außerhalb

des Kosovoes, da haben die den eben dort verhaftet und dann nach einigen Minuten her ausgeliefert und

dann ist er in der Justizvollzugsanstalt Zabrücken gelandet und haben ihn dort eben später den

Prozess gemacht. Aber warum konnten die ermittler diesen Chef von dem Callcenter denn festnehmen,

ausgerechnet, als der in Albanien im Urlaub war? Im Kosovo ist es so, die liefern keine eigenen

Staatsbürger aus. Das war auch der Grund, warum unser Gesprächspartner noch auf freiem Fuß ist,

egal was ist, der Kosovo liefert keine eigenen Staatsbürger aus. Aber dieser eine Chef des

Callcenters, also der Leiter Asim S, heißt der, der ist eben dann nach Albaniens, Nachbarland

in den Urlaub gefahren und dort wurde eben verhaftet, internationaler Haftbefehl und dann geht

das so seinen Weg und dann wird er irgendwann ausgeliefert und der Prozess gemacht. Wir sind

dann die Hintermänner eigentlich. Der, der da verhaftet wurde, das war sozusagen Ebene 2. Es gab

nämlich noch jemand oben drüber, der sich, ich sage jetzt mal legär ausgedrückt, diese Masche so

ausgedacht hatte, beziehungsweise alles in die Wege geleitet hatte, sich diese Software besorgt

hat, auch dafür gesorgt hat, dass diese Callcenter eingerichtet werden. Das war ein Deutscher aus

dem Sauerland, Uwe Lehnhoff, der war vorher auch schon mal in Erscheinung getreten bei solchen Sport

Online-Wetten, also der war irgendwie so in dieser Branche irgendwie tätig und den haben

sie aber auch erwischt. Der hat im Sturbeital in so einem Luxus-Apartment gewohnt, in einem

5-Sterne-Hotel und dort haben die den erwischt und der ist dann eben auch nach der Brücke

ausgeliefert worden. Die Drahtzieher dahinter sind Deutsche und betrügen Deutsche hier nutzen dafür

aber Menschen, die ja offenbar viel eher dazu bereit sind, sowas zu machen, dadurch wie die

wirtschaftliche Lage da vor Ort ist. Das finde ich sehr interessant mal zu durchblicken, diese

Systematik, weil ich glaube nämlich, dass man in Deutschland hoffentlich weniger Menschen dafür

finden würde, die vielleicht nicht so diese Geschichte erzählen von wegen, naja, ich kann nur

für ein paar hundert Euro Kellnern und das ist meine einzige Alternative sonst. Ja, also das scheint

so zu sein, aber ich finde, das gehört zur Geschichte halt auf jeden Fall dazu, dass eben

der Kopf des Ganzen, jemand war hier aus Deutschland, der sich das überlegt hat und dann eben ja die

anderen ein bisschen benutzt hat, sage ich mal, fast dafür. Also ich meine, klar, die hat natürlich

keiner gezwungen, die haben auch ihre Schuld zu tragen, aber eben gesagt hat, okay, da sind Leute,

die sind vielleicht anfällig dafür, das nutze ich. Der ist dann festgenommen worden, wie ging das

weiter? Huvelinov ist dann ausgeliefert worden, er wurde ja in Österreich festgenommen, dann ist er

ins Gefängnis nach Saarbrücken gebracht worden und saß dort lange im Urhaft und irgendwann ist er

gestorben tatsächlich im Gefängnis und das war alles so bisschen, dass die Umstände nicht bis zum

letzten Detail aufgeklärt wurden. Wie geht es denn weiter? Also ist damit jetzt wirklich, ich sage

mal, da war es an der Wurzel gepackt worden von einer dieser Betrüger, Coal Center, die ja wirklich

ganz, ganz viele Menschen betrogen haben oder läuft das jetzt weiter unter anderem Namen?

Es ist so, ist die Ermittlungen laufender weiter noch, also die Saarbrückermittler wollen da auch

noch mehr Leute vor Gericht bringen. Ja, es waren wohl um die 400 Leute, die da mitgemacht haben,

das konnten sie aus den Mitarbeiterlisten sehen und das ist natürlich ein eher verschwindend kleiner

Anteil von denen, die jetzt wirklich was büßen müssen. Ja, die haben das ja wirklich im großen

Stil gemacht von morgens bis abends nichts anderes. Weißt man, was für ein Schaden da entstanden ist?

Rund 800 Millionen Schaden bundesweit rechnet noch die Dunkelziffer ein so und da bin ich relativ nah

an einer Milliarde Schaden. Der Stefan Planz, der Ermittler, sagt, diese Masche läuft immer

noch so weiter, also es kommen täglich, wöchentlich neue Anzeigen rein von anderen Portalen. Das heißt,

der einen Bande haben sie quasi das Handwerk gelegt, aber dieselbe Masche läuft so weiter mit

anderen Namen einfach. Die heißen dann einfach anders und ja, das schaffen sie auch nicht dem

hinterherzugehen, weil es ist eben auch nicht immer so einfach, die Betrüger lernen ja auch

weiter. Also das haben wir dann so gehört, dass immer so ein bisschen Katz und Maus spielen. Jetzt

haben die Ermittler einmal sie da geschnappt mit irgendeiner Art und Weise und dann machen sie

diese Tür zu, weil sie merken, da waren wir vielleicht unvorsichtig und dann ja, müssen sie sich beim

nächsten Mal was anderes überlegen. Also das geht einfach weiter. Es könnte also sein, dass immer

noch Menschen darauf reinfallen. Jetzt frage ich mich natürlich, gibt es eine Möglichkeit,

woran ich erkennen kann, dass so eine Seite nicht seriös ist und vielleicht genau so eine

Betrügerbande dahinter steckt. Also es gibt eigentlich so zwei Sachen, die man relativ

einfach sagen kann. Also wenn das versprechen, wie du Geld verdienst, wenn das zu gut ist,

um wahr zu sein. Also nach dem Motto, mach aus 250 Euro in vier Wochen 10.000, dann sagen die

Verbraucherschütze auch dann einfach Finger weg, weil was zu gut ist, um wahr zu sein,

das ist in der Regel einfach nicht wahr. Das ist so der erste Punkt. Da hast du mal einfach so

bisschen dann die Gier ausblenden muss und sagen, nee, das kann nicht sein. Punkt zwei ist eben,

man hat schon Möglichkeiten, sich das anzugucken. Zum Beispiel im Impressum steht da, welche Firma

steht da hinten dran. Und das war schon so, das konnten wir halt auch dann nochmal nachvollziehen.

Da stand dann manchmal nur eine E-Mail Adresse oder wenn eine Firma da stand, war die auf den

British Virgin Islands und je weiter so eine Firma weg ist und je weniger ich über die erfahre dann

auch, dass du eher gilt, Finger weg. Und es haben sich auch danach tatsächlich nochmal relativ viele

Leute bei uns gemeldet. Also wir konnten zumindest so in gewisser Weise sehen, das hat auch so

bisschen funktioniert. Das heißt, habt ihr da was gehört? Ja, also es haben sich, sagen wir, der schönste

Moment für uns war eigentlich, hat jemand angerufen, der gesagt hat, ich muss Ihnen mal Danke sagen.

Ich sagte, ah okay, wieso? Ja, ich habe am Sonntag ihren Film gesehen in der Mediathek und am Freitag

vorher habe ich mich gerade auf so einer anderen Seite da angemeldet und habe mich überreden lassen,

500 Euro einzuzahlen. Das habe ich gemacht und dann habe ich aber Sonntags bei ihrem Film

gesehen, Mist, ich bin reingefallen. Und weil es aber erst relativ kurz her war, konnte ich Montags

jetzt gerade die Überweisung nochmal rückgängig machen und ich habe jetzt gar nichts verloren und

vielen Dank für ihren Film. Und das war so ein Moment, wo ich echt gedacht habe, ja, dieses Ziel hat

da funktioniert. Also das war eigentlich so der schönste Moment, den wir hatten im Nachhinein,

wenn man merkt, ah okay, klar 500 Euro ist jetzt im Vergleich zu Millionen oder Milliarden wenig,

aber es sind ja manchmal auch diese kleinen Momente, die einem helfen. Ja, Niklas, danke dir.

Ganz herzlichen Dank auch, hat sehr viel Spaß gemacht. Und wenn ihr den Film von Niklas Resch sehen

wollt, die ARD Story I Want More, Milliardenraub im Netz, die verlinken wir euch in den Show Notes.

Darin geht es auch viel um die Perspektive der Opfer und um die Frage, wie hat die Masche der

Täter psychologisch funktioniert? Wie konnte es sein, dass so viele Menschen den Fake-Portalen

vertraut haben? Das war Elfkm der Tagesschau Podcast. Uns findet ihr in der ARD Audiothek und überall da,

wo es Podcasts gibt. Lasst uns gerne ein Abo da oder stöbert in unseren Folgen. Zu Betrugsmaschen

gibt es noch mehr bei Elfkm. Wir verlinken euch was in den Show Notes. Zum Beispiel der große

Cannabis-Betrug. Autorin dieser Folge ist Katharina Hübel. Mitgearbeitet hat Hans-Christoph Böhringer,

Produktion Christiane Gerhäuser-Kamp, Eva Erhardt und Adele Messmer. Redaktionsleitung Lena

Gürtler und Fomiko Lipp. Elfkm ist eine Produktion von BR24 und NDR Info. Mein Name ist Victoria

Kogman. Tschüss!

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Es sieht aus wie ein professionelles Callcenter: Sinnsprüche an den Wänden, große Büroräume, Firmenfeier. Doch in diesem Gebäude im Kosovo agiert eine Bande, die mit Anlagenbetrug wohl eine Milliarde Euro allein in Deutschland erbeutet haben soll. Niklas Resch vom Saarländischen Rundfunk erzählt in dieser 11KM-Folge, wie die Ermittler den Betrügern auf die Schliche gekommen sind – und wie einer der Täter ihm erklärt hat, warum diese Betrugsindustrie so attraktiv ist.



Hier geht es zur ARD-Story "I want more – Milliardenraub im Netz" von Niklas Resch und Caroline Uhl: https://1.ard.de/doku-milliardenraub-ct



An dieser Folge waren beteiligt:

Folgenautorin: Katharina Hübel

Mitarbeit: Hans Christoph Böhringer

Produktion: Christiane Gerheuser-Kamp, Eva Erhard, Adele Meßmer

Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler



11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info.



Wenn ihr mehr von 11KM zum Thema Anlagebetrug hören wollt, empfehlen wir euch zum Beispiel die Folge "Der Große Cannabis-Betrug."

Eine Investition mit hundert Prozent Rendite, garantiert – das klingt zu schön, um wahr zu sein. Genau damit wirbt aber das Cannabis-Startup Juicy Fields. Das Unternehmen tritt bei Messen auf, zieht zahlreiche Investoren an, manche berichten von fantastischen Gewinnen. Bis auf einmal das Kartenhaus zusammenbricht. Hier geht's zur Folge: https://1.ard.de/11KM_Cannabis-Betrug