11KM: der tagesschau-Podcast: Afghanistan: Gebrochenes Versprechen

tagesschau tagesschau 9/26/23 - Episode Page - 25m - PDF Transcript

Wir werden unsere Verbündeten nicht zurücklassen, so steht's im Koalitionsvertrag unserer aktuellen Regierung.

Diese Verbündeten, das sind Menschen, die in Afghanistan über Jahre für Deutschland oder deutsche Organisationen gearbeitet haben, bis zur erneuten Machtübernahme der Taliban.

Und was ist jetzt mit den Verbündeten? Hat die Regierung ihr Versprechen gehalten?

Martin Kaul ist Investigativreporter für den WDR. Er hat zusammen mit einem internationalen Team recherchiert, wie die Ministerien in Deutschland entscheiden, welche ehemaligen Ortskräfte besonders gefährdet sind und was sie dabei möglicherweise übersehen.

Ihr hört 11 km der Tagesschau-Podcast. Ein Thema in aller Tiefe. Mein Name ist Victoria Kobmann. Heute ist Dienstag, der 26. September.

Wieder versuchen Tausende Menschen zum Flughafen Kabul zu kommen.

Doch ihr Ziel haben die am Morgen in Deutschland gestarteten Maschinen heute nicht erreicht.

Im Chaos vor den Eingangstoren des Militärflughafens gab es Tote und Verletzte.

Ja, dieses Chaos am Flughafen in Kabul, als die Taliban vor zwei Jahren wieder an die Macht kam, nach dem überstürzten Rückzug der NATO und der Bundeswehr, die Bilder dazu habe ich noch sehr genau im Kopf.

Das waren ja damals Weltenachrichten. Das ging ja wirklich unübersehbar und ging um die ganze Welt, weil es einfach so ikonische Bilder waren, wie diese Menschen da von den Flugzeugen fielen.

Es war kurz vor dem Bundestagswahl 2.21. im August passiert, es gibt eine monatelange Debatte über die Frage, wie geht man eigentlich mit denen, um die uns da geholfen haben.

Und plötzlich steht fest, wir haben gar nichts für die getan. Und jetzt sind sie da am Flughafen, alle drängen hin. Es gibt einen Riesenaufschrei.

Das war so die Zeit, in der dieser Druck überhaupt erst mal öffentlich war.

Da ging es darum, diese sogenannten Ortskräfte aus Afghanistan rauszuholen. Wer war das denn?

Deutschland war ja 20 Jahre lang Präsenter in Afghanistan und hat dort allerhand projekte Militärische, aber auch zivile Projekte umgesetzt.

Und dazu braucht man natürlich auch Leute, die da die Sprache sprechen, die sich auskennen, die vermitteln können.

Und dazu braucht man einfach ganz viele landeskundige Menschen, das sind die Menschen, die sich in Afghanistan vermitteln können.

Wir alle haben die Geschwindigkeit dieser Entwicklung ganz offensichtlich unterschätzt. Und das gilt auch für Deutschland.

Damals standen eigentlich alle Minister vor der Presse und haben gesagt, jetzt helfen wir diesen Menschen, weil wir haben sie zuvor übersehen und vergessen und haben Versprechen gemacht.

Und dann auch im neuen Koalitionsvertrag wurde ja dann gewählt, gab eine neue Bundesregierung und man hat denen gesagt, wir müssen das nicht machen.

Wir als Bundesregierung sind entschlossen, nicht wegzuschauen, sondern zu handeln, und zwar schnell.

Das war eigentlich so das große Versprechen, an dem man jetzt auch heute die Bundesregierung messen kann.

Und da haben wir jetzt zugeschaut, zwei Jahre später, was hat sie denn seitdem getan?

Ja, und da hat sich gezeigt, da läuft anscheinend immer noch was schief.

Um welche Orte, um welche Orte?

Also früher gab es eine große Debatte um die militärischen Ortskräfte.

Alle, die mit der Bundeswehr gearbeitet haben.

Und man muss eigentlich sagen, dass das Verteidigungsministerium sich gut um die gekümmert hat.

Die sind rausgeholt worden.

Und sind auch inzwischen wirklich viele Menschen, über 30.000 Menschen aus Afghanistan nach Deutschland geholt worden.

Nicht nur Ortskräfte, auch andere Menschen.

Aber es gibt eine Gruppe von Ortskräften, die mehr oder weniger komplett zurückgeblieben ist.

Und das sind Ortskräfte vom Entwicklungsministerium.

Es war eigentlich die größte Gruppe der Ortskräfte, die überhaupt für Deutschland tätig waren.

Es war in einem besonderen Projekt, das nennt sich Police Cooperation Project,

ein Projekt mit dem afghanischen Innenministerium und dem auswärtigen Amt.

Bei dem ist darum, gegen Polizisten auszubilden, denen lesen und so weiter.

Und das ist das, was die Ortskräfte haben.

Es gibt ja auch einen Polizisten-Auterium und dem auswärtigen Amt.

Bei dem ist darum, gegen Polizisten auszubilden, denen lesen und schreiben,

beizubringen, die zu alphabetisieren.

Damit die, wenn man so will, die vom Westen dort eingeführte Rechtsordnung umsetzen können.

Also, diese Menschen, die dort mitgearbeitet haben bei diesem Police Cooperation Project,

die haben im Prinzip für den deutschen Staat gearbeitet.

Sind die jetzt besonders gefährdet?

Das ist genau die große Frage, mit der wir uns jetzt monatelang sehr ausführlich beschäftigt haben.

Denn die Bundesregierung sagt, ne, sind sie nicht. Sie selber sagen, wir sind hier total gefährdet.

Wir wurden vergessen. Was ist denn jetzt eigentlich wahr?

Denn die Antwort darauf entscheidet darüber, ob diesen Menschen geholfen wird,

ob sie das Recht bekommen, nach Deutschland zu kommen.

Und weil es da so eine ganz entgegengesetzte Einschätzung zu geben wird,

das sehr genau uns jetzt einmal angeschaut.

Ihr habt genau mit solchen Menschen gesprochen, die bei diesem Projekt,

bei diesem Police Cooperation Project mitgearbeitet haben.

Mit wem habt ihr da geredet?

Wir haben mit ganz vielen Menschen gesprochen.

Denn man muss sich vorstellen, die sind extrem laut im Internet.

Die machen auf allen Kanälen auf sich aufmerksam, schon seit zwei Jahren.

Da gibt es so digitalen Proteste und sie werfen der Bundesregierung vor, vergessen worden zu sein.

Deswegen haben wir versucht, möglichst viele von denen zu kontaktieren

und haben am Ende 20 Fälle ganz genau von allen möglichen Seiten versucht zu verifizieren.

Sind diese Menschen wirklich gefährdet? Wie geht's denen?

Wurden die zurecht in Anführungsstrichen zurückgelassen oder nicht?

Einer von denen ist Gulab Barmadi, der heißt in Wirklichkeit anders.

Es ist wichtig für ihn, dass er nicht identifizierbar ist.

Denn er versteckt sich noch immer in Afghanistan vor den Taliban.

Schildert uns das so, dass er mehr oder weniger täglich in seinem Verstecken aushaht.

Und der war ja so eine Art Vertriebsleiter für die GIZ.

Ich war zuständig für die ganze Provinz.

Ich habe die Städte und Dörfer besucht.

Ich habe dort Leute besucht, die von der GIZ angestellt waren, um die Polizisten zu unterrichten.

Ich habe das überwacht und geleitet.

Ich war derjenige, der sozusagen an der Front für dieses Projekt gekämpft hat.

Die GIZ ist die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit.

Ganz wichtig in der Entwicklungszusammenarbeit, die gehört zu 100 Prozent im Bund, Deutschland.

Hat weltweit über 25.000 Mitarbeiter, hat in Afghanistan ganz viele Mitarbeiter

und die hat auch dieses Projekt mehr oder weniger angeleitet.

Das Besondere an dem Projekt war, dass die Leute alle nur Werkverträge hatten.

Also die Leute waren nicht fest angestellt, sondern die haben so eine Art Kettenverträge bekommen.

Immer wieder wurden auch verlängert.

Und bei dem Ula Bahmadi war das zum Beispiel so, dass der über fünf Jahre, fast sechs Jahre für die GIZ tätig war.

Hat auch eine ganz wichtige Rolle, war in einer gefährlichen Region Afghanistan.

War so eine Art Chef und hat dort dieses gesamte Projekt aufgebaut.

Das heißt, er hat die Lehrkräfte für die Polizisten besorgt.

Er hat die Verträge zustande gebracht.

Er hat Berichte geschrieben, er ist nach Kabul gefahren.

Er hat den Deutschen berichtet, wie es läuft.

Das heißt, es ist ein Projekt, wo von Anfang an klar war,

das soll in Regionen durchgeführt werden, wo die deutschen Reisebestimmung es gar nicht zulassen,

dass wir da irgendwelche Deutschen hinschicken.

In Taliban Hochburgen, die seinerzeit auch schon unter dem Einfluss der Taliban standen.

Und da kann man schon allein aus versicherungsrechtlichen Gründen

jetzt nicht einfach irgendwelche Deutschen hinschicken.

Und deswegen brauchte man da Leute, die das vor Ort gemacht haben,

denen man da vertraut hat, so wie ihn.

Aber man hat denen eben nur solche Werkverträge gegeben.

Die waren eigentlich damals schon prekär angestellt, wenn man so will.

Prekär und anscheinend auch gefährlich.

Schon damals habe ich oft Drohungen bekommen am Telefon.

Sie meinten, dass ich für die Deutschen arbeite, für die GIZ und dass ich ein Spion sei.

Sie haben gesagt, du bist aus dieser Provinz

und hast viele Informationen über die Taliban, die du weitergibst.

Und als die Taliban zurückkommt, was macht Gulab da?

Er will weg, er will raus und versucht mehrfach auszureisen.

Es gelingt ihm nicht, er versteckt sich also erst mal.

Na ja, und später hat er dann versucht, den Weg einzuschlagen,

der eigentlich auch vorgesehen ist für solche Leute.

Da gibt es eben diesen etwas bürokratischen Terminus,

der heißt Ortskräfteverfahren.

Und da hat er die Möglichkeit, sich in Deutschland zu bewerben.

Und wenn das irgendwie gelänge, dann könnte er ja auch kommen.

Das ist auch seine Hoffnung, deswegen geht er auch diesen Weg.

Also, das heißt, man stellt einen Antrag.

Wie ist das gedacht, wie soll das funktionieren dann?

Du meldest dich bei deiner Organisation, in dem Fall bei der GIZ

und sagst, ich bin oder fühle mich gefährdet, dann wird das geprüft.

Also, du musst dich jetzt kurz festhalten, weil es ist sehr bürokratisch.

Die GIZ leitet das dann weiter an das zuständige Ministerium

und im zuständigen Ministerium gibt es einen sogenannten Ressortbeauftragten.

Der Ressortbeauftragter hat die Aufgabe, das, was die GIZ geprüft hat,

noch mal neu zu überprüfen und selbst einzuschätzen.

Das wird dann weitergeleitet.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Genau.

Wenn die entscheiden, geht es wieder zurück ans BMZ,

von da geht es wieder zurück an die GIZ,

von da geht es dann eine Aufnahmezusage

oder eine Ablehnung zurück an die Person.

Und was ist draus geworden aus dem Antrag, den Gulab Amadi gestellt hat?

Hier, der ist abgelehnt worden, so wie ganz viele andere,

wie die allermeisten anderen aus diesem Projekt auch.

Es ist dann so ein Standardschreiben, was die bekommen,

wo da einfach drin steht.

Das tut uns leid.

Es haben über 1300 Menschen sich da gemeldet

und sind diesen Weg gegangen.

Und bis zu unserer Recherche sind nur 56 von denen aufgenommen worden.

Aber wenn die Bundesregierung versprochen hat,

gefährdete Ortskräfte werden unbürokratisch rausgeholt.

Wieso werden diese Ortskräfte dann fast alle abgelehnt?

Die Bundesregierung sagt, naja, die haben ja in Wirklichkeit

nur den Polizisten lesen und Schreiben beigebracht.

Die haben jetzt keine polizeitaktische Ausbildung vorgenommen.

Die haben jetzt nicht Militärs da ausgebildet.

Die sind nicht auf die Jagd nach Taliban gegangen.

Deswegen sagt die Bundesregierung ein bisschen,

oder weniger ein ziviles Engagement.

Und das ist jedenfalls die Argumentation von denen nach allem,

was ich da jetzt gesehen habe, würde ich sagen,

die Argumentation kann man nicht halten.

Ich würde das sogar für einen Mythos halten.

Was stimmt denn nun?

Sind die wirklich nicht besonders gefährdet?

Oder dann doch?

Wie seid ihr da vorgegangen?

Lass uns mal Schritt für Schritt auf eure Recherche gucken,

um rauszufinden, wie ist es denn nun?

Grundsätzlich war unser Wunsch, das vor Ort zu recherchieren.

Also hinzufahren und mit den Menschen mit allen dazu sprechen

und eine eigene Einschätzung zu kriegen.

Leider haben wir da keine Arbeitsgenehmigung, keine Visa erteilt,

weil die Taliban das Land eben sehr stark abschotten.

Und nicht wollen, dass da journalisten,

westliche kritische Journalisten sich vor Ort ein Bild machen.

So, dass wir erstmal darauf angewiesen waren, das von hier aus zu tun.

Aber da gibt es ja sehr, sehr viele Wege.

Und das heißt, wir reden erstmal mit den Leuten.

Wir reden mit unbeteiligten Dritten, die einschätzen können,

wofür waren diese Menschen tätig.

Wer kennt ihn? Versteckt er sich wirklich?

Wo hält er sich auf? Ist es nachzuvollziehen?

In welcher Provinz ist das?

Sind die Angaben korrekt?

Okay, überprüft also, ob das, was euch die Menschen da über Telefon

oder über Chats erzählen, plausibel ist.

Ein großes Thema in diesem ganzen Zusammenhang sind Dokumente.

Das heißt, welche Dokumente weiß jemand vor,

zum Beispiel, ob die Person überhaupt für die Giz tätig war,

aber auch sogenannte Droh schreiben.

Sind die plausibel oder nicht?

Und man muss natürlich sagen, auch weil die Hürden so hoch sind für die Leute,

dass es auch schon ein Schwarzmarkt für gefälschte Dokumente gibt.

Und dann hatten wir jetzt die Möglichkeit mit afghanischen Kollegen,

die auch aus dem Land stammen, die dort tätig waren,

die dort tätig sind, einzelne Dokumente abzuprüfen.

Ist eine Unterschrift richtig oder falsch ist sie plausibel?

Ist der Lokalkommandeur ein Lokalkommandeur?

Ist es plausibel, dass die Taliban Drohbriefe schicken,

obwohl sie in der Macht sind?

Sie können einfach vorbeigehen, warum sollen sie Drohbriefe schreiben?

Also du siehst, das sind sehr, sehr viele unterschiedliche Dinge,

die man da prüft, bevor man zu der Einschätzung kommt,

dass ein Fall verifiziert ist.

Und wir waren eben dann auch in der Lage,

die Dokumente auf deutscher Regierungsseite uns anzuschauen.

Und wenn die Bundesregierung jetzt sagt,

naja, die haben denen ja nur Lesen und Schreiben beigebracht,

das war überhaupt nicht gefährlich,

inwiefern könntet ihr das verifizieren?

Ja, wir haben uns zum Beispiel die Schulbücher angeguckt

und haben mal geschaut, was sind das denn überhaupt für Unterrichtsmaterialien,

mit denen da gearbeitet wurde?

Da steht hinten dick drauf, GIZ,

das ist also deren Material, was da verwendet wurde.

Und da siehst du dann eben,

dass da ganz viele Polizeimaßnahmen ja auch besprochen wurden.

Da siehst du Bilder von abgesperrten Tatorten,

von Polizisten, die aufständige Menschen zurückdrängen.

Da geht es die ganze Zeit um Polizeiarbeit.

Jetzt war das nicht in allererster Linie Polizeitaktik,

aber natürlich geht es permanent auch darum.

Und die Leute sind ein und ausgegangen in Polizeistationen,

die wurden da gesehen, die wurden ganz klar wahrgenommen,

als Menschen, die für den Westen gearbeitet haben.

Die kennen Binnstrukturen, die kennen die Polizisten,

die jetzt möglicherweise für die Taliban

in den Sicherheitsbehörden arbeiten.

Und was kam dann raus bei euren Recherchen?

Konkret jetzt mal bei Gulab Ammadi.

Ist der wirklich gefährdet?

Ja, nach allem, was wir da sehen natürlich.

Also jemand, der so exponiert unterwegs war,

der muss befürchten, dass er zur Rechenschaft gezogen wird.

Und da war dann schon interessant zu sehen,

dass eben anders als es öffentlich immer heißt,

diese Menschen sind nicht gefährdet.

Das zum Beispiel in seinem Fall, wie in vielen anderen Fällen auch.

Die Dokumente der GIZ zu der Einschätzung kommen,

dieser Mensch ist eben besonders exponiert,

weil er diese Arbeit durchgeführt hat.

Dieser Mensch ist eben besonders sichtbar gewesen,

weil er bei Ministerienpolizisten wird.

Ich sage jetzt nicht, dass alle Menschen,

die in diesem Projekt tätig waren, deswegen gefährdet sind.

Aber die Erzählungen, die in Deutschland dazu existiert,

existiert seitens der Bundesregierung, die halte ich für unplausibel.

Und ich glaube, dass es eben besonders bequem ist,

diese Erzählungen über diese Menschen zu verbreiten,

weil es eine sehr große Gruppe ist.

Das war die größte Gruppe der Entwicklungshelfer.

Und wenn man die sozusagen ausklammern kann,

dann bleiben einfach erstmal schon viele da.

Und gibt es da denn Fälle von Mitarbeitern

diesen Programm, in dem auch Gulab Amadi war,

die in die Hände der Taliban gefallen sind?

Also es gibt Leute, mit denen wir gesprochen haben,

die während wir Kontakt zu ihnen hatten, plötzlich verschwunden waren.

Da gibt es einen Fall von einem, der war einfach zwei Wochen weg.

Da wurde uns berichtet von anderen Quellen,

dass er in der Zeit von den Taliban festgehalten wurde.

Und dann ist er irgendwann wieder aufgetaucht.

Dann hat er uns das auch alles geschildert und bestätigt.

Er hat uns Fotos gezeigt von seinem Rücken,

wie er geschlagen wurde, Schlagwunden, peitschen Wunden und ähnliches.

Es gibt aber auch Fälle, die uns daran zweifeln lassen,

dass die Sicherheitseinschätzung immer wirklich valide ist,

die die Bundesregierung zu diesen Fällen hatte und verbreitet hat.

Zum Beispiel sind wir auf den Fall gestoßen von einem Mitarbeiter,

dieses Projekt ist.

Seine Frau hat uns das geschildert.

In wirklich dramatischer Weise, sie war mit ihm im Auto.

Dann haben Menschen ihn heraus gewunken oder umstellt.

Das Auto umstellt und haben ihn einfach hingerichtet mehr oder weniger.

Wir haben Fotos vom Tatort gesehen von den Polizeiaufnahmen.

Wir haben Bilder der Leiche gesehen.

Also da gibt es keinen Zweifel dran, dass das passiert ist.

Und so wie die Frau es schildert,

stand das im Zusammenhang mit Bedrohungen, die er auch vorher erhalten hat,

weil er eben dort für die Polizei tätig war.

Und das war zum Beispiel ein Fall,

der gar nicht in die Sicherheitseinschätzung der Bundesregierung eingeflossen ist.

Die haben das mehr oder weniger durch unsere Recherchen erfahren

und der hatte da gar keine große Rolle gespielt.

Da frage ich mich natürlich schon,

also wenn da Leute aus ihrem eigenen Projekt mehr oder weniger einfach erschossen,

und man das nicht mitbekommt,

dann muss man sich ja fragen, ob die anderen Einschätzung,

die da verbreitet werden zum Thema, also ob die valide sind.

Ja, wie kompetent ist diese Einschätzung überhaupt dann anscheinend,

wenn die Informationen gar nicht da sind?

Also was jetzt nicht so ist,

ist, dass die Taliban jetzt hinter allen GITZ-PCP-Mitarbeitern her sind

und sie irgendwie systematisch foltern und mitnehmen

und erschießen oder ähnliches.

Und deswegen argumentiert dann auch die Bundesregierung,

dass die Konflikte, die dann entstehen,

häufig anderer Natur sind,

dass sie sich nicht herleiten aus der Tätigkeit für die Bundesregierung.

Das heißt, es geht nicht nur darum, dass man verfolgt ist,

sondern bei diesem Antrag geht es darum,

dass man deswegen, weil man für Deutschland gearbeitet hat, besonders verfolgt ist.

Das ist das Wichtige bei diesen Anträgen.

Das gilt sowieso,

und dann für die Werkvertragsnehmer eben nochmal besonders restriktiv.

Okay.

Eigentlich hatte die Bundesregierung versprochen,

dass diese Hilfe für die deutschen Ortskräfte,

die am Anfang so chaotisch war, besser funktionieren soll.

Es steht sogar im Koalitionsvertrag

und das Versprechen war eine unbürokratische Hilfe.

Wie sieht das jetzt aus? Gibt es die?

Ja, jedenfalls für die Ortskräfte nicht.

Man muss schon sagen auch, es gibt über 30.000 Menschen,

die nach Deutschland gekommen sind, 14.000 weitere Aufnahme zu sagen, gibt es.

Jetzt gibt es aber einen großen Stau,

weil es total schwierig ist, für die Menschen jetzt de facto an Visa zu kommen,

auch wenn sie die Aufnahme zu sagen in der Tasche haben

und de facto nach Deutschland zu kommen.

Und es sind aber seit, mit Stand Ende August seit Ende Juni,

überhaupt nur 140 Visa erteilt worden,

damit man das ein bisschen einschätzen kann.

Man muss wissen, dass die Bundesregierung sagt und gesagt hat,

dass sie 1000 Menschen pro Monat nach Deutschland holen wollen.

Und da kann man sich ungefähr vorstellen,

wie lange das dauert, um diese anderen 14.000 Menschen nach Deutschland zu bekommen,

wenn das überhaupt stattfinden kann.

Also dieses Versprechen ist eigentlich nicht so richtig eingelöst.

Wie ist das denn jetzt nach eurer Recherche, die ja noch mal gezeigt hat,

da gibt es ja ganz offenbar eine Fehleinschätzung.

Hat sich da was geändert durch die Recherche?

Jetzt ist unsere Recherche ja noch nicht so lange her.

Und wir sehen aber, dass es doch signifikant mehr Aufnahmen zu sagen gegeben hat.

Inzwischen sind es insgesamt 90.

Das ist natürlich immer noch eine kleine Zahl.

Das sind also 44 mehr,

aber fast eine Verdoppelung der gesamten Aufnahmen, wenn man so will.

Das bringt natürlich jetzt den Menschen nix,

in deren Fälle schon überprüft worden sind.

Und da habe ich jetzt auch nicht gehört,

dass ich daran irgendwas ändern könnte oder sollte.

Du hast ja auch die zuständigen Ministerien

und die Bundesregierung damit konfrontiert mit euren Rechercherergebnissen.

Was sagen die dazu?

Die Bundesregierung im Allgemeinen sagt, wir haben noch viel getan.

Wir haben an ganz anderen Stellen geholfen,

wir haben viel geholfen, wir haben viele Menschen nach Deutschland geholt.

Die GIZ verweist darauf, dass sie formell keine Gefährdungseinschätzung abgeben.

Sie sagen, wir sind nicht die, die das am Ende entscheiden.

Formell geben wir auch keine Einschätzung über die Gefährdung ab.

Wir beschreiben nur die Fälle.

Und das Bundesentwicklungsministerium verweist eben auf die Vorgaben,

dass klar geregelt sei und geregelt ist,

dass sich die Gefährdung aus der Tätigkeit ergeben haben muss

und verweist eben darauf, dass es durchaus die Möglichkeit gibt,

nach Deutschland zu kommen.

Und dass es ja auch Zusagen gab, das sagen die erst mal.

Und du beobachtest ja einen Untersuchungsausschuss

zu dieser Evakuierung der Ortskräfte in Afghanistan eben.

Was sagt der denn dazu?

Der sagt dazu gar nichts, weil, kannst du dir ja vorstellen,

was ist der dafür? Der ist dafür gar nicht zuständig.

Es gab ja diese große Empörung damals.

Und dann hat man sogar eigentlich das schärfste Schwert des Parlaments gezogen,

gesagt, wir gründen einen Untersuchungsausschuss.

Der soll das alles aufklären.

Wie ist die Bundesregierung mit ihren Ortskräften umgegangen?

Seitdem gibt es den auch.

Der tagt in Sitzungswochen jeden Donnerstag,

stundenlang bis tief in die Nacht.

Die wissen also wirklich dutzende Regierungsvertreter hinten auf der

Bank und hören zu und auch viele Abgeordnete und Mitarbeiter.

Da werden Zeugen befragt, da wird alles rekonstruiert.

Aber halt nur alles bis September 2021 von vor zwei Jahren.

Das heißt, der schließt damit ab.

Und was heute ist, das darf der gar nicht.

Das gehört nicht zu seinem Untersuchungsauftrag.

Das darf der gar nicht untersuchen.

Das ist natürlich Quatsch und Schade,

weil das will man ja eigentlich wissen.

Man will ja auch wissen, wie ist es denn weitergegangen.

Das ist heute unsere Verantwortung nach.

Und was wird so sagen, diese Verantwortung,

worin besteht die?

Warum sollte sich Deutschland da verpflichtet fühlen gegenüber

diesen Menschen?

Das finde ich eine total gute Frage,

weil die ja auch super berechtigt ist.

Das sind ja Afghanen.

Die haben ja früher für Afghanistan gearbeitet

und nicht nur für Deutschland.

Gleichzeitig ist es so, dass die halt von uns bezahlt wurden.

Also wir haben da ja auch Versprechen gemacht.

Das ist das Erste.

Es gibt einfach ein erneuertes Versprechen der Bundesregierung,

die denen sagt, wir helfen euch daraus.

Das ist schon mal eine Sache,

auf die die sich eigentlich verlassen haben,

auf die die vertraut haben.

Aber Stand ist, es gibt ein Versprechen.

Und das wird nicht gehalten.

Das ist natürlich total hart.

Also für Leute wie Gulab Amadi,

der ein ganzes Leben hängt ja davon ab.

Dementsprechend ist der halt auch frustriert.

Der ist auch frustriert einfach über die Werte,

für die er gekämpft hat.

Der hat ja für sein eigenes Land gekämpft,

was er an Wertenausrichten wollte,

von denen er überzeugt war.

Ich habe im Bildungsbereich gearbeitet,

habe mich angestrengt.

Ich habe mich damit zum Feind gemacht.

Zum Feind der Taliban, zum Feind der Menschen,

die nicht an Demokratie glauben.

Wenn ich den Namen Deutschland höre,

dann kriege ich einen Schock.

Der war ja davon überzeugt.

Das ist natürlich auch schon frustrierend zu sehen.

Fand ich jetzt in der Recherche,

dass das natürlich damit auch einhergeht.

Dass dann die Sinnfrage gestellt wird.

Eigentlich, für wen habe ich den da gearbeitet?

Was soll das denn für ein Prinzip, für ein Konzept sein?

Was mir da versprochen wurde,

wenn ihr jetzt so mit mir umgehen.

Wir lernen, dass die Bundesregierung da ja auch offenbar

nicht gedenkt, da groß was zu verändern.

Wir lernen daraus vielleicht für künftige Einsätze,

dass diese Frage von Anfang an beantwortet werden muss.

Also, wir lernen vielleicht,

dass Menschen, die für Deutschland tätig sind,

eine klare Ansage brauchen.

Künftig, pass auf, wenn ihr das macht für uns.

Ihr kriegt hier einen prekären Werksvertrag,

nur dass ihr es wisst, der ist ein bisschen besser bezahlt

als eure lokalen Gehälter.

Und wenn es ja hart auf hart kommt, dann sind wir aber auch weg.

Das wäre ja eine ehrliche klare Ansage.

Da kann sich ja jeder darauf einstellen.

Und dann trifft man so eine Opportunitätsentscheidung

für sich selbst, will man das machen oder nicht.

Und deswegen denke ich,

dass mindestens sollte man daraus lernen,

dass man das kommuniziert und dass wir nicht

irgendwelche betroffenen Minister sehen,

die in Deutschland sich dann unter öffentlichem Druck

vor die Presse stellen und irgendwelche Versprechungen machen,

die aber hinterher von anderen dann auch wieder

nicht eingehalten werden.

Und das finde ich irgendwie schon,

da muss man sowohl die Politik als auch die Verwaltung

beim Wort nehmen.

Und da hilft vielleicht auch einfach ein bisschen Ehrlichkeit.

Martin, danke für deine Einschätzung.

Danke euch.

Danke fürs Zuhören.

Das war unsere 11km-Folge für heute

mit Martin Kauhl vom WDR.

Die Recherche von der Martin hier erzählt hat,

ist eine Kooperation von NDR, WDR,

Süddeutscher Zeitung

und dem Recherchebüro Lighthouse Reports.

Den Beitrag zu der Recherche

auf tagesschau.de

verlinken wir euch in den Show notes.

Da findet ihr auch einen Link

zu dem Podcast Killed in Action,

der Fall von Kabul,

für den Martin recherchiert hat.

Da geht es um den Zusammenbruch des afghanischen Staates

und den Rückzug der westlichen Truppen.

Abonniert uns gerne,

dann verpasst ihr keine Folgen.

Also, vielleicht doch, passiert mal.

Aber dann liegt es zumindest nicht am versäumten Abo.

Tschüss.

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Sommer 2021: Die westlichen Staaten ziehen aus Afghanistan ab, die Taliban erobern das Land in Windeseile zurück, Chaos bricht am Flughafen in Kabul aus. Auch Deutschland versucht, die gefährdeten afghanischen Verbündeten zu evakuieren. Im Winter 2021 verspricht eine neu gewählte Bundesregierung, den verbliebenen Ortskräften mit “unbürokratischen Verfahren” zu helfen. Aber viele ehemalige Ortskräfte fühlen sich im Stich gelassen. In dieser 11KM-Folge erzählt WDR-Investigativreporter Martin Kaul die Geschichte zurückgelassener Ortskräfte und die Frage, ob deutsche Behörden es sich schlicht zu einfach machen. Hat die deutsche Bundesregierung ihr Versprechen gebrochen?



Beitrag auf tagesschau.de zu den abgelehnten Ortskräften:

https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/ortskraefte-afghanistan-bundesregierung-100.html



Der mehrteilige Podcast zu den Hintergründen von Deutschlands Rückzug aus Afghanistan:

https://www.ardaudiothek.de/sendung/killed-in-action-der-fall-von-kabul/65801762/



An dieser Folge waren beteiligt:

Folgenautor: Hans Christoph Böhringer

Mitarbeit: Lisa Hentschel

Produktion: Christiane Gerheuser-Kamp, Eva Erhard, Simon Schuling

Redationsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler



Besonderer Dank an Palina Milling.



11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info. Die redaktionelle Verantwortung für diese Folge trägt der NDR.