11KM: der tagesschau-Podcast: Abnehmspritzen: Ein fettes Geschäft

tagesschau tagesschau 10/5/23 - Episode Page - 25m - PDF Transcript

Abnehmenspritzen sind ein Gamechanger für Menschen mit starkem Übergewicht.

Das sagt ein Arzt, der Menschen mit Adipositas behandelt.

Nur eins verschweigt er, wenn er von den neuen tollen Spritzen gegen Dicks einspricht.

Nämlich, wie viel Geld er von den Pharmaunternehmen bekommt, dass die Abnehmenspritzen auf den Markt bringt.

Eine Recherche von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung beleuchtet jetzt das Geschäft mit den Abnehmenspritzen wie GoVie.

Und Investigativreporter Markus Grill erzählt heute von möglichen Interessenskonflikten eines prominenten Arztes.

Und warum es dabei um mehr geht, als um das Problem mit einem einzelnen Arzt.

Ihr hört 11km, der Tagesschau-Podcast, ein Thema in aller Tiefe.

Mein Name ist Victoria Kobmann. Heute ist Donnerstag, der 5. Oktober.

Hallo Markus. Hallo Victoria.

Ja, diese Geschichte beginnt auf einem Press Briefing, so eine Art Pressekonferenz.

Herzlich willkommen, liebe Journalistinnen und Journalisten zu unserem virtuellen Press Briefing hier beim Science Media Center.

Das Science Media Center, das ist eine Stiftung, die für Wissenschaftsjournalisten Pressekonferenzen veranscheidet.

Sie sind in der Regel virtuell, also man kann sich davon überall einwählen.

Wir wollen uns heute mit Medikamenten zur Behandlung von Übergewicht und Adipositas beschäftigen.

Das ist ja schon auch eine große Sache, also was da erzählt wird, das wird dann oft auch rezipiert in den Medien in den kommenden Tagen.

Genau, und dann präsentiert das Science Media Center Referenten.

Und der Dritte im Bunde ist heute Professor Jens Averle, als ärztlicher Leiter des Adipositas-Zentrums am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Er hat täglich Patientenkontakt und kennt sich bestens mit diversen Behandlungsmethoden bei Adipositas aus.

Es ist einfach ein schweinder Bedarf zur Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Adipositas.

Ja, das ist Jens Averle, der Präsident der Adipositas-Gesellschaft.

Also die Fachgesellschaft, die für die Behandlung von adipösen Menschen auch zuständig ist in Deutschland.

Und er hat sich sehr begeistert über diese neue Abnehmensspritze geäußert.

Also, wenn wir jetzt im Prinzip uns die Studien angucken und wir sehen, dass Medikamente Gewichtsreduktionen von 2022 vielleicht in Zukunft 25 Prozent Gewichtsreduktion machen,

dann kommt man natürlich sehr, sehr nah an die Effektivität.

Er hat sich als Gamechanger bezeichnet, also ein Medikament, das die ganzen Spielregeln verändern.

Gamechanger ist ja so ein Schlagwort, das hier aber absolut zutrifft.

Wir hatten noch nie sagen Medikamente, die auch nur in der Nähe waren einer Effektivität, wie wir es jetzt erleben und die dazu noch sicher sind.

Nebenwirkungen hat er eher so, wie gesagt, ja klar gibt es immer, aber die Seiten verhältnismäßig überschaubar.

Wir haben zum Thema Abnehmensspritzen auch schon mal eine Folge gemacht hier bei FKM.

Da haben wir angeschaut, für welche Patienten das eigentlich gedacht ist.

Also, ist das jetzt eine Chance oder eher ein Hype?

Da hatten wir im Detail auch besprochen, wie diese Spritzen eigentlich funktionieren.

Kannst du das nochmal kurz erklären?

Das ist ein Medikament, das in Deutschland seit fünf Jahren ungefähr auf dem Markt ist und das auch Diabetologen für eine gewisse Zeit lang bei Diabetikern einsetzen.

Also der Facharzt, mit dem wir da gesprochen haben, Andreas Klinge, der sagt so zwei, zweieinhalb Jahre kommen die mit diesem Semaklutit zurecht,

ohne dann zum Beispiel Insulin zu benötigen.

Und der Wirkstoff signalisiert dem Gehirn, du bist eigentlich schon satt, wenn du ein bisschen was angefangen hast zu essen.

Und da hat jetzt der Herstellerkonzerner Wunderung gesagt, gut super, dann machen wir einfach draus auch noch eine reine Abnehmensspritze.

Also, ihr habt dem Semaklutit neu verpackt, ein bisschen die Dosierung erhöht und man spritzt sich das mit so einem Pen in die Bauchfalte zum Beispiel.

Und man ist dann einfach nicht mehr, man hört auf zu essen und das ist genau die ganz simple Wirkung dieses Wirkstoff.

Wenn man dann den Wirkstoff absetzt, dann hat man eben nicht mehr dieses Sättigungsgefühl und dann nimmt man auch wieder zu.

Ja, Gamechanger ist natürlich ein etwas unscharfer Begriff, aber letztendlich mein ich persönlich damit aber auch viele Fachgesellschaften,

dass die Substanz Semaklutit in der Therapie der Adipositas Gewichtsreduktionen erzeugt, die wir bisher nicht kennen.

Das ist eine neue Dimension von Effektivität in der pharmacologischen Therapie.

Dieser Arzt, der das gesagt hat, der ist ja der Vorsitzende der Adipositasgesellschaft in Deutschland

und dessen Meinung ist ja nicht irgendeine, das ist ja ein Experte, ne?

Genau, also man kann sagen, das ist ein Meinungsführer, also so jemand prägt die öffentliche Meinung über so ein neues Medikament wie eben diese Abnimmspritze.

Als Mediziner wird man natürlich sagen, man sollte sich nicht auf Experten verlassen, sondern auf die Ergebnisse aus Studien.

Und natürlich gibt es in Deutschland eine Institution, d.h. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.

Das sind die eigentlichen Experten und eben auch als zweite Einrichtung die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft,

wo z.B. der Dr. Klinge, mit dem wir auch gesprochen haben, im Vorstand sitzt und der deutlich kritischer und distanzierter über so ein neues Medikament spricht als der Präsident der Adipositasgesellschaft.

Möglicherweise kann es auch zu einer weiteren Pankreas-Schädigung kommen.

Es gibt ein paar Sicherheitsdaten, die in die Richtung gehen,

ob möglicherweise eine bestimmte Art von sehr seltenen Schildrusenkrebs informiert auftreten kann

und ganz aktuelle Diskussionen gehen um die Frage, ob vielleicht Suizidgedanken ausgelöst werden können durch dieses Medikament.

Das wird aktuell untersucht von der Europäischen Erzeneimittelkommission.

Ja, aber der Dr. Aberle, der spricht ja eher von den Vorteilen.

Wenn Menschen mit Adipositas und kardiovaskuläre Erkrankungen, d.h. die schon mal einen Herzenfakt oder einen Schlaganfall hatten,

wenn sie dieses Medikament bekommen,

dass dann deren Wahrscheinlichkeit, einen neuen Herzenfakt zu bekommen oder zu versterben, signifikant reduziert wird.

Und das ist tatsächlich das allererste Mal, dass ein Medikament in der Indikation Gewichtsreduktion solche Daten zeigt.

Das haben wir vorher noch nie gehabt.

Also ich würde jetzt vielleicht erst mal denken, naja, das ist jemand, der kennt sich total gut aus mit Adipositas,

der weiß wovon er spricht, warum äußert der sich so viel positiver als andere Leute?

Na, er wird natürlich immer sagen, weil er überzeugt ist von dem Medikament,

aber jetzt kommt ein zweites großes Thema ins Spiel, nämlich Interessenskonflikte.

Wenn ich nebenher Nebeneinkünfte habe, z.B. von Pharmaunternehmen,

also das heißt, ich habe vielleicht auch eine gewogenere Haltung gegenüber dem Unternehmen, das mich eben bezahlt.

Das sind Interessenskonflikte, die man deklarieren muss.

Und ist das so bei dem Dr. Aberle?

Jens Aberle hat jede Menge Interessenskonflikte.

Er bekommt Geld nicht nur von der Spritzenfirma, von Novo Nordisk.

Er bekommt auch Geld von Eli Lilly, von Böhringer Ingelheim, von AstraZeneca.

Und da kann man das sehen, dass er z.B. im Beirat dieser Unternehmen sitzt, Vorträge hält.

Also das mache ich sehr gerne auf die Bühne zu fahren.

Also das ist ein wunderbarer Nebenaspekt unseres Kongresses.

Die Spritzenfirma Novo Nordisk unterhält z.B. auch eine sogenannte Fortbildungsakademie für Ärzte.

Und dort tritt er auch auf als Referent.

Also er hat eine Vielzahl von Interessenskonflikten, was dieses Medikament anbelangt.

Alles erfolgt neben der sonst üblichen Tätigkeit in der klinischen Praxis.

Dafür bräuchte ich Ihnen euch im Namen der Deutschland Repositas,

der Mitglieder und des Vorstandes ein ganz herzliches Dankeschön aussprechen.

Also man muss ganz klar sagen, über alles was wir hier reden, das geht nicht um Korruption.

Also das wäre eben nicht legal, sondern es geht darum,

dass ein Arzt eben Leistungen erbringt für ein Pharmaunternehmen,

sei es Vorträge, sei es wissenschaftliche Beratungen,

einem Gremium sitzt und so weiter und dafür halt Geld bekommt.

Und warum muss man dies transparent machen,

damit das Publikum das richtig beurteilen und einschätzen kann?

Inwiefern ist es jetzt beim Dr. A. Baller ein Problem?

Also das Problem ist halt, dass er gelegentlich vergisst, transparent zu sein.

Also bei der Pressekonferenz, über die wir am Anfang gesprochen haben,

da waren auch zwei andere Kollegen von ihm auf den Podium.

Die anderen beiden Kollegen haben ihre Interessenskonflikte deklariert.

Bei Herr Aberle steht keine Angaben.

Das Science Media Center hat ihn vorher gefragt,

haben sie Interessenskonflikte und wenn ja, welche,

darauf hat er nichts geantwortet.

Also das heißt, die Journalisten, die dann auf dieser Pressekonferenz waren,

die haben nicht erfahren, dass Herr Aberle Geld von mehreren Pharmaunternehmen bekommt,

eben auch von der Firma, die diese Abnehmenspritze herstellt, über die er gesprochen hat.

Und wenn man ihn jetzt fragt, wie viel Geld er bekommt,

dann schweigt das sich darüber aus.

Es ist deutlich weniger.

Die Summe von meinem Kollegen kannte ich nicht, die haben sie mir gerade genannt.

Ja, steht im Transparenzbericht.

Transparenzbericht, das ist gut.

Bei mir ist es sicherlich weniger.

Ich weiß es nicht auswendig, aber es ist deutlich weniger.

Und wie gesagt, ich verdiene mein Geld nicht über die Pharmaindustrie,

sondern durch ärztliche Tätigkeit.

Jede Pharmafirma muss einmal im Jahr veröffentlichen,

wie viel Geld sie an einzelne Ärzte bezahlt hat für Reisekosten,

für Vorträge, für Beratertätigkeit und so weiter.

Aber man kann das nur als Pharmafirma veröffentlichen,

wenn der betroffene Arzt dem zugestimmt hat.

Und Herr Aberle stimmt nie zu.

Wir haben die ganzen Transparenzberichte der Firmen analysiert,

der letzten Jahre, wo klar ist, dass er auf der Payroll steht,

also wo er Geld bekommen hat, also zum Beispiel Novo Nordis.

Da taucht er mit dem Transparenzbericht,

anschaut der Name Aberle nicht auf.

Beim Transparenzbericht der Firma Eli Lilly taucht Aberle nicht auf,

bei AstraZeneca taucht Aberle nicht auf,

bei Böhringer Ingelheim taucht Aberle nicht auf.

Von allen Firmen hat er aber Geld bekommen,

wie man an seinen Fachpublikationen sieht.

Das heißt, er hat bei allen diesen Firmen die Zustimmung verweigert,

dass die Firma schreiben darf, wie viel Geld er bekommen hat.

Gibt es da nicht irgendwie Kritik dran, außer jetzt von euch?

Doch, es gibt den Verein Metsis, das ist eine Organisation kritischer Ärzte.

Metsis ist eine Abkürzung für mein Essen, zahle ich selbst.

Also das sind Ärzte, Deutschland, Zusammenschutz von über 1000 Ärzte inzwischen,

die gesagt haben, sie nehmen keine Einladungen von Pharmaunternehmen an.

Der Untertitel ist Initiative unbestächtlicher Ärztinnen und Ärzte,

dass wir unsere Arbeit wirklich am Patienten wohl ausrechten

und nicht an anderen Interessen.

Was sagen die denn konkret zu diesem Fall?

Man ja Dannenberg, der im Vorstand ist,

die hat ihre Praxis nur nähe von Rostock, die sagt eben...

Das ist hier sogar noch ein Sonderfall, die gesamte Gesellschaft,

die Alipositas-Gesellschaft, eine große Spenden-Summe erhalten hat von dieser Firma.

Also man hier überhaupt nicht von einer Unabhängigkeit sprechen kann.

Also in den vergangenen Jahren hat die Alipositas-Gesellschaft

über Mitgliedsbeiträge insgesamt 80.000 Euro eingenommen,

aber sie hat 145.000, also fast doppelt so viel,

von der Spritzenfirma Novo Nordis bekommen.

Und es ist natürlich auch eine Sache, die man wissen muss,

damit man das Zuhörer das besser einschätzen kann.

Er kann nicht unabhängig agieren.

Und was sagt der Dr. Aberle dazu?

Habt ihr ihn damit konfrontiert?

Er streitet natürlich nicht die Zahlung.

Er sagt, ja, das stimmt, wir haben dieses Geld bekommen.

Er sagt auch, es war eine Ausnahme im letzten Jahr.

Im Jahr zuvor haben wir in Anführungsstrichen nur 70.000 oder 75.000 Euro bekommen,

was ja auch immer so viel ist wie die ganzen Mitgliedsbeiträge.

Er sagt aber trotzdem, seine Fachgesellschaft sei unabhängig,

wenn man auch auf dieses Geld verzichten könnte.

Man nimmt es an, um bestimmte Projekte zu machen

und zu fördern, die man sonst nicht machen könnte.

Man muss tatsächlich sagen, dass die Deutsche Alipositas-Gesellschaft

in ihrer Existenz nicht abhängig ist von Sponsoren.

Und was eine eigene, finde ich, unzureichende Transparenz anbelangt,

da eben das ist eine persönliche Entscheidung von ihm,

diese Dinge nicht mitzuteilen.

Das ist glaube ich etwas, was man jetzt persönlich für sich entscheiden muss,

aber eine Transparenz gibt es mit oder ohne Offenlegung durch die Pharma-Firmen.

In Deutschland ist es ja nicht verpflichtend.

In den USA ist es zum Beispiel verpflichtend.

Also da hat die Regierung Obama ein Gesetz eingeführt,

einen sogenannten Sunshine Act,

und der verpflichtet die Pharma-Unternehmen,

eben einmal im Jahr aufzulisten,

an welchen Arzt sie konkret wie viel Geld bezahlt haben.

In Europa hat die Pharma-Industrie gesagt,

also ein Gesetz drohte vor zehn Jahren,

nein, das brauchen wir in Europa nicht,

wir machen das alles freiwillig.

Nur die Freigeligkeit führt eben dazu,

dass drei Viertel aller Ärzte dem nicht zustimmen,

dass man ihre Zahlungen veröffentlichen darf

und nur ein Viertel damit einverstanden ist.

Das heißt, die Freiwilligkeit funktioniert eigentlich nicht bei uns.

Allerdings gibt es ja eigentlich ein Werbeverbot

für verschreibungspflichtige Medikamente.

Wo ist da die Grenze?

Also, Ärzteregner, deshalb nicht über den Medikamentennamen,

sondern über den Wirkstoffnamen,

also in diesem Fall nicht über Wegovi,

sondern über den Wirkstoff Semaclutid.

Und so hat es dann ja auch der Dr. Awelle

in der Bild am Sonntag gemacht.

Also er hat nicht das konkrete Produkt jetzt beworben,

sondern er hat über eine Abnehmensspritze gesprochen.

Also er hat sozusagen, er würde eben nicht nur als Experte

in der Bildzeitung interviewt,

sondern er hat einen eigenen großen Artikel

unter seinem Namen in der Bild am Sonntag geschrieben.

Er hat über eine Abnehmensspritze

mit dem Wirkstoff Semaclutid gesprochen,

aber für alle ist klar, es gibt nur ein Hype

um so ein Medikament klar,

das ist halt von Novo Nordis,

die Spritze mit dem Namen Wegovi.

Und da stand eben auch nichts von Interessenskonflikte.

Auch da haben die Leserinnen und Leser nicht erfahren,

dass Herr Awelle und seine Fachgesellschaft

eben Geld von Novo Nordis, also der Herstellerfirma,

die so Spritze bekommen.

Und wir haben dann die Bildzeitung gefragt,

wäre es nicht besser, dass den Leserinnen und Lesern

Transparenzimmern haben, sie sagten, ja,

wir wussten es nicht, dass Herr Awelle

diesen Interessenkonflikt hatte.

Er hat es uns nicht gesagt und hätten wir es gewusst,

dann hätten wir für dieses Thema einen anderen Experten gesucht.

Aber das Entscheidende war ja, in diesem Artikel hat er eben

nicht nur jetzt positiv über das Medikament gesprochen,

sondern das ist jetzt die nächste Stufe.

Er hat gefordert, dass dieses Medikament

von den Krankenkassen bezahlt wird.

Okay, das ist ja bisher nicht so, ne?

In Deutschland, § 34 im Sozialgesetzbuch,

steht sogenannte Lifestyle-Medikamente,

dürfen die Krankenkassen nicht bezahlen.

Und wenn man es jetzt wirklich zu Ende denkt mal,

in Deutschland gibt es ungefähr 16 Millionen Menschen

mit Adipositas, also wirklich 16 Millionen Menschen

mit einem BMI über 30.

Das ist schon viel, ne?

Das ist viel. Die Jahrestherapie-Kosten

für diese Abnehmensspritze sind extrem hoch.

Was würde uns als Gesellschaft bzw. die Krankenkassen

das denn kosten?

Also der Preis ist, finde ich, etwas kandalöses.

Bei Osempic kostet ein Milligramm,

also eine Dosis mit einem Milligramm 18 Euro.

Also Osempic ist dieses Diabetes-Medikament,

diese 18 Euro, ist das dann der Preis pro Spritze?

Pro Spritze.

Bei Wego, wie gesagt, der gleiche Wirkstoff,

ein Milligramm 40 Euro, ja?

Genau den gleichen Wirkstoff, genau das gleiche Präparat,

weil es jetzt auf der Packung Abnehmensspritze steht.

Wahnsinn.

Jetzt hat die AOK für uns ausgerechnet,

was es denn kosten würde, wenn alle Menschen,

die Adipösen in Deutschland diese Spritze bekommen würden,

ja?

Wenn man jetzt tatsächlich mal ausrechnet,

was es kosten würde, wenn alle Menschen mit Adipositas

dieses Medikament bekommen würden,

dann wären das Kosten im Jahr von 52 Milliarden Euro.

Jetzt nur mal zum Vergleich,

weil die Summe so gigantisch ist,

Deutschland gibt für alle Medikamente

in einem Jahr 48 Milliarden Euro aus, ja?

Also das heißt, es würde einen ganz großen Teil

vom gesamten Krankenkassensystem beanspruchen.

Also das würde eine deutliche Erhöhung

der Krankenkassenbeiträge zur Folge haben in Deutschland.

Also wenn es so wäre, wie der Dr. Aberle das empfiehlt.

Wenn man mit ihm spricht, sagt er, ja, das ist mir klar,

das sprengt das Gesundheitssystem.

Und dann redet er drüber, dass dieses Medikament nur auf eine

bestimmte Gruppe dann von Adipösen zur Verfügung stehen sollte.

Also vielleicht für Menschen mit einem BMI über 35 oder so.

Deswegen ist uns völlig klar,

dass eine Erstattungsfähigkeit für alle Menschen mit Adipositas

16 Millionen in Deutschland etwa,

dass diese im Prinzip vom Gesundheitssystem

nicht getragen werden könnte.

Und wir sind viel mehr bestrebt,

sagen, Populationen zu definieren für Menschen mit Adipositas,

die in besonderem Maße von einer Medikation profitieren,

medizinisch.

Aber diese Einschränkungen hat man in dem Artikel jetzt nicht gelesen?

Na ja, an anderer Stelle setzen wir uns aber sehr, sehr stark damit

auseinander.

Und da haben wir auch schon viele Vorschläge gemacht.

Und damit würden ja dann wahrscheinlich für diese Firmen,

die diese hohen Preise ja auch aufrufen,

immense Gewinne erwirtschaftet werden, oder?

Genau.

So bewerten das nämlich auch die Aktienmärkte,

weil Novonordis allein im letzten Jahr

einen Gewinn im Aktienkurs von 70 Prozent gemacht hat.

Und inzwischen ist diese dänische Pharmafirma

das wertvollste Unternehmen in ganz Europa.

Oh wow, okay.

Ja, das heißt, wenn man den Börsenkurs nimmt

von Novonordis-Grad, dann ergibt sich ein Unternehmenswert

von 315 Milliarden Euro.

315 Milliarden Euro, das ist mehr als VW,

BMW und Mercedes zusammenwert sind.

Das ist also das, was in den USA vielleicht Apple ist

oder so vom Börsenwert, also wertvollste Pharma,

bis in Europa inzwischen Novonordis dank der Abnehmensspritze.

Wahnsinn, ja.

Ich finde, wenn man das im Hinterkopf hat,

dann merkt man nochmal ganz genau, was da dranhängt

und dass das auch eine ethische Frage ist, ob man das so bewirbt.

Jetzt hat der Dr. Aberle Jam immerhin mit euch gesprochen.

Er war zu einem Interview bereit.

Gab es da eine gewisse Form von Einsicht?

Also, Herr Aberle hat natürlich darauf hingewiesen,

dass er es unfair findet, wie er so kritisiert wird.

Er macht immerhin die ganze Tätigkeit bei der ADPOSITAS-Gesellschaft

ehrenamtlich, also er setzt sich ehrenamtlich dafür ein

für adepöse Menschen.

Aber wenn man natürlich sieht, wie Medien auch in der Vergangenheit

umgegangen sind und umgehen mit Zahlen,

dann muss man sagen, dass das auch nicht immer fair ist.

Das wird ja nicht differenziert.

Also, er hat zumindest das als Fehler bezeichnet,

dass er bei der Pressekonferenz zum Beispiel

seine Interessenskonflikte nicht deklariert hat.

Das ist an offiziellen Stellen hinterlegt

und das war dann ein einmaliges Versäumnis,

was wir natürlich gerne korrigieren können.

Nachdem wir ihn darauf aufmerksam gemacht haben,

hat er selber sich gewandt an Design Media Center,

wo das jetzt nachvollziehbar ist.

Und was die Transparenzerzahlungen anbelangt,

sagt er halt einfach, wenn andere Ärzte das auch nicht mitteilen

und nicht melden, dann melde ich es halt auch nicht.

Ich bin völlig offen dafür, dass man sagt,

dass sagen alle Ärzte das offenlegen,

dann habe ich kein Problem damit.

Aber wenn das sich auf einzelne Personen reduziert,

dann entsteht dadurch ein Ungleichgewicht.

Und dieses Ungleichgewicht halte ich für nicht sinnvoll.

Insofern würde ich mich aber dafür einsetzen,

dass das insgesamt notwendig wird.

Also ein Sunshine Act für Deutschland.

Ein Sunshine Act.

Und hier ein Hinweis nach unserer Aufzeichnung mit Markus

und nach der Anfrage von ihm an Jens A. Balle

hat die Adipositasgesellschaft ihre Website geändert.

Da steht jetzt, das zitiere ich mal, Transparenzangabe.

Prof. Jens A. Balle ist an der klinischen Arzneimittelforschung

beteiligt und hat Honorare für Vorträge

und Advisory Boards von AstraZeneca, Böhringer Ingelheim,

Novo Nordisk und Lilly erhalten.

Das ist also neu.

Aber die folgende Frage bleibt natürlich.

Welche Auswirkungen hat möglicherweise diese Lobbyarbeit

und dieser daraus resultierende Hype

um die Abnehmenspritze jetzt?

Für uns alle, für den Markt, für die Kassen,

für die Patienten und insgesamt.

Also wenn man davon ausgeht,

dass Adipositas wirklich eine Krankheit ist, eine Erkrankung,

dann ist es auch folgerichtig,

dass man die Behandlung dieser Erkrankung bezahlt.

Und wenn man sagt, man bezahlt die Behandlung dieser Erkrankung,

dann ist es auch folgerichtig,

dass die medikamentöse Therapie da eine Rolle spielt.

Und insofern finde ich für keinen Weg dran vorbei,

dass auch für bestimmte Personengruppen,

für bestimmte Menschen mit Adipositas

dieses Medikament von den Krankenkassen bezahlt wird.

Nur das Führteil zu sehr, sehr hohen Mehrausgaben im System,

vor denen sich zur Zeit aber alle drücken.

Wenn man mit Gesundheitspolitikern spricht,

dann tun die alle so, als ob das kein Thema irgendwie zur Zeit ist,

als ob man das irgendwie ignorieren könnte.

Aber diese Debatte beginnt jetzt

und sie beginnt auch vor dem Hintergrund,

dass eben andere Firmen mit ähnlichen Präparaten

jetzt in den Markt drängen.

Also da kommen große Kosten auf das Gesundheitswesen zu,

weil ich glaube nicht,

dass man diese Debatte einfach wegdrängen kann

oder verdrängen kann.

Sie wird kommen.

Markus, vielen Dank, dass du uns davon erzählt hast.

Ja, danke, dass ich hier sein durfte, Victoria.

Bis dann.

Bis dann, tschüss.

Das war FKM.

Heute mit Investigativreporter Markus Grill von der Recherche Kooperation

NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung.

Er hat zusammen mit Johannes Edelhoff von Panorama

zum Geschäft mit den Abnehmenspritzen von Wegovi recherchiert.

Mehr dazu erfahrt ihr auch auf tagesschau.de

und heute Abend ab 21.45 Uhr

im AID-Politikmagazin Panorama.

Folgen Autorin ist Lisa Hensche.

Mitgearbeitet hat Hans-Christoph Böhringer,

Produktion Viktor Werresch, Christiane Gerhäuser-Kamm

und Hannah Brünjes.

Redaktionsleitung Lena Götler und Fumiko Lipp.

FKM ist eine Produktion von BR24 und NDR Info.

Mein Name ist Victoria Kobmann.

Und kleiner Hinweis, wir hören uns morgen wieder.

Am Freitag, den Tag vor dem Wahlwochenende in Bayern und Hessen.

Das nehmen wir zum Anlass, mal drüber zu sprechen,

wozu Umfragen heute eigentlich noch gut sind.

Und zwar mit einer Frau, die ihr vom AID Deutschland-Trend kennt.

Ellen Eni ist zu Gast bei uns.

Bis morgen also.

Tschüss.

Zum Schluss habe ich noch einen Podcast-Tipp für euch.

Süchtig nach alles von Bremennext gibt's jetzt in der 2. Staffel.

Reporter Hubertus Koch begibt sich auf eine Reise durch verschiedene Süchte.

Drogen, Verhalten-Süchte wie Glücksspiel und Shopping.

Oder auch die Liebe.

Moin, ich bin Hubertus Koch.

Und mein Bremennext-Podcast Süchtig nach alles geht in die 2. Staffel.

Diesmal treffe ich Kokain und Ecstasy-Konsumenten,

kläre die Frage, ob auch lieb ist.

Und ob wir als Gesellschaft nicht abhängig vom Auto sind.

Ich besuche süchtige aller Art bei Ihnen zu Hause, bin draußen unterwegs.

Und mich besuchen danach tolle Gäste im Studio.

Zwischen Sucht und Lifestyle.

Süchtig nach alles die 2. Staffel.

Jetzt, exklusiv in der ARD-Audiotake.

Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.

Abnehmspritzen als "Gamechanger" für Adipositas-Erkrankte. Das sagt der Präsident der Deutschen Adipositas Gesellschaft, Jens Aberle. Was er schon mal vergisst zu sagen: Er bekommt Geld von der Spritzen-Firma Novo Nordisk. Das ist zwar legal. Aber daran zeigt sich ein Transparenzproblem der deutschen Medizin: Wie kann man einem Experten trauen, der mögliche Interessenskonflikte nicht angibt? In einer Zeit, in Abnehmspritzen zu einem Milliardengeschäft werden. Die Recherche-Kooperation von NDR, WDR und SZ hat mit Jens Aberle gesprochen, auch Investigativreporter Markus Grill. In dieser 11KM Folge erfahren wir von ihm, wie es aussieht – das fette Geschäft mit den Abnehmspritzen – und was sich ändern müsste, damit Betroffene erkennen, wer möglicherweise befangen ist.



Auf tagesschau.de erfahrt ihr mehr zur Recherche:

https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/abnehm-spritze-wegovy-100.html



Der Film dazu läuft bei Panorama in der ARD am 5.10, um 21.45 Uhr.



Und hier geht's zu unserem Podcast-Tipp "Süchtig nach Alles":

https://www.ardaudiothek.de/sendung/suechtig-nach-alles/12103175/



An dieser Folge waren beteiligt:

Folgenautor:in: Lisa Hentschel

Mitarbeit: Hans Christoph Böhringer

Produktion: Hanna Brünjes, Viktor Veress, Christiane Gerheuser-Kamp

Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler



11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info.

Die redaktionelle Verantwortung für diese Folge liegt beim BR.