Verbrechen: Wie weit darf eine Frau gehen?
ZEIT ONLINE 6/13/23 - Episode Page - 45m - PDF Transcript
Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, ganz herzlich willkommen zu Zeit Verbrechen, diesmal mit
dem zweiten Teil unserer großen Jubiläumsfeier, die ist ja auch wahr, liebe Sabine, an der Uni Hamburg
fünf Jahre alt sind wir geworden, vier Gastgeber sind wir zukünftig und hier kommt der zweite Teil.
Und nicht nur Sabine und ich haben Fragen, wir nehmen an auch Sie und Ihr habt vielleicht Fragen.
Und dafür haben wir eingerichtet Slido, wenn ihr euch dort einwählt, wenn Sie sich dort einwählen,
unter dem Hashtag verbrechen, sammeln wir Ihre Eure Fragen und versuchen möglichst viele davon am Ende zu beantworten.
Sabine, als du mich gefragt hast, machen wir diesen Podcast zusammen, habe ich immer so ein bisschen gedacht,
das ist wie Tatort, also es gibt Münster und Birne und es gibt Dortmund, aber es gibt eigentlich in jedem Fallen Mord,
das ist aber gar nicht so, wir reden über so unterschiedliche Fälle und das Verbrechen, das sich uns zeigt,
ist ganz viel gestaltet, ich habe mal so ein paar Sachen rausgesucht, wir haben über prominente Täter und Opfer geredet,
Dieter Wegel habe ich vorhin zitiert, du hast gerade Jan Philipp Rehmzmar erwähnt,
Jörg Kachelmann war so ein Fall.
Assauer.
Assauer, genau, Assauer als sehr prominentes Opfer, die meisten unserer Täterinnen wie Opfer sind aber ziemlich unbekannt
und wir leuchten in Schicksale hinein, warum machen wir das eigentlich, wir versuchen ja so wenig wie möglich, wo juristisch zu sein,
was ist für dich das Motiv eigentlich hinter diesem Podcast?
Naja, das Motiv ist ja gar nicht, der Podcast ist ja nur sozusagen die Vertonung des Motivs,
das mich schon seit 20 Jahren in der Zeit mit diesem Thema sich befassen lässt.
Du kannst eben an einem Kriminalberichterstattung alles erzählen, alles, es ist ja auch kein Zufall,
dass die ganze Kunst und die Literatur immer wieder mit großen Kriminalfällen zu tun hat,
ob das jetzt Shakespeare ist oder Dostoyevsky oder was weiß ich, die Bibel, also die Mutter aller Literatur.
Es wird übrigens jetzt in Uta verboten, die Bibel in Schulen zu lesen, weil da so viel Verbrechen drin ist.
Mit Mord und Pornografie.
Ja, dann müsste man auch die Zeitungen verbieten, denn da ist auch viel Verbrechen drin.
Der Mensch neigt eben zum Verbrechen.
Wir hatten ja jetzt in der Zeit eine Seite in der Politik, in der heutigen Ausgabe der Zeit,
eine Seite von Michael Tumann über einen jungen Polizisten, der irgendwo aus dem Lande kommt
und in Moskau auf die Polizeischule will und dort aufgenommen wird und dann eine Wohnung bezahlen kann
und ein gutes Leben haben kann, auf jeden Fall im Rahmen des Möglichen.
Und der dann also in der Polizei in Moskau ist, merkt, das sind alles Verbrecher.
Er ist in ein Verbrechersündikat geraten.
Hier werden Leute terrorisiert, unterdrückt, fertig gemacht, ausgeraubt.
Das Verbrechen ist überall und das Verbrechen ist eben auch in uns selbst
und wenn man in Umstände gerät, wie dieser junge Polizist ist, ein Schicksal,
man dann nachlesen kann und der inzwischen in Georgien ist und weil er geflüchtet ist,
dann ist man eben ganz schnell auch selbst ein Verbrecher, ohne dass man das eigentlich vorhatte.
Das ist das zum Beispiel, was mich am Verbrechen interessiert.
Dann ist das Verbrechen im Kleinen und es gibt das Verbrechen im Großen, bis hin zum Staatsverbrechen.
Wir haben ja auch Folgen gemacht über Verbrecher an der Spitze von Staaten,
die ganze Nationen ins Unglück stürzen.
Also das Verbrechen hat sehr viele Gesichter und ganz kleine und ganz große, manchmal auch ulkige,
aber manchmal eben auch ganz schreckliche.
Ich erinnere mich an so, man kann das fast heitere Betrüger rein,
denn die Geschichte, die Gero uns erzählt hat, Gero von Rando,
über eine französische Adelsfamilie, die so aglig und so edel war,
dass sie so gnadenlos auf einen Betrüger reingefallen,
seinen großen Hochstapler oder an den Hamburger Hochstapler, Haxen.
Haxen, ja, das war auch erzählt.
Es gab ganz grausen...
Aber das sieht, das erzählt eben alles wahnsinnig viel über die Hamburger Gesellschaft.
Also Verbrechen erzählt was über die Welt, in der wir leben.
Und über die Gesellschaft, in der wir leben, es erzählt natürlich auch viel über die Polizei
und über die Strafverfolgungsbehörden, über die Vorstellung von Gerechtigkeit.
Also Verbrechen ist überall drin und insofern, so sieht auch unser Podcast aus,
das ist nicht immer der Treppensturz der Ungeklärte oder die immer gleiche Vergiftung oder sowas,
sondern es sind sehr, sehr unterschiedliche Formen und Gesichter,
die das Verbrechen und seine bis hin zur Tatsache,
dass manchmal der Verbrecher der Richter ist.
Genau.
Das gibt's ja auch.
Naja, und es gibt Verbrechen, bei denen man sich manchmal fragt,
wer ist jetzt überhaupt eins?
Und wenn ja, wer ist schuld?
Und über einen solchen Fall andere reden, wer jetzt?
Ja.
Der zweite Fall des heutigen Abends,
erst mal eine Warnung an alle Paare.
Ein Haus zu bauen, kann wirklich gefährlich sein.
Besonders Sohnhaus.
Bitte?
Besonders Sohnhaus.
Besonders Sohnhaus.
Aber das Verbrechen, über das wir reden, ist nicht das, woran ihr jetzt denkt.
Anne, du musst uns dieses Paar vorstellen, dass dieses Haus baut.
Das ist ein sehr besonderes Haus, du hast es schon gesagt,
und es ist ein frisch verliebtes junges Paar, das an diesen Hausbau geht.
Ja, ein frisch verliebtes junges Paar, das wir heute Marie und Sebastian Anselm nennen,
um nicht ihre wahren...
Ja, heißen wir immer bei uns nicht so, ja.
Sie sind noch recht jung, als sie sich in dieses Hausbauprojekt stürzen.
Also er ist erst 25, studiert gerade auf Lehramt.
Sie ist schon 30, also fünf Jahre älter,
steht schon seit einigen Jahren im Berufsleben.
Sie arbeitet im Labor.
Und die beiden gehen ganz, ganz unterschiedlich an das Leben ran.
Das werden wir mehrfach heute erfahren, wie unterschiedlich das ist.
Und sie haben sich aber entschieden,
kurz nachdem sie sich kennengelernt haben,
kurz nachdem sie schnell zu Heirat entschlossen
und dann auch schnell zum Hausbau entschlossen,
ein Riesending, sag ich dir.
Da denkst du, da würden sich Leute, die 20 Jahre älter sind,
daran übernehmen, aber die beiden haben sich das so vorgenommen.
Auch gleich zwei Kinderzimmer eingeplant
und noch eine Ferienwohnung, alles möglich.
Haben die wahnsinnig viel Geld geerbt?
Überhaupt nicht, die haben sich maßlos verschuldet.
Die haben einen Kredit aufgenommen
und haben dann diesen Hausbau vorangetrieben.
Er, Sebastian, hat selbst sehr, sehr viel gemacht.
Neben zwischen seinem Referentariat
hat er noch eine Fußbodenheizung verlegt,
hat das Dach selber mit Schindeln gedeckt.
Er hat da irre viel auch selber reingesteckt.
Und sie hat die ganzen Sachen so vorangetrieben.
Und sie ziehen ein, als das Haus noch gar nicht fertig ist,
ohne fließendes Wasser, ohne Strom.
Die schlafen wirklich auf dem Beton.
Und der Sebastian hat mir gesagt,
der Marie konnte es nicht schnell genug gehen.
Also es musste wirklich sofort passieren.
Es gibt einen großen Feind des Bauens, das ist das Wetter.
Das Haus hat noch keinen Dach.
Du hast schon ein Haus gebaut.
Da wird es Winter.
Hör ich daraus.
Nein, ich habe kein Haus gebaut.
Ich schäu mich jetzt auch immer mehr.
Es wird Winter, das Haus hat noch keinen Dach.
Und das bedeutet, es passiert auf einer Baustelle.
Das Schlimmste, was auf einer Baustelle passieren kann,
nämlich gar nichts.
Ja, der Hausboar stockt.
Es dauert immer länger.
Die beiden werden oder zumindest sie wird immer unruhiger.
Es ist, ja, wie es halt beim Hausboar ist,
das muss den ganzen Winter,
kann das Dach nicht draufgesetzt werden,
weil irre viel Schnee liegt.
Die ganze Sache verzögert sich.
Die Situation, die du da geschildert hast,
die beiden ziehen auf die Baustelle.
Da gibt es irgendwie ein Nachtlager, wo sie schlafen.
Morgens klingeln die Handwerker,
die natürlich noch 1.000 Sachen im Haus erledigen müssen.
Das Ding ist ganz schön unter Druck.
Und als das Haus fertig ist, passiert was.
Dann kommt das nächste Projekt.
So hat es jedenfalls Sebastian mir erzählt.
Er hat gesagt, die Marie hat sich dann auf die nächste Sache fixiert.
Und die nächste Sache, Andreas war ein Kind.
Zwei Kinder sind immer heißt.
Sie wollte jetzt unbedingt und sofort offenbar schwanger werden.
Und er hat es mir so erzählt,
dass sie an den fruchtbaren Tagen vor ihm gestanden ist
und sich die Kleider vom Leib gerissen hat.
Ich glaube schon, dass es so einen starken Kinderwunsch gibt
in einem Lebensalter.
Wenn man merkt, man geht irgendwann auf diese biologischen Grenzen zu.
Man möchte dann sehr dringend, sehr gerne ein Kind.
Und wir kennen ja alle Geschichten von Kinderwunschbesessen,
die alles Mögliche machen, um den Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen.
Bei den beiden passiert nichts. Das kann man schon mal verraten.
Und dann lassen sie sich untersuchen.
Und tatsächlich gibt es zwei kleinere Eingriffe.
Einen bei ihm, einen bei ihr.
Das ist ein verklebter Eileiter und einer Krampfader am Hoden.
Wir wollen nicht zu sehr ins Detail gehen.
Haben wir jetzt das schon gemacht?
Es gibt auch zwei Inseminationen,
die ich noch vergänzt habe.
Ich dachte verklebter Eileiter sei kein Detail.
Und es passiert aber weiterhin nichts.
Die beiden beginnen, wie du ganz richtig sagst,
eine Kinderwunschbehandlung.
Als sie auf natürlichem Wege nicht schwanger werden,
werden diese Untersuchungen gemacht.
Die Operationen werden vollzogen, die du genannt hast.
Sie machen auch zwei Inseminationen.
Also, dass seinen Sperma in die Vagina gesetzt wird.
Du bist ja der Biologe.
Ich bin der Biologe.
Es kommt zu was ganz anderem.
Die Beziehung zerbricht.
Die Beziehung erleidet unter dieser Belastung Brüche.
Ja, das muss man sagen.
Ich glaube, man kann sich das schon auch ganz gut vorstellen.
Es gibt so eine Fixierung auf ein Projekt.
Das funktioniert nicht.
Das Projekt ist das gemeinsame Kind.
Es ist jetzt nicht das erste Paar, das daran zerbrochen wäre.
Nicht an einem Kind,
sondern an einem unerfüllten Kinderwunsch.
Und da steht dieses Wahnsinnshaus,
das Sie sich erkämpft haben mit diesen zwei leeren Kinderzonen,
die immer wie eine Mahnung dastehen.
Jeden Tag.
Von jeden Tag müssen Sie dran vorbeigehen,
wenn Sie die unverputzte Treppe raufsteigen.
Sebastian verlässt.
Er verlässt sie nicht ganz.
Aber er beginnt eine Affäre.
Und er bleibt immer häufiger weg,
erst tagelang und dann wochenlang.
Aber er erfüllt noch seine Pflicht als Haus her
und kümmert sich weiter um das Haus.
Er hat doch gesagt, das ist so ein netter Typ.
Er ist ein netter Typ.
Er kommt zurück zum Haus immer wieder
und repariert dort Sachen,
hält Dinge in Stand, alles, was man halt so machen muss.
Und er kommt immer wieder zurück
und eines Tages,
als er zurückkommt
und dort im Haus was repariert,
zieht er eine Überweisung an den Hautarzt auf dem Tisch liegen.
Eine Überweisung für Sie.
Für Sie.
Für Sie.
Ich stelle erst mal, was er gesagt hat.
Du hast die beiden ja gesprochen.
Wir können jetzt ein hieses, schieses Spiel spielen.
Diese beiden Perspektiven auf das, was da passiert.
Er sagt.
Er habe sie darauf angesprochen.
Sie hätte herzzerreißend geweint
und gesagt, sie sei schwer krank.
Sie hatte Hautkrebs.
Und es würde ihr furchtbar gehen.
Und sie müsse eine Chemotherapie machen
und eine Bestrahlung.
Und deswegen, es würde auch ihr größte Wunsch,
nämlich ein Kind zu bekommen, den Wunsch kannte er ja bereits,
würde nicht in Erfüllung gehen können.
Deswegen, weil nach einer Bestrahlung ist die Wahrscheinlichkeit
unfroschbar zu werden, sehr hoch.
Oder hoch.
Ja, es kommt auf den Krebs.
Es gibt solche Fälle.
Es gibt Frauen, bei denen das die gute ...
Also, die Rettung ist, zumindest Eizellen einfrieren zu lassen,
bevor sie eine Chemotherapie
oder eine große Krebstherapie machen können.
Darauf kommt sie nämlich auch recht schnell.
Er sagt, sie hätte ihn angefleht,
Eizellen einfrieren zu lassen.
Aber nicht nur Einzellen.
Eigentlich, wie du schon sagst,
würde es bei einer Chemotherapie und Bestrahlung
nicht so schnell gehen.
Aber er sagt,
sie hätte ihn gebeten,
Eizellen einzufrieren,
die bereits mit seinen Spermien imprägniert sind.
Und sie sagt ...
Imprägniert ist auch ein schöner Punkt.
Ja, ich habe da nämlich gelernt,
dass auch von dir gelernt,
übrigens,
dass man in Deutschland
keine befruchteten Eizellen einfrieren darf,
sondern nur Eizellen einfrieren,
die noch in diesem Vorkern-Stadium sind.
Also es ist noch kein Mensch.
Es ist noch kein Invidium, genau.
Genau.
Und solche Eizellen wollte sie einfrieren lassen.
Sie sagt,
joa,
das Wort Hautkrebs
ist vielleicht mal gefallen,
das könnte schon sein,
aber da hätte man jetzt nicht viel drüber geredet insgesamt.
Vielmehr sei es so gewesen,
dass der Sebastian
zu ihrer zurückgekommen sei,
weil die Beziehung zu seiner Freundin
und sie hätten dann gemeinsam entschieden,
es nochmal zu versuchen
mit einem Kind.
Also er sagt, aus Mitleid
habe ich meinen Sperma gegeben,
um die Eizellen
zu befruchten
und einfrieren zu lassen.
Und sie sagt,
Mitleid hatte das nichts zu tun,
seine Beziehung war im Eimer
und er ist zu mir zurückgekommen.
Aber er sagt nicht nur,
dass er ihr das Versprechen gegeben hat,
aber auch ihr Versprochen sie zu pflegen,
weil er dachte,
sie sei sterbenskrank.
Er hat zu mir gesagt,
er sei von einem Scherbenhaufen gestanden
und gedacht, um Gottes Willen,
was habe ich da angerichtet.
Sie hatte mir davor
schon immer Vorwürfe gemacht.
Sie hatte davor schon immer zu ihm gesagt,
ich habe meinen Leben verschläudert,
meine besten Jahre habe ich dir geschenkt
und habe kein Kind.
Und jetzt ist es sozusagen so,
dass sie war zu dem Zeitpunkt schon 37
und sie sagt zu ihm,
du nach dieser Chemo und nach der Bestrahlung,
wen soll ich denn noch finden,
der mit mir dann noch ein Kind bekommt.
Und er hat so gesagt,
dass er sagt, okay, dann mache ich es.
Also die beiden gehen nochmal
in diese Kinderwunschklinik.
Er gibt Spermien ab, sie gibt Eizellen ab
und diese Eizellen
werden per In vitro,
also im Reagenzglas
und auch über eine Nadel.
Sie fahren das X-Sie halt.
Genau. Intrazytoplasmatische Stelmen in der Injektion.
Ich wusste,
dass du das wieder frei vortragen kannst.
Impregniert und dann eingefroren.
Genau.
Ich kann das mal ganz kurz erklären.
Wir in Deutschland
haben gesagt,
es darf in deutschen Gefrierschränken
keine Embryonen geben.
Keine Individuen.
Und wir haben definiert,
Individuen gibt es erst,
wenn der mütterliche
und der väterliche Zellkern
miteinander verschmolzen sind.
Sich damit sozusagen
eine neue Kombination
von Erbgut und damit ein Individuum ergeben hat.
Es gibt aber eine Phase,
in der das Spermium schon eingedrungen ist.
Der Spermian Schwanz fällt ab.
Und diese beiden Kerne
liegen nebeneinander
in der Eizelle.
Und in dem Moment
wird eingefroren.
Diese Vorkernstadien
geht es jetzt
die ganze nächste
Zeit.
Ich finde das auch deswegen interessant, Andreas,
was du da sagst,
weil wir uns ja auch hier in diesem Podcast
immer wieder bereichen,
Widmen, die noch nicht vom Millimeterpapier
des deutschen Rechts erfasst sind.
Und das Embryonen-Schutzgesetz ist ja so ein Bereich.
Wir haben uns jetzt darauf geeinigt.
Ein anonymer Samenspender
muss keinen Unterhalt für das Kind zahlen,
wenn er gezeugt wird.
Aber ne Eizellenspende
ist in Deutschland verboten.
Für reisende Frauen nach Spanien.
Zum Beispiel oder nach Dänemark.
Die Leimutterschaft ist in Deutschland verboten.
Und die Frage ist eben,
wie weit
müssen sich Kinderwunschkliniken
beim biologischen Vater
absichern, ob er tatsächlich
einverstanden ist,
mit dem was passiert.
Und das ist eben
so ein totaler Graubereich.
Es gibt etliche Kinderwunschbehandlungen,
aber das ist ungeklärt.
Und das finde ich schon ziemlich interessant.
Dieses ganze Gebiet
ist etwas, was so eine politische No-Go
Area ist.
Wir haben in der Bundesrepublik
eine lange Debatte über Paragraph 218 geführt.
Das haben wir mit einem seltsamen Kompromiss
irgendwie befriedet und seither ist Ruhe.
Und darum traut sich auch niemand
nur in diese Nähe
dieser Themen tatsächlich.
Auf der anderen Seite gibt es deutliche Forderungen
endlich nach einem konsequenten
Fortpflanzungsmedizingesetz,
wo all diese Dinge geregelt sind.
Wir haben gerade in der Zeit vor,
ich glaube, vier Wochen oder fünf Wochen
den Fall beschrieben,
dass in einer solchen Kinderwunschpraxis
ein Spender besonders
häufig spendet
und dass darum
Menschen plötzlich feststellen,
sie sind von lauter Halbgeschwistern umgeben,
von denen sie gar nichts wussten.
Und das ist auch der Fall,
dass der Fall
in der Bundesrepublik
sehr viel geregelt,
wie viele Kinder
ein anonymer Samenspender zeugen darf.
Es gab jetzt gerade in dieser Woche
heute
bei den Kollegen vom Spiegel gelesen
ein Gerichtsurteil
gegen ein Niederländer,
der wahrscheinlich weltweit
6000 Kinder gezeugt hat
und bei dem das Gericht jetzt entschieden hat,
die Kinder zu gehen mit der Regelung
dieser Fälle.
Aber wir bewegen uns tatsächlich,
und das ist ganz wichtig,
so hast du wunderbar beschrieben
mit diesem Millimeterpapier des Rechts
in einem Bereich,
der noch sehr ungeregelt ist.
Und das macht sich
Marie Ansamm jetzt auf gewisse Art
und Weise zu Nutze.
Ja, vielleicht erzählen wir mal,
was dann passiert.
Also diese Altzellen sind da
der Sebastian
hat mir dann erzählt, er war so durcheinander
durch diese vermeintliche Krebserkrankung
seiner Frau,
dass er gar nicht gemerkt hat,
dass seine Frau überhaupt nicht
zur Chemotherapie
und zur Bestrahlung geht,
sondern immer nur zur Kinderwundklinik.
Und
dann findet er ein paar Wochen später
ein Rezept
auf dem Küchentisch.
Und
es ist auch sehr deutlich,
dass seine Frau die Kinderwunschbehandlung
fortgesetzt hat.
Ohne sein Wissen.
Er weiß nichts davon.
Und jetzt würde ich gerne noch einmal
mit dir ergründen,
was die beiden für Typen sind.
Also
wir haben ja schon erzählt,
er ist eher ein weicher Typ,
eher jemand, der sich kümmert.
Und
sie hat mir gesagt
er war jemand,
der die Dinge immer hat geschehen lassen.
Ich hab in ganz vielen Bereichen
das Ruder in die Hand nehmen
müssen.
So ein Bereich, in dem sie das Ruder hat
in die Hand nehmen müssen,
der hat sich jetzt aufgetan.
Der
Sebastian ruft
aufgeregt
in der Reproduktionsklinik an.
Und das wissen wir so genau,
weil dieses Gespräch von einer Arzthelferin
protokolliert wurde.
Und diese Arzthelferin wurde auch
vor Gericht geladen.
Ich hab die auch erlebt vor Gericht.
Die Arzthelferin schreibt,
wollte seine Einwilligung
jetzt,
und dieses jetzt
versieht sie mit einem Ausrufezeichen,
jetzt zurücknehmen.
Und die Arzthelferin hat vor Gericht gesagt,
das ist ein einzigartiger Vorgang,
weil es ist noch nie vorgekommen,
dass ein Mann angerufen hat
und
sie sagt dann noch,
also sie vermerkt dann noch,
dass der Herr Anseil mit seiner Frau sprechen wollte,
die ihnen, wie sie ihn klammern schreibt,
wohl nicht so ganz auf dem Laufenden hält.
Sagt ihm aber auch,
dass der Transfer
zwei Tage später stattfindet,
also der
Übergang der Eizellen aus dem Gefrierschrank
in die Gebärmutter,
dass diese Transfer am Samstag
stattfindet,
und er gut sagt, sie sei aufgetaut,
und da kann man es nicht mehr machen.
Und er
sagt,
in ihm hätte sich das Gefühl
der totalen
Machtlosigkeit ausgebreitet.
Und mittlerweile
steht fest,
dass die Marie,
also mehrere Unterschriften gefälscht hat,
unter anderem die
eben zu dem Zeitpunkt
dieses ersten Transfers
der befruchteten,
der imprägnierten Eizellen.
Dazu müssen beide unterschreiben, wir wollen das.
Genau, man muss einmal noch mal unterschreiben,
wir wollen, dass das jetzt passiert.
Wir wollen jetzt beide Eltern werden, heißt das ja.
Genau, das heißt,
wir nehmen
diese befruchteten oder imprägnierten Eizellen
und es soll jetzt losgehen.
Dieser erste Versuch scheitert, oder?
Ja, diese erste Unterschrift hat sie gefälscht.
Das steht mittlerweile fest,
sie ist dafür verurteilt, strafrechtlich.
Urkundenfälschung?
Urkundenfälschung 3600 Euro.
Also das muss sie bezahlen.
Dann
ist es aber so, dass es nicht klappt.
Sie wird nicht schwanger.
Und
der Sebastian hat mir erzählt, er sei dann
eben unter diesem Eindruck
der Täuschung auch von ihr ausgezogen
und da hat ein eigenes Leben gelebt
dann mit einer neuen Frau
hat überhaupt kein Gedanken mehr
an die Sache verschwendet.
Er hat es mir bestimmt
in der Klinik angerufen
oder ist vorstellig geworden
und hat gesagt, ich ziehe jetzt meine Einwilligung zurück.
Das hat er halt leider nicht gemacht.
Er hat auch keinen Brief geschrieben.
Er hat keine E-Mail geschickt.
Er hat nicht nochmal angerufen.
Er war jemand,
der die Dinge immer hat geschehen lassen.
Genau.
Was er natürlich nicht ahnt, ist
jetzt sind die Gedanken von Marie.
Die Marie hat nämlich gesagt,
das finde ich so ein schönes Zitat.
Das würde ich gerne einmal vorlesen.
Die ganze Zeit
habe ich immer an diese kleinen Lebewesen,
die es für mich waren,
in der Klinik gedacht.
Die da im Gefrierschrank schlummern.
Fünf Monate vergehen
und dann geht die Marie
nochmal in die Kinderwunschklinik,
fällt nochmal die Unterschrift
ihres Mannes
und lässt sich nochmal
die befruchteten Eizellen transferieren
in die Kinderwunschklinik.
Dann kommt
der, wie soll ich das jetzt nennen,
gemeinsame Sohn
Johannes zur Welt.
Ja, es ist der gemeinsame Sohn.
Sebastian ist ja der rechtliche
und der biologische Vater.
Wie stelle ich mir jetzt
dieses Leben dieser,
jetzt drei Menschen,
zweieinhalb, drei Menschen vor?
Marie lebt nach wie vor in diesem Haus?
Genau. Marie lebt nach wie vor in diesem Haus.
Sebastian, den Vater,
schickt die Marie
ganz, ganz viele Videos
und Fotos
seines Sohnes.
Und sie schreibt auch eine Mail an den Sebastian,
aus der würde ich auch mal kurz zitieren.
Und der schreibt sie,
ich weiß, dass es nicht richtig war,
die Befruchtung heimlich anzugehen,
aber zugestimmt hättest du ja sowieso nicht.
Könnte sie recht haben.
Und der Sebastian,
den hab ich ja mehrfach getroffen
vor dem Prozess,
nach dem Prozess, ich hab auch jetzt
diese Woche noch mal mit ihm telefoniert,
der hat eine neue Frau,
die übrigens auch, also alle heißen
Anseln, wie wir sie hier nennen,
alle er und beide Frauen,
also niemand verlässt diesen Namen auch,
das Haus wird nicht verlassen,
der Name wird nicht verlassen.
Und die neue Frau
und er haben,
hatten zum Zeitpunkt des Prozesses
bereits ein eigenes Kind,
eine kleine Tochter
und jetzt haben sie auch noch
einen kleinen Sohn, also jetzt haben sie
zwei Kinder.
Aber eigentlich hat ja Sebastian
Anselm drei Kinder
und Marie Anselm
sagt ihm das auch immer wieder sehr deutlich
und
sagt natürlich auch,
sich selbst
und dann auch ihm
seinen Unterhalt.
Klar, die sagt das auch dem Jugendamt
und das Jugendamt Willen den Unterhalt von ihm.
Und er
und so kommen wir überhaupt
zu diesem Fall,
weil ich ihn ja vor Gericht beobachtet habe,
er
beziehungsweise seine Anwälte sagen,
nö, er zahlt den Unterhalt nicht,
sondern Schuld daran,
also nicht Schuld im juristischen Sinne,
aber verantwortlich dafür,
dass das Kind existiert,
ist ja nicht
eher so die Argumentation,
sondern die Klinik,
weil die Klinik hätte sich absichern müssen,
dass er wirklich
einverstanden ist.
Und wir haben auch diese Unterschriften vorliegen,
die sie gefälscht hat,
das kann man ehrlicherweise schon sehen,
dass diese Unterschriften nicht ganz
identisch ist zu den Unterschriften,
die er tatsächlich geleistet hatte
in der Klinik.
So und jetzt steht der Mann vor Gericht
in der Klinik.
Genau.
Und in diesem Prozess
fand ich spannend,
wie die Protagonisten
des Rechtsstaates
Positionen wie in der Familie beziehen.
Also der Richter war so ein bisschen der Vater,
der hat sich bei der Arzthelferin,
die da dieses Jetzt-Ausrufezeichen
protokolliert hat, so gefragt,
sind sie auch ein bisschen aufgeregt,
jetzt hier auszusagen, ne?
Und dann hat er die
dann so gesagt, wenn er gestockt hat,
er hat immer wieder in seine Erzählung geschockt,
ach ja, ich hab mich auch mal gestritten,
ich weiß, dass man sich da nicht an alles erinnert
und so.
Und der Richter war aber davon überzeugt
und entsprechend ist auch das Urteil,
dass der Sebastian Anselm
nicht wirksam
seine Einwilligung widerrufen hat.
Also er hätte, wie du schon gesagt hast,
er hätte nochmal hingehen müssen.
Vorstellig werden müssen.
Genau, persönlich oder amtlich, Brief und Siegel
hat er, ne?
Das hat er alles nicht gemacht
und er konnte ihm auch dieses Gefühl
der Machtlosigkeit nicht abnehmen,
weil der Sebastian Anselm
ist ja mittlerweile Lehrer,
der steht mit ihm im Leben
und der Richter hat gesagt,
das nehme ich ihn nicht ab.
Und es ist
rechtlich so,
dass durch dieses Vorkehrenstadium,
ob wir das ausführlich gesprochen haben,
dass eben noch keine Embryonen sind
nicht unter den Schutz
des Strafrechts,
diese sind nicht vom
Strafrechtsschutz erfasst, diese Embryonen.
Und
es ist interessant,
dass es tatsächlich so ist,
wie in diesem Gericht so ausgelegt wurde,
wie die Verteidiger
der Klinik das ausgelegt haben,
nämlich, dass sie gesagt haben,
wenn mal eine Eizelle
befruchtet ist,
dann hat der Mann einfach nichts mehr zu sagen,
weil so ist es auch in der Natur,
die Eizelle ist im Körper der Frau
und der Mann hat seinen Spermium einmal gegeben,
Pech gehabt.
Also die Argumentation des Gerichtes
ist, dass die
ausdrückliche Genehmigung des Mannes
zum Embryonen-Transfer eben nicht
erforderlich ist.
Aber dann hat der Richter noch was angesprochen,
was ich wirklich auch wichtig finde.
Er hat dann dem in seine fettelichen Manier,
dem Sebastian gesagt,
das ist doch ihr Kind,
die sich immer ein bisschen um das Kind bauen,
sie eine Beziehung zu dem auf,
weil zum Zeitpunkt des Prozesses
war das Kind
ein Halb der kleine Johannes
und der Sebastian
hat es seinen Sohn erst 3-mal gesehen.
Und es ist auch heute so,
ich habe ihn das gefragt,
wie sich das integriert
in seinen Familienleben.
Und er hat gesagt,
dass sie sich schon manchmal treffen,
zusammen kleinere Ausflüge machen,
sich nach eher selten.
Und ich habe ihn dann gefragt,
wie nennt dich denn der kleine Johannes?
Wie sagt er denn zu dir?
Und er hat gesagt, er sagt Papa zu mir.
Und das finde ich schon,
also wenn wir auf das Kind schauen,
das sind wir jetzt natürlich in der Frage,
was ist soziale Elternschaft,
was ist rechtliche Elternschaft,
was ist biologische Elternschaft.
Aber klar ist,
dass da ein kleiner Junge herumläuft,
der ein Mann Papa nennt,
der seine Familie so richtig zu ihm aufbauen möchte.
Bis heute nicht.
Bis heute nicht, er sagt,
das hätte auch seine neue Familie dann überschattet.
Das kann ich auch alles nachvollziehen.
Aber das beschäftige ich mich schon.
Das heißt, wir leben jetzt in München,
ich glaube in der Wohnung?
Genau, die haben kein neues Haus mehr gebaut.
Die wohnen in der Wohnung.
Und mit ihren 2 Kindern,
also die Klage wurde abgewiesen,
der Sebastian
muss den Unterhalt für den Johannes zahlen
und er zahlt ihn auch.
Und der Sebastian hat mir erzählt,
dass es ihn auch noch mal ganz schön mitgenommen hat.
Also, dass er schon noch mal
so eine psychische Delle hatte
jetzt nach dieser ganzen Zeit.
Und es ihm wirklich nicht gut ging.
Marie liebt immer noch
mit Johannes,
mit ihrem Kind in diesem Haus.
Genau, der geht es gut.
Sebastian hat Albträume,
hat er erzählt.
Er träumt von Beton.
Und ganz herzlichen Dank,
dass du uns diesen Fall mitgebracht hast.
Gerne.
Und ihr habt Fragen.
Ist toll.
Die erste Freie ist die Allerwichtigste.
Seid ihr noch bei der Aftershow-Party dabei?
Hashtag
Ja, ja, wir sind alle dabei.
Klar, also wo soll man sonst hingehen?
Zweite Frage können wir auch
vielleicht ganz schnell beantworten
oder vielleicht auch gar nicht.
Vielleicht streiten wir uns auch darüber.
Was zum Teufel hat dieses Logo zu bedeuten?
Jetzt bin ich sehr gespannt
auf deine Antwort,
weil ich frage mich das auch schon seitdem.
Das ist Logo.
Das ist ein Kopf auf einem Silber-Tablet.
Hallo.
Ist das nicht klar zu erkennen?
Ja, zu erkennen ist es.
Aber was soll das eigentlich bedeuten?
Das ist nicht bestellt.
Ich habe nur gesagt,
wir machen einen Kriminalpodcast
und habe ich das gesehen.
Aber ist das nicht ein biblisches Verbrechen,
wo der Kopf...
Ja, das ist der Kopf des Johannes.
Johannes der Teufel.
Aber der hatte sicher nicht diese Frisur.
Der Johannes der Teufel
ist es nicht, wobei vielleicht ist es auch Johannes
der Teufel auf modern.
Ja.
Auf jeden Fall, das war auch ein Mord.
Das war ein richtig schöner Mord
an einem durchgeknallten Wüstenpropheten.
Ja.
Vorsicht beim Bibellesen.
Die nächste Frage kann nur ich
euch dreinstellen.
Denn ich bin ja eigentlich Wissenschaftsjournalist.
Waren Sie jemals
durch Ihre Funktion als Journalist
im Kriminalbereich persönlich in Gefahr?
Gab es so einen Moment,
wo Ihr Angst hattet
oder wo es gefährlich war
bei einer Recherche?
Ich habe mich in Gräben gelegen.
Vor Stellen.
Und Schlachthöfen.
Ja, aber so,
dass ich jetzt dachte,
ich war schon in Situationen
in engen Räumen und Häusern
mit Leuten, die gefährlich sind.
Aber ich habe mich noch nie bedroht gefühlt,
was mein Leben angeht.
Sabine?
Nö.
Ich hätte nie einer bedroht.
Würde ich ihm auch nicht raten.
Nein.
Okay, die nächste Frage passt dazu.
Was glauben Sie?
Nein, aber Daniel rüstet sich
zur Antwort, oder?
Du hast doch mit Frau Lange
zur Antwort.
Nein, das ist ja immer so die Frage.
Es gab einige Morddrohungen.
Ich habe eine Zeit lang
ganz viel in der rechten Szene recherchiert.
Und die sind nicht eben zimperlich.
Das war schon so eine Zeit,
wo ich hin und wieder dachte,
ich habe auch schon so Momente,
wir haben dann immer
so einen Notruf vereinbart
mit den KollegInnen in Berlin,
wenn ich zum Beispiel zu irgendwelchen
also in so ungeklärten Mordfällen
zu den mutmaßlichen Tätern gegangen bin,
die nun als zum Beispiel
bei einem am Bodensee, der als notorischer Schläger
und Ex-Rocker vielfach wegen
Gewalt verbrechen im Knast saß
und von dem man wusste,
dass der so eine Bulldogge besaß.
Und da bin ich dann hingefahren
und dann hat man schon vereinbart
vorher, wenn ich mich in der Viertelstunde nicht melde,
dass alles okay ist, dass dann die Polizei geschickt ist.
Also es sind schon
hin und wieder mal so Szenen, wo du denkst,
oh, muss nicht sein.
Also gerade mit Nazis.
Wir selber waren verwundert,
als wir auf unsere Hörerinnenstatistik
geguckt haben
und festgestellt haben,
dass zwei Drittel unserer Hörerinnen Frauen sind.
Und darum passt die Frage,
die hier von 30 Menschen gestellt wird,
ziemlich gut.
Was glauben Sie, warum hören
Frauen so viel mehr true crime Podcasts
als Männer Sabine?
Ja, weil Frauen sich mir
für Psychologie interessieren,
für die Beschaffenheit von Menschen.
Davon bin ich überzeugt.
Also Männer interessieren sich vielleicht eher
für Autos oder sowas.
Aber...
Aber wir wollen ja keine Klischees bedienen.
Nein, niemals!
Das ist...
Aber
diese Feinheiten,
die in der menschlichen Natur sind
und auch die Frage,
wie Menschen in welchen Situationen reagieren
und so das interessiert Frauen
viel mehr als Männer.
Und ich glaube, das ist der Grund,
warum wir so viele Hörerinnen haben.
Sabine,
wie wählt ihr eure Fälle aus?
Das frage ich dich,
weil du hast ja über Jahrzehnte
als Gerichtsreporterin,
auf welchen Fall springe ich jetzt an
und auf welchen nicht?
Du bekommst nach wie vor wahnsinnig viel Post
von Menschen, die in Gefängnissen sitzen
und sagen, ich bin unschuldig,
hier holt mich raus.
Wie entscheidest du sowas?
Früher als Kriminalreporterin,
das werden die beiden hier nicht anders machen,
bin ich auf die Fälle gegangen,
von denen ich dachte,
dass es jetzt ein Fall ist,
der über das normale,
eine Gewalt hat,
zwei sind besoffen, hauen aufeinander ein
und einer fällt um.
Das interessiert mich nicht.
Mich interessiert auch ehrlich gesagt nicht
der Menschenfresser,
also ein Unikum
oder irgendein Damer,
zum Beispiel interessiert mich auch nicht.
Der interessiert mich vielleicht höchstens
in der Frage, warum man ihn ewig nicht erwischt.
Aber die Taten,
die keine Metaebene haben,
die interessieren mich nicht.
Es gibt auch die eigenen Art
unseres Podcasts,
dass unsere Podcaste
weit über den einzelnen Fall hinausgehen
und immer irgendwas erzählen,
was sehr viel mehr Menschen betrifft,
als die an dem Verbrechen beteiligten.
Christoph ausstellt eine sehr lange Frage,
von der ich mal die zweite Hälfte nehme,
weil ich damit was Besonderes vorhabe.
Es gibt natürlich die Fälle Sabine,
wo ein Gericht an Urteil spricht,
mit dem du als jemand,
der den Fall auch recherchiert hat,
dass du einverstanden bist.
Was machst du dann?
Ich schreibe das.
Ich habe darüber auch gesprochen,
als wäre der Fall Kevin zum Beispiel.
Oder der Fall Kevin
Kind im Kühlschrank war
und der Vater
mit ein paar Jahren in der Entzugsklinik
mehr oder weniger davon gekommen ist.
Und dann hinterher saß er auch noch ein paar Jahre im Gefängnis.
Aber das ist für
eine schreckliche Tat
war das für mich
überhaupt nicht nachvollziehbar,
dass dieser Mann nicht lebenslang gekriegt hat.
Oder andersrum
die Geschichte dieser beiden U-Bahnschläger,
die den Lehrer
in der U-Bahn angegriffen haben
und die hinterher
furchtbar bestraft worden sind
vom Münchner Landgericht.
Das schrappe ich dann rein.
Was soll ich machen?
Was anderes kann ich nicht machen,
außer dass ich meinen Unmut äußere.
Ich finde auch, das ist unsere Pflicht,
was wirklich ausführlich recherchiert haben
und mit allen Beteiligten gesprochen haben
und quasi die gleiche Aktenlage haben
wie das Gericht
und einfach zu einer anderen Bewertung kommen.
Das ist natürlich nicht, das kann man sagen,
das ist arrogant, weil das wissen wir schon als Journalisten
besser als vorsitzende Richter
an der Landgerichtskammer.
Aber man darf gerade
bei politisch motivierten Prozessen
und die gibt es ja auch zu genüge
dann nicht mit seiner Meinung hinterm Berg halten
und sagen, man hält das für ein falsches Urteil
X, Y und Z.
Ich finde, wenn wir das nicht tun,
dann machen wir unsere Aufgaben.
Gibt es einen Fall,
ich liese die Frage mal vor,
obwohl ich die Antwort auch kenne,
gab es einen Fall, den ihr im Nachhinein nicht ausgestrahlt habt?
Nein, wir haben keinen Fall aufgenommen,
bei dem wir im Nachhinein
gesagt haben, den können wir nicht senden.
Wir überlegen eigentlich eher vorher, worüber reden.
Ja, aber ich
glaube, es gibt natürlich Fälle,
über die ich nicht erzähle,
weil sie nicht mehr aktuell sind,
die Gesetzslage sich geändert hat
oder sie waren früher
mal Teil einer größeren Recherche
und füllen jetzt keinen Podcast
oder sind eine
Dreiviertelstunde Aufmerksamkeit nicht verdient.
Ich habe noch ein paar Fälle
und zum Teil auch große.
Und ich habe einen sehr entsetzlichen Fall,
der mir noch bevorsteht
und den wir irgendwann noch erzählen werden, Andreas.
Aber auch den werde ich erzählen.
Genau.
Warum erzählt ihr,
jetzt kommt der Jurist hier,
oder die Juristin,
warum erzählt ihr oft von Vergehen,
obwohl euer Podcast Zeit Verbrechen heißt?
Nein, sagen wir es mal so,
Verbrechen heißt ja definiert durch
eine Mindeststrafe von einem Jahr.
Alles, was drüber ist, ist ein Verbrechen
und darf man dann sagen, es ist ein Verbrecher.
Und alles, was drunter ist,
ist eben Vergehen.
Dazu gehört ja jetzt eben auch
diese Geschichte,
weil sich auch in den Vergehen
unglaubliche
gesellschaftliche
Zustände spiegeln.
Das haben wir ja gerade eben gehört.
Wir hatten ja auch zum Beispiel diesen Mann,
der sich eine Bewegung gemacht hat
auf einem Bahnsteig
und der auf einmal
als ein möglicher Mörder erkannt worden ist.
Weil er
sich angeschickt haben soll
einen anderen vor die Gleise zu stoßen.
Das war aber nur die Bewegung eines Zeugen.
Darüber haben wir einen ganzen Podcast gemacht.
Da kam gar nichts raus dabei.
Und trotzdem
letztlich war es nur ein Verbrechen im Kopf.
Aber auch das
sind Verbrechen.
Und wir sind eben
in der ganzen Bandbreite dabei.
Wir haben ja auch, wie fängt man,
einen Kriegsverbrecher gemacht.
Also am ganz anderen Ende angefangen.
Welcher ist der Fall,
der am meisten in Erinnerung geblieben ist?
Machen wir eine kleine Schlussrunde daraus.
Anne.
Ich bin
stark gedanklich
immer in den
Verbrechen und Vergehen,
die ich in der deutschen Fleischindustrie
recherchiert habe,
wo es so um Menschen handelt,
um
erzwungene Schwangerschaftsabbrüche,
um
sehr, sehr grausame Dinge geht
und darüber werden wir
demnächst sprechen, Daniel, oder?
Ja, da freue ich mich auch schon drauf.
Das wird mutmastig in etwas längere Folge.
Ich mutmasse es auch.
Ja, also der Fall,
an den ich schon immer wieder denke,
weil er einfach auch so tragisch geendet
ist und
dem ich einfach mehrere Jahre
irgendwie zugeschaut habe,
wie er sich entwickelt hat und einfach sehr nah dran war,
war auch schon ein Podcast.
Das ist der Fall der Lydia H.,
ehemalige Zeugen Jehovas,
dann ohne Schulabschluss,
Drogenabhängig auf der Straße gelandet,
auf dem Strich gelandet, hat sich prostituiert
und dann hat sie sich zurück ins Leben gekämpft,
hat noch Medizinstudiert formuliert
und ihren
Ehemann dann getötet,
der sie nicht gehen lassen konnte in die Welt.
Das beschäftigt mich
schon aufwendig die Geschichte,
da kann man mich nach zum Drei wecken,
kann ich die erzählen,
da kenne ich jede Verästlung,
dann bin ich immer wieder drüber nach
und irgendwie kommt sie auch immer wieder zurück.
Und Sabine?
Du musst die Frage dann letztlich selber auch beantworten.
Du hast ja nun schon sehr viele Geschichten gehört.
Also ich kann mich eigentlich nicht entscheiden.
Ich habe Geschichten,
die mich immer wieder einholen
oder immer wieder beschäftigen.
Viele sind es nicht,
aber es sind einige,
mehrere, der Fall Kachelmann natürlich
oder der Fall,
das auf der Straße ausgesetzt,
das war ein Detail
in einer Winternacht
in einsamer Stelle ausgesetzt hat,
weil er ihnen auf die Nerven ging
und natürlich die Fälle
in den Kindern umgekommen sind.
Die beschäftigen mich schon.
Das geht mir ganz genauso,
aber Robert auf dieser Straße
bei Notrufmord
hieß der Fall,
der ist tatsächlich
derjenige, der mir am tiefsten
ein Gedächtnis geblieben ist.
Es hieß bei Anruft tot.
Es war ja auch kein Mord.
Es war eine Aussetzung mit Todesfolge.
So ist das mit der Erinnerung.
Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer,
ich hoffe,
ihr und sie
behaltet diesen Abend
eine sehr gute Erinnerung.
Für mich ist es auf jeden Fall so,
es war eine wunderbare Premiere mit euch zuviert.
Und
wir sehen uns auf der Aftershow-Party.
Danke.
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Liveaufzeichnung von der Langen Nacht der ZEIT (Teil 2)
Marie will ein Kind von Sebastian. Sebastian hingegen will weg von Marie. Um ihr Ziel zu erreichen, spielt Marie deshalb ein falsches Spiel – und landet vor Gericht.
Folge 143 ist ein Livemitschnitt aus der Langen Nacht der ZEIT vom 3. Juni in Hamburg. Andreas Sentker spricht mit Anne Kunze, der neuen Kriminalreporterin der ZEIT, über Täuschungen und Tricks einer zu allem entschlossenen Frau.
Der Text zur Folge (Anne Kunze: "Papa wider Willen") ist im März 2018 in der ZEIT erschienen.
Die neue Ausgabe des Kriminalmagazins ZEIT Verbrechen liegt am Kiosk und ist hier online bestellbar. Sie möchten zwei Ausgaben zum Kennenlernpreis testen? Dann klicken Sie hier.