NZZ Akzent: Was darf man denn noch essen?!

NZZ – täglich ein Stück Welt NZZ – täglich ein Stück Welt 9/8/23 - Episode Page - 15m - PDF Transcript

Dieser Podcast wird ihn präsentiert von der LGT, ihrer Privatbank in der Schweiz.

NCZ-Aktzent.

Hallo, mein Name ist Christine Meyer, ich bin Schauspielerin und absolute Café-Kapselgeglerin.

Matthias, was ist das?

Das ist ein Werbespot der deutschen Umwelthilfe.

Vor der Kamera sieht man die deutsche Schauspielerin Christine Meyer.

Es ist eine ganz einfache Aufnahme, es ist nicht besonders gestylt, man sieht sie in einer Alltags-Situation.

Und sie sagt, sie sei Café-Kapselgegnerin?

Genau, sie outet sich als totale Gegnerin von Café-Kapseln und kritisiert den Abfall.

Weil es die totale Ressourcenverschwendung ist?

Sie sagt, das ist ja absurd, das ist doch die totale Ressourcenverschwendung.

Das entspricht einem Müllwerk von 8.000 Tonnen Aluminium und Kunststoff und 5.000 Tonnen Papier und Pappe.

Das hat was.

Na ja, so ganz stimmt das eben nicht. Die Sache mit den Café-Kapseln hat einen Haken.

Wie so vieles andere, wenn es um Umweltschutz und Nachhaltigkeit beim Essen geht.

Wenn es um Umweltbewusstsein kaufen geht, ist scheinbar alles klar.

Café-Kapseln sind schlecht, regionale Produkte sind gut.

Doch ganz so einfach ist es nicht, sagt Wirtschaftsredaktor Matthias Benz.

Ich bin Antonia Moser.

Matthias, jetzt will ich es aber wissen, darf ich diese Café-Kapseln kaufen oder nicht?

Ja, dürfen darfst du schon.

Du sagst dir dann wahrscheinlich, okay, wenn ich auf die Umwelt schaue, dann ist das auch nicht so gut.

Du hast vielleicht ein schlechtes Gewissen, wenn du mal eine Kapsel in den Müll wirfst,

du siehst die Kapselberge und so denken ja ganz viele, das geht soweit,

dass die EU-Kommission jetzt auch ein Verbot plant von Café-Kapseln aus Aluminium und aus Plastik.

Aber das ist halt eine klassische Falle.

Du schaust auf den Abfall.

Dabei müsstest du, wenn du Umweltbewusstsein kaufen möchtest, eben das große Ganze sehen.

Und das geht vielen Konsumenten so, dass sie auf das falsche schauen.

Aber wie meinst du das? Was ist jetzt mit diesem Kapsel?

Ja, die sind besser als ihr Ruf.

Und der Grund ist der, dass beim Café der Anbau das große Problem ist, wenn es um die Umwelteffekte geht.

Weil?

Ja, Café Anbau ist mit einem großen Land- und Wasserverbrauch verbunden, das sind häufig Monokulturen,

da gibt es einen Verlust an Biodiversität, man braucht auch häufig viel Dünger,

das sind Treibhausgasemissionen damit verbunden.

Und das ist der Grund, warum eigentlich die Regel gilt, je weniger Café du brauchst, umso besser ist es für die Umwelt.

Aber was heißt das jetzt für die Kapseln?

Ja, der Vorteil der Kapseln ist, dass da relativ wenig Café drin ist, typischerweise 5 Gramm.

Und jetzt vergleich mal, wenn du einen Café mit Filter machst, da ist die Gefahr viel größer,

dass du mehr Café-Pulver reinkippst, vielleicht sogar das Doppelte.

Und das führt dazu, dass es bei der Kapsel einfach weniger Verschwendung gibt.

Und dieser Spareffekt ist so groß, dass er den Nachteil einer Aluminiumverpackung überstrahlt.

Da sieht man in vielen Studien zum Thema, typischerweise im Vergleich zu Filtercafé oder Café aus Vollautomaten,

hat die Kapsel eine gleichgute oder sogar bessere Umweltbilanz.

Aber sind diese Studien von Nestle finanziert, oder wie sieht das aus?

Ja, es gibt tatsächlich eine Studie zur Schweiz, die wurde von Nestle in Auftrag gegeben.

Da kann man sich diese Frage mit Recht stellen, aber auch diese Studie wurde sie riesig geprüft.

Und es ist so, dass es noch mittlerweile sehr viele weitere Studien gibt, auch von unabhängigen Wissenschaftlern,

die überhaupt nichts mit Café-Herstellen zu tun haben und die kommen im Großen und Ganzen alle zum gleichen Schluss.

Aber es hätte ich wirklich nicht gedacht, dass eben du hast gesagt, man sieht diese Müllberge, so viel Aluminium und das ist am Schluss besser.

Genau, das ist die Falle.

Es ist so, einkaufen, das kann häufig an Spießroutenlauf sein.

Wenn du bei jedem Produkt schauen müsstest im Supermarkt, wie ist da eigentlich die Ökobilanz, dann ist man natürlich schnell überfordert.

Darum ist es eben auch verlockend, auf das leicht sichtbare zu schauen und in diesem Fall die Verpackung.

Und ist das nur bei den Kapseln so?

Nein, da gibt es andere Beispiele. Ein sehr bekanntes Beispiel ist die verpackte Gurke, die immer wieder für viel Aufregung sorgt.

Das ist dir vielleicht auch schon aufgefallen, wenn du in den Supermarkt gehst, dann liegen da in der Gemüseabteilung viele Gurken, die in Plastik eingeschweißt sind.

Und das regt viele Leute wahnsinnig auf.

Und das macht ja auch auf den ersten Blick keinen Sinn, weil die hat ja irgendwie eine Haut, eine Schale, wie man das nennt.

Genau, warum soll man ein frisches Gemüse in Plastik verpacken? Das fragen sich sehr viele Leute.

Aber es ist so, dass die verpackte Gurke eben fünfmal länger hält als eine Unverpackte, weil die größten Teils aus Wasser besteht, eine Gurke.

Und das führt dazu, dass die viel seltener weggeworfen werden muss.

Also man hat weniger Food Waste und diese Reduktion an Food Waste ist für die Umweltbilanz viel, viel wichtiger als diese zwei Gramm Plastikfolie rund um die Gurke.

Das Beispiel zeigt auch hier, für die Umweltbilanz von Nahrungsmitteln spielt der Anbau die allergrößte Rolle.

Und nicht die Verpackung.

Das sieht man zum Beispiel auch im Lebensmittelsortiment der Migros in der Schweiz.

Die sagt selbst, bei unseren Lebensmitteln kommt 80% des ökologischen Fußabdrucks aus dem Anbau dieser Nahrungsmittel.

Okay, das ist viel.

Spielt es denn eine Rolle, wo diese Lebensmittel angebaut wurden?

Weil ich sehe im Supermarkt überall Werbung für den regionalen Anbau zum Beispiel.

Auch da ist es leider nicht so einfach.

Es gehört tatsächlich zum guten Ton regional einzukaufen. Regionalität ist ein großer Trend seit vielen Jahren.

Auch die Bauernverbände sind da sehr dafür, weil sie dann sagen können, schaut das ist ja gut für alle, wenn ihr regionale Produkte kauft.

Auch für die Umwelt ist das eine gute Sache.

Aber jetzt sagst du mir sicher, das stimmt auch wieder nicht?

Tatsächlich, weil es ist so, man denkt der Transport, das ist ganz schlecht.

Wenn Produkte lange Distanzen transportiert werden müssen.

Aber auch hier zeigen eigentlich alle wissenschaftlichen Studien zu Ökobilanzen, dass der Transport eben nicht so wichtig ist.

Auch hier viel wichtiger ist der Anbau.

Also die Frage, wie wurde etwas produziert?

Lass uns ein Beispiel nehmen, Himbeeren, stell dir vor, du bist im Supermarkt und möchtest Himbeeren kaufen.

Spontan, welche nimmst du, die Bio-Himbeeren aus Serbien oder die konventionell angebauten aus der Schweiz, aus dem Turgrang?

Aus der Schweiz.

Ja, das ist eben falsch, wenn du auf die Umweltbilanz achtest, also nur auf die Umweltbilanz.

Denn wie gesagt, der Transport macht noch weniger aus für die Ökobilanz.

Die Art des Anbaus ist in diesem Fall viel entscheidender.

Das gilt bei sehr vielen Lebensmitteln, beispielsweise Milch oder Rindfleisch.

Da weiß man, dass der Transport nur 2-3% der Treibhausemissionen ausmacht.

2-3%?

Genau, weil die Produktion dieser Nahrungsmittel, da entsteht eben viel mehr Treibhausgase,

weil Kühe zum Beispiel mit Tarnausstoßen.

Okay.

Auch das ist ein Beispiel, dass regionales Einkaufen dafür mag es viele Gründe geben,

zum Beispiel, dass man der lokalen Wirtschaft helfen will, dass man lokale Produzenten unterstützen will.

Aber es hat halt wenig mit Umweltschutz zu tun.

Wir sind gleich zurück.

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Aber muss ich ehrlich sagen, jetzt weiß ich eigentlich gar nicht mehr auf, was ich achten soll.

Was kann ich denn tun, wenn ich umweltbewusste Einkaufen möchte?

Ja, es ist tatsächlich nicht so einfach, weil du kannst da nicht bei jedem Produkt abwägen.

Ja, wie ist jetzt da genau die Ökobilanz?

Ich glaube, wichtig ist, dass man nicht einfach auf das Offensichtliche schaut,

sondern dass man sich grundsätzlicher überlegt, okay, wenn mir Umweltschutz wichtig ist,

wo habe ich da eigentlich die größten Hebel?

Und wenn man sich das vor Augen führt, dann kommt man zu ganz anderen Schlüssen,

dann landet man zum Beispiel schnell beim Fleisch oder bei anderen tierischen Produkten.

Da sagt die wissenschaftliche Literatur sehr klar,

das sind Lebensmittel mit einem vergleichsweise großen Umweltfußabg,

egal auf was man schaut, nur auf Treibhausgas, Emissionen oder breiter Umweltauswirkungen wie Land

und Wasserverbrauch, Überdüngung, Verlustern, Biodiversität usw.

Also das heißt am Schluss weniger Fleisch essen?

Ja, ich muss klar sagen, es geht hier nicht um die Frage,

dass jetzt alle Vegetarier oder Veganer werden sollen.

Der Punkt ist wirklich der, wenn mir die Umwelt wichtig ist,

sollte ich darauf schauen, wo sind die großen Hebel, wo kann ich viel bewirken?

Und da ist es einfach so, dass die Frage wichtig ist,

wie halte ich es mit dem Konsum von Fleisch und von anderen tierischen Produkten?

Ich gebe dir ein Beispiel.

Der Verzicht auf ein Rindstake im Jahr bringt etwa gleich viel,

wie wenn du ein Jahr lang deine Plastikverpackungen sammelst und recyclierst.

Ist krass.

Ja, genau. Das zeigt ein bisschen, dass man da halt viel bewirken kann,

wenn man den Fleischkonsum nur ein wenig reduziert.

Okay.

Es gibt auch andere Hebel, die wichtig sind, die man vielleicht nicht so im Kopf hat,

das ist schon weise. Einer davon ist Food Waste, also Lebensmittelabfälle.

Wenn man da schaut, dass man das vermeiden kann,

dann hat man einen relativ großen Hebel.

Und es ist so in der Schweiz zum Beispiel,

dass der meiste Food Waste immer noch in den Haushalten anfällt.

Also nicht im Restaurant oder im Supermarkt?

Genau, natürlich gibt es das auch in Supermärkten, bei Migros und Coop.

Aber wenn man das große Bild anschaut, dann ist es eben in den Haushalten.

Das heißt, wenn man da darauf achtet, dass man nicht zu viel wegwirft,

dann kann man da schon relativ viel bewirken.

Es gibt da auch gewisse Kniffs, wie man sich da ein bisschen trainieren kann.

Ein leichter Weg ist zum Beispiel, dass man kurz den Kühlschrank fotografiert

mit dem Smartphone, bevor man einkaufen geht,

weil dann weiß man gleich, was man noch zu Hause hat.

Damit man da nicht zu viel einkauft.

Guter Trick, klingt aber auch ziemlich einfach.

Wenn ich aber jetzt sage, ich verzichte auf Fleisch,

das ist dann schon irgendwie eine größere Einschränkung.

Natürlich, es ist so, dass wir uns gerne der Illusion hingeben,

dass es mit einfachen Mitteln geht.

Also einfach auf Kaffee-Kapseln verzichten, dann ist alles gut.

Aber es ist so, wenn es dir wirklich ernst ist mit dem Umweltschutz,

dann muss man wirklich darauf schauen, wo man eine große Wirkung hat.

Und dann ist Fleischkonsum eine wichtige Frage, die man sich stellen muss.

Also es geht wirklich darum, dass man sich nicht im Supermarkt

über jede einzelne verpackte Gurke aufregt,

sondern dass man sich vielleicht eher die Frage stellt,

okay, wie viel Fleisch und andere tierische Produkte will ich eigentlich konsumieren.

Wie gehe ich mit Foodwaste um, also aufs große Ganze schauen

und sich nicht auf Nebenschau-Plätzen verlieren,

zu denen eben die Verpackung oder Kaffee-Kapseln gehören.

Matthias, danke vielmals, dass du da warst.

Ich werde anders einkaufen im Supermarkt in der Zukunft.

Ja, das freut mich. Und danke fürs Gespräch.

Das war unser Akzent. Produzent dieser Folge war David Vogel.

Ich bin Antonia Moser.

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Umweltbewusstes Einkaufen ist eine Herausforderung. Also achten viele auf das Offensichtliche: die Verpackung oder den Transportweg. Doch die Rechnung ist komplizierter.

Heutiger Gast: Matthias Benz, Wirtschaftsredaktor

Host: Antonia Moser

Produzent: David Vogel

Weitere Informationen zum Thema: https://www.nzz.ch/meinung/umweltfreundliche-ernaehrung-die-konsumenten-schauen-auf-das-falsche-ld.1751822

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