NZZ Akzent: Warum Selenskis Sponsor in Haft muss

NZZ – täglich ein Stück Welt NZZ – täglich ein Stück Welt 9/11/23 - Episode Page - 16m - PDF Transcript

Dieser Podcast wird Ihnen präsentiert von Sustainableswitseln.ch.

Gemeinsam machen wir die Schweiz nachhaltiger.

Das ist in einem Bezirksgericht in Kiew Anfang September.

Da sitzt ein Mann auf der Anklagebank, dieser Mann heißt Ihor Kolomoiski.

Das ist ein Milliardär und Oligar.

Er gehört zu den reichsten Männern der Ukraine.

Und er sitzt da, trägt ein gelbes T-Shirt, eine blaue Trainingsjacke,

stellt da eigentlich demonstrativ die ukrainischen Nationalfarben zur Schau.

Er selbst ist ein rundlicher Typ mit Brille und einem weißen Bart.

Und dann verkündet der Richter,

Herr Kolomoiski, Sie müssen 60 Tage in Untersuchungshaft.

Gegen ihn laufen Ermittlungen wegen Betrug und Geldwäscherei.

Das spezielle an Kolomoiski ist, dass er als einer der Menschen gilt,

die dem ukrainischen Präsident Zelenski zum Aufstieg verholfen haben.

Er war quasi ein Wegbereiter von Zelenski.

Und die Tatsache, dass er jetzt in Haft sitzt,

das hat auch mit Zelenski zu tun

und mit der großen Entfremdung dieser beiden Männer.

Der schillende Geschäftsmann soll den ukrainischen Staat

um viel Geld betrogen haben.

Seine Verhaftung zeige,

dass Präsident Zelenski den Kampf gegen die Korruption ernst meint,

sagt Auslandredaktor Jonas Roth.

Ich bin Marlene Nüller.

Jonas, also Kolomoiski, ein schwerreicher Ukrainer,

der mit Zelenski einst ziemlich dicke war, sagst du.

Ja, genau.

Kolomoiski ist ein Ingenieur ursprünglich

aus der ukrainischen Stadt Nipro.

Er ist eigentlich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion

wie so viele Oligarten zu Reichtum gekommen.

Er hat begonnen mit dem Import von ausländischen Waren,

hat Metallwaren exportiert und ist dadurch sehr reich geworden.

Und er hat dann 1992 auch die Privatbank gegründet,

die sich anschließend zur größten Bank der Ukraine entwickelte.

Ein bisschen Import, Export, Private Banking,

also schnell viel Geld verdienen war so die Absicht.

Genau, aber da ist es noch nicht vorbei für Kolomoiski.

Er will nämlich nicht nur Geld, sondern er will auch Macht

und Einfluss. Er beteiligt sich dann an den großen Ölunternehmen

der Ukraine und er leistet sich dann auch eine eigene Mediengruppe,

die Mediengruppe 1 plus 1 mit eigenen Fernsehsendern.

Und er wagt sogar einen kurzfristigen Ausflug in die Politik.

Okay, wie?

Im Jahr 2015, also ein Jahr nach der großen Meidernrevolution,

nach der Krimanexion,

wird er eingesetzt als Gouverneur seiner Heimatregion Nipropetrovsk.

Er gilt als ein sehr patriotischer pro-ukrainischer Oligarch.

Und in dieser Zeit nach 2014 finanziert Kolomoiski mit seinem eigenen Geld

auch einige dieser berüchtigten freiwilligen Battalion der Ukraine.

Asov zum Beispiel oder das Nipropatalion.

Okay, also mit seinem Geld.

Das heißt, er fällt wirklich auf als Superpatriot der Ukraine.

Genau, er äußert sich auch stark gegen Putin zum Beispiel.

Aber fällt halt vor allem auch auf als schillernder Geschäftsmann,

der einen ungewöhnlichen Stil pflegt,

in seinem Büro als Gouverneur,

so wie er zum Beispiel einen Haifisch-Tank gehabt haben.

Offenbar, um seine Gesprächspartner ein bisschen einzuschüchtern.

So etwas exzentrisch auch.

Er ist auf jeden Fall exzentrisch, vielleicht auch wankelmütig,

kann man sagen, er lebt aber nicht nur in der Ukraine,

hat auch einen Wohnsitz in Genf,

wo er mutmaßlich auch von den Steuervorteilen da profitiert hat.

Also eigentlich ein Oligarch, wie im Bilderbuch, wie du ihn beschreibst.

Wie kommt denn die Nähe zu Zelenski, die du erwähnt hast?

Das hat zunächst einmal mit dem Medienimperium von Kolomoiski zu tun.

Auf diesem Fernsehsender 1 plus 1, der zu Kolomoiski gehört,

da läuft diese berühmte Serie, Die Nner des Volkes.

Und das ist diese Serie,

wo Zelenski Berühmtheit erlangte in der ganzen Ukraine.

Zelenski war damals ja noch Schauspieler und Komidier.

Und hat da eigentlich die Rolle seines Lebensgespielten dieser Serie,

nämlich einen Lehrer, der ganz unverhofft zum Präsidenten der Ukraine wird.

Ja, stimmt.

Also hat der Fernsehsender von Kolomoiski Zelenski

eigentlich eine ideale Bühne geboten?

Ja, genau. Also Kolomoiski hat sicher dazu beigetragen,

dass Zelenski im ganzen Land bekannt wurde.

Und das hat natürlich auch einen Einfluss gehabt

auf seine spätere politische Karriere.

Zelenski tritt ja dann 2019 tatsächlich an

als Präsidentschaftskandidat, der Komiker will Präsident werden.

Und da heißt es nun, dass Kolomoiski diesen Wahlkampf von Zelenski

aktiv unterstützt, mit Geld zum Beispiel.

Darum haben die Kritiker Zelenskis,

zum Beispiel der damalige Präsident Poroshenko,

Zelenski auch aus eine Marionette von Kolomoiski bezeichnet.

Sind da was dran?

Wir wissen nicht genau, wie viel Geld da wirklich geflossen ist.

Es gibt einige Hinweise, so ist zum Beispiel

der persönliche Anwalt von Kolomoiski Wahlkampfleiter im Team von Zelenski.

Also da gab es Verbindungen zwischen diesen beiden Männern.

Und man kann nun davon ausgehen,

dass Kolomoiski hier die Möglichkeit wittert,

Einfluss zu nehmen auf die Spitze des Staates.

Doch als Zelenski 2019 dann tatsächlich Präsident wird,

ist eigentlich allen schon klar, dass die Geschäfte von Kolomoiski

nicht wirklich sauber sind.

Okay, wie fern, was war das?

2016, drei Jahre vor der Wahl,

musste zum Beispiel die Bank, die Privatbank,

musste verstaatlicht werden.

Sie wurde als finanzielles Risiko für den ukrainischen Staat gesehen,

weil sie massiv unterkapitalisiert war.

Und der Vorwurf, der damals aufkam, war,

dass Kolomoiski und seinen Partner

umgerechnet rund fünf Milliarden Franken

aus dieser Bank abgezweigt haben sollen.

Und damit den Zusammenbruch dieser Bank riskiert hätten,

die ja die größte Bank der Ukraine war.

Aber steckte denn da kriminelle Absicht dahinter

oder war das einfach schlechtes Wirtschaften?

Es ist ziemlich klar, dass sich Kolomoiski

selbst bereichern wollte und seine Partner.

Fakt ist, dass im Anschluss diverse Länder

Ermittlungen gegen Kolomoiski und seinen Geschäftsgebaren aufgenommen haben.

Das sind Großbritannien drunter.

Israel, auch in der Schweiz, wurde teilweise gegen ihn ermittelt.

2020 kommt es in den USA zu einer Anklage gegen Kolomoiski

wegen Finanzbetrug im großen Stil.

Ein Jahr später wird er auch mit Sanktionen belegt.

So darf er mit seiner Familie nicht mehr in die USA einreisen.

Da ist Zelenski Präsident seit zwei Jahren.

Unterstützt er den seinen einstigen Förderer jetzt noch?

Ja, Kolomoiski hatte wohl diese Hoffnung,

dass er in Zelenski einen Unterstützer findet.

Nach dieser ganzen Geschichte mit der Verstaatlichung seiner Bank

hat er sich Kolomoiski ins Ausland abgesetzt.

Kommt aber nach Zelenskis Wahl zurück in die Ukraine.

Er fordert da unmissverständlich,

dass man ihm Teile seiner Bank wieder zurückgeben soll.

Aber Zelenski macht bald schon ziemlich klar,

dass das nicht passieren wird.

Da kann man schon sehen,

dass es für Kolomoiski in der Ukraine ungemütlich werden könnte.

Wir sind gleich zurück.

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Okay, Jonas Asut, das heißt,

der Bruch zwischen Kolomoiski und Zelenski

zeichnet sich eigentlich schon ziemlich in den Anfängen

der Präsidentschaft von Zelenski schon ab.

Ja, genau.

Der erste Schlag für die Hoffnung von Kolomoiski in Zelenski,

einen Freund zu haben, ist 2020.

Da verabschiedet das ukrainische Parlament ein Gesetz,

das verbietet, dass Verstaatlichte Banken wieder an sich verabschieden.

Dass es verbietet, dass Verstaatlichte Banken

wieder an ihre Eigentümer zurückgegeben werden.

Und dieses Gesetz scheint eigentlich zugeschneider zu sein

auf Kolomoiski.

Aber damit nicht genug.

Im November 2022 entzieht Zelenski Kolomoiski

dann die ukrainische Staatsbürgerschaft.

Okay, also, einfach so, oder gab es einen Anlass?

Ja, man weiß es nicht so genau,

aber mutmaßlich hat das etwas mit den Ermittlungen und der Anklage

gegen Kolomoiski in den USA zu tun.

Da gibt es einen gewissen Druck von außen, der aufgebaut wird.

Und es ist mittlerweile auch Krieg in der Ukraine

seit ein paar Monaten.

Geht es also auch um die Unterstützung des Westens?

Ja, es ist schon möglich, dass Kolomoiski,

der ja in vielen Ländern Gerichtsverfahren am Hals hat,

jetzt auch zu einer Hypothek für Zelenski wird.

Der Oligarch bleibt aber in der Ukraine,

durch das Ganze weitet sich in der Folge immer mehr aus.

Okay, was passiert?

Am 1. Februar 2023, also ein Jahr, etwa nach Kriegsbeginn,

steht der ukrainische Geheimdienst vor Kolomoiskis Haustür in Dnipro.

Sie haben einen Durchsuchungsbefehl dabei

und dringen dann ins Haus.

Was suchen Sie denn?

Sie suchen Beweismaterial zu Ermittlungen,

die gegen Kolomoiski laufen.

Bei dem Fall geht es um zwei der Ölunternehmen,

an denen Kolomoiski maßgeblich beteiligt ist.

Denen werden Steuerhinterziehung und Veruntreuung vorgeworfen.

Und diese Ermittlungen laufen bis heute.

Steht der darum vor Gericht,

wie wir am Anfang gehört haben von diesem Bezirksgericht in Kiev?

Nein, das ist noch mal eine andere Ermittlung.

Also, der hat einiges ausgefressen, genau.

Jetzt steht er wegen Betrug und Geldwäscherei vor Gericht.

Oder ist ihn untersuchungshaft?

Der Vorwurf ist,

dass Kolomoiski zwischen 2013 und 2020

insgesamt 12 Mio. Franken umgerechnet ins Ausland geschaffen haben soll.

Und darum kommt er jetzt 60 Tage in Haft.

Nach diesem Urteil hat dann auch Zelenski sich dazu geäußert,

oder scheinbar dazu geäußert, ohne Kolomoiskis Namen zu nennen,

sagt er in einer seiner täglichen Videobotschaften.

Es gebe keine Rückkehr zu Business as Usual für jene,

die die Ukraine geplündert hätten und sich über das Gesetz gestellt hätten.

Aber diese Vergehen von Kolomoiski

liegen ja doch jetzt schon relativ lange zurück, wie du beschreibst.

Warum jetzt?

Also, einerseits ist es ja so,

dass Ermittlungen eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen,

aber andererseits dürfte das auch kein Zufall sein.

Das muss man aber auch im Kontext sehen,

mit Zelenskis Bemühungen,

die grassierende Korruption in der Ukraine zu bekämpfen.

Das war ja auch eines der Versprechen,

mit dem er im Wahlkampf von 2019 angetreten ist.

Ja schon, aber jetzt ist ja mittlerweile Krieg.

Ist das wirklich immer noch vordringlich, das Thema?

Ja, weil Zelenski denkt nicht nur an den Krieg,

er denkt auch darüber hinaus,

er denkt an eine mögliche EU-Mitgliedschaft der Ukraine.

Und da ist eine der größten Bedingungen,

ihr müsst eure Korruption in den Griff bekommen.

Und so ist die Verhaftung von Kolomoiski,

auch wenn sie jetzt nicht unbedingt direkt von Zelenski angeordnet war,

auch ein Signal gegen außen.

Also, man zeigt guten Willen.

Also, Zelenski zeigt, der macht auch vor ehemaliger Weg,

hat auch vor ehemaligen Weggefährten keinen Halt.

Genau.

Andererseits gibt es bei dieser Korruptionsbekämpfung

auch eine gewisse militärische Notwendigkeit.

Da gab es in den letzten Monaten immer wieder Skandale.

Dass sich Leute haben bestechen lassen,

dass Leute Gelder fürs Militär in die eigene Tasche abgezweigt haben,

das kann man im Kriegsfall eigentlich nicht dulden.

Und kürzlich hat Zelenski auch seinen Verteidigungsminister ausgetauscht,

nicht jetzt, weil Olexi Resnikov unbedingt selbst korrupt gewesen war,

aber die ganzen Skandale in seinem Ministerium

waren dann doch zu viel.

Die muss er verantworten.

Jonas, was passiert denn jetzt mit Kolomoiski?

Er ist jetzt in Untersuchungshaft, die Ermittlungen laufen weiter,

was droht ihm?

Ja, Kolomoiski hat gesagt,

seine Kaution von 12 Mio. Franken ungerechnet,

die zahle er nicht.

Er will in Berufung gehen gegen diese Untersuchungshaft.

Er könnte also wieder freikommen,

aber irgendwann wird es zum Gerichtsprozess gegen ihn kommen.

Da ist es wahrscheinlich, dass es zu einer Verurteilung kommen kann.

Aber wir müssen auch sehen,

dass insgesamt ist Kolomoiski wahrscheinlich

einfach ein sehr aufsehenergendes Beispiel,

doch der Weg zu einer richtigen Bekämpfung

und Ausmerzung der Korruptionen der Ukraine ist noch lang,

weil das ist ein riesiges Problem.

Und da hat Zelenski noch einiges vor sich.

Liebe Jonas, vielen Dank für dein Besuch im Studio.

Danke dir.

Das war unser Akzent.

Produzentin dieser Folge ist Antonia Moser.

Ich bin Marlen Öler.

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Bis bald.

Untertitel im Auftrag des ZDF, 2017

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Dank Ihor Kolomoiskis TV-Sender wurde Wolodimir Selenski berühmt, und er bekam auch finanzielle Unterstützung im Wahlkampf. Doch dann kam es zum Bruch. Die Verhaftung von Kolomoiski soll nun ein Zeichen setzen gegen die Korruption.

Heutiger Gast: Jonas Roth, Auslandredaktor

Host: Marlen Oehler

Produzent: Antonia Moser

Weitere Informationen zum Thema: https://www.nzz.ch/international/ihor-kolomoiski-unterstuetzte-einst-selenski-nun-sitzt-er-in-der-ukraine-in-haft-ld.1754485

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