Gysi gegen Guttenberg – Der Deutschland Podcast: Wahlkampf in Deutschland: Das organisierte Versprechen

Open Minds Media, Karl-Theodor zu Guttenberg & Gregor Gysi Open Minds Media, Karl-Theodor zu Guttenberg & Gregor Gysi 9/20/23 - Episode Page - 43m - PDF Transcript

Und natürlich war es auch oft so, dass viele der Kolleginnen und Kollegen aus den eigenen Reihen das eigene Wahlprogramm selbst nicht gelesen haben,

sondern sich darauf verlassen haben, dass eine Parteizentrale ihnen gewisse Versatzstücke auch hier häppchenweise so zurechtzimmert,

dass sie sich für irgendeine Wahlkampfrede dann auch entsprechend nutzen lassen.

Mir hat mal ein Erfolgenes gesagt, der hat gesagt, Gregor, ein Wahlplakat bringt keine einzige Stimme, aber kein Wahlplakat kostet viele Stimmen.

Viele Menschen wissen beispielsweise gar nicht, dass bereits am Nachmittag die Parteispitzen und die Parteizentralen wie die großen Redaktionen

bereits die Prognose bekommen, die um 18 Uhr veröffentlicht wird, wo dann alle wahnsinnig überrascht tun,

dass man dieses oder jenes Ergebnis hat, wissen viele schon Stunden vorher.

Aber der Wahlabend ist ja noch mal ein ganz eigenes Fegefeuer der Eitelkeiten.

Hallo und herzlich willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zu einer neuen Ausgabe unseres wöchentlichen Podcasts,

Gisi gegen Gutenberg. Gregor Gisi nennt es weiterhin Podcast und ich glaube, er hat damit wirklich auch einen neuen Begriff geprägt für die deutsche Sprache.

Und wir freuen uns einmal mehr, heute sprechen Gott zu können über Themen, die aus zwei ganz unterschiedlichen Lagern kommen,

weil wir doch zwei sehr unterschiedliche Köpfe auch sind und versuchen miteinander mit großem Respekt und mit hoffentlich Humor uns fragen anzunehren,

die sie draußen auch bewegen. Lieber Gregor, es ist eine gute Tradition geworden, uns gegenseitig zu fragen,

am Beginn dieses Podcasts ist ihr irgendetwas erstaunliches, seltsames, bizarres, verrücktes Wiederfahren in der vergangenen Woche.

Nicht in der vergangenen Woche, aber im gesamten Urlaub. Ich war zunächst auf einer französischen Insel und bekam plötzlich erhebliche Beschwerden

und kurz vor einem Infarkt wurde mir ein fünftes Stent eingebaut von einem französischen Arzt im Krankenhaus,

aber ich habe es geschafft, ihn zum Lachen zu bringen, weil ich ihm gesagt habe, I love Stents.

Das hatte ich noch nie einer gesagt und danach ging es mir deutlich besser.

Dann war ich in Bugo bei Straußberg und da bin ich vom Weg abgekommen und in einem Moor gelandet und auch abgetaucht und konnte mich gerade noch herausziehen.

Mein dritter Kurzaufenthalt war dann in Salzburg und da habe ich mich sehr auf die Oper Civilia gefreut, hatte auch Karten,

sollte 20 Uhr beginnen und als ich um 1930 da war, stellt sich heraus, die Oper begann um 15 Uhr und war längst zu Ende.

Da habe ich mir gesagt, jetzt ist es aber auch gut.

Ein alles andere als langweiliger Urlaub, lieber Gregor, am wichtigsten ist allerdings natürlich, dass du wieder gesund und bei Kräften zurückgekehrt bist.

Wir sprechen heute über etwas, was dein Leben immer noch prägt, was meines über viele Jahre auch beeinflusst hat.

Und wo man als Politikschaffender gar nicht auskommt, nämlich wir sprechen über das, was manche nicht das organisierte Verbrechen,

sondern das organisierte Versprechen nennen, nämlich Wahlkämpfe, wie sich Wahlkämpfe gestalten, was sie aus einem machen,

wie sie geführt werden können. Das ist das Thema, das uns heute interessiert.

Na ja, seit 1990 bin ich in Wahlkämpfe verwickelt mit einer gewissen Pause, aber das ist schon anstrengend.

Also am Anfang macht es Spaß, weil man bastelt ja an seiner Rede herum, man lernt Leute kennen, vieles andere mehren,

natürlich auch die Konkurrentinnen und Konkurrenten von anderen Parteien, es gibt Fernsehsendungen, es gibt Kundgebung, es gibt Podiumsgespräche

und irgendwann, also mir geht es zumindest so, fängt mich dann an, der Wahlkampf zu langweilen.

Dann habe ich ja schon 17 Mal meine Rede gehört und dann habe ich schon furcht, sie zum 18 Mal mit anhören zu müssen.

Also man ermüdet etwas, es gibt Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer, die das nutzen und die wirklich dann in die letzten Wahlkämpfe ganz viel Kraft hineinstecken,

um doch noch irgendein Steuer herumzureißen. Aber das ist meine Frage an dich.

Welchen Einfluss hat eigentlich der Wahlkampf auf die Abgabe von Stimmen von Wählerinnen und Wählern?

Ich bin mir da ehrlich gesagt nicht sicher.

Ich glaube, es spielt schon eine große Rolle. Man kann die Frage natürlich auch anders formulieren.

Je schlechter ein Wahlkampf geführt wird, desto größer wird die Zahl der Nichtwähler in unserem Land, die sich ja ohnehin auf sehr bedenklichen Niveau bewegt.

Ich hatte immer den Eindruck, aber bei mir ist es natürlich lange eher mehr als 12 Jahre, als ich meinen letzten wirklichen Wahlkampf geführt habe für ein politisches Amt.

Ich habe mich dann 2017 nochmal in ein paar Bierzeltel gestellt, weil ich damals angefragt wurde, das zu tun.

Aber ich hatte schon den Eindruck, dass man mit einem klugen und mit einem nicht nur irgendwelchen allgemeinplätzen folgenden Wahlkampf doch die Menschen bewegen kann.

Allerdings, man stößt die Menschen ab und ich bin mir sicher, du siehst das sehr ähnlich.

Wenn sie das Gefühl bekommen, dass man sich als gewählter, abgeordneter oder zuwählender sich lediglich vor einem Wahltag ins Zeug legt, sich engagiert,

bloß weil ein gewisses Wahldatum ansteht und im Grunde sich den Rest der Zeit so gut wie nie blicken lässt,

sondern im Wesentlichen, wenn man jetzt als Bundestagsabgeordneter gewählt wurde, sich mit irgendwelchen Lachshäppchen und Champagner auf Lobbyabenden in Berlin befindet,

statt sich um die Menschen selbst zu kümmern.

Also wenn der Wahlkampf etwas ist, was, wenn man so will, organisch in die Tätigkeit mit einfließt, die man ohnehin über die Jahre für die Menschen zu Hause betreibt,

dann kann das was sehr sinnvolles sein.

Und wenn das der Wahlkampf nicht nur darin besteht, dass man irgendwelche Parteiprogramme, ohne sie auch mal kritisch selbst infrage zu stellen, einfach nur nachbetet.

Also ich glaube, es ist weiterhin wichtig, aber es hängt natürlich sehr von der Qualität ab, es hängt sehr von der Ehrlichkeit der Menschen ab.

Ja, na klar, so kommt ja der Spruch mit dem Wahlversprechen zustande.

Und dann gibt es ja immer wieder Politikerinnen und Politiker, die vor der Wahl etwas erklären und dann das Gegenteil machen.

Das zerstört das Vertrauensverhältnis.

Es ist natürlich strafrechtlich nicht relevant, wie manche Bürgerinnen und Bürger denken.

Es ist ja kein juristischer Vorgang so ein Wahlversprechen, aber es ist politisch sehr bedenklich.

Also dann sollte man sich zurückhalten.

Natürlich gibt es Kompromisse.

Das ist wieder was anderes in der Koalition.

Dann muss ich für mein Standpunkt kämpfen, der andere für sein.

Und dann muss man erklären, warum und wie man zu welchem Kompromiss gekommen ist.

Aber wenn man selber das Wort bricht, das ist etwas, was die Leute in aller Regel nicht verzeihen und was dann auch wieder Folgen hat.

Das Zweite ist, was mich auch interessiert.

Also ich habe das erlebt.

Wir haben ja mal gerade Linke ein umfassendes Wahlprogramm, sich salten.

Und das stellen wir dann so 40-mal her, weil das reicht für bestimmte Institutionen und bestimmte Leute.

Und dann machen wir ein Kurzwahlprogramm.

Und das wird immer sehr gut verteilt.

Das nehmen die Leute an.

Und plötzlich, als wir zusammengegangen sind, die PDS mit der WSG zur Linken, wollten alle das lange Wahlprogramm.

Das kannten wir überhaupt nicht.

Wir mussten nachdrucken, was das so geht.

Weil plötzlich wollten die wissen, was wollen die jetzt eigentlich beide zusammen?

Hochinteressant.

Bei den nächsten Wahlkämpfen war es wieder so wie vorher.

Aber du musst auf solche Unterschiede registrieren.

Und plötzlich war die Neugier viel größer als vorher.

Für mich zumindest ein spannender Vorgang.

Ja, ich glaube aber, Gregor, das ist ein Sonderfall.

Also mein Eindruck war immer der, dass diese Hochglanzprodukte, die wir da über viele Seiten produziert haben,

eigentlich keinen Schwein interessiert haben.

Sondern dass sie im Wesentlichen auf Versatzstücke überprüft wurden von irgendwelchen Journalisten,

die etwas herausgegriffen haben, was sich auch für den medialen Streit geeignet hat.

Und das Programm selbst war alles andere als ein Schlager bei irgendwelchen Wahlständen oder Ähnliches.

Das blieb meistens liegen.

Und natürlich war es auch oft so, dass viele der Kolleginnen und Kollegen aus den eigenen Reihen das eigene Wahlprogramm selbst nicht gelesen haben,

sondern sich darauf verlassen haben, dass eine Partei zentrale ihnen gewisse Versatzstücke auch hier häppchenweise so zurechtzimmert,

dass sie sich für irgendeine Wahlkampfrede dann auch entsprechend nutzen lassen.

Das ist der eine Punkt.

Und ich glaube, du hast es am Anfang angesprochen, was die Wahlkampfrede betrifft.

Du zeichnest dich ja auch dadurch aus, dass du die freie Rede schätzt.

Deswegen ist das, glaube ich, der einzige Rettungsanker.

Und das war es immer für mich, der einen davor schützt, dass man sich beginnt, vor sich selbst zu langweilen,

bei monatelangen Wahlkämpfen, weil man an anderen Fällen einfach immer nur die gleiche Rede in irgendeiner Formellt.

Ich habe versucht, das immer zu vermeiden.

Das hat mich natürlich auch manchmal in neufes Küche gebracht.

Aber es war natürlich etwas, was auch dann dazu geführt hat, dass man sich nicht selbst so abschleift,

dass man eigentlich nur noch ein Sprachrohr irgendwelcher Gedanken anderer ist,

sondern dass man die eigenen Gedanken auch einbringt.

Letzter Punkt noch, weil du es auch gerade in deinem Kommentar angesprochen hast.

Ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, wenn man über Wahlversprechen spricht und diese diskutiert,

dass man sich immer wieder bewusst ist, dass man, wenn man wahlkämpfend unterwegs ist,

vertritt man in Anführungszeichen die reine Lehre dessen, was man mit einer Partei ausgearbeitet hat.

Plus hoffentlich das, was einen selbst auch noch als Individuum, als zu wählender Mensch ausmacht.

Dass man enttäuschen muss, in einem System wie dem unseren, weil danach Koalitionen zu bilden ist,

liegt schon in der Natur der Sache.

Also der Wahlkampf ist etwas, was hinsteuert zu einer absehbaren Enttäuschung vieler Menschen.

Weil sie sagen, wir wählen jetzt die Linke aus diesem oder jenen Grund oder die CSU aus diesem oder jenen Grund.

Und am Ende findet man sich in einer Koalition wieder, muss Kompromisse finden.

Und dann sagen die Leute, wir sind jetzt aber veräppelt worden, weil der Kompromiss hat,

mit der reine Lehre eigentlich gar nichts mehr zu tun.

Viel euch ein bisschen leichter, weil die meiste Zeit in der Opposition war,

da konnte die reine Lehre einfach weiter vertreten.

Na ja, gut, aber nicht in den Ländern, da waren wir in den Regierungen und da standen wir vor denselben Problem.

Das ist meines Erachtens etwas anderes, wenn das die Politikerinnen und Politiker klub machen.

Also ich war für A und der andere war für C.

Und nach langen Ringen einnehmen wir uns auf B.

Da muss ich Folgendes machen.

Da muss ich vor die Journalistinnen und Journalisten und vor die Menschen treten und sagen, also pass auf,

ich bin bei meinem Standpunkt A geblieben.

Er kam aber mit seinem Programm, das war der Standpunkt C.

Und dann haben wir lange gerungen und haben uns verständigt auf B.

Ich musste nachgeben in dem Punkt der andere oder die andere musste nachgeben in dem anderen Punkt.

Du musst es erklären, das ist das Wichtigste.

Aber ich meine einen anderen Fall, wenn Gerhard Schröder zum Beispiel vor der Wahl sagt,

er wird die Rentenkürzung der Union zurücknehmen, das macht und dann eine noch schlimmere Rentenkürzung einführt

und sich bei der Union und der FDP entschuldigt, dann sind die Leute wirklich enttäuscht.

Denn er ist ja mit dem Versprechen, egal jetzt ob richtig oder falsch,

für dich gar nicht zu überdiskutieren, er ist ja mit dem Versprechen in den Wahlkampf eingetreten.

Und das nehmen sie übel, das war ja nicht erzwungen jetzt in einem Kompromiss der Koalition.

Also ich glaube, dass die Leute unterscheiden können, das ist das eine.

Das zweite ist aber, will ich hier erzählen, also ich sage ja immer, erwachsen wird man erst mit 50,

weil mit 49 kann ja noch passieren, dass einer sagt, das lernt ja noch.

Aber ab 50 sagt das keiner mehr, da ist das vorbei.

Und ab 60 beginnt ganz vorsichtig die Privilegien des Alters

und dazwischen, dazwischen hast du gar keine Privilegien.

Und ich weiß noch, als meine Partei für mich fünf Kundgebung an einem Tag festgeschrieben hatte,

da habe ich gesagt, da mal Leute drei oder maximal vier reicht doch auch

und da sagten die, wieso, da hast du doch noch Zeit.

Also es gibt überhaupt keine Entschuldigung.

Und so jagten die mich von Kundgebung zu Kundgebung und dann wechselte ich meine Blöcke.

Und bei der fünften Kundgebung war ich plötzlich nicht mehr sicher.

Hattest du schon über Arbeitslosigkeit gesprochen oder war das bei der vorhergehenden Kundgebung?

Es ist mir nie passiert.

Aber ich habe immer in die Gesichter der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gesehen,

ob die mich ansehen, wie ein, der doch jetzt einen leichten Schaden im Gehirn davon getragen hat,

weil ich das von der Viertelstunde zum Mal erzählt habe, was ich gerade sagte.

Also ich will nur sagen, da muss man aufpassen, ist mir nicht passiert.

Aber solche Warnsignale gibt es.

Aber was mich trotzdem interessiert, natürlich ist ein guter Wahlkampf wichtig.

Und man sagt ja, wenn ein Wahlkampf zu Ende ist, beginnt schon wieder der nächste.

Trotzdem sind nicht die meisten Menschen festgelegt.

Mir hat mal ein Erfolgnis gesagt.

Der hat gesagt, Gregor, ein Wahlplakat bringt keine einzige Stimme,

aber kein Wahlplakat kostet viele Stimmen.

Und da will ich dir ein Beispiel erzählen.

Und der Taxifahrer fragt mich, was machen Sie denn hier?

Da sage ich, was schon?

Schauen Sie mal auf die Straße und sagt, was ist denn da?

Da sage ich, sehen Sie nicht die ganzen Wahlplakate?

Ja, sagt er jetzt, wo Sie das?

Das sage ich dir auch.

Das heißt, das war dir bis dahin gar nicht aufgefallen,

dass dabei ein Stadt finden.

Und da hat mir aber jemand folgendes erklärt.

Wenn du keine Wahlplakate klebst, wissen die Leute gar nicht, dass du antrittst.

Die wissen auch nicht, dass deine Partei antritt.

Dann wirst du nicht gewählt, weil in der Wahlkabine ist es zu spät.

Das heißt, der Zweck eines Wahlplakates besteht darin zu sagen,

diese Partei tritt auch an.

Oder diese Person ist hier direkt zu wählen,

damit man sich Gedanken hinsichtlich seines Wahlverhaltens macht.

Und wenn du möchtest, mein letzter Hinweis,

dass man sich ein Wahlplakat merkt, muss dir etwas einfallen.

Du kannst mich ja dann gerne mal fragen, ob mir mal etwas eingefallen ist.

Natürlich werde ich die Pointe, die irgendwann noch aus der Nase ziehen heute, Gregor.

Mir ging es sehr ähnlich.

Ich habe oft einen vergleichbaren Satz gehört.

Wenn ich darauf hingewiesen habe, es ist eigentlich Wahlkampf.

Seht ihr das nicht?

Da draußen hängen Plakate.

Ich glaube, dass diese Plakate heute teilweise überschätzt werden.

Oder, wie du richtig sagst,

einfach sowas von bodenlos langweilig sind.

Dass sie überhaupt keine Reaktion mehr auslösen.

Also ein grinsendes Gesicht auch eines bekannten Kopfes

reicht heute nicht mehr, um Wallungen bei den Menschen auszulösen.

Plus, es kommt hinzu, es gibt immer wieder Jahre.

Da hängt dann dreimal im Jahr für einen unterschiedlichen Wahlkampf

ein Wahlplakat in dieser Stadtraum.

Im Grunde werden sie im Grunde nur umgehängt oder andere Gesichter hingehängt.

Also es tritt eine gewisse Erschöpfung ein.

So Jahre, wo man gleichzeitig eine Europawahl hat,

eine Bundestagswahl stattfinden kann, eine Kommunalwahl.

Irgendwann steht so ein gewisser Overkill,

wie man das heute in Neudeutsch sagt.

Punkt 1 dazu.

Punkt 2, ich glaube, dass ein Wahlplakat heute nicht mehr

das maßgeblichste Instrument ist, um Menschen darauf hinzuweisen.

Hör mal zu, hier findet etwas statt.

Es hat sich unglaublich viel in die neuen Medien verlagert.

Es hat sich auch mehr und mehr vom Fernsehen weg hin zu neuen Medien verlagert.

Kannst du dich erinnern?

Früher haben wir mühseligst irgendwelche Fernsehwerbespots versucht zu produzieren.

Es findet heute weniger statt als zumindest in meiner Wahrnehmung,

als das früher der Fall war.

Oder Radiowerbespots mehr und mehr in die neuen Medien.

Aber trotzdem interessiert mich natürlich jetzt noch von dir zu hören.

Jetzt hast du lange Zeit gehabt, noch mit dir diese Pointe vorzubereiten.

Was hast du dir einfallen lassen für das Wahlplakat,

das die Menschen plötzlich gesagt haben,

meine, ich muss den Krieg auch Giswi wählen?

Das weiß ich gar nicht.

Aber dass man sich das merkt.

Es war hochinteressant.

In meiner Partei gab es immer einen Streit.

Einmal, da hat nämlich gar nicht gefragt, gab es ein Plakat.

Da stand damals PDS drauf und da war nur die Brille drauf.

Nichts anderes.

Kein Wort.

Das war interessant, dass das die Leute gesammelt haben.

Also sie fanden das einfach spannend.

Da ist ja keine Aussage drin.

Nichts.

Aber da kannst du etwas Emotionales ansprechen.

Ich selbst hatte mal eine Idee, die ich gut fand.

Und da fand ich es gar nicht gut.

Weil die wollten immer, dass ich schreibe, ich bin für Soziales wohnen

und so weiter.

Das wissen doch die Leute sowieso.

Und das lesen sie und dann ist es weg.

Und da habe ich ein Plakat gehabt.

Reichtum für alle.

Das war eine kleine Sensation.

Es gab keine Rundfunk.

Keine Fernsehsendung, wo ich nicht vor allen anderen

zehn Minuten lang zu dem Plakat gefragt wurde.

Und ich habe immer unterschiedlich geantwortet.

Also ich habe gesagt, sie sind für Armut für alle.

Nein, natürlich nicht.

Aha, sage ich.

Also dann sind sie für Reichtum für wenige und für Armut für viele.

Oder ich habe gesagt, wie kommst du denn darauf,

dass ich im materiellen Reichtum meine?

Ich meine den Reichtum an Gesundheit, an Bildung,

an Kunst und Kultur.

Und dann sagt ihr jemanden mal zu mir,

Sie haben das doch schon völlig unterschiedlich interpretiert.

Ja, sage ich.

Ich wollte Ihnen ja nur mal zeigen,

wie unterschiedlich mal eine Aussage interpretieren kann.

Aber im Kern habe ich dann gesagt,

wenn die ganz reichen etwas nachlassen,

können die anderen etwas angehoben werden.

Und ab einer bestimmten Grenze

könnte man auch von Reichtum für alle sprechen.

Also ich will jetzt das gar nicht verteilen.

Was ich sagen will, ist,

das war ein Plakat, das sich die Leute gemerkt haben.

Wo ich so viele E-Mails bekommen habe.

Und zwar sowohl solche, das ist doch eine reine Illusion,

das ist doch gar nicht möglich, als auch solche.

Ich finde das wunderbar, dieses Plakat und so.

Da habe ich gemerkt, also da spaltet sich auch die Haltung der Leute.

Es entscheidet nicht über die Stimmabgabe,

aber es politisiert sie

und sorgt dafür, dass man sich was merkt.

Und bei meinem letzten, ja,

dann gibt es ja immer noch diesen Personenwahlkampf,

wo du direkt antrittst, musst du mir auch erzählen.

Wie redet man anders in dem Wahlkreis,

wo man direkt gewählt werden will,

um Unterschied zu Wahlkreisen,

wo es um einen anderen Kandidaten

oder eine andere Kandidatin geht,

oder eben die Liste der Partei?

Auch ganz interessant.

Und da hatte ich beim letzten Mal,

da muss man aber ein bisschen Berliner können,

hatte ich folgendes Plakat,

was auch auf Kritik schließt natürlich.

Anführungsstriche, Punkt, Punkt, Punkt,

Axande, Gü, Schuldung.

Brauche ohne E wieder Axande, Gü, Schuldung.

Brauche mal wieder Ihre Erststimme.

Ausführungsstriche, Krieg und Kiesi,

nur direkt und so weiter.

Und da passierte mir erfolgendes.

Ich hatte eine Ausstellungseröffnung.

Da kam ein Mann zu mir und sagte übrigens,

Herr Kiesi, ich bin Markler, Grundstücksmarkler.

Und ich hoffe, Sie können verstehen,

dass ich in meinem Leben noch nie die Linke gewählt habe

und dass das auch nie passieren wird.

Ja, sage ich, ist zumindest vorstellbar.

Und dann sagte ich, ich wollte Ihnen nur sagen,

ich stand vor Ihrem Wahlplakat

und musste so lachen.

Und habe zu meiner Frau gesagt, der kriegt meine Erststunde.

Manchmal erreicht du auch mit einer Frechheit,

mit einer Art Witz irgendetwas.

Und ich bin ja dagegen im Wahlkampf,

den Humor völlig zu streichen.

Da bin ich ganz bei dir.

Das war mir auch immer ganz, ganz wichtig.

Und ich glaube, man muss humorvoll provozieren können.

Und das können die Wenigsten.

Weil meistens ist es dann so,

dass eine Partei zentrale irgendeine Agentur beauftragt.

Viele dieser Agenturen sind jetzt auch nicht reichhaltig

mit Humor gesegnet.

Und am Ende kommen immer wieder diese Blaupausen heraus.

Oder man denkt sich, man ist gut gefahren

mit einer Agentur vor ein paar Jahren.

Aber dann ist der Kreativität natürlich

dann auch sehr schnell eine Grenze gesetzt.

Also mir ging es auch immer darum,

eher mal zu provozieren, ein Nachdenken auszulösen

oder eine Reaktion zu bekommen,

anstatt im Grunde in diesem ganzen Brei

der fast gleichen Darstellungen politischer Aussagen

da irgendwie dann abzusaufen.

Du hast die Frage gestellt,

wie führt man eigentlich einen Wahlkampf,

wenn man seinen eigenen Wahlkreis bedient

und wenn man außerhalb unterwegs ist?

Und das war ja bei mir damals auch so.

Ich bin aus welchen Gründen auch immer

quer durch Deutschland unterwegs gewesen,

gefragt worden von vielen Kollegen,

die gar nicht liebevoll genug sein können,

wenn sie einen bitten,

dass man bei ihnen zum Wahlkampf hofft,

wenn sie das Gefühl haben, es könnte ihnen nutzen.

Der beliebte, den ich sonst nie erlebe,

in meiner Partei.

So ist es.

Und wenn dann der Wahlkampf vorbei ist,

hört man meistens von den Einzelnen überhaupt nichts mehr.

Also für diesen Zweck war man dann in dem Moment

ganz gut und ganz brauchbar.

Merkt man sich natürlich bei dem einen oder anderen.

Bei mir ist es so lange her,

dass ich es im Grunde auch schon wieder vergessen habe.

Aber für mich war immer wichtig,

gar nicht so einen großen Unterschied zu machen,

zu Hause anspricht und dort, wo man unterwegs ist.

Weil mir war immer folgendes wichtig.

Ich habe mich nie einer vorgestansten Rede bedient.

Natürlich gibt es so Versatzstücke,

die man immer wieder nutzt.

Aber was mir immer ganz, ganz wichtig war,

egal wo ich hin kam, ob das ein kleiner Weiler

in meinem sehr ländlich geprägten Oberfranken war

oder ob das ein Stadtteil von Mannheim war,

dass man sich davor ganz, ganz genau informiert darüber,

was sind die Themen, die emotional vor Ort

wirklich eine Rolle spielen?

Was sind die Themen, die die Menschen dort bewegen?

Das kommt auch noch dazu.

Wer sind die wichtigsten Köpfe, die dort dafür sorgen,

dass ein Zusammenhalt in dieser Gesellschaft stattfindet?

Und das sind ganz ehrlich dann meistens nicht die,

die in der Wahlkampfveranstaltung ganz vorne sitzen

oder in den Bierbänken ganz vorne, die Honorablen,

die auf ihren Hintern rumrutschen

und sehnsüchtig nach oben schauen,

die begrüßt werden, sondern das ist ein Feuerwehrkommandeur.

Das ist eine Vorsitzende einer Arbeiterwohlfahrt.

Das sind diejenigen, die organisatorisch vor Ort

einfach auch ehrenamtlich viel zustande bringen.

Und deswegen war es für mich beispielsweise immer ganz wichtig,

als erstes und am intensivsten werden genau diese Menschen

nicht nur begrüßt, sondern auch hervorgehoben

und nicht der evtl. Kandidat zuerst und dieser und jener.

Die werden schon irgendwann dann auch in eine Rede eingebaut

und begrüßen. Es war immer wahnsinnig komisch zu sehen,

wie dann hoch geguckt wurde, wann werde ich genannt,

wann werde ich genannt, wann werde ich endlich,

endlich vom Redner her hervorgehoben.

Und im Grunde sind doch viel wichtiger diejenigen,

die ehrenamtlich beispielsweise einem dem Tag dafür sorgen,

dass es in einem Bierzelt etwas zu essen gibt,

dass es etwas zu trinken geht, gibt, dass eine Musik gespielt wird

und dass vor Ort einfach die Gesellschaft zusammengehalten wird.

Und das sind nicht immer nur diejenigen, die in gewählten Ämtern sind.

Das war mir wichtig und ebenso ist es dann wichtig,

einfach zu sagen, vielleicht interessiert die Menschen

halt in dem Moment um ein aktuelles Thema aufzugreifen.

Vielleicht geht es nicht die siebte Abhandlung über die Wärmepumpe,

sondern es geht um eine Umgehungsstraße an diesem Ort.

Das ist da, wo die Wannungen dann auch zustande kommen.

Und dann muss man sich eben so gut informiert haben,

dass man ein solches Thema auch ansprechen kann.

Ja, das funktioniert, wenn du ein, zwei Wahlveranstaltungen am Tag hast.

Das wäre ja heute bei mir auch so.

Aber früher, wenn ich vier, fünf hatte, schaff ich das gar nicht.

Also, mich vorher örtlich so zu informieren,

dass ich weiß, das Problem steht hier an.

Oder hatte ich Mitarbeiter dafür?

Ja, ich hatte ein Mitarbeiter, der mich begleitet,

der es dann auch überfordert.

Aber abgesehen davon kommt noch was anderes hinzu.

Ich mache das auch gerne, dass ich den Feuerwehrmann

oder andere benenne, aber man muss aufpassen.

Es kann auch so aufgezogen wirken.

Also, dass die Leute sagen, das macht ja bloß hier,

um noch ein paar Stimmen zu sammeln.

Also, der Tonfall kann da ganz wichtig sein, indem man das bringt.

Das ist das eine.

Das zweite, was ich eben auch interessant finde,

ist bei meiner Partei war das noch viel extremer als bei deiner.

Also, 1990, ich sag mal, schon vor dem ersten Tag des Wahlkampfes stand fest,

wer uns auf jeden Fall wählt, und es stand auch fest,

wer uns auf jeden Fall nicht wählt.

Da war eigentlich Wahlkampf eine Sache des Mutes.

Also, unter die Leute zu gehen, sich beschimpfen zu lassen,

zu versuchen zu erklären.

Und das hat sich geändert.

Inzwischen haben wir ja auch viele Stimmen verloren,

die wir ja schon mal gewonnen hatten.

Also, mit anderen Worten, inzwischen ist meine Partei insofern normalisiert,

dass sie Stimmen gewinnen und verlieren kann.

Und das gilt natürlich dann auch für Personen.

Und ich konnte nie in meinem Wahlkreis, wenn ich eine Rede gehalten habe,

wo ich direkt kann, die Tiere sagen, ich bin super auf folgenden Gebieten.

Übrigens habe ich festgestellt, früher bei Bewerbungen,

die ich als Fraktionsvorsitzender bekam,

konnte ich immer zwischen West und Ost unterscheiden.

In Westbewerbungen stand immer drin, ich bin super auf folgenden Zähnengebieten.

Und in Ostbewerbungen stand immer, ich glaube, nicht ganz schlecht zu sein,

auf folgenden Gebieten, bei mir das in der DDR gar nicht kannten Bewerbungen.

In dem Sinne gab es gar nicht.

Andere haben entschieden, ob du Abteilungsleiter wirst oder nicht.

Und das ist ganz interessant, diesen Unterschied.

Und deshalb fällt mir das schwer.

Aber es kommt, glaube ich, viel besser an.

Ich sage, dann passen sie auf, ich stehe dafür, ich stehe dafür, ich stehe dafür.

Und das müssen wir erreichen.

Und das haben wir schon erreicht, aber das reicht nicht aus.

Und so weiter.

Das ist dann, glaube ich, letztlich angenehmer,

als wenn ich anfange, meine Eigenschaften zu preisen.

Oder auch das Gegenteil zu betreiben.

Ich habe unsere sehr unangenehme Eigenschaften,

aber das soll sie nicht stören.

Aber das wäre wieder eher, dafür wäre ich wieder eher der Typ,

dass ich dann solche Bemerkungen mache.

Die unanständigen Eigenschaften heben dann schon andere.

Für einen hervor, da braucht man sich nicht Sorgen dafür.

Das ist der Herstandkeit, der Herstandkeit, kein Mangel.

Ich bin immer mal wieder gefragt worden,

weil ich in der damaligen Zeit in meinem Wahlkreis,

das soll es im Himmels willen, nicht hochmütig klingen,

aber ich hatte das Glück, sehr hohe Wahlergebnisse zu bekommen.

Und das war jetzt nicht unbedingt für ein tiefschwarzer Wahlkreis,

den ich hatte, aber ich hatte zuletzt 68% geholt gehabt

in meinem ländlichen Wahlkreis.

Das war damals, glaube ich, sogar das beste Ergebnis in Deutschland.

Und ich habe dann aber auch festgestellt,

das hatte sehr, sehr wenig mit Wahlkampf zu tun.

Sondern es hatte damit etwas zu tun, dass man die Menschen eben,

ich habe es vorhin schon mal schon mal kurz angerissen gehabt,

nicht eben nur vor dem Wahltag ernst nimmt,

sondern dass man einfach vier Jahre lang wirklich nonstop

in so einem Wahlkreis auch unterwegs ist.

Und es scheißegal ist, ob man es mit einem roten, gelben,

grünen, wie auch immer gefärbten Bürgermeister oder Gemeinderat

oder ähnlichen zu tun hat, dass man jede Gemeinde,

bei mir waren es 64 politische Gemeinden damals,

mindestens einmal im Jahr besucht und sich einmal im Jahr

aber prüfen lässt, ob man seine Hausaufgaben gemacht hat.

Dass man Mitarbeiter dafür hat, die einfach all diese Anfragen

und Anliegen vorbringen.

Und dann war es für mich ein Anliegen dann auch vor der Wahl

einfach nicht zu versprechen, sondern einfach zu sagen,

was ist, was man selbst für Überzeugungen hat.

Und das hat mir immer nicht nur Freunde auch im eigenen Laden eingebracht,

weil ich mich einfach sehr ungern an die Vorgaben gehalten habe,

wenn ich das Gefühl habe, das ist zu viel versprechen.

Das ist etwas, das wird man im Zweifel nicht einhalten können.

Und dann irgendwann kommt der Wahlabend.

Und Gregor, das ist ja auch was ganz Erstaunliches, ein Wahlabend, nicht?

Also man arbeitet über Monate als Partei auf diesen gewissen Moment hin

und dann entsteht eine riesige Theaterbühne für alle Parteien,

wo dann plötzlich die Medienaufmerksamkeit da ist.

Viele Menschen wissen beispielsweise gar nicht,

dass bereits am Nachmittag die Parteispitzen und die Parteizentralen

wie die großen Redaktionen bereits die Prognose bekommen,

die um 18 Uhr veröffentlicht wird, wo dann alle wahnsinnig überrascht tun,

dass man dieses oder jenes Ergebnis hat, wissen viele schon Stunden vorher.

Aber der Wahlabend ist ja noch mal ein ganz eigenes Fegevorher der Eitelkeiten.

Eines, wo sich die erstaunlichsten Charaktere plötzlich zeigen.

Wie ist es dir da gegangen?

Also ich erzählte dir das gleich.

Lass mich vorhin nur noch ein Beispiel bringen, was ich auch interessant war.

Das war nicht auch erstaunlich.

Da war ich erst in München und war dann in Lübeck, in Schleswig-Holstein.

Und ich merkte, die Leute gehen überhaupt nicht mit.

Das funktioniert nicht.

Ich habe so nach der Hälfte meiner Rede aufgehört,

habe dann zu dem Mitarbeiter von Dort gesagt,

ja, ich habe mitgekriegt, die Leute gehen nicht mit,

muss ich mal drüber nachdenken, was ich da falsch gemacht habe.

Ich habe gesagt, wieso? Die waren doch begeistert.

Das heißt, ich hatte unterschätzt den Unterschied zwischen der Südmentalität

und der Nordmentalität.

Eine Begeisterung in Lübeck zeigt sich anders als in München.

Wobei ich beides mag.

Manchmal im Vorort von München anders als in München.

Das ist manchmal zwei, drei Kilometer weiter.

Irgendwo rocken sie ein Bierzelt als Politiker.

Ein Bierzelt zwei Wochen später in der Nachbargemeinde

schläft auf den Tischen ein.

Also das kann alles passieren.

Ich muss sagen, ich brauche beide Mentalitäten.

Ich bin gerne in München und ich bin gerne in Lübeck.

Der Norden beruhigt mich.

Das war jetzt aber zu Ihrer Frage.

Für mich war der spannendste Wahlabend folgender.

90 gegen den Willen der SPD hat das Bundesverfassungsgericht

ja die Wahlgebiete getrennt.

Und wenn man entweder in der früheren DDR

oder in der früheren Bundesrepublik fünf Prozent erreicht hat,

war man drin.

Da wir das in der ehemaligen DDR geschafft haben,

waren wir drin, 90 die Grünen, auch etc.

Und dann passierte folgendes,

dass wir bei der nächsten Wahl fünf Prozent erreichen mussten.

Und die drei, die Direktmandatsregelung war damals gar nicht bekannt.

Jetzt hat sie ja in der Gesetzgeber abgeschafft.

Darüber wird erst wieder das Bundesverfassungsgericht

verhandeln und entscheiden müssen.

Aber es ist eine andere Frage.

Und mir war völlig klar, fünf Prozent schaffen wir nicht.

Wir hatten beim ersten Mal 2,4 Prozent.

Wir sind übrigens auf über vier Prozent gekommen,

von 2,4 über vier Prozent.

Das war schon ganz gut, aber eben keine fünf Prozent.

Und da habe ich gesagt, wir brauchen die drei Direktmandatsregelung.

Und da war ich den Zeitung dankbar, auch FAZ und alle,

weil sie immer geschrieben haben,

das habe ich ihnen natürlich auch immer gesagt,

dass wenn wir drei Direktmandate erreichen,

alle Zweitstimmen gelten.

Das heißt, die wenigen Wählerinnen und Wähler,

die wir in Bayern hatten, wussten,

dass ihre Stimme zählt für die Zahl der Sitze,

die wir im Bundestag haben,

wenn wir die drei Direktmandate erreichen.

Und daraufhin habe ich eine umfassende Informationskampagne,

zum Beispiel in Ostberlin, auch in Rostock,

auch in Potsdam usw. begonnen.

Und Unterschieden zwischen Erst- und Zweitstimmen.

Und was machst du?

Also, wie schreibst du einen Brief an Bürgerinnen und Bürger,

der ist entschlossen, CDU zu wählen?

Dann liest der PDS und GISI

und das Ding geht doch gleich in die Mülltonne.

Also musst du einen Anfang finden, der ihn reizt.

Und mein Anfang lautete,

wenn sie die PDS nicht dick-schwarz wählen wollen.

Komm mal, was ich natürlich bedauerte, dann und so weiter.

Und dann habe ich den ganzen Unterschied erklärt.

Und dadurch ist es uns wirklich gelungen.

Wir hatten 1991 Direktmandat, 1994 vier Direktmandate zu erreichen

und so zogen wir in den Bundestag ein.

Und beim Wahlkampf war folgendes, am Wahlabend war folgendes.

Der Sprecher, also der Wahlberichterstatter,

kannte ja dieses mein Ziel.

Und da sagten wir ausnahmsweise,

sonst geben wir eigentlich immer nur bekannt,

welche Zweitstimmen-Ergebnisse die Parteien haben.

Haben wir wegen der PDS, zählen wir auch die Erststimmen,

weil ja die das Ziel haben, über drei Direktmandate einzuziehen.

Und das sagten sie und dann kam die Meldung.

Ja, ich muss Ihnen sagen, Gregor Giszi hat es erneut geschafft,

sein Direktmandat zu bestätigen.

Der Beifall lahm.

Dann kam die Meldung.

Ja, Christa Luft hat es auch geschafft.

Sie hat erst mal nicht den Wahlkreis nicht mehr.

Also, da war schon mal.

Und dann kam Stefan Heim hat es auch geschafft.

Er hat Wolfgang Thiesel geschafft.

Er hat den Wahlkreis Mitte Prenzhorberg.

Der Saal tobte, als ob wir das Grundgesetz neu verabschiedet hätten.

So was habe ich noch nicht erlebt.

Das war eine Begeisterung saagenhaft.

Weil keiner daran geglaubt hat,

dass wir das mit der drei Direktmandatsregel schaffen.

Und dann kam noch ein viertes Direktmandat.

Und da herrschte richtig Glück.

So, und dann kenne ich Wahlkämpfe der Enttäuschung.

Da machen wir ein Gesicht.

Ja, da gibt es natürlich das, glaube ich.

Auf der anderen Seite ist oftmals die Enttäuschung,

selbst bei den Begeisterten am nächsten Morgen bereits gegeben.

Das ist ja auch so eine Gesetzmäßigkeit,

wenn es dann langsam schon an die Postenverteilungen geht.

Wenn es an die Aufarbeitung eines auch erfolgreichen Wahlkampfes geht.

Und diejenigen, die mit Jubeln an einem Abend,

das sind immer welche dabei,

die das Messer schon in der Tasche aufgeklappt haben

oder hinter dem Rücken halten.

Also, ich bin sowas von Gott froh, Gregor,

dass ich das alles nicht mehr machen darf.

Zum einen und auch nicht mehr machen muss.

Sondern Grunde nur noch beobachte,

bin ich beneidet dich nur in Maßen,

dass man das weiterhin betreibt.

Ich habe erstaunlicherweise selbst bei

nach langen intensiven Wahlkampfen am Wahltag

selbst so eine ganz tiefe Lehre oft empfunden.

Das ist natürlich etwas, was auch mit Erschöpfung zu tun hat.

Aber man ja auch weiß,

nach dem Ergebnis geht der ganze Wahnsinn natürlich gleich wieder weiter.

Und alles, was Politik auch im Negativen ausmacht,

ist etwas, was bereits an diesem Abend dann schon wieder reinbrügelt.

Weil es, wenn Ergebnis ist schön geredet,

es wird wieder auf den politischen Gegner eingeschlagen.

Es wird ja nicht freundlicher, netter, umgänglicher.

Sondern es ist so ein ganz kurzes Durchatmen

mal für einige Stunden, wenn so ein Wahlkampf zu Ende ist,

sondern wenn die Menschen eine Stimme abgeben

und man sich in den Händen der Bürgerinnen und Bürger eines Landes befindet.

Was ja zum einen, was in der Demokratie was Wunderbares,

auch was beruhigendes mit sich bringt.

Aber es ist ein ganz kurzes Durchatmen, nur das einem gegeben wird.

Und eines, das bei mir dazu geführt hatte,

dass dieses Hamsterrad immer schneller und härter sich zu drehen begonnen hat.

Und ich nochmal rückblickend heute froh bin,

diese Erfahrung gemacht zu haben, aber sie auch nicht mehr machen zu müssen.

Also ich war insofern immer ein bisschen privilegiert,

als es eigentlich nie Debatten um mich gab.

Es gab aber immer wer darf stellvertreter werden,

wer danach daneben oder nicht daneben.

Da war es genauso wie in allen anderen Parteien auch.

Und das nahm auch von Wahl zu Wahl zu und wurde immer unangenehmer.

Das ist das eine.

Aber, darüber wir uns noch gar nicht unterhalten haben,

wir haben ja nicht mehr so viel Zeit.

Was meinst du denn, welche Rolle spielt denn heute das Infontainment?

Wie ist das eigentlich wirklich mit dem Internet?

Ist das im Wesentlichen, sind das die jungen Leute,

also die ganz alten wahrscheinlich wirklich weniger,

die Rentnerinnen und Rentner wahrscheinlich auch weniger,

aber die verändern sich ja auch zum Teil.

Was glaubst du denn, was das für Veränderungen im Wahlkampf nach sich zieht?

Er hat schon große Veränderungen nach sich gezogen,

über Jahre hinweg bereits in den USA,

die in der Hinsicht jetzt nicht nur glücklicher Vorreiter sind,

weil man sich da ja nun wirklich nicht alles abschauen sollte,

was da gemacht wird.

Es wird heute mit den neuen Medien,

wird natürlich eine ganz neue Plattform bedient.

Da zählt eine längere politische Rede vor einem größeren Publikum,

was man größeres Publikum nennt,

der wenn 1.000, 2.000, 3.000 Leute einem zugehört haben,

gar nicht so sehr wie ein 8 Sekunden oder 10 Sekunden Ausschnitt

oder Abschnitt irgendeiner kleinen Aussage einer Provokation,

die dann plötzlich, wie man heute sagt, viral geht,

und die dann Millionen sehen.

Also die Bedeutung ist natürlich gewaltig gewachsen.

Hinzu kommt noch etwas,

dass Parteien sich heute ganz genau Gedanken machen,

wie man über das Nutzen neuer Technologien

ganz gezielt auch über Algorithmen,

ganz gezielt gewisse Wählergruppen anspricht,

deren Daten man im Zweifel hat.

Ich bin immer noch Probleme damit,

dass wir mit einer gewissen Offenheit,

mit Daten auch in der Hinsicht umgehen.

Das ist etwas, was aus den USA zu uns rüber kam

und was natürlich auch immer nicht billiger wird.

Darüber haben wir auch noch nicht gesprochen,

ist, was kostet heute eigentlich ein Wahlkampf zu meinen Zeiten?

Das ist jetzt nicht so furchtbar lange her,

weil ich vorhin gesagt schon,

das war jetzt also vor zwischen 20 und vor 12 Jahren,

da konnte man einen Bundestagswahlkampf

mit ein paar 10.000 Euro noch bestreiten.

Das ist heute gar nicht mehr so leicht.

Wenn man sich auf der anderen Seite aber anschaut,

was in den USA ausgegeben wird,

müssen sie Millionen ausgeben.

Ich stelle dir vor, Gregor,

wir müssten während plötzlich wie ein Repräsentantenhaus

Abgeordnete alle zwei Jahre sich wiederwählen lassen muss,

der immer wieder Millionen einsammeln muss,

um tatsächlich seinen Wahlkampf zu führen,

wo es im Grunde nur darum geht,

oft, wie man am produktivsten Dreck um sich schmeißt,

weil das auch teuer ist.

Das ist etwas, so weit sind wir noch nicht.

Diese Schleusen wurden natürlich auch vom Supreme Court,

vom höchsten Gericht entsprechend geöffnet,

was ein Wahnsinn ist.

Ich kann noch hoffen, dass wir bei uns immer noch

mit überschaubaren Beträgen auskommen,

weil man sich sonst natürlich auch abhängig macht

von den Einflüssen anderer.

Ja, das ist wahr.

Teuer ist das.

Und ich bin, das wird sie jetzt erstaunen,

also zumindest manche Hörerinnen und Hörer,

sehr zufrieden mit der Wahlkampfkostenerstattung.

Und zwar, weil dadurch bei uns alle kandidieren können.

Wenn ich als ganz unbekannte Einzelkandidat

kandidiere, brauche ich allerdings 10%,

aber wenn ich 10% der Stimmen erreiche,

kriege ich auch eine Wahlkampfkostenerstattung.

Das ist in den USA völlig anders.

Und die spannende Frage ist immer, woher kriegt

ein Herr Obama Millionen,

um überhaupt den Wahlkampf als Präsidentschaftskandidat führen zu können.

Und das ist bei uns, glaube ich,

das sind so die Schlussfolgerungen natürlich auch

aus der Weimarer Republik und vor allen Dingen

aus der Nazi-Diktatur,

dass man das in der Bundesrepublik anders organisiert

und geregelt hat.

Das finde ich sehr vernünftig, aber du hast völlig recht,

es wird alles immer teurer, es wird alles immer schwieriger

und wir können ja auch nicht unermesslich

Wahlkampfkostenerstattung bezahlen.

Ich finde auch die Bezahlung von Parteien

insofern nicht unwichtig,

damit eben auch ärmere Leute

die Chance haben, eine Partei zu bilden

und dafür auch Finanzen zu bekommen.

Aber ich finde unsere Regelungen über die Höhe falsch

und zwar, weil sich das richtet sich einmal,

die Höhe der Finanzierung nach der Zahl deiner Stimmen.

Okay, dann nach der Höhe deiner Beiträge,

das ist schon ein bisschen schwierig,

weil meine Partei sehr hart was Beiträge betrifft,

andere sind milder, aber das geht noch,

aber das Letzte ist von der Höhe der Spendenabhängig.

Das heißt, wenn eine Partei von der Deutschen Bank

eine große Spende bekommen,

bekommen sie auch vom Staat mehr Geld.

Da wir natürlich von der Deutschen Bank nie eine Spende bekommen

und die ja auch gar nicht annehmen dürfen,

laut einem Beschluss unseres Parteitages,

ob das so schlau ist, weiß ich auch nicht,

ist aber auch egal, bekommen wir dann weniger.

Also das würde ich natürlich ändern

und gerechter gestalten.

Trotzdem, ich sage mal, die Finanzierung

birgt auch Chancen für Menschen,

die sonst gar keine hätten, in Wahlkämpfe einzugreifen.

Und das finde ich nicht so schlecht.

Ein guter Punkt, liebe Gregor,

Wahlkämpfe sind teuer, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,

sie sind uns teuer und wichtig.

Und wir sind dankbar, dass sie uns zuhören

und dass sie unseren Gedanken folgen.

Heute war das Thema Wahlkampf.

Ich habe am Anfang von organisiertem Versprechen gesprochen.

Manche sagen, es ist ein Wettstreit hinten.

Da vergleiche ein Wahlkampf, irgendein böse Zunge hat mal gesagt,

das Wahlkampf ist nichts anderes,

als die Manipulation des schlechten Gedächtnisses der Wahlbürger.

Also es gibt viele Bezeichnungen.

Wir haben uns heute entlanggehangelt

an unseren eigenen Erfahrungen.

Und ich kann nur annehmen,

dass Gregor Gisi sich erneut an etwas anderem entlanghangelt,

nämlich an seinem Gedächtnis.

Gregor, du musst nämlich jetzt den Menschen in unserem Lande,

den Zuhörerinnen und Zuhörern sagen, wo sie uns

und wie sie uns schreiben können,

insbesondere an welche Adresse sie uns schreiben können.

Und ich bin gespannt, ob du mittlerweile

die E-Mail-Adresse auswendig kannst.

Nein, das kann ich natürlich nicht,

weil ich ja schon wieder so viele Termine dazwischen hatte.

Und mein Gehirn ist nicht geschaffen für E-Mail-Adressen.

Ich bin schon froh, dass ich meine eigene Mail merken kann.

Die möchte ich jetzt aber nicht bekannt geben,

meine private, weil ich dazu viel nackig gekommen bin.

Also vielleicht beim nächsten Mal, mal sehen.

Aber jetzt finde ich, solltest du das wieder bekannt geben.

Ich muss es bekannt geben.

Und ich habe natürlich, obwohl ich eher dramatisch jünger bin,

dass du ein ähnliches Siebgedächtnis.

Aber es ist, ich glaube, ich wage mich zu erinnern, GGG.

Da steht für Giszy gegen Gutenberg.

At openmindspunktmedia.

GGG at openmindspunktmedia.

Und ich habe jetzt natürlich auch wieder auf den Bildschirm geschielt.

Auch ich muss üben bis zum nächsten Mal.

Behalten Sie uns in Ihrem wohlgesonnenem Herzen.

Danke fürs Zuhören.

Und wir freuen uns aufs nächste Mal. Danke und auf Wiederhören.

Giszy gegen Gutenberg ist eine Produktion der Open Minds Media GmbH.

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Am 8. Oktober wird wieder gewählt – in Bayern und Hessen zumindest, denn da stehen die Landtagswahlen bevor und der Wahlkampf ist bereits in vollem Gange. Für KT Guttenberg und Gregor Gysi ein guter Anlass, um hinter die Kulissen zu blicken. Ein Wahlplakat bringt keine Stimme, aber kein Wahlplakat kostet viele Stimmen – nur eine von vielen Erfahrungen, welche die beiden in ihrem politischen Leben gelernt haben. In dieser Folge GYSI GEGEN GUTTENBERG verrät KT Guttenberg, wer die Wahlprogramme wirklich liest (Spoiler: kein Schwein!). Und Gregor Gysi erzählt, warum er schon mal Reichtum für alle fordert und wie er einst einen Immobilienmakler dazu brachte, ihn zu wählen.


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