Sternstunde Philosophie: Suizid – Sünde oder Freiheit?

Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) 9/30/23 - 1h 7m - PDF Transcript

Herzlich willkommen. Heute nähern wir uns einem sehr schwierigen und sensiblen Thema,

wir reden über Suizid. Die Zahl der Menschen, die derzeit Hilfe suchen, ist auch im Nachgang

zu Corona so hoch wie noch nie. Darum gleich zu Beginn der Hinweis für Sie, liebe Zuschauerinnen

und Zuschauer, falls Ihnen diese Thematik zu nahe gehen sollte, etwa aufgrund von persönlichen

Erfahrungen, können Sie jederzeit ausschalten und falls Sie am Dialog interessiert sind

oder Hilfe benötigen, finden Sie hier unter dieser Nummer telefonische Beratung. Ich mache

diese Sendung, wie Sie sehen, heute nicht alleine, sondern zusammen mit meiner Kollegin

Olivier Röllin und du hast im Vorfeld der Sendung ein Kriseninterventionszentrum besucht,

nämlich in Winterthur. Ja, richtig. Ich habe mir dort angeschaut, wo Menschen hingehen,

die in schwierigen Lebenssituationen sind, habe dort unter anderem mit einer Patientin gesprochen

und dabei hat mich beeindruckt, dass dieses Haus in mittleres Wohnquartier steht. Früher

wurden solche Institutionen ja eher an den Rand der Städte gedrängt. Und ich glaube,

das hilft, um Hemmungen abzubauen und dort dann Hilfe zu suchen. Klingt sehr interessant. Dazu

spät, dass ich ja mehr. Jetzt rede ich aber erstmal mit meinen beiden Gästen hier im Studio.

Ja, bei mir sitzen Dorothe Arnold Krüger, Historikerin, evangelische Theologin und Expertin für

ethische Fragen am Lebensende. Und Matthias Bormuth, Humanmediziner, Philosoph und Experte

für ethische Fragen rund um die Psychiatrie. Herzlich willkommen. Vielen Dank für die Einladung.

Ja, Suizid, ich habe es gesagt, ist ein sensibles Thema, je nach persönlichen Bezug. Welche

Nähe haben Sie denn persönlich zu diesem Thema, wenn ich fragen darf? Frau Arnold Krüger.

Als Theologin und als Pfarrerin kommt man mit diesem Thema in verschiedener Weise in Kontakt. Einmal

auf der theoretischen Ebene, man setzt sich damit auseinander natürlich auch im Rahmen des

Studiums und in den Fragen, die sich da rund um das Thema Suizid auch stellen. Dann aber auch in

der Praxis. Als Pfarrerin ist mir das in verschiedenen Kontexten begegnet, das Thema,

einmal formuliert auch als Sterbewünsche in verschiedenen Gesprächen. Aber ich war mit dem

Thema Suizid auch konfrontiert, dann ganz akut in Situationen, wenn ich dazu gerufen wurde,

nachdem sich Menschen suizidiert hatten, in die Situation hinein oder dann auch in Rahmen von

Bestattungen. Um mit den Hinterbliebenen, mit den Angehörigen dann zu sprechen und sich um die

zu sorgen. Genau, um diese Situation auch aufzufangen, um die Menschen in dieser Situation auch zu

begleiten. Ja, über diese ganz wichtige Perspektive der Angehörigen, dahinterblieben werden wir

ja gegen Ende der Sendung noch sprechen. Wie ist das bei Ihnen, Herr Baumert? Ich habe

anfangs als Arzt sozusagen Suizide mitbekommen in der Klinik als junge Assistent. Ältere

Kollegen haben es dann sozusagen verantworten. In der Klinik? In der Klinik. Ich war eben Psychiatrieassistent

in Frankfurt und in Jena eine Zeit und habe das mitbekommen und war jetzt nicht in der letzten

Verantwortung, aber doch eben auch Gespräche geführt und dann war das Thema erst einmal weg,

sozusagen. Ich habe es gesehen Mitte Ende 20 und habe dann eigentlich über die Literatur. Ich

habe viel gelesen, Ingoburg Bachmann, Uwe Jonsson, Jean-Marie und habe diese Autoren nicht

gelesen, weil sie suizidale Tendenzen hatten, sondern weil sie hervorragende Literaten sind. Und

für mich war das spannend, dass diese Leute, die an alle mehr oder minder Suizidale geendet sind in

ihrer Literatur, die Motive, ihre Motive zu leben so plastisch dargestellt haben, dass für mich

wichtig wurde. Das sind Leute, die zerstören sich am Ende selbst, aber sie haben Motivlagen, die

ungeheuer nachdenklich stimmen und die für uns wahrzunehmen, zumal sie gut dargestellt sind in

der Literatur. Können Sie ein Beispiel nennen? Ja, Uwe Jonsson zum Beispiel, der sich zur Tode

dringt nach einer tiefen Lebenskrise. Seine Frau hat ihm verraten, seines Erachtens, er schreibt

die Skizze eines Verunglückten, er hat jahrelang einen Schreibblock, er sitzt alleine, er schreibt,

er trinkt jeden Abend, er stirbt mit 49 Jahren und eigentlich an diesem Vertrauensverlust,

an diesem Verlust einer gemeinsamen Welt, die er mit seiner Frau hatte. Er war Hochphilosophisch,

einen Freund von Hannah Arendt in New York und man spürte, er ist ein Mann, der fanatisch ist,

ein Ur-Protestant, der genau schreibt und an diesem Verrat sozusagen scheitert. Ideale hatte,

die nicht eingelöst werden und keinen Weg sozusagen verzeihen zu suchen, Kontakt zu ihm fast

zehn Jahre noch zusammen. Also auch eine innere Vereinsamung, so, das ist auch ein wichtiges Motiv.

Ganz entscheidend, Verzweiflung auf einem sehr hohen Niveau. Ich meine, Suizid ist immer noch ein

tabuisiertes Thema, man spricht zu selten darüber, es ist schwierig darüber zu sprechen, auch

Schwächen zuzugeben, im beruflichen Umfeld und so weiter, aber es ist ein großes, ein wichtiges

Thema. Also Zahlen der Weltgesundheitsorganisation zeigen, dass weltweit mehr Menschen sterben

an Suizid als an Gewalt oder an Krieg, das ist sehr eindrücklich. Und das Tabu hat, glaube ich,

auch einen sehr tiefen Grund in uns. Also viele haben, glaube ich, dieses Grundgefühl, dass das

falsch ist, dass das nicht vorkommen sollte, dass sich jemand das Leben nimmt. Der Philosoph

Karl Jaspers sprach sogar von einem existenziellen Schaudern, das uns packt, wenn wir davon

mitbekommen, dass sich jemand das Leben genommen hat. Was steckt hinter diesem Gefühl oder

woher kommt dieses Gefühl? Schaudern hat sicherlich auch damit zu tun, dass Menschen, wenn sie sich

suizidieren, eine Grenze überschreiten, die Menschen normalerweise eher zurückschrecken lässt,

nämlich die Grenze ihres eigenen Lebens. Und diese Grenze überschreiten Menschen,

die sich suizidieren, aktiv. Und das ist schon ein Gefühl, das, glaube ich, sehr gut beschrieben

ist mit dem existenziellen Schaudern. Und gleichzeitig, wenn ich noch einmal aus der

Perspektive der Angehörigen auf eine Suizid schaue, dann ist natürlich damit eine sehr

plötzliche und sehr große Fremderfahrung verbunden. Denn die Person, die sich suizidiert hat,

ist für die Angehörigen, zumindest in dem Akt des Suizids und sicherlich auch in dem

Prozess, der dazu geführt hat, meistens völlig fremd. Ist das große Warum? Genau. Die Frage,

das Rätsel, dass man das sich dann auch stellt. Warum hat die das getan? Ich würde auch sagen,

bei Jaspers ist ja so, das Schaudern ist das eines, erschrecken darüber, aber zum anderen auch die

Möglichkeit der Vereinzelung als Positivum. Das heißt, Jaspers ist jemanden, der durchaus sieht,

da ist ein Mensch, der etwas wagt, der tatsächlich ernst macht mit seinem Leben, der vereinzelt ist.

Und das ist faszinierend zum einen, so viele Menschen in der Masse leben und sozusagen nichts

für sich entwickeln. Und dann in dieser Entscheidung zum einen faszinierend für sich stehen und ein

erschrecken über diese Einsamkeit, weil, und das ist dann Jaspers zentrale Aussage,

weil keine Kommunikation mehr ist. Das heißt, es gibt Menschen, die in eine Lage kommen,

in der sie sich als Einzelne ganz genau spüren, ihre Lage sehen, aber es gibt niemanden mehr,

der sie erreicht. Und das glaube ich ist das Fatale, dass es eben keine große Heroik der Freiheit ist,

sondern oftmals eine tiefe Vereinzelung in Einsamkeit, die kein Weg mehr sieht und kennt,

mit anderen ins Gespräch zu kommen, erreicht zu werden, manchmal aus guten Gründen,

manchmal aus historisch zweifelhaften Gründen, aber in jedem Fall der Dialog ist etwas,

was Jaspers dann ins Zentrum stellt. Ich meine, Sie haben uns gesagt,

als Pfarrerin haben Sie diese Gespräche geführt mit Menschen, die zu Suizidar sind oder mit

dem Gedanken spielen, wagen, sich das Leben zu nehmen, zweifeln. Wie macht man solche Gespräche?

Wie schwierig sind solche Gespräche? Man macht sie erst mal, indem man den Menschen zuhört,

indem man erst mal in die Kommunikation hineingeht, auch in die Beziehung zu den Menschen. Und erst

mal natürlich hinterfragt, warum ist die Situation so, wie sie ist? Was sind die Faktoren? Was führt

zu diesem Wunsch? Ist ja erst mal oft so, dass der Wunsch formuliert wird, zu sterben? Oder das

Gefühl, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr. Und da die Kommunikation zu halten ist, meines

Erachtens, der erste Schritt, diese Beziehungsebene zu halten. Und dann auch natürlich immer wieder

das Kommunikationsangebot zu machen, damit eben diese Einsamkeit und diese Nichtkommunikation gar

nicht erst entsteht. Ich meine, Sie schulen ja auch Pflegepersonal. Sie sind theologische

Beraterin am Zentrum für Gesundheitsethik in Hannover und schulen da Mitarbeiterinnen

von Pflegeheimen, auch im Umgang mit einem würdigen Sterben, auch palliativ Sterbeprozesse. Diese

Beziehung, was würden Sie sagen, was macht das aus oder wie stellt man die her? Man stellt Sie

erst mal her tatsächlich durch Kommunikation. Und Kommunikation kann ja einerseits verbal laufen

und andererseits, wenn Menschen nicht mehr in der Lage sind, verbal zu kommunizieren durch

Haptik, also auch durch Berührungen und schlichtweg auch durch Anwesenheit. Das Menschen in Phasen,

in denen sie möglicherweise eben nicht mehr verbal kommunizieren, auch vielleicht gar nicht

mehr reagieren, trotzdem das Gefühl haben, ich bin hier nicht alleine und ich habe sozusagen

ein Resonanzraum mit dem, was ich äußern möchte. Herr Bommuth, Sie haben Medizin studiert, haben

es gesagt, haben als Psychiatrische Assistenzarzt gearbeitet und seit 2012 sind Sie Professor für

vergleichende Ideengeschichte in Oldenburg. Sie haben ein dickes, umfangreiches, schönes Buch

geschrieben. Ambivalenz der Freiheit heißt das. Kurz gefragt, worin besteht denn diese

Ambivalenz der Freiheit, aus Ihrer Sicht? Also frei ist ein großes Wort und die Aufklärung hat

das wunderbar auch irgendwie in dieses Bewusstsein gerückt und es ist herrlich, frei sein zu können

und Freiheit zu wollen. Kant hat die Mündigkeit klar beschrieben, aber mir ist Aufgabe in der

Beschäftigung in Menschen, die so zidal sind, dass bei allen, die wirklich ernsthaft dran sind,

immer auch eine Ambivalenz zu spüren ist, ein Schaudern, das zurückschrecken, weil natürlich

auch Bindungen zu anderen Menschen bestehen, weil man selber das Leben auch liebt, weil die

zidale Lage eine Notlage ist. Das heißt, oftmals die Idee... Würden Sie sagen immer? Also ich würde

sagen, es ist eine Notlage, die verschiedene Lösungen sucht, aber ist ja nichts, was man sich

wünscht. Es ist doch nicht so, dass man sagt, es ist wunderbar, dass das geht, sondern es ist eine

Notlage und sie kann als Notlage ein Moment der Freiheit bedeuten, die Würde zu bewahren,

einer terminalen Krankheit etwas entgegenzusetzen, das Leben noch kontrollieren zu können,

sind alles nachvorziehbare Motive, aber immer in der Not. Und das, glaube ich, wird manchmal nicht

gesehen, wo die Freiheit so betont wird. Ich meine, es gibt ja dieses wunderbare Buch,

Göttes Wärter, für Wolfgang Herndorf, der vor zehn Jahren Suizid begangen hat nach einer schweren

Krankheit, war das ein wichtiges Buch. Und wenn man das genau liest in Herndorf, hat es genau gelesen,

sieht man, dass Götte sich eigentlich von der Heroik der Freiheit im Liebeschmerz abgrenzt und

deutlich macht, dass Wärter in der zweiten Hälfte des Buches eigentlich sich hineinbegibt in diese

Liebestramatik, seine Arbeit hinter sich lässt, das heißt normale Stützen des Lebens. Und Herndorf,

dieser Schriftsteller, sucht die Struktur und merkt, wie sie ihn ganz, ganz lange stabil hält. Das

heißt, es ist wirklich Freiheit, die auch gestalten zu können. Und wenn Mensch die Chance hat,

einen Struktur im Leben zu haben, muss er nicht aus dem Leben gehen, bei Herndorf am Ende dann

durchaus, als der Tumor so schwer es er nicht mehr kontrolliert arbeiten kann, dann die

Erschreibte auch von Tagebogen, Protokoll und genau sehr eindrücklich. Kaum ein besseres Buch als

Arbeit und Struktur, weil er in der lakonischen Saloppensprache zum einen seinen Zustand beschreibt,

die hohe Sensibilität über die Literatur nachdenkt als ein Kommunikationsraum und dann doch Schritt

für Schritt aufzugeht, aber nicht depressiv ist, bis zum Ende arbeitet. Ich meine, das ist

glaube ich der entscheidende Punkt, wenn wir von Freiheit reden, ist das nie klar, ist das wirklich

ein freier Akt oder ist es irgendwie aus einer Notsituation, ist es aus einem inneren Zwang,

ist es aus einem äußeren Zwang, ist es aus einer Krankheit, ist es Symptom der Krankheit, der Suizid,

Wunsch, einer psychischen Störung und so weiter. Und man sieht bei vielen Suizidversuchen, die nicht

geklappt haben, dass die Menschen später sehr froh sind, darum, dass das nicht geklappt hat. Und

ein solches Beispiel haben wir mitgebracht, Daniel Göring, der im Rahmen der Kampagne Redenkantretten

seine Geschichte erzählt hat, wir hören ihn mal kurz zu.

Ich bin am einen oben bei mir zu Hause mit der Kochen gestanden und habe im Sog von einer

Depression nicht mehr gewusst, wie es so weitergeht. Und der Emzigweg, wo ich gesehen habe

von mir, war, dass ich meinem Leben selber die Sende bereiten würde. Ich habe dann versucht,

den Plan in die Tat umzusetzen. Das ist mein Lungen. Und ich musste einen längeren, schweren Weg

in die Katastrophe gehen, um wieder Anschluss an die Gesellschaft zu finden.

Der Ursprung dieser ganzen Situation ist hier drin gelegen, dass ich über Jahre hinaus

schwere Belastungen, schwierige Umstände im Job hatte. Als Mediebeauftreiter des Bundesamt für

die Zivil-Luftfahrt habe ich sämtliche Katastrophen, die die Luftfahrt miterlebt,

angefangen bei den Anschlägen vom 11. September in den USA, über ein Kollaps der Swissair,

bis zu weiteren Umfällen, die die Branche durchgeschüttelt haben.

Ich habe dann den Stöl gewechselt und musste feststellen, dass der Druck nicht kleiner,

sondern noch grösser wurde, insbesondere weil es wirtschaftlichen Umfeld sehr anspruchsvoll

und schwierig war.

Im Nachhinein betrachtet wäre es nicht ein Zeichen von Schwächung, wenn es mir gelungen wäre,

mir jemandem anzutrauen, zu sagen, dass es mir schlecht geht, dass ich keine Kraft mehr habe,

keine Energie mehr und nicht mehr weiss, wie es weitergeht, sondern es wäre ein Starfszeichen

gerade auch, wenn man das im Umfeld vom Job der Wirtschaft, wenn man es so nehmen kann,

bringen und nicht nur im privaten Rahmen.

Ja, sehr berührend. Ich darf sagen, dass es Daniel Göring heute wieder gut geht.

Aber es zeigt, glaube ich, etwas über das wir schon gesprochen haben, nämlich die Kommunikation

und auch diese Stärke, Schwäche zu zeigen, könnte man paradoxerweise sagen.

Ja, und es zeigt vor allem auch, dass es den Suizid an sich gar nicht gibt,

sondern es gibt so viele Suizide- oder Suizid-Versuche, wie es Menschen gibt,

die sich mit dem Gedanken tragen oder eben auch Suizid begehen oder versuchen, Suizid zu begehen.

Und gleichzeitig zeigt es auch, oder wie vielschichtig das angehen und der Gedanke vor einem Suizid sein kann,

aus welch unterschiedlichen Quellen sich dieser Prozess auch speisen kann.

Und gleichzeitig zeigt es natürlich auch die Wichtigkeit von Kriseninterventionsmöglichkeiten,

von Begleitangeboten und auch von Möglichkeiten niedrigschwellig zu kommunizieren.

Genau, und diese Angebote haben wir ja sehr zugenommen.

Und das ist wahrscheinlich auch gut, um diese Hürde abzubauen, darüber zu reden.

Wir haben eine Grafik vorbereitet, die zeigt, dass die Suizide in den letzten Jahren

gesunken sind, ein Jahrzehnten, wir sehen das hier, von 1990 bis 21, grün die Männer,

violett die Frauen pro 100.000 Personen, blau in der Mitte ist der Durchschnitt.

Was auffällt, Frau Arnold Krüger, ist, dass es viel mehr Männer sind.

Warum ist das eigentlich so?

Es sind viel mehr Männer in den Statistiken, und wenn man die Statistiken betrachtet,

ist es so, dass der Anteil der Männer steigt, je älter die Menschen werden.

Das heißt, man kann also pauschal sagen, in den älteren Alterskohorten

oder hochaltrigen Alterskohorten sind deutlich mehr Männer zu finden,

die sich suizidieren als Frauen.

Das könnte natürlich zum einen zu tun haben mit dem Umgang mit Fragilität,

mit Vulnerabilität, also auch mit Gebrechlichkeit, die sich ja einstellt im höheren Alter.

Und der Frage, wie Männer Unterstützungs- und Begleitangebote wahrnehmen.

Gleichzeitig dann auch die Frage, wie sind Männer so zahl...

Das sind weniger aus Frauen?

Möglicherweise weniger, offenbar weniger.

Die Frage ist auch, wie geht das mit dem Selbstbild der Männer einher?

Wir hatten es eben in dem Einspieler, das er gesagt hat,

das hat meinem Selbstbild gar nicht entsprochen,

überhaupt Hilfe in Anspruch zu nehmen oder auf den Gedanken zu kommen,

dass sich in einer Situation sein könnte, in der ich Unterstützung brauche.

Und gleichzeitig ist natürlich auch die Frage,

wie sind Männer in diesen Altersphasen sozial verordert?

Welche sozialen Netze haben sie, in denen sie diese Gedanken

oder dieses Gefühl von Einsamkeit überhaupt formulieren können?

Ich meine, diese Zahlen, die sinkende Kurve ist auch ein bisschen trügerisch,

muss man sagen in der Schweiz, weil die Anzahl der assistierten Suizide,

also Beihilfe zu dem Sie, die haben, die haben zugenommen.

Liebe, das werden wir auch noch sprechen in dieser Sendung.

Jetzt beiden, ja.

Ich habe einen Eindruck, das war in dem Clip auch gekommen, das Wort Anvertrauen.

Ich glaube, das Wort Vertrauen ist was Ungemeines.

Es ist ja was, da ist ein Mensch, dem geht es schlecht.

Und ihm war ja auch eine Mischung zwischen, klar,

sagt, das Außen irgendwas streckt mich an.

Es war aber auch eine Depression.

Also man sucht der Gründe und ein anderer hätte das alles ganz gut genommen.

Es ist deutlich, da ist eine depressive Sache, die ja gar nicht richtig versteht.

Aber dann ist es jemanden, anvertrauen zu können, vertrauen.

Und das, glaube ich, ist ja für alle gesunde Menschen, für jeden Menschen,

ungeheuer wichtig, bestimmte Menschen zu haben, denen man sich anvertrauen kann,

ohne dass es respektlos ist.

Also das, glaube ich, wird ja oft gesagt, ja, kommen Sie,

und wir haben Angebote und Kriseninterventionen und psychologische Beratung.

Aber ich glaube, es gibt eine natürliche Scham des Menschen.

Und ich glaube, die Kunst, Vertrauen zu wecken, ohne zu nah zurück.

Das, glaube ich, ist das enorm Wichtige, was wir benötigen.

Dass Leute wissen, sie können etwas sagen, auch verhüllt vielleicht sagen,

ohne sich nacktmachen zu müssen, um überhaupt ein Fuß in die Tür zu kriegen.

Genau.

Um was sagen zu können.

Weil jeder hat doch eine Scham, so wie man sich anzieht

und nicht nackt durch die Landschaft läuft,

möchte man sich auch nicht psychisch ausziehen,

müssen sie seelisch nacktmachen, müssen bloß machen,

müssen, weil man weiß, viele Menschen gehen damit schlecht um.

Genau, das war, glaube ich, auch das Motiv in Winterthur,

dieses Kriseninterventionszentrum, das meine Kollegin Olivia Röllin

im Vorfeld besucht hat.

Sie ist da hingegangen und hat mit dem leitenden Arzt gesprochen

und mit einer Klientin.

Und wir hören mal da kurz rein.

Herr Eckert, Sie sind der leitende Arzt hier im Kriseninterventionszentrum

Kurzkitz in Winterthur, wo Menschen ohne Voranmeldung

hinkommen können in schwierigen Lebenssituationen.

Warum ist dieses Angebot hier so wichtig?

Das Angebot ist aus unserer Sicht wichtig,

weil Leute niederschfällig zu uns kommen können.

Wir haben unter anderem das Angebot des Walk-ins,

das heißt, Leute können direkt bis an die Türschwelle kommen,

in eine Krise anklopfen, bekommen Hilfe.

Aber auch der klassische Modus unseres Kriseninterventionszentrum,

dass man sich meist vorab telefonisch meldet, kurz mit einem Gespräch.

Vielleicht gibt es auch ein Vorgespräch, wo evaluiert wird,

ob dann eine Aufnahme stattfindet.

Das sind, denke ich, wichtige Bausteine

in der Gesundheitsversorgung für die Leute.

Und es ist ja in einem Wohnquartier situiert.

Ich bin zuvor auch im Haus rumgelaufen, es wird nicht wie eine Klinik.

Das ist bewusst so gemacht.

Das ist bewusst so gemacht.

Die ursprünglichen Konzepte sind natürlich so gewesen,

dass man die psychiatrischen Interventionen auch häufiger

Gemeindeferner gelagert hat.

Das ist noch aus den Mitteln des letzten Jahrhunderts wahrscheinlich kommen,

vielleicht sogar noch älter.

Und im Grunde mit den Jahrzehnten sind sozusagen die betroffenen Menschen

auch immer weiter dahin gerückt, wo sie eigentlich herkommen,

aus dem Kern der Gesellschaft.

Und das ist so was hier letztendlich.

Wir sind mitten im Wohngebiet da, wo die Menschen, die betroffen sind,

eben halt auch sonst eigentlich leben würden.

Wer sind denn die Menschen, die hierherkommen?

Was sind ihre Anliegen und kommen die jeweils alleine?

Die kommen vielleicht jetzt.

Zwei Drittel der Leute kommen alleine.

Ein Drittel kommt in Begleitung von Freunden, Partnern, Familie.

Und das ist eine extrem heterogene Gruppe.

Es sind Leute, die jetzt wirklich akute Krisen haben.

Wegen Problemen an der Arbeitsstelle, in Partnerschaften.

Manche bringen schon eine Geschichte mit psychiatrischen Erkrankungen mit.

Also das Bild ist recht bunt.

Also in dem Fall nicht die schweren psychischen Erkrankungen?

Ja, also die Leute, die hierherkommen,

Kriseninterventionszentrum haben durchaus,

der Name sagt es Krisen.

Und ich würde vom Schwere grad wahrscheinlich schon sagen,

dass die zwischen 40, 50 bis 70 Prozent

von einer Maximalbelastung vielleicht sogar diese Vertragen können,

durchaus mit hierherbringen.

Und wir würden versuchen, das hier aufzufangen.

Es gibt dann erst Gespräch.

Die Leute können hier bei uns sein.

Das ist ein ganz wichtiges Element.

Die können sich frei bewegen.

Das heißt, die Tür vorne ist offen.

Die Leute können hier gehen, sich abmelden, wieder zurückkommen.

Genau das bedeutet auch, dass wir Leute mit einer schweren Suizidalität

hier eben nicht versorgen können,

weil das auf Absprache funktionieren muss.

Das Haus ist einfach zu groß.

Das Angebot ist zu niederschwellig.

Das müsste man dann stationieren.

Und wenn jemand jetzt hier aufgenommen wird,

was sind die nächsten Schritte?

Wenn jemand hier aufgenommen wird, wird es ein Vorgespräch geben.

Wir werden uns die Medikation des Patienten anschauen,

hat eine bestehende, muss angepasst werden.

Gibt es die Möglichkeit,

dass wir unterstützend Medikamentöse eingreifen können?

Wir haben aber auch Gruppenangebote, Gruppentherapien,

die hier stattfinden.

Wir haben den Zugang zu einem Sozialdienst,

der durch die Klinik gestellt wird.

Und das ist aus meiner Erfahrung heraus ein sehr wichtiges Element,

weil die Leute natürlich häufig auch in diesen Krisen

mit unter existenzielle Probleme mit sich bringen.

Und dann ist die Hilfestellung von einem Sozialarbeiter sehr wichtig.

Im Vorfeld meines Besuchs hatten wir angefragt,

ob wir mit einem Patienten oder einer Patientin sprechen können.

Eine junge Frau hat sich dazu bereit erklärt

und warum ihrer Anonymität natürlich.

Sie sind hier vorgestern im Kreisinterventionszentrum.

Was für eine Situation sind Sie hierhergekommen?

Ich bin hier aus einer beruflichen Notlage angekommen,

weil wir gekündigt wurden.

Wir haben den Boden unter den Füßen gezogen.

Welches Angebot hilft Ihnen hier am meisten?

Was mir am meisten hilft,

dass ich Zeit habe für mich,

um auch gewisse administrativen Sachen zu erledigen

und überhaupt zu schauen, wie es weitergeht mit mir.

Wie haben Sie denn von diesem Angebot erfahren?

Ich habe das Angebot schon gekannt von früher.

Ich war als Jugendlicher schon einmal da.

Darum habe ich gewusst, dass ich mich hier melde.

Welche Erfahrungen haben Sie in diesen drei Tagen gemacht?

Ich bin sehr positiv.

Ich bin sehr gut aufgenommen worden.

Auch von den anderen Patienten, auch von den Pfleger.

Es ist immer rund um die Uhr, wenn jemand hier ist.

Was gibt denn Menschen in solchen Situationen

insgesamt Halt und Hoffnung?

Gibt es da auch so etwas wie Ressourcen,

die Religion oder den Glauben betreffen?

Religion und Glaube ist sicher für manche Leute eine Ressource.

Ich habe das auch in den Jahren als Psychiater erlebt,

dass es durchaus auch eine Bürde sein kann für Leute.

Es gibt wie beides.

Das ist sehr situativ unterschiedlich.

Man wird es wahrscheinlich nicht so über einen Kamm scheren können.

Es ist ein ambivalentes Bild

und man muss es sich sehr individuell anschauen.

Die Statistik ist, dass die Suizidzahlen

in der Schweiz rückläufig sind.

Außer bei einer Gruppe, nämlich den jungen Frauen unter 20.

Warum ist das so?

Das ist tatsächlich so.

Wir sehen seit Jahren eigentlich,

dass die vollzogenen Suizide 2-3-fach höher sind

bei den Männern als bei den Frauen.

Auch hier im Kitz?

Gesamthaft in der Psychiaterie.

Meine Eindruck ist, dass seit der Corona-Krise

die psychische Gesundheit ein relevantes Thema geworden ist,

gesellschaftlich.

Ist das auch Ihr Eindruck?

Man hat den Eindruck im Nachlauf,

in den Monaten, jetzt vielleicht sogar auch in den Jahren,

nach der Pandemie,

dass die Menschen schneller, belasteter, erschöpfter sind.

Das würde ich definitiv so sagen.

Vielen Dank.

Ja, hohe Belastung, Erschöpfung.

Das ist auch ein Thema für die Jugendlichen.

Wir haben gesehen, die junge Frau.

Es gibt Zahlen von Projuventute,

aber auch von Kindern, Jugendpsychiatrien,

die sagen, jede elfte Jugendliche Person

hat schon versucht, sich das Leben zu nehmen.

Das ist unglaublich hohe Zahl.

Wie können wir mit Hilfe von Präventionsmaßnahmen

ganz unterschiedlicher Art das verhindern?

Diese Gruppe der Jugendlichen

oder der 15 bis 25-Jährigen

ist ja eine Gruppe,

die in den letzten Jahren so meine Beobachtung

doch noch mal sehr in den Fokus

der Suizidprävention gerückt ist.

Man hatte den Fokus immer schon,

aufgrund der Statistiken,

auf der Gruppe der älteren Menschen,

einfach weil die Zahlen vorlagen,

aber das Gefährdungspotenzial

auch in dieser Altersgruppe der Jüngeren

ist, glaube ich, zu Recht noch mal in den Fokus gerückt worden.

Es gibt dafür unterschiedliche Präventionsangebote,

unterschiedliche Begleitangebote auch.

Das heißt, einmal zielgruppenorientiert,

aber eben auch in verschiedener medialer Form.

Das heißt, man hat auch festgestellt,

dass Suizidprävention für Jugendliche,

für junge Erwachsene in digitaler Form

deutlich besser funktioniert.

In sozialen Medien.

Das heißt also auch auf bestimmten Plattformen

erst mal übers Internet generell,

auch da Beratungsangebote zu annonzieren,

ist deutlich wichtiger,

als es zum Beispiel über Papier oder über Flyer

oder sonst wie zu verbreiten.

Es gibt da auch die Möglichkeit

einer sogenannten Peer-to-peer-Beratung,

sodass Gleichaltrige qualifiziert werden

zu so einer Begleitung natürlich immer unter Supervision,

um auch Ansprechpersonen zu sein.

Stichwort Vertrauen.

Vertrauen genau.

Und Stichwort die gleiche Sprache sprechen,

die gleichen Erfahrungshorizonte haben.

Und das scheint ein Punkt zu sein,

der sehr wichtig ist.

Und wenn man den Studien,

oder wenn man auf die Studien schaut,

dann sieht man auch, es ist sehr effektiv.

Ich meine, das ist das eine Gesprächsangebote,

zu den Leuten hingehen, da wo sie sind.

Also das andere ist auch handfeste Massnahmen

oder Zäune zu bauen, zum Beispiel bei Bahngleisen

oder bei Brücken und so weiter.

Damit nicht aus dem Effekt irgendetwas passiert.

Ja, und ich finde auch sozusagen bildlich gesprochen,

es gibt ja Strukturen im Leben, die man auch schaffen kann.

Wie man sich bewegt, was man macht, wie der Tag geordnet ist.

Dass man etwas tut.

Das heißt, es sind die Zäune, die äußeren Sachen,

die eigentlich etwas zu tun haben.

Aber ich glaube, in der Prävention ist ganz entscheidend,

dass junge Leute auch eine Tagestruktur haben,

dass sie andere zu bestimmten Zeiten sehen.

Gerade in dieser Vereinsamung.

Und ich glaube, dass es ungeheuer wichtig ist,

wie ich nicht Lebensdisziplinen sagen,

aber doch eine Struktur finden,

bezogen halt zu anderen,

die mir gar nicht so nahe gehen muss.

Aber ich weiß, ich bin da, ich sehe Leute zu bestimmten Zeiten.

Ich gehe im Sportverein, ich laufe täglich.

Aber das war bei Corona natürlich nicht der Fall.

So, das meine ich.

Und das Interessante ist, dass Strukturen ungeheuer helfen im Leben.

Das ist ein wichtiger Punkt, den man nicht unterschätzen kann,

dass soziale Strukturen, die ich eingebunden bin.

Und Emil Durkheim hat das,

ein Buch über den Selbstmarschrieb um 1900, so scharf.

Der französische Soziologe.

Ganz scharf gesehen, die Leute ziehen vom Dorf in die Stadt.

Es gibt ein unglaublich tolles Angebot, sie haben neue Berufe.

Sie sind isoliert, sie haben mehr Bewegungsfreiheit.

Aber sie haben noch keine Strukturen,

mit der größeren Freiheit umzugehen.

Das heißt, ganz pragmatisch

ist das Wunderbare der Moderne,

der Erweiterung unserer Möglichkeiten,

eine Herausforderung,

die Strukturierungen nötig machten.

Auch die gesamte neue Internetwelt

ist ja eine, wo ich unglaublich viel kann.

Aber welche Struktur schaffe ich mir, in der ich sicher bin?

Das heißt, die Vielzahl von den Dingen

schafft ja auch eine Überforderungssituation.

Und das, glaube ich, ist etwas, was man einholen muss.

Und wo man auch lernen muss, sich zu beschränken.

Und wer will das?

Beschränkungen klingt immer negativ.

Aber wenn wir uns nicht konzentrieren, beschränken,

dann zerläuft ein Leben.

Interessant.

Ich möchte mit Ihnen gleich noch über die Philosophie,

die Suizid oder hinter dem Suizidalen denken

und über die Theologie sprechen.

Sie haben den Werter angesprochen.

Die Leiden des jungen Werters gibt ja auch diesen

Nachahmungseffekt, den sogenannten Werter-Effekt.

Dass die Suizide anschließend dann

Ende des 18. Jahrhunderts zugenommen haben,

nach Götis Roman.

Und gleichzeitig gibt es aber auch diesen Papagenoeffekt,

habe ich gelernt.

Das heißt, mit anderen Reden hilft eben,

gerade zu verhindern, dass Leute sich das Leben nehmen.

Wie soll man sensibilisieren, indem man das Thema anspricht?

Da bewegen wir uns natürlich in einem Spannungsfeld.

Auf der einen Seite ist es ungemein wichtig,

das Thema zu entstigmatisieren und zu enttabuisieren,

um es überhaupt in den Dialog zu bringen,

um es überhaupt in den Diskurs zu bringen.

Und auf der anderen Seite ist es natürlich auch wichtig,

wie man darüber spricht, um eben diese Aufschaukelungseffekte,

um die Werter-Effekte auch zu verhindern.

Ich glaube, Jaspers hat das eigentlich ganz gut auch erzählt,

dass es wichtig ist,

auch im therapeutischen Kontakt den Leuten auf,

wenn sie suizidar sind, das Gefühl zu geben,

das ist eine mögliche Entscheidung.

Also den Respekt vor dem, der im Gedanken ist.

Und das, glaube ich, ist dann diese Spannung,

dass man zum einen Respekt hat.

Da ist jemand, der ist auf einem Weg und auch zuhört

und trotzdem zugleich auf der Seite des Lebens selber steht.

Das ist wie eine therapeutische Spaltung, die man hinbekommen muss,

zu zeigen, man respektiert den anderen,

aber man möchte ihm wie einem guten Dialog woanders hin,

aber nicht über den Tisch ziehen, sondern wirklich überzeugen.

Und das Gespräch selber ist ein erster Ansatz,

dass das Gespräch lohnen kann.

Das heißt, wenn ich Vertrauen mit jemandem entwickle,

Vertrauensbasis habe, dann kann ich ihn respektieren,

aber ich bin Schritt für Schritt auf dem Weg,

ihn eventuell auf die andere Seite zu bekommen.

Dass es kein Tabu mehr ist, sondern eine Möglichkeit,

für die man aber Gründe geben muss,

mit der man sich intensiv auseinandersetzen muss.

Ja, und dass es eine Arbeit ist zusammen,

dass ich einen anderen abhole bei dem, was er selber meint,

dass ich seinen Motiv verstehe und nicht so billig,

ich verstehe hin und her, sondern wirklich genau sein

und dann trotzdem sagen, ich kann das nachvollziehen,

aber ich meine, das Leben hat gute Gründe, weiter gelebt zu werden.

Und die aber auch im Gespräch, nicht einfach sagen,

sondern auch im Gespräch entwickeln zusammen.

Und es ist eine sehr feine Balance zwischen Nähe und Distanz

in solchen Gesprächen.

Also ganz wichtig auch zu vermitteln, ich bin offen

und ich höre das auch, was du mir sagst,

ich höre auch den Wunsch, ich höre die Not

und gleichzeitig diese Distanz auch zu wahren

im Sinne dessen, was einem gesagt wird

und was einem auch anvertraut wird.

Denn es ist etwas Höchstpersönliches,

das eben aus guten Gründen oft nicht in den Familien besprochen wird,

nicht kommuniziert wird.

Oftmals ist es in der Betreuung von Menschen,

die Angehörige durch Suizid verloren haben, so dass einem gesagt wird,

er oder sie hat vorher nie darüber gesprochen.

Hat sich aber natürlich mit dem Wunsch auseinandergesetzt

und in vielen Fällen den Suizid dann auch vollzogen.

Das heißt, es ist ungemein wichtig, diese, ich will es mal sagen,

neutralen Anlaufstellen wie Kriseninterventionszentren,

wie Telefonseesorge, wie digitale Angebote zu haben,

an die sich Menschen schnell und unkompliziert wenden können

und in denen sie erst einmal auch gehört werden,

eben in diesem sehr gut austarierten Verhältnis von Nähe und Distanz.

Lassen Sie uns jetzt ein bisschen über die Geistersgeschichte sprechen.

Wie wir über den Suizid heute nachdenken,

hat ja viel zu tun mit der Vergangenheit,

während es geprägt hat.

Auch die Religion natürlich,

auch philosophische Ideen von Platon bis heute.

Jetzt schreibt der Philosoph Walter Benjamin am Anfang des 20. Jahrhunderts,

dass der Suizid die Quintessenz der Moderne sei.

Herr Bormuth, das ist ein starker Satz.

Wie muss ich das vorstellen?

Benjamin ist ein origineller Kopf, der gerne gute Sätze macht.

Und sicherlich steckt da viel drinnen, aber auch viel Übertreibung.

Ich glaube nicht, dass der Suizid die Quintessenz der Moderne ist,

sondern Benjamin ist ein Apokalyptiker, ein Essatologe,

der die letzte Dinge bedenken will,

der immer einen guten Sinne darauf ausgibt,

was eigentlich den Sinn des Lebens macht.

Auf seine geschichtsphilosophischen Thesen, kurz was am eigenen Suizid 1941,

ist der Ausdruck von Verzweiflung.

Ein Mann, der tief sieht, der enttäuscht ist,

der eine politische Hoffnung hatte auf Moskau, die enttäuscht ist,

der sieht, was in Deutschland geschah,

der im Exilieb der körperlich entkräftet ist

und da eigentlich merkt, die Welt ist Fortschrittes,

geht sozusagen den Bach runter.

Die Utopien, die politischen bewahrheiten sich nicht,

die Welt bricht zusammen

und er kommt auf das jüdisch-apokalyptische,

das Essatologe, das ist eine Möglichkeit zurück.

Und ich glaube, der Suizid hat so etwas von einer katastrophischen Stimmung.

Und insofern, sie ist bei tiefsinnigen Leuten,

die nicht im Pragmat das Leben sozusagen gut und mittelmäßig leben,

bei solchen eigenwilligen Sensiblen gestalten,

die Seismografik, würde ich sagen, die Wahrnehmung des Suizid

ist als ein extremen Ausschlag unserer Verfasstheit,

das Katastrophische wichtig,

nur man darf sie auch nicht blenden lassen.

Und das Leben hat immer eine Pragmatik.

Aber ich hätte jetzt gesagt, das hat auch etwas mit der Freiheit zu tun

und mit Sekularisierung zu tun.

Nämlich davor war ja die Idee ganz vereinfacht, ganz banal gesagt,

das Leben wurde uns geschenkt, nämlich von Gott.

Und deswegen dürfen wir nicht diejenigen sein, die das Leben wieder nehmen.

Wenn Sie sagen, das ist zu einfach?

Absolut. Das ist ein schöner Satz.

Aber ich glaube, wenn man bei Augustinus genau hinschaut,

dann wird ja immer wieder die böse Kirche, die Dogmatik.

Der Später und die Kirchevater Augustinus, ja?

Der ist ein großer Schüler Platons.

Der sehr genau sieht in der spätrömschen Gesellschaft,

die zusammenfällt, dass eigentlich den Christen wird vorgeworfen,

ihr seid schuld, dass wir hier untergehen.

Und er sagt, nein, wir Christen, wir sind Pragmatiker,

wir bleiben auf dem Posten.

Das heißt, es ist primär nicht ein Dogma der Kirche,

sondern Augustinus ist ganz pragmatisch dabei, den Römern,

die nicht Christen sind, zu sagen, wir als christliche Römer,

wir sind verantwortlich.

Im Untergang des Römschen Reiches

machen wir uns nicht aus dem Staub in die Ewigkeit,

wir bleiben hier.

Und er ist Säcke, und der wird das dogmatisiert.

Das heißt, es ist ein antiques Moment, das Platon genauso hat.

Wir bleiben da, der Mensch ist in der Gesellschaft verantwortlich

und nur eigene Gründe können dieses Wecken

aus der Verantwortung in der Gesellschaft begründen.

Deshalb ist Augustinus kein Zweck Dogmatiker,

sondern Pragmatiker im Sinne Platons, der dann Säcke und der ist dogmatisiert.

Aber diese Idee, der Heiligkeit des Lebens

und der Suizid als Sünde oder als Aufledung gegen Gott,

woher kommt denn die?

Steht das in der Bibel oder ist das später dann zum Dogma geworden?

Wir haben es in der Bibel ja an verschiedenen Stellen

mit dem Thema Suizid zu tun.

Interessanterweise wird der Suizid beschrieben, aber nicht gewertet.

Und zwar in keinen der Teile der Bibel,

also weder im alten Testament noch im neuen Testament,

im ersten und im zweiten Testament,

sondern diese Suizide werden berichtet.

Und dabei wird es dann auch erst mal belassen.

Bei Augustin kann man zum ersten Mal sehen,

auch in Abgrenzung übrigens zu den Märttürer-Tonen,

die ja auch ein Thema der Zeit waren,

die Augustin davorgenommen hat, diese Abgrenzung,

dass der Suizid von ihm oder das Thema Suizid angewendet wird

auf das fünfte Gebot des Dekalogs.

Du sollst nicht töten.

Und dieses Gebot wurde bezogen auf alle Menschen, die gesamte Menschheit

und eben auch auf den Menschen selbst, der damit adressiert ist.

Es war erst mal ein Gebot, das auch im Sinne einer Gesellschaftsordnung gedacht worden war.

Und hier wird es eben sowohl auf den anderen

als auch auf den Menschen selbst bezogen, der angesprochen ist.

Und das ist schon eine Gedankenfigur, die dann sehr prägend wurde.

Das heißt, der Suizid unter diesem Tötungsverbot

erst einmal gefasst wurde.

Überhaupt steht diese Zeit, glaube ich,

wenn man diese Begrifflichkeit sich einmal klarmacht,

im Grunde genommen ein Dreischritt,

den man beobachten kann, Selbstmord, Freitod, Suizid.

Also Selbstmord sehr aufwertend, das Urteil, Freitod,

fast schon glorifizierend für Herrlich und Suizid.

Und Suizid dann neutral.

Und Selbstmord natürlich beschreibend eine Situation beim Suizid immer.

Täterinnen und Opfer sind ein und dieselbe Personen.

Und beim Thema Selbstmord oder beim Begriff Selbstmord

steht natürlich der Täter, die Täterin im Mittelpunkt.

Und das ist eine Perspektive, die lange Zeit sehr prägend war.

Die sehen wir bei Augustin dann eben in dieser Aufnahme des fünften Gebotes

später dann Thomas von Aquin äußert sich auch nochmal zum Thema Suizid.

Damit sind wir dann schon im Hochmittelalter.

Er differenziert es aber nochmal anders aus.

Er sagt also Suizid, er lehnt ihn ab.

Und zwar aus drei Gründen.

Ein individualetischer Grund,

weil sich der Suizid eben gegen das Leben des Einzelnen wendet,

durch den Einzelnen ein sozialetischer Grund,

auf die Gemeinschaftsbezogen.

Der Suizid verstößt im Grunde genommen gegen die Ordnung der Gemeinschaft.

Das ist ein Gedanke, den wir auch bei Aristoteles schon finden.

Da gewendet auf die Polles.

Und dann ...

Ist das ein Stadtstaat, die Gemeinschaft?

Genau, genau.

Und als Drittes dann eben der Verstoß gegen die Schöpfungsordnung,

gegen die Schöpfungsteologie.

Das heißt, auf der dritten Ebene ist dann ganz explizit die Schöpfungsteologie

und Gott mit dem Spiel.

Das wäre dann der Gedanke, den ich vorhin so ein bisschen sehr plakativ zusammengefasst habe.

Wenn wir noch einen weiteren Schritt gehen, wenn wir bei der Theologie sind,

muss man sagen, dass Martin Luther, Reformator, das Ganze in eine Ambivalenz gesetzt hat.

Natürlich kannte er die Tradition zum Thema Suizid.

Er kannte auch und hat das auch formuliert die sogenannte Satanensbesessenheit,

derjenigen, die sich suizidieren.

Aber er hat den Blick auch auf die Not des Menschen gelenkt, der sich suizidiert.

Und hat damit eine Spannung aufgemacht, eine Ambivalenz formuliert,

die zumindest in der evangelischen Perspektive, aber ich würde auch sagen,

in der kirchlichen Perspektive doch auch prägend geworden ist.

Bei Ihnen konkret, wenn Sie mit gläubigen Menschen im Gespräch sind,

die Suizidau sind, die solche Gedanken haben,

denken die an diese theologischen Fragen

oder sind die so in den Tuneln drin, dass das alles überhaupt keine Rolle spielt,

ob das nicht so in das oder nicht?

Das ist natürlich sehr unterschiedlich.

Aber zum Teil kommt schon das Thema Schuld zur Sprache.

Also formuliert mache ich mich schuldig.

Und dann kann man natürlich erst einmal fragen,

wem gegenüber den, schuldig gegenüber den an und zu gehörigen,

schuldig gegenüber mir selbst oder schuldig gegenüber Gott.

Ja, das ist interessant.

Also das zeigt, die Sache ist auch da nicht eindeutig.

Sie ist ambivalent, sie ist kompliziert.

Das gilt auch für die anderen Weltreligionen.

Aber wir haben noch so ein bisschen im Vorfeld versucht,

das auf einen Leitmotiv zu bringen.

Man sieht ja schon, dass eigentlich in vielen Religionen,

denn allermeisten der Suizid eigentlich verboten ist,

sogar eine schwere Sünde, zum Beispiel in Islam.

Aber es gibt auch da die Ambivalenzen,

nämlich den Märtyrer Tod, den die auch schon angesprochen haben.

Im Judentum ist die Selbsttötung nur akzeptiert,

wenn man damit einen Mord verhindert oder einen Inzest und so weiter.

Also es gibt auch da Bedingungen.

In Buddhismus und Hinduismus gibt es auch die Tradition,

der Suizidverbots, aber es gibt auch so Figuren wie die Asketen,

die dann Sterbefasten praktizieren.

Also es gibt schon auch eine Überschneidung.

Und in der Philosophie, wenn wir jetzt weitergehen,

ist die Ambivalenz, glaube ich, noch größer.

Da gibt es wirklich diese zwei Lager.

Selbst in der Antike, sie hat einen Platon erwähnt,

der gegen den Suizid ist.

Aber Figuren aus der Stoa, wie zum Beispiel Seneca

und andere werden befürwortet, das Suizid.

Ja, ich finde, als ich die Texte nochmal lasse für meinen Buch,

war ich schon erstaunt, dass auch in der Antike immer Ambivalenzer ist.

Auch Kato, der in der Aufklärung ganz hoch gehandelt wird,

als jemand, der beim Untergang der Republik sagt,

ich gehe in den Märtyren Freitod.

Wenn man den Plutarche liest, sieht man,

dass da viel Ambivalenz drinnen steckt auch.

Dass die Familie sich dagegen wehrt,

dass er selber es gar nicht beim ersten Versuch schafft.

Das heißt, es ist immer auch eine Legendenbildung dabei,

dass die Ambivalenzen auf lange Sicht abgepländet werden,

um eine gewisse Heroik auch zu schaffen.

Und dass natürlich auch die Gründe sehr klar sein müssen.

Insofern würde ich sagen, ja, mit Einschränkungen.

Aber es ist nie eine Heroik, sondern das Tabu.

Das Unfassliche ist schon da, aber die Würde des Einzelnen

und auch die Fähigkeit für sich zu entscheiden,

ist in einer bestimmten Zeit stärker da,

als in einer gritzlich verfassten Welt,

wo schon eine ganz klare Lebensethik Ordnung da ist,

dieses Stück verbietet.

Da hat sich schon ein Unterschied.

Also Mittelalter.

Und in der Aufklärung dann wendet sich das Blatt nochmal neu,

obwohl auch da die Widersprüche bleiben.

Also da kann man, finde ich, war für mich interessant zu sehen,

dass bei Cannes, der aus einer gritzlichen Tradition kommt,

zwar die Münchkeit sehr, sehr groß geschrieben wird,

aber immer eine Münchkeit, eine Freiheit,

die sich sozusagen erst mal stark reflektieren muss.

Das heißt, Freiheit ist nicht einfach eine Form,

sondern die muss gefüllt werden.

Und freisein kann nicht jeder.

Das heißt, es ist eine Arbeit zur Mündigkeit hin.

Das ist, glaube ich, ganz wichtig heute.

Wir sind nicht mit einem Tag mündig.

Also Selbststeuerung heißt der Mündigkeit,

dass wir uns auch an die Mündigkeit arbeiten.

Das ist eine richtige kulturelle Arbeit.

Das ist Cannes ganz klar.

Und auch allen, die anstrengend selbst auch denken zu können,

umzusetzen.

Und trotzdem ist er sehr streng.

Das heißt, es gibt eine innere Zügelung.

Also Cannes hat nicht von äußeren Gesetzen,

sondern das innere Gesetz, auch die Selbstbewahrung

als inneres Gesetz.

Ich kann mich nicht selbst im Instrument von etwas machen.

Also Cannes im Grunde sehr rigoros gegen die Selbsttüttung.

Das heißt, er legt die Fessel noch enger an,

weil die Gewissenspflicht mir selbst gegenüber so hoch ist,

dass ich mich bitte schön nicht selbst zu irgendwas benutze.

Das ist Cannes.

Während Jugend in der Hochschätzung der Englischer Aufklärer

etwas früher als er, der 2.Jahre vor,

uns suicide schreibt,

sich auch befreit von der Dogmatik

der Englischen Kirche und Gesellschaft.

Das Buch darf nicht veröffentlichen,

das ist der Essay.

Er ist Post-Hum.

Und sehr deutlich, die sagt, wir sind mündige Menschen.

Wir haben eine Urteilskraft.

Und es ist sogar,

auch versucht, die theologischen Argumente aufzunehmen.

Wir sind innerhalb einer Vorsehung.

Und die Vorsehung macht uns zu mündigen Menschen,

die durchaus an einer bestimmten Stelle sagen können,

es ist genug, ich war lange auf dem Posten.

Ich habe den Posten redlich ausgefüllt

und eine gewisse Erkrankung,

eine gewisse Situation,

eine Notlage macht es möglich.

Und dann ist derjenige,

der diese Entscheidung treffen kann,

weil sie ja schwer ist.

Auch jemand, der sozusagen das aufgebaut haben muss,

der fähig sein muss.

Das heißt, es ist tatsächlich eine Arbeit.

Und insofern ist er jemand,

der nicht diese kantische Selbstzügelung hat,

sondern eigentlich sagt, es ist eine Möglichkeit,

die durchaus die Bündigkeit des Einzelnen,

vor allen Dingen auch,

dass niemand ihnen an dieser Stelle hineinreden darf.

Dass keine Kirche immer sagt, du darfst es nicht,

das verboten.

Das ist das, was sich umruheaufgeregt,

dass das Buch nicht erlaubt ist,

dass die Englische Kirche das Land der Aufklärung sozusagen

so rigide ist.

Und ich glaube, mein Eindruck ist,

dass die Kirche sehr genau gespürt hat,

hier kommt eine Selbstständigkeit im Spiel,

die sozusagen Religiösität als Gemeinschaft,

als Gesellschaftsphänomen infrage stellt,

aber eigentlich nicht als Phänomen Einzelner.

Da glaube ich, ist der Punkt,

Religion Einzelner ist immer auch was sehr Mündiges.

Aber nicht als Gesellschaftsphänomen, da glaube ich,

ist der Unterschied.

Und das wurde ja auch aufgenommen.

Im 19. Jahrhundert wurde natürlich auch in der Theologie

mit diesen philosophischen Erkenntnissen gearbeitet

und hat sich da auch niedergeschlagen.

Also bei Schleiermacher und auch in anderer Weise.

Oder Bonnhöfer.

Bonnhöfer dann im 20. Jahrhundert, genau.

Das heißt, wir sehen da,

dieser Gedanke der Freiheit,

gerade in Bezug auf Suizid eingebracht

findet dann auch ihre Resonanz in der Theologie

noch nicht so formuliert,

aber natürlich dann auch in der Formulierung von Selbstbestimmung.

Die ja auch in der Theologie ein Polis

dieses Spannungsverhältnisses, mit dem wir dann umgehen.

Und sogar ein Rückkuppeln auf Augustinien.

Also Bonnhöfers Ethik sagt,

es gibt die Gewissensentscheidung des Einzelnen

und die hat Augustinius vorgeprägt,

als eine Ausnahmermöglichkeit,

dass der Einzelnen der Gesellschaft sich eingebunden ist,

in seinem Gewissen letztendlich nochmal Gott

keine Verantwortung ist.

Das heißt, die Religion hat in dieser Gewissensbindung an,

diese höhere Instanz Gott,

eine Möglichkeit, sich von der Gesellschaft

und ihren Regeln zu distanzieren.

Und Bonnhöfer in dieser Krisenethik,

der sozusagen seine bekennende Kirche nicht mehr hinter sich hat,

weil er merkt, die sind so angepasst, so eingepasst,

entwickelt mit Augustinius am Beispiel des Suizides

die Möglichkeit, eine Entscheidung der Vereinzelung,

aber im Kontakt mit der höheren Instanz.

Also interessant, diese Gewissensentscheidung,

aber auch die Selbstbestimmung, die Autonomie, die Freiheit,

ist ja immer die Frage,

woran macht man denn das fest?

Ganz konkret, wenn jemand diesen Wunsch hat,

also wie lange er hat oder diesen Wunsch,

wie stabil ist er, wie wohl durch das dachte,

ist dieser Wunsch, ist das sozusagen Urteilsfähigkeit

als Kriterium, wird ja auch bei

Sterbehilfsorganisationen ganz zu oberst geschrieben,

aber woran macht man das letztlich fest?

Diese Selbstbestimmung, diese Urteilsfähigkeit.

Es geht ja einmal um die Dauerhaftigkeit des Sterbewunsches

und dann eben auch um die Fähigkeit,

die Konsequenzen dieses Sterbewunsches wahrzunehmen,

zu verstehen und auch zu bejahen.

Und das ist, glaube ich, ein Punkt,

an dem zumindest in den Verfahren, so wie ich sie überblicke,

im Vorfeld eines assistierten Suizides schon wichtig sind.

Einmal dieses Thema Dauerhaftigkeit,

aber dann auch die Frage, kann der oder diejenige,

die sich hier äußert und mit Beihilfe suizidieren möchte,

überschauen, welche Konsequenzen dieser Handlung hat.

Und da gibt es natürlich auch dann Diskussionen,

nicht nur mit Fachpersonen, sondern auch mit den Angehörigen.

Also ich möchte jetzt mit Ihnen noch diese Perspektive einnehmen,

bevor wir auf den assistierten Suizid noch zu sprechen kommen.

Also das Stichwort Verantwortung auch, die Hinterbliebenen.

Und wir haben dazu eine Filmsquenz mitgebracht,

der Sendung Mona Mittendrin,

wo eine Frau ihren Mann verloren hat,

der sich das Leben genommen hat, war depressiv,

sie war damals mit dem vierten Kind schwanger,

sehr ergreifende Szene.

Wie hören diese Frau mal kurz zu?

Ja, keine Antwort, bis heute nicht, drei Jahre später nicht.

Ich hatte das Gefühl, wir sind glücklich.

Es hat er auch immer gesagt,

wir haben es so gut, es läuft so gut.

Es war echt der Grund, warum er es gefunden hat.

Wir probieren es doch noch einmal mit dem vierten.

Wer hat den vierten Kind wählen?

Ja, es war sein grosser Wunsch.

Ich fand, mit dem ist es schon machbar.

Ja.

Und wo einem Tag auf den anderen aus den glücklichen Menschen

völlig in sich gekehrt, völlig anderen Menschen geworden hat.

Wie nicht mehr erkennst du?

Ich war schon hässig auf ihn.

Ja, ganz fest.

Weil wir uns geschworen haben,

wir gehen unter gute und schlechte Zeiten miteinander.

Weil wir gesagt haben, wir gehen miteinander an,

der mir das auch versprochen hat.

Also die Krankheit miteinander?

Ja, ja.

Und ich habe mich ganz übel hintergegangen gefühlt.

Ich habe das Gefühl gehabt, es versprechen zu müssen.

Du hast mir das versprochen.

Und am Schluss hast du es einfach gebrochen.

Bis ich irgendwann an einem Punkt war,

weil ich mich sagen musste,

für ihn war es die einzige Möglichkeit,

die einen Ehren für sich gesehen hat.

Ja.

Ja, das ist so.

Ich glaube, das sind die Bördeln,

die ich immer mit mir trage, das grosse Warum.

Ja.

Ja, das grosse Warum, diese Börde,

auch Wut und Enttäuschung,

hat sie angesprochen, Schuldgefühle.

Wie lebt man mit so etwas?

Sehr unterschiedlich.

Das große Warum wird in vielen Fällen nicht beantwortet werden.

Weil es zum Beispiel keinen Abschiedsbrief gibt,

sondern die Menschen sich suizidiert haben.

Und dann ist die Lehrstelle da mit der Überschrift Warum.

Und die An- und Zugehörigen müssen mit dieser Lehrstelle leben

und mit dieser offenen Frage.

Ich glaube, es ist ja auch so zwei Perspektiven.

Das ist die Familie, die Gemeinschaft, die Angehörigen.

Und der Blick des Einzelnen.

Hier durch eine Erkrankung nochmal ganz eigengebrägt.

Das sind dann auch psychopathologische Phänomenen.

Aber grundsätzlich auch,

das ist eine einzelne Perspektive

und das ist eine gemeinsame Perspektive.

In normalen Fällen werden die irgendwie pragmatisch harmonisiert.

Es ist nie ideal.

Wir alle haben einzelne Wünsche.

Wir haben soziale Verpflichtungen.

Wir gehen Kompromisse ein, wir gucken, dass das geht.

Aber es ist immer normalerweise eine Regelung da,

wo uns selbst verwirklichen ihm so schön sagt.

Aber unsere Pflichten für den Verantwort

und die Sachen zusammengehen im guten Falle.

Dass man selbst verwirklichen ist in einer Gemeinschaft.

Aber es gibt eben auch die Momente, wo es auseinander geht.

Zum Teil pathologisch.

Aber vielleicht auch wirkliche Krisen, die notwendig sind.

Und da gibt es keine Vermittlung am Ende.

Das ist ja was Tragisches, wo uns sie am Ende auch sagt,

es musste für ihn so sein.

Und trotzdem bleibt sie auch für sich böse, ist enttäuscht, verraten.

Und dann kann man keine Harmonie herstellen.

Und das ist dann Stoff für Literatur, für Religion, für Philosophie.

Wo man merkt, das Leben hat Fragen, Rätsel.

Die kann man nicht in irgendeiner Leitlinie auflösen.

Die kann man nicht irgendwie harmonisch integrieren in was Schönes.

Sondern da ist das, was Jasper Schauder nennt.

Es gibt diese Versöhnung nicht.

Es gibt diesen Widerspruch.

Nein.

Und die Frau spricht ja in einer leidenphilosophischen Sprache.

Das große Warum, das ist ein Stoff für ein Theaterstück.

Wo man spürt, diese Knappheit, die ist ja so betroffen,

die macht ja keine großen Worte.

Aber merkt, es sind wenige Sätzen,

wie das drei Jahre später in dir wühlt.

Und die sind keiner Weise zur Ruhe gekommen,

fühlt sich allein gelassen.

Und jetzt müsste man ihn hören, sozusagen.

Also seine innere Node, die er damals verspürt hat.

Und das, glaube ich, sind die Punkte,

wo man lernen muss, wirklich zuzuholen.

Und das überhaupt auch als Möglichkeit zu bedenken.

Und dann wird man nachdenklich.

Man kann es nicht mit normalen freundlichen Sätzen klären.

Das ist was drinne.

Das braucht Kunst, Religion, Philosophie.

Nicht nur Klinik.

Das sind Fragen, die sprengen unsere Horizonte.

Interessant.

Und mit diesem Warum sind eben auch wiederum nochmal

zwei Perspektiven verbunden.

Einmal die Frage, warum hast du das getan?

Und warum waren wir dir nicht genug?

Also im Kontext der Familie,

die da beschrieben wurde,

warum waren dir die Kinder, die du dir ja mit mir gewünscht hast,

nicht genug?

Warum war dir die Fürsorge nicht genug?

Und die Versprechen, die wir uns einander gegeben haben?

Aber das ist letztlich immer dieser Abgrund,

das Fremde, der andere als ganz Fremder.

Das schaut an.

In der Schweiz gibt es ja andere Wege,

sich das Leben zu nehmen, sich zu zuizidieren.

Dass man das auch nicht so gut sieht.

Dass man das ankündigen kann,

mit Sterbehilfsorganisationen wie Exit oder Dignitas,

den Assistierten-Suizid.

Da gibt es zwei unabhängige Gutachten,

die zeigen müssen, dass der Sterbewunsch stabil ist,

dass er wohl überlegt ist.

Wir haben das alles, gibt diese fünf Kriterien.

Aber selbst da macht man das nie alleine,

sondern immer auch zusammen mit den Angehörigen oder oft.

Wir haben noch mal ein Beispiel mitgebracht,

wo es zu einem Konflikt kommt zwischen einer älteren Frau,

die aus dem Leben gehen möchte, mit Exit,

und ihrer Tochter.

Wir schauen diesen Beitrag mal gemeinsam an.

Immer häufiger möchten besonders ältere Menschen

lieber sterben, als unter Schmerzen leiden

und von intensiver Pflege abhängig sein.

So wie Claire Müller.

Es ist einfach die Einsicht, dass es zeitisch ist,

weil alles schwächer wird.

Und dank unserer Wohlstand und unserer Chemie

wird man auch so urat.

Das ist ja nichts.

Das ist nicht normal.

Normalerweise wäre es das nicht.

Das Leben hat den Sinn,

wenn es bestimmt ist,

und ich denke, wenn jemand krank ist,

schwer krank behindert.

Aber einfach altes Bedingt finde ich das nicht gut.

Aber wenn es genug ist vom Leben.

Und wenn es genug ist?

Ja.

Das Gefühl, das kannst du nicht haben.

Sie wissen, dass sie in einem nächsten

da der Metall wehtürennt, mit dem, wo sie vorhaben.

Aber das kann ich nicht begreifen.

Dort sind dann nichts weh, wenn ich so verblöde bin.

Das tut das nicht mehr weh.

Das tut schon weh.

Aber du verblödest jetzt nicht,

bist immer noch so gut zu werden.

Das kann man nicht bestimmen.

Merke doch, wie der Geist angeht,

keine Körperkraft.

Merke doch das.

Das musst du selber entscheiden.

Aber du musst nicht nur dich denken,

du musst auch uns denken.

Für uns ist das nicht ganz einfach.

Nein, ich muss gut.

Ich muss dir einen Schein treffen.

Das ist doch wahr.

Eine sehr rührende, bewegende Szene.

Frau Arnold Krüger,

wie beurteilen Sie diesen Entscheid,

dieser älteren Frau aus der Sicht

eines christlich-religiösen Weltbildes?

Zunächst mal finde ich,

dass dieses Beispiel zwei Ebenen sehr schön zeigt.

Einmal von der älteren Frau.

Letztlich ja die Frage,

wann holt der Liebe Gott mich endlich ein?

Das ist eine Frage,

mit der man öfter konfrontiert wird.

In Kontext der alten Sehsorge

oder auch in anderen Kontexten.

Auch verbunden damit der Aspekt der Lebensdateit.

Sie hat genug.

Das hat sie formuliert.

Genau.

Das ist die eine Ebene

und die andere Ebene ist die Ebene der Kinder,

jeder Tochter.

Das heißt auch der An- und Zubehörigen,

die sie sich bestellen würden.

Wann holt der Liebe Gott dich endlich heim?

Sondern sagen, du bist da

und wir möchten dich behalten.

Wir möchten dich in unserem Kreis behalten.

Wir möchten diese Lehrstelle nicht haben.

Und wir möchten da auch nicht

der Zeit vorgreifen,

so wie die Tochter das ja auch formuliert hat.

Jetzt noch nicht.

Und das ist, glaube ich,

ein Gefühl, das deutlich zum Ausdruck gekommen ist.

Und hier prallen im Grunde um zwei Zeiten aufeinander.

Was ist eine Entscheidung, die jemand alleine fährt?

Oder ist das immer eine kollektive Entscheidung?

Ich finde,

vor drei Jahren ist mein Vater schon mit 90 Jahren.

Und meine Schwester hatte noch gelebt zuletzt

und sehr former Christ,

ein ganz feiner Mensch, der sehr innerlich war.

Und am Ende tatsächlich sagte ich, ich habe genug.

Quellte mich nicht.

Und dann mit meiner Schwester,

mein Geschwister, besprochen,

dass da quasi keine künstliche Ernährung mehr stattfindet.

Also sozusagen, langsam schwächer,

aber geistig, ganz klar.

Das war ein guter Fall.

Also, wo es auch mit Geist sehr klar hat.

Und ich habe hier in Zürich gestern Abend

mit Monika Weber,

einer ehemaligen Nationalrätin,

Kantonsrätin,

mich mit Freunden zum Abendessen getroffen,

die von einer Frau,

von einer Frau,

von einer Frau,

von einer Frau,

von einer Frau,

von einer Frau,

von einer Frau,

die von einer Bekannten erzählte,

die 14 Tagen verstorben ist,

über Exit

ihren Mann gepflegt hatte,

der vor dem Ent gewesen war,

über Jahre und selber in der Zustand kam,

wo er auch absehbar war

und sagte, das möchte ich nicht haben.

Und ganz bewusst

den Schalldruck getroffen hat.

Ich fand es sehr eindrücklich und auch Monika Weber selber sagte,

dass sie dort sozusagen auch

für den Fall, dass sie jetzt an Geißenkräften stark abnimmt.

Es ist unhörtrüstig und fein

Genau, und trifft jede Woche Menschen und spricht mit allen, aber in dem Sinne, wenn ein Zustand sozusagen des Lebens, was nicht mehr für sie würde, bedeutet, dann das nutzen zu wollen.

Das fand ich hoch eindrücklich für mich als Deutschen. Eine Persönlichkeit des Schweizer Politiklebens, die ich sehr schätze, in dieser Ruhe auch sprechen zu hören, hat mich sehr beeindruckt gestern.

Sie haben jetzt schon mehrmals das Wort Würde erwähnt. Ich weiß nicht, ob Sie das auch verwenden würden an dieser Stelle, weil wie Sie die Praxis des assistierten Suizid sehen, also auch seit 2020 ist das in Deutschland erlaubt, nicht mehr verboten, aber derzeit sucht man politisch nach einer Regelung.

Aber Sie sehen da auch gesellschaftliche Gefahren, wenn ich Sie richtig verstehe.

Ja, ich würde an diesem Punkt tatsächlich nicht das Wort Würde, sondern verwenden, sondern bei der Selbstbestimmung schon bleiben wollen.

Denn es ist erstmal so eine selbstbestimmte Entscheidung, die eine Person trifft, sich suizidieren zu wollen und dafür Beihilfe in Anspruch zu nehmen.

Die gesellschaftlichen Gefahren, die damit ja auch immer...

Darf ich ganz kurz fragen, warum Sie den Begriff Würde da nicht nehmen?

Der Begriff Würde ist für mich tatsächlich ein Begriff, der inhaltlich sehr, sehr schwer zu füllen ist.

Der sich im Grunde genommen auf Grundlagen stützt, die gar nicht hergeleitet sind.

Von daher ist der Begriff für mich Selbstbestimmung deutlich konkreter.

Wenn ich es einmal aus dem Kontext der Theologie beschreiben sollte, würde ich die Selbstbestimmung mit der Gottebendlichkeit verbinden.

Das heißt, Gott-Ebenbildlichkeit im Kontext der Schöpfungsteologie, das ist ja ein Begriff, der erstmal ein Beziehungsgeschehen auch bezeichnet.

Zwischen Gott und dem Menschen.

Und gleichzeitig aussagt, dass der Mensch sich in seinem Leben nicht sich selbst verdankt, sondern eben Gott.

Gleichzeitig ist damit aber auch ausgesagt, dass Gott den Menschen geschaffen hat und ihm gleichzeitig die Freiheit gegeben hat.

Und zwar auch die Freiheit, sich umzuwenden und abzuwenden von Gott.

Und was ist jetzt die Problematik gesellschaftlich?

Die gesellschaftliche Problematik ist, die Balance zu finden zwischen Selbstbestimmung und Solidarität bzw. Lebensschutz.

Und das ist eine Spannung, mit der die Kirchen, muss man ja sagen, auch aus ihrem theologischen Tradition heraus umgehen.

Und ich glaube, es ist klug, diese Spannung nicht nach einer Seite hin einseitig aufzulösen, sondern diese Spannung aufrecht zu erhalten und das Thema auch in diesem Spannungsbogen zu behandeln.

Aber vielleicht glaube ich, das ist ganz wichtig, das ist eben eine Notlage.

Ich glaube, diese falsche Souveränität oder Normalität, das ist nicht der Fall.

Die Dame war ja verzweifelt, die ihren Mann in der Demenz gepflegt hatte und selber auf einer Märkte.

Und ich glaube, es gibt keine Normalität und es gibt ja keine Balance.

Es ist was Tragisches da drin, was erschrecken lässt.

Und die Fälle, wo ein Mensch sich friedlich umdreht und vielleicht auch zusammen Gott dann geht, das ist ja auch ungeheuer.

Also wie Mensch friedlich sterben kann heute, das ist ja auch eine Kunst.

Und die anderen Fälle sind solche, wo ja Leute wirklich mit sich hadern überlegen.

Und ich glaube, diese Leichtfertigkeit ist nicht das, was man möchte, sondern die Würde heißt ja,

und die Unschärfes Begriff ist ja auch was Positives.

Gott ist auch ein Unschärfer Begriff.

Aber wir brauchen diese Begriffe, weil wir etwas Bestimmtes in uns verspüren als Möglichkeit der Würde, die wir nicht genau fassen können.

Die haben aber in einem bestimmten Leben, wenn wir dieses Leben erzählen, sehr konkret werden können.

Und das Leben von Monika Weber jetzt in bestimmten Weise erzählen würde,

wer eine bestimmte Pönsikant, die über Jahrzehnte Entscheidung getroffen hat, die sich für etwas eingesetzt hat

und die jetzt auch ganz in Ruhe überlegt, was wird sein?

Das heißt, das ist nicht irgendwie ein Abstraktum, sondern jedes Leben muss ich auch sozusagen erzählen lassen.

Und wenn es das nicht kann, dann sollte man sehr von Abstand nehmen.

Das ist kein Schlag.

Interessant, interessant.

Wir sind schon fast am Ende der Zeit der Sendung.

Ich hätte noch eine letzte Frage.

Und zwar hilft ja vielen Menschen schon die Gewissheit, dass sie sich das Leben beenden können, wenn sie es denn wollen.

Und ich habe bei Thomas Macho in einem schönen Buch, das Leben, Leben, Suizid in der Moderne,

ein Beispiel gelesen, wo er schreibt, die Kate, eine Heldin des Romans, der Kinogierner von Walker Percy,

die sagt an einer Stelle, der Suizid sei das Einzige, was sie am Leben hält, paradoxerweise.

Zitat, wenn ich mich nicht umbringen könnte, ja, das wäre ein Grund, es zu tun.

Starker Satz. Stimmen Sie zu.

Also ich würde es positiv ausdrücken.

Ich glaube, die Möglichkeit, auch durch eine Selbstbestimmung, Freiheit zu erfahren im Leben,

Möglichkeiten, die man sich erarbeiten muss, gehört zu uns dazu.

Aber Freiheit heißt doch immer, man ist in einem Kontext, den man auch gebunden ist.

Das heißt, ich bin nur frei, wenn ich auch weiß, ich bin gebunden.

Eine Lehrefreiheit ist furchtbar.

Interessant.

Also ohne einen Kontext.

Das heißt, ich muss mich binden können, um dann Räume der Freiheit zu haben.

Dann ist auch Jaspers mit Kant immer eine Antinomie.

Wir sind gebunden und trotzdem gibt es das Moment der Freiheit,

dass wir suchen und es ist nicht zu harmonisieren.

Das ist, glaube ich, so entscheidend, dass wir uns binden können,

aber auch merken, es ist Freiheit da und die kostet was.

Die vereinzelt uns.

Und das ist eine sehr schwere Aufgabe.

Es ist nichts Lockeres, nichts Leichtes.

Viele, die von Freiheit sprechen, wissen gar nicht, was sie meinen.

Ja, also es braucht eine Freiheit, aber in Verbindung zu anderem,

eine verantwortete Freiheit vielleicht.

Ich würde Freiheit auch grundsätzlich in Beziehungen sehen.

Und da natürlich dann noch einmal gefasst, die Freiheit von etwas

und die Freiheit zu etwas.

Das muss schon unterschieden werden,

aber dadurch wird immer die Beziehungsebene deutlich.

Das heißt, wenn ich mich von etwas freimache,

dann habe ich einen gegenüber

und wenn ich mich zu etwas freimache oder bekenne

oder entsprechend agiere, habe ich auch einen gegenüber.

Aber es kann dann sozusagen die Freiheit sein,

wenn das Leben so unerträglich ist.

Dann diese Möglichkeit zu haben,

kann doch auch eine ungeheure Entlastung sein.

Das kann eine ungeheure Entlastung sein.

Und wenn wir zum Beispiel in sehr schwere Krankheitssituationen schauen,

die Medikamente ist eben nicht mehr eingestellt werden können,

dann ist das für die jeweiligen Patientinnen und Patienten

eine große Freiheit zu wissen,

dass wenn sie an diesem Punkt kommen, zu sagen, ich ertrage es nicht mehr,

sie auch dann weiter begleitet werden

und ihnen diese Möglichkeit offenstehen kann.

Frau Arnott Krüger, Herr Beaumont,

vielen herzlichen Dank für dieses reichartige Gespräch,

für diesen Einblick und Überblick.

Vielen Dank.

Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.

Weltweit sterben mehr Menschen durch Suizid als durch Gewalt. Ihre Schicksale sind jedoch oft unsichtbar, das Thema ist Tabu. Für viele ist der Suizid eine Sünde gegen Gott oder zumindest Symptom einer Krankheit. Andere sehen im «Freitod» den ultimativen Akt menschlicher Autonomie.

Der Philosoph Walter Benjamin bezeichnete den Suizid als die «Quintessenz der Moderne». Wenn der «Selbstmord» keine Sünde mehr ist gegen Gott, wird er dann zum letzten Akt des freien Willens? Wann aber ist ein Suizidwunsch wirklich frei – und wann bloss das Symptom einer Notsituation oder einer Krankheit wie der Depression? Und welche Verantwortung hat man gegenüber den Hinterbliebenen? Philosophie und Theologie beschäftigen sich seit jeher mit diesen schwierigen Fragen am Lebensende, mit dem Verhältnis von Freiheit und Tod. Die Sendungen «Sternstunde Philosophie» und «Sternstunde Religion» widmen sich darum gemeinsam dem Tabuthema Suizid: Olivia Röllin besucht das Kriseninterventionszentrum (KIZ) in Winterthur und Yves Bossart spricht mit der evangelischen Theologin Dorothee Arnold-Krüger und dem Philosophen und Mediziner Matthias Bormuth.