11KM: der tagesschau-Podcast: Rechte Gewalt: Mordprozess nach 30 Jahren

tagesschau tagesschau 3/20/23 - Episode Page - 30m - PDF Transcript

Dieser Fall wird ganz neu aufgerollt und zwar nach 30 Jahren erreicht die Polizei ein Hinweis.

Welcher ist das?

Eine Anzeige, die online gemacht wird.

Von einer Frau, die Diana K. heißt und die sich entschlossen hat, nach vielen, vielen Jahren

eine Anzeige zu stellen gegen ein Mann, der ihr gesagt haben soll, er wäre das gewesen mit dem Brandanschlag 1991,

bei dem in Salui der Asylbewerber Samuel Jeboa ums Leben gekommen ist.

Dieser Fall war nicht nur einer der größten ungeklärten Kriminalfälle des Saarlands.

Diese Geschichte von einem mutmaßlich rassistischen Brandanschlag, bei dem ein junger Mann gestorben ist,

zeigt auch, wie in Deutschland lange damit umgegangen wurde, dass es rechten Terror gibt.

Und es zeigt sich, wie schwer es ist, nach so langer Zeit Verbrechen aufzuarbeiten.

Jochen Marmit vom Saarlandischen Rundfunk war schon an dem Fall Jeboa dran, bevor die Ermittlungen neu aufgenommen wurden.

Und seit das Ganze vor Gericht ist, begleitet er die Beweisaufnahme.

Jochen, herzlich willkommen.

Hallo.

Ihr hört FKM, der Tagesschau-Podcast. Ein Thema in aller Tiefe.

Folgt uns oder abonniert uns in der ARD-Audiothek oder überall, wo ihr Podcasts hört.

Mein Name ist Victoria Michalsack, heute ist Montag, der 20. März.

Was stand denn in dieser Anzeige?

In der Anzeige stand drin, dass Diana K. auf einem Grillfest im Jahr 2007 sehr wahrscheinlich ein Mann getroffen hat,

der sich im Laufe dieses Grillens zu ihr auf die Bierbank gesetzt hat.

Und sie dann ganz unvermittelt gefragt hat, kannst du dich erinnern an diesen Brandanschlag?

1991 hat sie wohl ja gesagt, dann sagt er ja, das war ich, die haben mich aber nie erwischt.

So ungefähr soll das gewesen sein, 2007.

Und sie war damals, ich sag mal, erstaunt, so hat sie es vor Gericht zumindest formuliert, überrascht

und hat ihm irgendwie so keinen weiteren Gedanken geschenkt, nicht wirklich, sagt sie zumindest.

Und als dann 2019 über ein Facebook-Aufruf Cold Cases im Saarland erwähnt wurden,

war auf einmal dieser Brandanschlag 1991 ein Thema für sie und da ging diese Maschine im Kopf los.

Da hat sie gesagt, Moment mal, da hat mir doch damals jemand gesagt, er wäre das gewesen.

Und laut Eigenangabe ist ja da auch erst klar geworden, dass da jemand gestorben ist.

Das hätte sie also vorher überhaupt nicht realisiert.

Und dann hat sie nach Rücksprache mit ihren Eltern, ihrer Schwester dann gesagt,

naja, ich möchte das zur Anzeige bringen.

Das war so eigentlich der zentrale Vorgang, was dann die ganzen Ermittlungen

und auch diesen ganzen Prozess in Bewegung gebracht hat.

Wer ist denn dieser Angeklagte?

Der Angeklagte Peter S., jetzt 51, war damals Neonazi-Skin

in der Saluya Szene durchaus bekannt.

Auch nicht zuletzt mit den Führungsfiguren im Fokus.

Die Ermittlungen wurden dann relativ schnell eingestellt

und man hat gesagt, diese Gruppe und auch Peter S. wären das nicht gewesen.

Wobei, und das ist aus der Anklage vor allen Dingen zu erkennen,

ist es wohl nach Aussage einiger Szene Kumpels durchaus ein offenes Geheimnis gewesen,

dass diese Gruppe und vielleicht auch Peter S.

irgendetwas mit diesem Anschlag zu tun haben könnten.

Wie immer, wenn es um einen laufenden Prozess geht,

es gilt die Unschuldsvermutung.

Jochen, lass uns mal schauen, vor 30 Jahren, die frühen 90er,

was war das für eine Zeit?

Ja, es war eine Zeit, wo kurz nach der Wende doch sehr viel rechtsextremes

Gedankengut auch auf die Straße und vor allen Dingen auch in Taten umgesetzt wurde.

Es gab immer wieder Übergriffe, es gab Brände, Flüchtlingsheime,

es gab Zusammenrottungen von größeren Gruppenrechtsradikaler

in ganz Deutschland eigentlich.

Wütender Mob in den Straßen, tagelang belagern Neonazis

Ausländerwohnheime in der Stadt, werfen Steine und Molotov-Cocktails.

Und es gab vor allen Dingen Gewalt in allen Varianten.

Die Anwohner schauen tatenlos zu, manche jubeln sogar.

Daher glaube ich auch der Name Baseball-Schlägerjahre

durchaus angebracht.

Ganz häufig wurde das natürlich mit Namen verbunden wie Heuerswerder.

Die Aggression, die uns dort entgegen gekommen ist.

Möhlen oder auch Lübeck später.

Zwillen mit Stahlkugeln, Stahlruben, Baseball-Schläger.

Und mit tödlichen Vorfällen, also wo es um Brandstiftung ging.

Die ganze Bandpreide.

Fünf Monate später gipfelt der Ausländer-Hass in Rostock-Lichtenhagen.

Um Mord an Menschen, die geflüchtet waren, in Deutschland Zuflucht gesucht haben

und die dann aus einem rassistischen, rechtspolitischen Hintergrund

heraus ermordet worden sind.

Und in diesen ganzen Aufzählungen, die bis heute ja irgendwo

Heuerswerder, Möhlen, Solingen.

Rostock-Lichtenhagen.

Rostock-Lichtenhagen, genau, die einfach dafür stehen,

taucht der Name Salui eben nie auf.

Salui steht eher für eine Kleinstadt im Saarland.

Die heimliche Hauptstadt des Saarlandes, so nennt sie sich zumindest mal ganz gerne.

Mit französischem Flair und einer Einkaufs- und Verwaltungs- und Schulstadt,

die eigentlich ganz hübsch ist.

Also diese rechte Problematik, diese Nazi-Skinhead-Problematik,

gab es in Salui, wie in vielen anderen Städten in Deutschland auch.

Und das ist ja genau der Punkt, wo die Stadt Salui damals schon sagte,

wir haben kein rechtes Problem.

Das sind so, zum Teil Jungs, die müssen sich die Hörner abstoßen,

so aus der Nachbarschaft, man kennt sich, ach, das ist alles nicht so schlimm.

Also diese Verharmlosung, diese Beschwichtigung,

das war damals auch Teil der Baseball-Schlägerjahre als Reaktion darauf.

Und das ist schon sehr seltsam, wenn man sich das von heute aus betrachtet.

Dann gehen wir mal dahin, was dort damals passiert ist.

In dieser Brandnacht. Nimm uns mal mit, erzähl mal, was passierte.

Das war im September zum 19. 1991 eine Nacht im Salui Frau Lauter.

Das ist ein Stadtteil von Salui.

Da gab es ein ehemaliges Hotel, das als Asylbewerberunterkunft genutzt wurde.

Das weiße Ross, so hieß es, wird auch gern weißes Rössel genannt.

Und in diesem Haus war in dieser Nacht unter anderem im Untergeschoss

eine Geburtstagsfeier.

Es waren andere Geflüchtete, es waren alles Männer,

die in einem Raum gefeiert haben.

Und in den anderen Räumen haben eben auch Menschen geschlafen,

um die 2022 werden wohl im Haus gewesen sein.

Das ganze drei Etagen.

In der obersten Etage, da hat Samuel Jeboa gelebt.

Im Dachgeschoss kann man sagen,

der auch so eine Art Hausmeisterfunktion in diesem Haus hatte.

Und der schon seit zwei Jahren in Salui war.

Samuel Jeboa, wer ist das?

Samuel Jeboa kommt aus Ghana.

Und zwar sehr wahrscheinlich Ende der 80er Jahre.

Er flüchtet aus einem Städtchen, Mampong, so heißt das.

Und er war sehr aufgeschlossen.

Er war sehr wissbegierig.

Er hat relativ schnell auch Deutsch gelernt.

Und war aktives Teil der Salui-Stadt.

So kann man das eigentlich beschreiben.

Das haben ja alle erzählt, die über ihn berichtet haben.

Er hatte auch deutsche Freunde, sehr gute sogar.

Und mit einem ganz besonders war er sehr eng familiär verbandelt.

Und mit ihm sehr boxen gegangen.

Weil Samuel Jeboa war Boxer.

Er war ein eher kleinerer, gedrokener Typ.

Aber sehr kräftig, sehr muskulös.

Ein ganz lieber, ein ganz freundlicher Mensch.

Hat in Salui auch gearbeitet.

Hat sich für andere Geflüchtete eingesetzt.

Hat den geholfen als Hausmeister in diesem Haus.

Und als dunkle Seite wohl voraus geahnt,

dass etwas passieren könnte.

Das hat der damals beste Freund auch noch mal vor Gericht bestätigt.

Dass sie am Vorabend aus der Innenstadt von Salui kamen.

Und wie immer eine Gruppe Nazi-Skinheads,

die sich zusammengerottet hatten am großen Markt, dann gesehen haben.

Es ist da aber nichts vorgefallen.

Aber er hat dann so sinngemäß zu ihm gesagt, siehst du die?

Irgendwann werden diese Leute oder diese Art Menschen mich umbringen.

Und das hat sein bester Freund noch mal bestätigt,

dass das wirklich am Vorabend gewesen sein soll, diese Aussage.

Und wenige Stunden später hat das Haus gebrannt.

Also ich hatte die Möglichkeit im Vorfeld des Prozesses,

mit Toni zu sprechen, so nenne ich ihn.

Ein Geflüchteter, der damals im mittleren Geschoss wohl gewohnt hat.

Er ist der Einzige, der erzählt hat vorab, was erlebt hat,

was passiert ist.

Alle anderen schweigen sich eigentlich aus, haben nur vor Gericht ausgesagt.

Das ist mal vorweg.

Gegen vier Uhr morgens klopfe ich bei mir, wie man uns richtig fest.

Fest, ne?

Und ich nehm...

Also er wurde auch geweckt durch einen Klopfen an der Tür in der Nacht.

Sie sollen sofort raus, es würde brennen.

Das war richtig feuer, eben allfeuer.

Und dann hat er gesehen,

dass auch in seinem Flur, in seiner Etage schon die Flammen waren

und die Hitze war so groß, dass er dann versucht hat,

auch durchs Fenster zu flüchten,

was dann auch über die rückwärtige Seite funktioniert hat,

weil dort war eine Terrasse unten drunter

und darüber ist er rausgekommen.

Die Männer sind eigentlich, weil sie nicht mehr durchs Treppenhaus

runterlaufen konnten, da waren ja die Flammen in der Panik

einfach zum Teil aus dem Fenster rausgesprungen.

Es wurden Matratzen rausgeworfen,

einige haben sich die Knochen gebrochen,

andere haben einfach nur Glück gehabt,

konnten so ihre Haut retten

und mehr war es auch nicht mehr, weil das relativ schnell ging.

Es sind Eindrücke, als ich das sah,

so viele Menschen auf der Straße legen.

Das geht nicht aus dem Kopf raus.

Der Feuerwehrmann Hans Fritz war mit zwei Kollegen,

der Angriffstrupp, so nennt man das,

das sind die, die als Allererstes reingehen.

Die werden gerufen, freiwillige Feuerwehr,

die haben ein paar Minuten da,

checken die Lage und gehen sofort rein,

um möglicherweise noch Menschen zu retten,

die noch im Gebäude sein könnten.

So hat er das beschrieben.

Sehen Sie hoch durch die Flammen?

Ja, durch die Flammen.

Und er ist dann relativ schnell in die erste Etage

durch das brennende Treppenhaus.

Die Bäumlichkeiten im ersten Stockwerk, die waren näher.

Und wie sich dann dieses Klopfen gehört habe.

Auf jeden Fall, das Amelia,

war am Leben, oben, in seinem Zimmer.

Aber war am Leben.

Und das sagen viele, dass sie Samuel haben schreien hören.

Der natürlich schwer verletzt oben im Flur lag,

von den Flammen stark getroffen.

Und er hat laut gerufen, Hilfe, Hilfe, Hilfe.

Dann bin ich dann noch ein Stufe höher.

Da lag Samuel Jeboa im Flur direkt vor ihm.

Und er hat sehr wahrscheinlich irgendwie mit den Beinen

oder mit den Armen noch auf dem Boden geklopft.

Das, was er wohl gehört hat.

Er lebte noch.

Aber wir haben ihn dann runtergetragen.

Dann kamen ja die beiden Kollegen.

Und wir haben ihn dann mit drei Mannen,

haben wir ihn runtergetragen.

Und als man ihn dann runtergebracht hat,

war auch für alle Beteiligten klar mehr oder weniger,

er würde das nicht überleben,

weil es einfach viel zu schwer war.

Anschlag in Salouie, Frau Lautern.

Bei einem Brand in einem Heimführer Asylbewerber

ist ein Bewohner aus Ghana ums Leben gekommen.

Zwei weitere Menschen wurden verletzt.

Die Polizei geht von Brandstiftung aus.

Es wurde ja auch damals schon wegen Brandstiftung ermittelt.

Das ist ja der Unterschied auch juristisch betrachtet.

Wenn es ein vorsätzlich gelegtes Feuer war,

dann geht es eben um Mord.

Es ist jemand gestorben, nicht fahrlässig,

und damit hast du einen Mordfall und Mord verjährt nicht.

Was für diesen Fall natürlich eine ganz wichtige Rolle spielt.

Aber es war damals schon für die Brandermittler klar relativ schnell.

Am unteren Treppenabsatz dort wurde sehr wahrscheinlich,

auch Hans Fritz hat das nochmal bestätigt,

weil es Gerochen hat, Benzin ausgegossen.

Also ein Brandbeschleuniger in größerer Menge,

der vom unteren Treppenabsatz her ausgebrannt hat.

Und dieses ganze Treppenhaus explosionsartig,

sehr wahrscheinlich als dann der dort stehende Benzinkanister

mit dem Rest Benzin in Flammen aufgegangen ist,

explosionsartig nach oben über 2,5 Etagen die Flammen geschossen hat.

Was man dann gefunden hat,

waren die Reste eines verschmorten Benzinkanisters

auf den Treppenstufen selbst.

Und das ist auch der Hauptbenzinkanister, sage ich jetzt mal,

der in all den Akten immer wieder auftaucht

und um den es dann natürlich auch geht mit der Brandbeschleunigung,

dass es Brandstiftung war.

Hans Fritz hat aber auch erzählt,

und er ist einer der wenigen, die das dann direkt gesehen haben.

Er sagt, es hätte noch ein zweiter Benzinkanister daneben gelegen,

neben der Treppe, und das hätte er der Polizei gemeldet.

Und dieser zweite Benzinkanister taucht nirgendwo mehr auf,

weder in den Akten von damals bei der Polizei

oder bei den Ermittlungsbehörden noch sonst irgendwo.

Und das ist so ein Detail, wo man merkt,

damals wurde sehr wahrscheinlich relativ schlampig gearbeitet,

was die Spurensicherung angeht

und was das Ganze ermitteln angeht

und Nachfragen und Nachhaken.

Also die Beweisaufnahme nach über 30 Jahren für diese Details

ist natürlich auch eine schwierige Sache.

Und der Peter S., wo soll der denn zum Tatzeitpunkt gewesen sein?

Nach Eigenaussage ist Peter S.,

das hat er auch in Koblenz vor dem Oberlandesgericht

jetzt nochmal bestätigt, zum Tatzeitpunkt,

bedrunken sehr wahrscheinlich bei seiner Mutter

auf der Couch gelegen haben.

Das hat er ja ausgesagt. Im Vorfeld allerdings,

und das haben auch andere bestätigt,

so ist zumindest mal aus der Anklage zu lesen,

gab es wohl ein Treffen von drei Neonazis,

die sich im Bayerischen Hof, das war eine Kneipe im Umfeld,

gar nicht so weit weg vom Tatort in Salou, getroffen haben sollen,

nachdem sie vorher schon mit einer größeren Gruppe

am Hauptmarkt trinken waren.

Sind sie dann in diesem Gasthof

und haben da bis ja so gegen 1 Uhr sehr wahrscheinlich

noch sehr viel mehr getrunken.

Und da soll zumindest mal drüber gesprochen worden sein,

so was wie in Heuerswerda, das müsste bei uns auch mal passieren.

An dem Abend?

An dem Abend, am 18. soll das so gewesen sein.

Peter S. streitet nicht ab, dass sie dort trinken waren

und das haben sie auch damals 91 gesagt, zu dritt.

Allerdings seien dann Peter S.T. und noch ein weiterer Neonazi

zusammen betrunken nach Hause gegangen sein

und er wäre betrunken alleine zu seiner Mutter,

bei der er damals lebte, nach Hause gegangen.

Das ist so die Version, die damals erzählt wurde

und daran hält er sich eigentlich heute auch noch.

Wie hat die Polizei denn damals ermittelt?

In welche Richtung ging das?

Also es wurde schon ermittelt in alle Richtungen,

aber da sich nun mal um ein hausvoller geflüchteter Menschen handelt

und es ging um ein Mord in diesem Fall,

war natürlich auch die Frage, es könnte ja auch rechtsextremistisch

motivierte Gewalt sein mit einem rassistischen Hintergrund

und das war eine der Spuren, die verfolgt worden sind

und jetzt kommt das Besondere an der ganzen Sache.

Genau zwei Wochen lang ist man dieser Spur nachgegangen

und dann hat man diese Spur eingestellt, zwei Wochen.

Das wirkt kurz, ist das auch kurz?

Das ist sehr kurz, das ist extrem kurz.

Also es wurde damals sehr schnell diese Spur ermittelt

und damit ausermittelt,

weil natürlich die damals schon im Fokus stehende

Salüya Neonazi Szene natürlich vernommen wurde,

aber die haben eben gesagt, wir waren das nicht,

wir haben damit nichts zu tun

und haben eigentlich die Spur geschlossen

und nach fast 11,5 Monaten wurde dann der ganze Fall Ad-Aktar gelegt erstmal.

Wie ist denn die Stadt und die Regierung damit im Rückblick umgegangen?

Die Ermittlungen wurden zwar eingestellt,

das ein Brandanschlag war, war schon damals klar,

dass es dort eine sehr aktive Neonazi Szene gab, war klar.

Wie wurde das denn betrachtet rückblickend,

auch wenn da kein Täter gefasst wurde?

Was war denn der Blick auf diese Nacht?

Also die Aussage war relativ schnell klar,

die offizielle vonseiten der Stadt,

wir haben hier kein rechtes Problem,

aber es geht ja um eine politische Bewertung

auch nicht zuletzt um ein Gedenken an Menschen,

die wie Sammel die Bohr gestorben sind

oder in der Folge immer wieder rechten Gewaltaktionen ausgesetzt waren.

Migrantinnen und Migranten, die in der Nacht praktisch ihr Hab und Gut verloren haben,

sind dann in ein anderes Asylbewerberheim gekommen

und sind dort weiter angegriffen worden.

Da gab es wieder Übergriffe, da gab es wieder Attacken

und da auch nachweislich von rechtsradikalen Nazis-Kins.

Die Neonazis, die durch Saloi gezogen sind

oder die im Saarland unterwegs waren,

die wurden nicht belangt und das ist auch ganz klar dokumentiert.

Über Jahre hinweg, fast ein Jahrzehnt lang,

die wurden nicht belangt, sondern die hat man gewähren lassen.

Auch der aktuelle Oberbürgermeister sagt, der mal Polizist war in Saloi,

solange die Tat nicht nachgewiesen ist,

werde ich mich nicht neu positionieren.

Wir werden auf der anderen Seite so eine Art bürgerliches Engagement fördern,

wir werden in Denkmal für alle Opfer von Gewalt in Saloi positionieren.

Wir pflegen, das macht die Stadt, die Grabstätte,

auch über die Liegezeit hinaus von Sammelnibor, das tut sie durchaus,

aber ansonsten halten wir uns erstmal von einem möglichen

rechtsradikal-politisch motivierten rassistischen Tatmotiv fern.

Das muss man ganz einfach so sagen.

So sagen das die Behörden, aber es gibt anscheinend schon einen Gedenken in Saloi.

Es gibt ein Gedenken eigentlich seit dieser Nacht,

seit diesem Morgen, an dem Sammelnibor verstorben ist.

Es gibt Gruppen, es gibt Einzelpersonen, die über 30 Jahre lang sich engagiert haben,

die gesagt haben, ihr dürft das nicht einfach liegen lassen.

Wir müssen weiter gedenken und wir müssen aufarbeiten.

Das haben sie eigentlich 30 Jahre lang gefordert,

mit jährlichen Gedenkveranstaltungen immer wieder mit Aktionen,

die auch zu Konflikten mit der Stadt geführt haben.

Und die natürlich auch auf der anderen Seite,

und das beispielsweise ist natürlich die Antifa Saarland,

die dokumentiert haben, wie sich diese Szene auch weiterentwickelt.

Und ich glaube, dass es diese kleinen Anschübe immer mal wieder gebraucht hat,

dass vielleicht auch irgendwann eben die Erinnerung bei Einzelpersonen,

siehe Diana K, nochmal zurückkommt und dann kommt auf einmal so ein kleines Steinchen,

so was wieder ins Rollen.

Und dann wird daraus dieser große Prozess, den wir jetzt auch haben,

der vielleicht ja auch die Wahrheit finden wird.

Ja genau, jetzt gibt es nämlich einen Prozess.

Jetzt, nach 30 Jahren, wird das Ganze wieder aufgerollt

durch den Hinweis von Diana K.

Und es gab dann eine Verhaftung.

Und ich glaube, zunächst mal fast ein Jahr lang im Verborgenen Ermittlungen,

Verhöre, und das war sehr, sehr umfangreich.

Und es wurde auch gleich von Karlsruhe vom Generalbundesanwalt aus gemacht,

weil die salinischen Behörden das abgegeben haben.

Es handelt sich ganz klar um ein möglichst rechtsterroristisches Motiv,

was dazu grundeliegen könnte.

Ja, in diese Richtung wird ermittelt.

Und dann ist das ein Staatsschutzverfahren auch als Prozess jetzt.

Das ist dann praktisch abgegeben an den Generalbundesanwalt.

Und nun mal als Zahl, 150 Vernehmungen allein im Hintergrund,

im Vorfeld schon mal Hausdurchsuchungen,

bis sich das Ganze dann konzentriert hat, auch nicht zuletzt auf Peter S.,

der jetzt angeklagt worden ist, ehemaliger Neonazi der Saluias Szene.

Und die Verhaftung, die gab es dann im April 2022.

Und seitdem sitzt Peter S. in Untersuchungshaft bzw. ist jetzt angeklagt in Koblenz.

Ja, Peter S., das ist dieser Mann, der angeblich damals auf einer Grillparty

ganz offen davon erzählt hat, oder vielleicht muss man sagen,

damit geprahlt hat angeblich, dass er das gewesen ist.

Du begleitest den Prozess ja auch, ne?

Wie ist denn da jetzt der Stand?

Also wir haben am 16. November den Auftakt gehabt mit der Anklageverlesung

und natürlich auch der Strategie der Verteidigung.

Die sagt, dass er unschuldig sei, dass er das weder gesagt habe, noch dass er es gewesen sei.

Wir werden in sachlicher Art und Weise die Sachen aufklären und haben ein Programm.

Insofern ist ja auch schon angekündigt, dass sich der Beschuldigte einlässt zur Person

und dann zur Sache, also es wird ein sachliches Verfahren aus Sicht der Verteidigung.

Aber Ziel ist Freispruch.

Der Generalbundesanwalt sieht das anders.

Er hält die Beweislage eigentlich für ausreichend.

Wir haben mit der heute hier verlesenen Anklageschrift

dem angeklagten Progeworfen diesen Anschlag als Täter durchgeführt zu haben

und werfen ihn weiter vor aus fremdenfeindlichen und rechtsextremistischen Motiven gehandelt zu haben.

Er hat sich daher nicht nur wegen Brandstiftung und Todesfolge,

sondern auch wegen Mordes zu verantworten.

Hinsichtlich der weiteren Personen, die zur Tatzeit in diesem Gebäude sich aufhielten

und sich über die Feuerleiter, über die Fenster und auch Balkone in Sicherheit bringen konnten,

steht im Raum der versuchte Mord.

Seit November nun die Beweisaufnahme sprich.

Es werden sehr, sehr viele Zeuginnen und Zeugen geladen.

Es wurden die gesamten alten Akten mit einbezogen, die es noch gab in diesem Fall in die neuen Ermittlungen.

Und wir sind sozusagen jetzt potionsweise nach vorne geschritten.

Also zuerst einmal das Brandgeschehen ganz detailliert und auch Samuel Jeboa nochmal ganz detailliert.

Was ist da passiert? Wer war das? Wie waren die Zusammenhänge? Was sind die Lücken? Was wissen wir heute?

Und dann ging es um eigentlich die Aussage gegen Aussage der Hauptbelastungszeugin,

das Diana K. und eben Peter S., der diesen Grillabend durchaus in Erinnerung dann wieder hatte.

Ah, okay, das sagt er schon, dass er da war.

Die Abläufe, das sagt er natürlich sein Anders gewesen.

Er sagt nämlich, ja, ich war auf diesem Grillabend und da habe ich Diana K. auch zum ersten Mal gesehen,

sagt sie übrigens auch, sie kannten sich vorher nicht.

Und einer aus dem alten Kollegenkreis hätte urplötzlich gesagt, sag mal Peter, du weißt doch, wer das war.

Damals in Salui beim Brandanschlag, du könntest ja doch die Belohnung abholen.

Also jemand hätte ihn provoziert, das sei angeblich der Grillabend-Gastgeber gewesen, der das zu ihm gesagt hätte.

Und ihm wäre das unangenehm gewesen, er hätte dann einen Scherz gemacht und irgendwie das Ganze abgewiegelt.

Und damit wäre die Sache durch gewesen, so seine Darstellung von diesem Grillabend.

Was die Nebenklage dann auch formuliert, die sagt, die ist absolut glaubhaft, diese Aussage von Diana K.

Und die Einschätzung gibt, dass es auch wichtig ist, und das ist ja auch eigentlich für diesen Prozess Ausschlag geben,

dass es wichtig ist, dass wir nicht nur hier wegen der Wahrheitsfindung sind, in diesem einen Mordfall rausfinden wollen,

ob Peter es nun das war oder nicht, ob er es getan hat oder nicht, sondern dass wir einen viel größeren Prozess anstoßen, des Nachdenkens.

Dieser Prozess ist nicht nur wichtig für unsere Mandantinnen und Mandanten, damit dieser Brandanschlag aufgeklärt wird.

Sprich also, wie gehen wir mit Betroffenen von solcher Gewalt um, damals wie heute?

Wo liegt die politische Verantwortung? Es soll ja jetzt auch einen Untersuchungsausschuss geben im Saarländischen Landtag zu diesem ganzen Fall Samuel Jeboa.

Und weil es jetzt die erste Chance ist, die 90er Jahre, die nicht nur die Baseballschlägerjahre waren,

sondern auch die Molotow-Cocktailjahre aufzuarbeiten, hinzuschauen, die Prozesse nachzuholen, die nach Heuerswerda, Rostock-Lichtenhagen

und jedem einzelnen Brandanschlag in Ost- und Bestdeutschland nicht geführt worden sind.

Also diese ganzen Themen werden da immer wieder von uns mit bearbeitet und das entwickelt sich eigentlich permanent fort

und es sind ja noch ein paar Tage. Wir rechnen so mit einem Urteil vielleicht nach den Sommerferien.

Ich finde, wenn man diesen Fall so hört, weckt das ein bisschen Erinnerungen bei mir zumindest an den NSU.

Auch da galt es auf zu klären, warum Menschen gestorben sind und es ging um einen Versagen bei Ermittlungen.

Man sagt ja manchmal, dass die Behörden auf dem rechten Auge blind waren, also dass da nicht genug hingeschaut wurde in die rechte Szene.

Dieser Fall zeigt eigentlich ganz klar, dass, wenn wir nach Saloon nochmal gehen, Ende der 80er Jahre dort schon eine rechte Szene,

wenn auch klein, durchaus bekannt war, die haben auch Interviews gegeben, die haben sich positioniert, die haben so richtig dieses,

ich sage mal, Baseball-Schläger da sein vorweggenommen, das war schon relativ gut erkennbar, auch öffentlich und auch in den Medien.

Und trotzdem hat sich dann erst mal gar nichts getan. Es gab immer wieder Auseinandersetzung und dann Anfang der 90er gibt es den ersten Toten.

Und dann erst langsam, das liegt beispielsweise auch ein Innenausschussprotokoll aus dem Jahr 92 da,

langsam erst wird klar, oh, wir haben doch einige Menschen dort in Saloon und auch im Saarland die rechte Gewalt verüben,

ein Jahr nach diesem Vorfall, nachdem es hier und da immer mal wieder Brände gegeben hat, Ausschreitungen, Schlägereien,

es gab verschiedene Rohrbomben, Versuche zum Teil und das Ganze zieht sich über einen längeren Zeitraum.

Also das ist durchaus eine Bewegung, die erkennbar war, durchaus Vorfälle, die wirklich auch Terror gesät haben,

vor allen Dingen für Menschen, die geflüchtet waren, die ihren Alltag versucht haben, irgendwie in Griff zu bekommen

und die haben schlicht und ergreifend Angst um ihr Leben gehabt.

Das hat sich verändert, da ganz klar sich zu positionieren als Behörden, als Ermittlungsbehörden, als Strafverfolgungsbehörden,

aber auch in der Politik und zu sagen, so nicht, wir werden dagegen vorgehen, ihr werdet hier nicht tun und lassen können,

was ihr wollt aus eurem Rechtsextremen Gedankengut heraus, das ist relativ neu.

Jochen, danke, dass du uns davon erzählt hast.

Gerne.

Das war unsere Folge für heute hier bei 11km der Tagesschau-Podcast.

Wenn ihr Feedback habt, dann schreibt uns gerne an 11km at tagesschau.de.

Jochen Marmit hat zusammen mit Lisa Kauser und Thomas Gerber ein Podcast gemacht über den Fall,

über die Hintergründe, über Samuel Jeboa selbst und über die ganzen Ermittlungen damals.

Da kommen noch neue Folgen, denn der Prozess läuft ja noch, die bisher neueste Folge heißt Aussage gegen Aussage.

Da geht es um diese zentrale Grillparty und wie vor Gericht verhandelt wird, ob da auf dieser Party der entscheidende Satz gefallen ist.

Die Links zu dem Podcast findet ihr in den Shownotes.

Uns, FKM, gibt es in der AID-Audiothek und überall sonst, wo ihr Podcasts hört.

Autor dieser Folge ist Hans-Christoph Böhringer.

Mitgearbeitet hat Stefan Beutting.

Produktion Konrad Winkler, Eva Erhardt, Alexander Gerhardt, Simon Schuling und Florian Teichmann.

Redaktionsleitung Lena Göttler und Fumiko Lipp.

FKM ist eine Produktion von WR24 und NDR-Info.

Mein Name ist Victoria Michalsack.

Wir hören uns morgen wieder. Tschüss!

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Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, zu Beginn der 1990er Jahre erlebt Deutschland eine Welle von Hass gegen Geflüchtete in nie dagewesener Form. Die bequeme Erzählung: Der Osten hat ein Neonazi-Problem. Doch diese Art der Gewalt gibt es längst auch im Westen. In der Nacht, als in Saarlouis ein Brandanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft verübt wird, können sich fast alle retten, einige werden verletzt, doch ein Mensch stirbt. Samuel Kofi Yeboah, 27 Jahre. Die Polizei ermittelte, wie wir heute wissen, nicht gründlich. Politik, Gesellschaft: es scheint so - als hätte damals niemand so richtig Interesse daran gehabt, herauszufinden, was wirklich geschah und wer dafür verantwortlich ist. Jochen Marmit vom Saarländischen Rundfunk bei 11KM der tagesschaupodcast über einen Prozess, der vielleicht einen rechtsradikalen Täter überführt aber mit Sicherheit zeigt, wie gefährlich blind Politik, Justiz und Gesellschaft auf dem rechten Auge waren und was sich zum Guten verändert hat.



Jochen Marmit hat zusammen mit Lisa Krauser und Thomas Gerber einen Podcast gemacht über den Fall, über die Hintergründe, über Samuel Yeboah selbst, und über die ganzen Ermittlungen damals:

https://www.ardaudiothek.de/sendung/der-fall-yeboah-rassismus-vor-gericht/12080613/



An dieser 11KM-Folge waren beteiligt:

Autor: Hans Christoph Böhringer

Mitarbeit: Stephan Beuting

Produktion: Konrad Winkler, Florian Teichmann, Eva Erhardt, Alexander Gehardt und Simon Schuling

Redaktionsleitung: Fumiko Lipp und Lena Gürtler

Host: Victoria Michalczak

11KM: der tagesschau-Podcast wird produziert von BR24 und NDR Info. Die redaktionelle Verantwortung für diese Folge liegt beim NDR.