NZZ Akzent: Mohammed Deif: das Hamas-Phantom

NZZ – täglich ein Stück Welt NZZ – täglich ein Stück Welt 10/17/23 - Episode Page - 14m - PDF Transcript

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NZZ-Aktzent

Wir haben uns den Militärschiff der Hamas

übermorgen des siebten Okkords getroffen.

Wir hören Mohamed Dave, den Militärschiff der Hamas,

wie er am Morgen des siebten Okkords den Angriff auf Israel verkündet.

Und was sagt er genau?

Die Hamas habe in den ersten 20 Minuten des Angriffs

5.000 Raketen auf Israel abgefeuert,

seine Flughäfen und Militäreinrichtungen,

um an diesem Tag der Großen Revolution zu sagen,

der Besatzung ein für allemal ein Ende zu setzen.

Und Nizami, den Fassl, den Unser, den Afeer, den Al-A'ala.

Interessant dabei ist, dass man Mohamed Dave

in dem Video selber gar nicht richtig sieht.

Man sieht nur seinen Umriss im Gegenlicht.

Man sieht sein Gesicht nicht.

Und das ist schon seit Jahrzehnten so.

Es gibt ein einziges Foto von Mohamed Dave, was öffentlich bekannt ist.

Schon seit 20 Jahren wird er von den israeligen Jagd.

Es gab immer wieder Anschläge, aber es ist ihm nicht gelungen.

Er ist wie ein Phantom.

Mohamed Dave ist nur einer der vielen Köpfe der Hamas.

Doch als Militärchef gilt er als Hauptverantwortlicher

hinter dem Angriff auf Israel, erzählt Auslandredaktor Ulrich Schwerin.

Ich bin Sebastian Panholzer.

Ulrich, du sagst, er ist so das Phantom der Hamas.

Was weiß man denn über ihn?

Ja, sehr viel ist nicht bekannt.

Es heißt, er ist geboren 1965

in einem Flüchtlingslager im Süden des Gazastreifens.

Seine Familie ist wie die allermeisten Bewohnern

dieses Küstengebiets vertrieben nach der Gründung Israel 1948

aus anderen Regionen.

Und das ist auch der Fall,

dass die Gründung Israel 1948 aus anderen Regionen im Süden des Landes

und sie leben dort in diesen Flüchtlingslagern

unter höchst prekären Umständen.

Es gibt immer wieder Ratschen der israelischen Armee,

die dieses Gebiet zu dieser Zeit besetzt hält.

Es wird immer wieder die Versorgung abgeschnitten.

Es ist höchst prekärt, die Bedingungen der Menschen dort.

Und dort wächst Mohamed Dave dann auf?

Genau, dort wächst er auf.

Heißt zu diesem Zeitpunkt noch Mohamed Tadi ab Ibrahim Al-Mas,

die so nennt er sich, so ist sein Geburtsname tatsächlich.

Wie genau er da aufwächst, was er da tut,

man weiß es eigentlich nicht.

Bekannter ist aber, dass er sich mit Mitte 20 der Hamas anschließt.

Das ist Ende der 80er-Jahre.

Die Hamas ist da gerade gegründet worden.

1987 während der ersten Intifader.

Das heißt?

Die erste Intifader war der Aufstand der Palis-Nensah,

Ausgehend vom Gaza-Streifen gegen die israelische Besatzung.

Und die Hamas entsteht da aus dem palis-Nensischen Ableger

der Muslimbruderschaft,

einer islamistischen Bewegung mit Ursprung in Ägypten.

Und der Name der Hamas bedeutet auf arabisch Eifer,

ist aber auch eine Abkürzung, die steht für islamische Widerstandsbewegung.

Und ihr Ziel ist es, das ist in der Gründungsdokument vermerkt,

ganz klar die Zerstörung des jüdischen Staates.

Und wenn du sagst, Mohammed Dave, er schließt sich den Hamas an,

dann geht er voraus, er kann sich mit diesem Ziel identifizieren.

Absolut, für ihn steht der bewaffnete Kampf gegen Israel

von Anfang an im Vordergrund.

Auch gezielte Angriffe auf Israeli, Zivilisten wie Soldaten

ist für ihn ganz klar Teil der Strategie.

Und er steigt dann auch schnell auf in der Hamas und erlebt fortan im Untergrund.

Er ändert auch seinen Namen und ist fortan bekannt,

unter dem Decknamen Mohammed Dave, wobei Dave auf arabisch Gast bedeutet

und wo er darauf anspielt, dass er eben ständig den Ort wechselt

und immer wieder zu Gast ist bei unterschiedlichen Familien,

die ihm Unterschlupf bieten.

Und er wird da beschrieben von Leuten, die ihn kennen, als sehr ruhig,

aber eben entschlossen für ihn steht.

Die Sache immer im Vordergrund, er hat keinen Interesse an so internen Flügel kämpfen.

Für ihn geht es eben um den gewaltsamen Kampf gegen Israel.

Und dann, wie geht es mit Mohammed Dave weiter?

Es ist eben die 90er Jahre und ein prägendes Ereignis ist dort 1993

der Abschluss der Osloer Verträge zwischen der paläso-nensischen

Befreiungsbewegung von der Yassir Arafat und Israel.

Diese Osloer Verträge sehen die Gründung letztlich von zwei Staaten vor,

also einen paläso-nensischen neben einem israelischen Staat.

Und die Hamas lehnt das ab.

Sie lehnt ab jede Verhandlung mit Israel,

sie lehnt jede Kooperation mit Israel ab.

Für sie ist Israel der Feind und sie will einen paläso-nensischen Staat

aber vor mehr bis an den Jahr dann also keine Co-Existenz,

sondern eben die Zerstörung Israels.

Was macht Mohammed Dave genau bei der Hamas?

Für ihn steht eben dieser bewaffnete Kampf gegen Israel im Vordergrund

und er ist führend beteiligt daran, die Strategie der Selbstmordattentate auszuarbeiten,

die damals in den 90er Jahren in Israel für Schrecken sorgen.

Er ist auch führend beteiligt, so heißt es am Aufbau des Raketen-Asenals mit iranischer Hilfe.

Und er gilt auch als der Kopf hinter dem Ausbau dieses Tunnelsystems,

was sich heute auf Hunderten von Kilometern unter dem Gaserstreifen entlangzieht

und halt den Hamas-Kämpfern unter Schlupf bietet.

Und das erklärt eben auch, warum er dann schnell in den Fokus der israelischen Geheimdienste gerät

und die über die Jahre immer wieder versucht ihn umzubringen.

Das heißt?

Ab 2001 gibt es eigentlich immer wieder Angriff auf ihn, wo Israel versucht ihn zu eliminieren, so auch 2002.

Damals hat ein israelischer Helikopter eine Rakete abgefeuert auf das Auto,

in dem er Mohammed Dave und ein anderer Hamas-Führer im Gaserstreifen unterwegs ist.

Die Rakete trifft das Auto und das Auto explodiert.

Aber ihm gelingt es im letzten Moment noch schwer verletzt, aus diesem brennenden Wagen zu kriechen.

Er verliert einen Auge, aber er überlebt.

Wir sind gleich zurück.

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Was macht er dann nach diesem Angriff?

Von dem Anschlag lässt er sich nicht unterkriegen.

Er bleibt weiter in der Hamas aktiv und spielt dort eine wichtige Rolle.

2006 gibt es dann ein wichtiges Ereignis.

Es kommt zu erster und letztlich auch einzigen Parlamentswahl bei den Palästinensern.

Die Hamas entscheidet sich an der Wahl teilzunehmen und wird auch stärkste Kraft.

Doch die regierende Vatachpartei, die Teil der palästinensischen Befreiungsbewegung,

akzeptiert ihren Wahlsignich, will die Macht nicht abgeben.

Im Jahr darauf kommt es dann zum Bürgerkrieg im Gasastreifen.

Die Hamas setzt sich letztlich durch, vertreibt die Vatach aus dem Gebiet

und übernimmt dann selbst dort die Macht.

Das hat einsteigende Folgen für die Bevölkerung dort,

denn Israel und Ägypten verhängen gemeinsam eine Blockade über das Gebiet.

Und diese Blockade dauert letztlich bis heute an.

Sie hat die Entwicklung des Gebietes massiv behindert,

also Zufuhr von Lebensmitteln und auch vom Baumaterial, von Treibstoff.

Es ist sehr eingeschränkt, wird auch immer wieder ganz blockiert.

Auch bei Wasser und Strom ist der Gasastreifen eben von Israel abhängig

und viele Organisationen bezeichnen das Gebiet heute eigentlich als riesiges Freiluftgefängnis.

Und in diesem Freiluftgefängnis regiert die Hamas autoritär repressiv mit harte Hand

und immer wieder kommt es deshalb zu Kriegen mit Israel 2008 das erste Mal

und seitdem eigentlich alle paar Jahre wieder.

Und Mohammed Dave, was ist mit ihm, was passiert mit ihm?

Mohammed Dave ist als Militärchef der Hamas Führer bei diesen Kriegern beteiligt

und deshalb versucht die israelische Mail immer wieder, ihn zu eliminieren.

So auch Zuge des Krieges 2014, als die Armee einen Angriff auf ein Haus fliegt,

in dem Mohammed Dave vermutet wird, das Haus wird in Trümmer gelebt.

Es sterben seine Frau und auch zwei seiner Kinder.

Aber Mohammed Dave, er überlebt wieder?

Genau, Mohammed Dave überlebt diesen Angriff

und 2021 im Mai kommt es dann zum vorerst letzten Krieg auch da versucht

für die israelische Armee zweimal innerhalb von nur einer Woche Dave zu eliminieren

aber auch dieses Mal entkommt er ihnen.

Und ja, heute, man sagt, er sitzt im Rollstuhl, er kann sich nicht mehr bewegen.

Das heißt, er hat nur noch einen Arm, auch beide Beine soll er verloren haben.

Aber er bleibt weiterhin der Chef des Militäres der Hamas.

Ulrich, du sagst, Israel versucht seit 20 Jahren Mohammed Dave immer wieder zu eliminieren

und dass er nur einer von vielen Köpfen der Hamas ist.

Ich gehe mal davon aus, er ist nicht der Einzige, auf den immer wieder Anschläge verübt werden.

Ja, es ist nicht nur so, dass Israeli versuchen ihnen unzubringen,

sondern es gibt auch Anschläge, Angriffe auf andere.

Führer der Hamas, mehrere von ihnen werden auch über die Jahre getötet,

so auch der ursprüngliche Gründer der Hamas im Jahr 2004.

Aber es gilt letztlich bei der Hamas das Prinzip der kollektiven Führung.

Also es gibt nicht nur den einen Führer, der für alles verantwortlich ist,

sondern es ist aufgeteilt, es gibt verschiedene Köpfe.

Und die Struktur der Hamas ist komplex, ganz oben steht das Politbüro der Hamas mit 15 Mitgliedern

und darunter gibt es verschiedene Abteilungen für Soziales, für Politik und für Militär.

Und dieser militärische Arm, das sind die Kasambrikaden

und diesen Kasambrikaden steht Mohammed Dave vor bis heute.

Und das ist eben auch ganz bewusst so gewählt, diese Struktur,

dass der Tod eines einzelnen Führers nicht die gesamte Struktur gefährdet.

Das heißt aber auch, dass ein Tod von Mohammed Dave die Hamas jetzt nicht wirklich schwer treffen würde, oder?

Würde es Israel jetzt gelingen, Mohammed Dave endlich zu eliminieren,

dann wäre das sicher ein symbolischer Erfolg für Israel.

Aber es wäre wohl nicht fatal für die Hamas, es wäre ganz gewiss nicht das Ende der Kasambrikaden.

Und nach diesem brutalen Angriff auf Israel scheint es,

als wenn Mohammed Dave genau das erreicht hat, was er immer wollte,

ein friedliches Arrangement mit Israel ist heute undenkbar.

Lieber Ulrich, vielen Dank für dein Besuch im Studio.

Ja, ich danke euch.

Das war unser Akzent. Produzent dieser Folge ist Simon Schaffer.

Ich bin Sebastian Panholzer.

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Copyright WDR 2021

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Er gilt als treibende Kraft hinter dem Einsatz von Selbstmordattentätern, hinter den Tunneln und dem Raketensystem der Hamas in Gaza. Mohammed Deif versteckt sich seit über zwanzig Jahren vor der Vergeltung der israelischen Geheimdienste.

Gast: Ulrich Schwerin, Auslandredaktor

Host: Sebastian Panholzer

Produzentin: Simon Schaffer

Weitere Informationen zum Thema: https://www.nzz.ch/international/nahost-mohammed-deif-kopf-hinter-dem-hamas-terrorangriff-ld.1759966

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