Lage der Nation - der Politik-Podcast aus Berlin: LdN341 Spezial: Steffi Lemke, Umweltministerin

Philip Banse & Ulf Buermeyer Philip Banse & Ulf Buermeyer 6/29/23 - Episode Page - 58m - PDF Transcript

Herzlich willkommen zur Lage der Nation zu einer unserer beliebten Sommerfolgen.

An den Mikrofonen begrüßen euch wie in jeder Woche oder wie im Sommer etwa alle zwei Wochen

Ulf Bohrmeier, das bin ich, Juristas Berlin und Philipp Hansel. Ich bin Journalist in Berlin.

Ja, ganz herzlich willkommen auch von mir zu unserer Sommerfolge. Ein ausführliches Interview,

wie angekündigt, bevor es losgeht, aber noch ein Hinweis. Und zwar steht im Herbst

tatsächlich mal wieder eine Lage live an. Das haben wir jetzt eine Weile nicht gemacht und

für die, die das nicht kennen, bedeutet das. Ulf und ich sitzen auf der Bühne neben einem

Podcast auf, so wie wir das jede Woche eigentlich machen, wenn die gerade Sommerpause ist. Anschließend

gibt es die Möglichkeit Fragen zu stellen, wir antworten und danach gibt es dann die Möglichkeit,

uns zu unterhalten, mit euch zu treffen, bei einem Kaltgetränk. Genau, in der Lobby. Und dieses Mal

findet das statt am 19. Oktober in Frankfurter Main, und zwar am Rande der dortigen Frankfurter

Buchmesse. Ganz wichtig, ihr braucht keine Messe-Tickets, um zur Lage live zu kommen, aber

ihr braucht natürlich ein Ticket für die Lage.live. Und das könnt ihr euch ab sofort klicken

unter Lage.live. Gibt einfach einen in eurem Browser. Lage.live, die Tickets sind online zu haben.

Und damit würde ich sagen, steigen wir ein in unser Interview. Gast ist heute, hätte ich fast

gesagt, aber wir sind zu Gast, muss ich korrekterweise sagen, bei Steffi Lemke. Sie ist Bundesministerin

für Umwelt, Naturschutz, Nukleare, Sicherheit und Verbraucherschutz. Ganz herzlich willkommen,

Frau Lemke in der Lage der Aktion. Schön, guten Tag an Sie beide. Ja, Steffi Lemke, Sie sind im

Januar 1968 in Dessau geboren. Das heißt, also in der damaligen DDR, Sie waren beim Fall der

Mauer auch schon 21 Jahre alt. Das heißt, die haben die DDR noch sehr bewusst erlebt, die Süddeutsche

Zeitung schreibt, sie wollten damals eigentlich Landschaftsplanung studieren. Bevor wir gleich zu

ihrer politischen Arbeit hier im Bundesumweltministerium kommen, würde uns interessieren, welche

Erfahrungen haben Sie denn da so in der DDR gemacht, von denen Sie sagen würden, dass Ihre

politische Arbeit vielleicht sogar heute noch prägen? Sie kommen ja auch aus der Umweltbewegung in

der DDR. Naja, wir hatten ja gravierendste Umweltverschmutzung in der DDR und ich bin in Dessau

aufgewachsen, das haben Sie gesagt. Dort an Mulde und Elbe, das waren quasi die Abwasserkanäle des

Chemie 3X, Bitterfeld, Buna, Leuna, die dort insgesamt geballt produziert haben und der

Dreck irgendwo hin musste. Und das hat meine Kindheit starke Projekt, die Umweltverschmutzung,

die dort greifbar gewesen ist. Sie hatten Schaumkämmer auf der Mulde, es gab Luftverschmutzung

in der DDR, wir wussten, dass industrielle Landwirtschaft ein Problem ist und das hat mich

ab irgendwann dazu gebracht, mich mit den ganzen ökologischen Themen auseinanderzusetzen. Meine

Mutter war Biolärerin, die hat da sicherlich auch ihren Anteil dran und dann habe ich so 88

rum eine Gruppe in Dessau kennengelernt und bin in die eingetaucht, die sich mit Stadtgestaltung,

mit Verkehrsplanung, mit dem jüdischen Erbe in Dessau beschäftigt haben. Und das war sozusagen die

Widerstandsgruppe dann in meiner Heimatstadt und das war für mich das erste politische Engagement.

Aber das war ja auch zum Ende der DDR nicht ganz risikofrei dieses Engagement?

Definitiv nicht. Umweltpolitik ist verboten gewesen, wenn ich es so ausdrücken darf. Das heißt, diejenigen,

die alleine nur Umweltdaten erhoben haben, die sind teilweise von der Stasi beobachtet,

verfolgt worden, sind Repressalien ausgesetzt gewesen. Diese Gruppe wurde auch, haben wir

später erfahren, von der Stasi beobachtet. Das heißt, es gab auch dort ein IM. Und das war

sicherlich bei mir so, weil ich relativ jung war und nicht der Kopf dieser Gruppe gewesen bin,

dass ich daraus keine negativen Folgen hatte. Aber man hatte mir vorher zum Beispiel schon den Zugang

zum Abitur verwehrt. Und ja, es waren Zeiten, wo Umweltschutzpolitik schwierig gewesen ist,

gefährlich gewesen ist durchaus. Und es tut mir leid, dass das immer, wenn über die Bürgerrechtsbewegung

in der DDR gesprochen wird, über die friedliche Revolution gesprochen wird, völlig hinten runter fällt.

Ich hatte mal auf Twitter eine Nachfrage, was Umweltbewegung in der DDR hat es das gegeben

und sehr gut dokumentiert, was damals alles gemacht wurde. Umweltbibliothek ist vielleicht das

bekannteste. Das war ein relevanter Bestandteil. Da gibt es immer eine Kirche in den Konserverwerken.

Nicht nur dort, es gab mehrere. Die Umweltbibliotheken in Berlin und anders, wo quasi als

Kristallisationskerne auch der Opposition in der Schlussphase der DDR, sie haben gerade schon

geschildert, wie sie sich da engagiert haben, eben für Umweltschutz, für Naturschutz. Wie sind

sie denn dann eigentlich zu den Grünen gekommen? Oder vielleicht müsste man an der Stelle mal

präziser sagen, dass die Partei eigentlich Bündnis 90, die Grünen heißt? Oh je, oh je, das war

jetzt ganz falsch. Oder jedenfalls mal hieß. Nein, nein, nein, die Partei hieß Grüne Partei der DDR.

Ah, okay. Das heißt, wir klären jetzt gerade noch ein paar Wissenslücken. Das ist ganz großartig.

Das ist doch schön. Also für mich war klar, 88, neues Forum oder irgendwie eine Umweltbewegung.

Und es gab dann die Grüne Liga. Es gab beim Kulturbund der DDR die Umweltgruppen, die sich dort

gesammelt hatten. Es gab eine lange Diskussion. Bleibt man Bewegung oder wird man Partei? Und ich

fand es damals sofort richtig, Partei zu werden in dieser Zeit der runden Tische. Und dann hat

sich schon im Herbst 89 die Grüne Partei der DDR gegründet. Die ist dann und auch das fällt

bei meiner Partei manchmal hinten runter, muss man dazu sagen, bereits im Jahr darauf mit den

Grünen im Westen verschmolzen. Und erst 94 kam dann der andere Teil der Bürgerrechtsbewegung

zur Partei dazu. Ah, das heißt, dieses sogenannte Bündnis 90 ist quasi gar nicht das die einzige

Bewegung aus der DDR, die irgendwann mal mit den Grünen verschmolzen, sondern viel früher ist

schon die Grüne Partei der DDR dazugekommen, von der sie gerade sprachten. Genau. Und auch das

Bündnis 90 waren ja verschiedene Gruppierungen. Da war ja die Frauenrechtsbewegung mit dabei,

neues Forum Demokratie jetzt. Und das war dann die Vereinigung 94. Aber diese Gruppe,

Grüne Partei der DDR und Bündnis 90, die haben von 1990 bis 94 quasi die Stange im Bundestag

hochgehalten, weil die Westgrünen herausgeflogen waren. Man hört das schon, Sie sind sehr vertraut

mit dieser Zeit, denn Sie waren eben damals schon, Sie haben es angedeutet, politisch aktiv.

Unter anderem wurden Sie ja auch schon relativ früh, nämlich 1994, als eine von drei Ostdeutschen

Grünen in den Deutschen Bundestag gewählt. Wie haben Sie diese Zeit erlebt? Das war schon krass,

weil die Ost-West-Diskussionen damals sehr, sehr dominant gewesen sind, beziehungsweise es war eine

westdeutsche Politik. Es war die Bonner Republik, in die wir Paar Ossis eingetaucht sind, mit völlig

anderen Biografien, völlig anderen Erfahrungshorizonten, von denen aber niemand was wissen wollte. Und das

war die eine sicherlich sehr prägende Geschichte und dann die Frage, wie sich die Grünen im Bundestag

damals aufgestellt haben und sich auch in dieser Legislaturperiode sehr, sehr konzentriert auf

Regierungsbesteiligung vorbereitet haben, was ja dann 1998 auch eingetreten ist. Das war die erste

rot-grüne Regierung ja mit Gert Schröder als Bundeskanzlerin. Da sind Sie ja, heute sind Sie

Ministerin. Stimmt. Das ist ein ganz schöner Weg. Wie haben Sie das erlebt? Wie würden Sie das so

Ihre Karriere, wenn Sie da so zurückgucken bis hierhin, von einer noch jugendlich inspirierten

Umweltaktivistin in der DDR, dann mit 26 im Bundestag gewählt, eine von drei Ossis, dann bei

den Grünen auch aktiv in der Partei, jetzt Ministerin, das ist ja keine lineare Karriere,

wenn Sie die als steinig, als Machtkampf, als Kampf gegen Vessis beschreiben, was ist so der

prägende, oder auch gegen Patriarchat? Was ist so der prägende Attribut für den Weg, den Sie

zurückliegt haben? Ich befürchte, dass ich Sie da jetzt leider enttäuschen muss, weil ich in der

Regel keine Zeit habe, über so was nachzudenken. Aber hier wäre eine Gelegenheit. Vielleicht später

mal. Man muss vielleicht noch ergänzen, das ist ja nicht nur Umweltaktivismus gewesen,

das war selbstverständlich Widerstand gegen den Staat. Das war im allerbesten Sinne Kampf um

Freiheit, um Freiheitsrechte und da ging es auch nicht darum, ins Ausland reisen zu dürfen, sondern

wir wollten uns selbst ermächtigen, wir wollten uns von einer Staatsmacht, einer Diktatur unser

Leben nicht länger vorschreiben lassen, mit gefälschen Wahlen, das war ja damals schon bekannt,

deshalb war es wirklich Kampf um Freiheit, um Demokratie, um freie Wahlen und das hat mich

zutiefst geprägt. Das auf jeden Fall, also 89 wird für mich immer, die friedliche Revolution wird

für mich immer das Entscheidende, dass Einschneidende politisch Ereignis bleiben. Und das prägt,

weil man natürlich gegen den Staat aufgetreten ist, angetreten ist und die Staatsmacht bekämpft hat,

dass in einer Revolution mündete, die die gesamte Gesellschaft ergriffen hat. Das war ja nicht der

Beginn der friedlichen Revolution, sondern das Ende der friedlichen Revolution dann, dass die

gesamte Gesellschaft aufgestanden ist und das hat vielleicht, wenn sie nach bringenden

Elementen Fragen zumindest dazu geführt, dass sich mit dem Respekt vor Gott gegebenen oder

Gott erschienenen Gewalten, die sich selber ernannt haben, das ist ja die DDR-Führung gewesen,

dass wir erlebt haben, wir erfahren haben in der DDR, dass das veränderbar ist. Was für eine

Macht, was für eine Gewalt das entfalten kann, wenn man dort gemeinsam mit den richtigen Partnern

und mit den richtigen Zielen und Mut, das ist vielleicht auch ein bisschen untergegangen mit

Mut für diese Dinge eintritt. Werbung. Bei Klimaschutz, Datenschutz, Fairness, Transparenz und

echt menschlichem Service, da denkt man an viele Sachen, nur nicht an Mobilfunk, bis jetzt. Denn

Weetel macht Mobilfunk fair, sauber und menschlich. Weetel vermeidet wo immer möglich Emissionen

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Bei Weetel kommt der Schutz eurer Daten immer vor den Geschäftsinteressen. Weetel wird von

sich aus niemals Kunden und Kundendaten zu Werbezwecken missbrauchen oder sonst wie

zu Geld machen. Und das Wichtigste, Weetel begegnet euch auf Augenhöhe und behandelt euch nicht wie

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keine versteckten Kosten und wenn es Tarif Upgrades gab, dann haben die bisher nicht nur

neue Kunden und Kundinnen bekommen, sondern alle. Checkt es selber aus unter weetel.de oder ruft

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Ausbau von Solarenergie. Wir kommen am Ende noch mal, haben wir uns noch mal aufgeschrieben auf

diesen Aspekt Ost-West. Was bedeutet das für die Politik zurück? Würden jetzt aber erst mal kurz

auf so ein paar sommerpolitische Felder blicken. Ja und zwar ein Feld, das im vergangenen Sommer ja

die Schlagzeilen in Deutschland bestimmt hat, wo sie auch sehr präsent waren. In den Medien war

das Fischsterben in der Oder im Sommer 2022. Die Oder ist ja der Grenzfluss zwischen Deutschland

und Polen über Weitestrecken. Dort sind Hunderte von Tonnen Fischen tot aus dem Fluss geborgen worden.

Es gab also ein massenhaftes Fischsterben. Ist inzwischen eigentlich klar, woran das lag?

Ja das ist klar und es ist auch gut, dass die polnische Seite und die deutsche Seite zwar in

getrennten Kommission gearbeitet hat, aber das gleiche Ergebnis identifiziert haben. Das heißt,

drei Faktoren, die zusammengekommen sind. Hohe Temperaturen im Wasser, niedrige Wasserstände,

eine Alge, die Goldalge, die dort normalerweise nicht hingehört, weil sie eine Brackwasseralge ist,

also auf salziges Wasser angewiesen ist und eben Ableitungen aus der Industrie, Bergbauindustrie,

wahrscheinlich Kupferindustrie in Polen, die dann die Wachstumsbedingungen für diese Alge

so gestaltet haben. Das ist eine explosionsartige Algenwachstum gab, die ein Gift absondert,

was dann für Fische und auch für Muscheln und anderer Lebewesen dort tödlich toxisch gewesen ist.

Jetzt wurden ja wieder Fische, tote Fische in der Oder gefunden. Ist dieses Problem noch da? Ist das

gebannt? Es ist definitiv da und wir laufen möglicherweise sehenden Auges im Moment in die

Wiederholung dieser Katastrophe. Wirklich, ja, in vollem Ausmaß? Im vollem Ausmaß, man müsste

jetzt ja zynischerweise möglicherweise sagen, es sind nicht mehr so viele Fische da, aber von den

Abläufen und von der Dimension her könnte es eine Wiederholung sein, ja. Warum? Warum hat man

nicht gelernt und Maßnahmen ergriffen? Man hat gelernt, man hat sehr viel gelernt. Im letzten August

wussten wir ursprünglich nicht, was es mit dieser Alge auf sich hat. Das hat es in Mitteleuropa

vorher nicht gegeben, weil wie gesagt, diese Alge dort nicht natürlicherweise vorkommt,

eben weil sie auf salzhaltiges Wasser angewiesen ist. Die Krisenvorsorge ist verbessert worden,

das heißt, Meldeketten wurden verbessert. Wir werden früher informiert, das funktioniert. Da hat

die deutsch-polnische Zusammenarbeit etwas gebracht. Ich hatte letzte Woche bei der Oder-Konferenz

auch den Eindruck, dass die Kommunen wirklich viel, viel besser vorbereitet sind. Was zu tun

ist, wenn sich das wiederholt, das ist natürlich eigentlich schrecklich, das konstatieren zu müssen,

aber für den Fall, dass wieder eine Katastrophe auftritt, natürlich gut. Und das Problem,

was nicht gelernt wurde, ist, dass die Salzeinleitung reduziert werden müssen, wenn man eine solche

Katastrophe breiten will. Das passiert nach wie vor. Das heißt also mit anderen Worten,

die Oder, die natürlich ein Süßwasserfluss ist, wird einfach jedenfalls teilweise versalzen

von polnischer Seite. Das ist richtig, aber da muss man dazu sagen und wissen, dass das kein

polnisches Problem ist, sondern das passiert weltweit, das passiert auch in Deutschland,

das passiert in Europa, dass salzhaltige Abwässer in die Flüsse eingeleitet werden. Und man ging

bisher davon aus, dass das für die Lebewesen dort keine Probleme verursacht, das heißt ein

Fisch wird auch im Süßwasser von diesen Einleitungen nicht direkt geschädigt und das lehrt uns die

Natur jetzt gerade eines besseren. Wie gesagt, durch diese Alge, die wir in anderen Flüssen

bisher nicht haben, ich hoffe, das bleibt auch so, sonst werden wir solche Probleme auch in

anderen Flüssen noch in anderem Ausmaß haben. Und man muss dazu sagen, dass es ja auch Fischsterben

kleinere, lokalere aus anderen Anlässen herausgibt, weil unsere Gewässer zu warm werden, immer noch zu

stark verschmutzt sind und die kennen den Begriff wahrscheinlich ein See dann umkippt. Also diese

Eskalation, wie Sie richtig verstanden haben, kommen nicht dadurch, dass jetzt auf einmal salzhaltige

Abwässer eingeleitet wurden, sondern diese Kombination auch salzhaltigen Abwässern,

hohe Temperatur, begünstigtes Algenwachstum von einer Alge, die es hier noch nicht gegeben hat,

kommt zu den Fischsterben. Drei Faktoren, die zusammentreffen müssen, das heißt, wir hatten

auch im ganzen Winter über diese Salzeinleitung und die Alge, aber da wächst die dann halt nicht. Und

jetzt sind die Temperaturen da, jetzt wächst sie, deshalb ist meine große Sorge, dass ich das wieder

holt und von diesen drei Faktoren kann man halt nur an einem drehen, sprich an den Salzeinleitung. Sie

können die Temperaturen nicht runterkriegen und sie kriegen die Alge nicht wieder raus. Jetzt haben

Sie ja gerade von der Konferenz erzählt. Ich glaube, die polnische Seite hat ganz abgesagt,

wenn nicht, oder haben die noch, sind noch gekommen, oder?

Die polnische Seite war intensiv vertreten mit den Wojwodschaften, also sozusagen den lokalen

Behörden waren etliche Vertreter dabei, haben auch gute Redebeiträge dort gehalten. Die

Ministerin selber hatte abgesagt. Aber das spricht ja nicht für besondere Kooperationswillen, um

dieses Problems herzuerwerden. Ich gucke da ein bisschen ambivalent drauf. Also einerseits sehe

ich, dass auch die polnische Seite das Problem erkannt hat, nicht mehr bestreitet. Die Staatsanwaltschaft

ermittelt dort nach meinem Wissen immer noch und Frau Moskva ja gestern jetzt auch einen Krisenstab

eingerichtet hat. Also es wird, glaube ich, nicht versucht, irgendetwas zu verschleiern.

Das ist ein Fortschritt, ne? Denn das war ja am Anfang anders. Definitiv. Ich glaube, die

sind, anfangs wussten sie auch nicht, worum es geht. Sie wussten es definitiv früher als wir und

sie haben uns nicht informiert. Das habe ich auch klipp und klar kritisiert, dass sowas nicht

geht, weil wir hatten ja Meldeketten vereinbart, die sind nicht bedient worden. Das ist jetzt besser

geworden. Aber die Salzeinleitung, wie gesagt, die einzige Schraube, an der man drehen könnte,

die sind weiter da. Und was wir jetzt von Polen einfordern, ist, dass zumindest im Sommer, zumindest

bei diesen hohen Temperaturen die Salzeinleitungen runter müssen, das ist die einzige Chance,

um diese Katastrophe mindestens einzudämmen. Zum Beispiel durch Auffangbecken, dass man die dann

dosiert im Winter ablässt vielleicht. Das war ja eine Idee, von der ich mal gelesen habe. Ja,

nun gibt es ja zwischen Deutschland und Polen rund um die Oder noch im übertragenden Sinne eine

zweite Großbaustelle, die aber auch eine sehr konkrete Baustelle werden könnte, nämlich die

Frage, ob die Oder jetzt zu einer Art Wasserstraße ausgebaut wird. Also wenn man, wenn man sich das

mal anschaut zur Zeit, ist die Oder ja noch ein halbwegs unberührter Naturraum, kann man sagen.

Ich war da mal Fahrradfahren vor einer Weile. Das ist tatsächlich wunderschön. Und da möchte

die polnische Seite doch was dran ändern. Mal ganz vorsichtig gesagt, es gibt sogar eigentlich

schon ein deutsch-polnisches Regierungsabkommen dazu von 2015. Sie, Frau Lemke, kann man glaube

ich sagen, sind traditionell dagegen schon seit vielen, vielen Jahren. Was ist denn da Stand der

Dinge? Können Sie den Ausbau der Oder zur, ich sage mal, Rennbahn für Schiffe noch verhindern?

Vertiefen, mehr Strom und solche Sachen sind ja ein Problem. Können Sie da noch was machen oder

kommt das? Mir ist erstmal wichtig festzustellen, ich bin dafür, dafür, dass wir die Oder erhalten,

als einen lebenswerten Fluss, an dem sie weiter schön Rad fahren können. Aber es geht auch nicht

nur darum, dass sich Berliner erholen an der Oder oder andere Menschen erholen an der Oder, sondern

da leben Menschen am Fluss, mit dem Fluss, die angeln, es gibt dort Fischerei, es gibt lokalen

Tourismus als wirklich wichtigen Wirtschaftsfaktor. Und ich würde sagen, die Oder hat auch um

ihrer selbst Willen die Berechtigung, einen Fluss zu bleiben und nicht zu einer Wasserstraße

gemacht zu werden. Und ja, ich habe mich schon früher dafür ausgesprochen, dass die Oder nicht

ausgebaut wird, dass sie ein Fluss bleibt und nicht noch mehr Wasserstraße wird. Die Transporte,

die dort stattfinden, rechtfertigen das nicht. Die Begründung der polnischen Seite ist ja auch,

dass Eisbrecher fahren können müssen, für den Fall, dass es ein Winterhochwasser gibt. Nach

meiner Kenntnis ist das noch nie passiert, dass die Eisbrecher nicht fahren konnten. Das heißt,

es ist wie immer, wenn über Flüsse geredet wird, es werden Argumente herangezogen, warum sie

Wasserstraßen werden sollten. Und das ist, glaube ich, in Zeiten von Dürre, von Hitze, von Wassermangel,

der Situation, die wir in Spanien haben, in Frankreich, in Italien, hatten so viel Wasser,

zu wenig Wasser, sollten wir, glaube ich, den Wasseraushalt, einen im Takt Wasseraushalt wirklich

Priorität einräumen, gegenüber der Frage dort ein paar Tonnen transportieren zu können.

Vielleicht kurze Nachfrage. Wie ist der Zusammenhang zwischen dem Ausbau der Oder und dem Wasserhaushalt,

dem Grundwasser zum Beispiel?

Na generell, wenn sie Flüsse ausbauen, verändern sie das gesamte Ökosystem. Die Aue, die

angrenzt bei einem Fluss wie der Elbe zum Beispiel, die ein Sandbett hat, ist durch die Jahrzehnte

lang, Jahrhunderte lang Ausbauarbeiten der Effekt eingetreten, dass sich dieser Fluss schlichtweg

eintieft. Sie machen die Flüsse ja enger, indem sie Bohnen bauen. Dadurch erhöhen sie die

Fließgeschwindigkeit und das heißt, die Kraft, mit der der Wasserkörper auf das Sandbett

einwirkt, wird schlichtweg größer und nimmt mehr mit. Das heißt, der Fluss wird tiefer,

die Aue trocknet aus.

Also der Mitte kommt dann einfach mehr Strömung zusammen, jetzt mal untechnisch formuliert

und dann, das schneidet sich dann rein in den Sandboden.

Wo ist das?

Es wird schneller entwässert, dass das Land drum herum quasi.

Ich habe mal, das ist jetzt nicht Ministeriumssprache, aber früher, als ich nur Abgeordnete war,

habe ich mal gesagt, das wirkt wie ein Mäjorationsgraben. Da reden wir natürlich über

Jahrzehnte, das ist nicht kurzfristig, aber es sind ja dann auch massiv Flussschleifen

abgetrennt worden. Das heißt, der Flusslauf wird kürzer gemacht, man nimmt ihm Kilometer

weg sozusagen. Auch das erhöht die Fließgeschwindigkeit selbstverständlich und man muss dazusagen,

dass das an der Oder auch schon seit Jahrzehnten gemacht wurde. Das heißt, eigentlich war

der preußische Wasserbau das Vorbild für das, was an vielen Stellen im Übrigen auch weltweit

passiert und da braucht es einen Umdenken ganz grundsätzlich.

Jetzt ist für Wasserstraßen nicht ihr Ministerium zuständig, sondern das Verkehrsministerium

unter Volker Wissing von der FDP. Wie läuft denn da die Kommunikation?

Volker Wissing war an der Oder und hat sich dort von dieser wunderbaren Landschaft beeindrucken

lassen und mein Eindruck von meinen persönlichen Gesprächen mit ihm ist, dass er ein Verständnis

für ökologische Zusammenhänge hat und deshalb hoffe ich, dass wir gemeinsam dieses Umdenken

ein Stück weit voranbringen können, weil ich meine, es sehen ja alle, egal ob Verkehrsministerium

oder Umweltministerium, was in unserer Natur passiert, man kann die Augen ja nicht mehr

verschließen davor, wenn sie herausgehen, ist alles Braunstadt-Grün, weil die Wiesen

vertrocknet sind und das schon Anfang Juni. Und andererseits ist ja dieses Abkommen geschlossen

worden von der Vorgängerregierung und aus einem solchen Regierungsabkommen kommen sie

nicht so ohne Weiteres wieder raus.

Zwischen Verkehrsbedürfnissen sage ich jetzt mal auf der einen Seite und Natur- und Umweltschutz

auf der anderen Seite gibt es natürlich auch an anderer Stelle einige Konflikte, muss

man so sagen, in den letzten Monaten tobte da ein relativ heftiger Streit um die Frage,

wie ist es denn mit dem Ausbau der Infrastruktur? Also die Kernfrage ist dabei ja häufig,

wollen wir nur ökologisch vorteilhafte Infrastruktur beschleunigt jedenfalls ausbauen, also zum Beispiel

Windräder und Bahnlinien oder soll auch der Neubau von Autobahnen beschleunigt werden,

die natürlich aus einer ökologischen Perspektive eher nicht so erfreulich sind. Sie blieben

in dieser öffentlichen Diskussion sehr hart, insbesondere gegen auch die Vorstellung des

Verkehrsministers. Am Ende kam dann der Koalitionsausschuss und da muss man offen sagen, der erfüllte

doch, denke ich, ervorkerwissing viele seiner Wünsche. Fehlt es Ihnen da einfach am politischen

Rückhalt, also beim Bundeskanzler zum Beispiel, aber auch in der eigenen Partei?

Naja, wir hatten ja zum einen mehrere Gesprächsrunden der Bundeskanzler,

Volker Wissing und ich, zu dieser ganzen Problematik und wir hatten dort sehr gute Kompromisse

gefunden, zum Beispiel Brücken schneller zu sanieren ergibt absolut Sinn. Das habe ich

unterstützt, dafür haben wir die Gesetze fertig gehabt, die hätte man auch schon vor einem halben

Jahr beschlossen haben können im Übrigen, also viel, viel beschleunigter. Ob das jetzt bei dem

Autobahn am Ende des Tages Beschleunigung ergibt, das muss man mal noch abwarten. Der Beweis steht

bisher aus, das wird behauptet. Also Beschleunigung des Baus oder Beschleunigung des Verkehrs,

wo sehen Sie da noch die Fragen? Beschleunigung des Baus. Das ist ja das, was da gemacht

worden ist und Beschleunigung ist ja ein bisschen ein Euphemismus. Es ging ja hauptsächlich darum,

dass angeblich hinderliche Umweltvorschriften nicht gemacht werden soll, bis hin zu Lärmschutzvorschriften.

Und wie gesagt, ob das tatsächlich Beschleunigung bringt, den Beweis muss jetzt der Verkehrssektor

liefern. Es sind dann einige Projekte im Koalitionsausschuss ausgewählt worden dafür. Es ist

definitiv nicht das, was ich wollte. Ich halte es am Ende des Tages für vertretbar, was bei

herausgekommen ist. Aber ich sage auch aus meiner Erfahrung in der Kommunalpolitik heraus, es liegt

ja auf der Hand, das sagt einem der gesunde Menschenverstand, dass wir unsere vorhandene

Infrastruktur erhalten und sanieren müssen. Dafür werden Milliarden Summen in den nächsten

Jahrzehnten anfallen. Und wenn wir immer noch mehr bauen, muss immer mehr erhalten werden,

dass das irgendwann ins kurze Gras kommt, liegt glaube ich auf der Hand. Und deshalb sollte man

auch da aus meiner Sicht schon noch mal drüber nachdenken, was soll wirklich noch gebaut werden,

von den Sachen, die vor zehn Jahren beschlossen wurden. Ja, gerade diese Koalitionstreffen,

die gebären ja Kompromisse. Da gibt da einer und da kriegt der andere. Jetzt hat Wissing seine

vermeidliche Autobahnausbaubeschleunigung bekommen. Was haben Sie denn bekommen? Sie müssen vielleicht

für unsere Zuhörer noch dazu sagen, ich bin nicht selber Mitglied des Koalitionsausschusses,

von daher weiß ich dann. Inhaltlich. Sie haben davon gehört. Aber die Details sind ja dann

manchmal wichtig und natürlich hat man auch mehr Details gehört, aber wie gesagt, ich bin nicht

Mitglied. Wir haben in diesem Koalitionsausschuss ein großes Paket besprochen und dort ist vor allem

für den Klimaschutz das, was sich komplett verharkt hatte, blockiert wurde in der Koalition. Nicht

schön, ich weiß, aber das war die Realität, dass dort viele Projekte gehangen haben und man hat

dort vereinbart, dass dafür der Knoten jetzt insgesamt durchgeschlagen wird. Ja, Sie haben sich ja dann

noch bei einem ganz spannenden Detail durchgesetzt, das uns aus einer anderen Perspektive schon mal

begegnet war. Nämlich bei der Frage, wie wird denn eigentlich quasi ein Ausgleich geschaffen für

Eingriffe in Natur und Landschaft? Da gibt es ja traditionell so das Modell, wenn man irgendwo

ein Autobahnkreuz neu baut, dann muss irgendwo anders dafür eine Fläche für die Umwelt bereit

gestellt werden. Häufig kommen dabei aber Flächen raus, so jedenfalls die Kritik, die gar nicht so

wahnsinnig viel bringen, weil es einfach dann winzig kleine Stückchen sind, wo die Natur sich nicht

so richtig entfalten kann. Und Sie haben da jetzt so eine Art Handelsmodell verhandelt, nämlich dass

die zum Beispiel Kommunen oder auch Firmen die Eingreifen in die Natur, dass die Geld bezahlen

und dass dieses Geld dann aber investiert werden kann in Umwelt und Landschaftschutz. Wie soll das

aussehen? Naja diese Regelung gibt es jetzt schon. Also das ist nicht neu, dass man Geld zahlen kann

statt Flächen zur Verfügung zu stellen, aber es war die absolute Ausnahme, dass das gemacht wurde.

Das stimmt. Allerdings gibt es in einigen Ländern inzwischen sogenannte Flächenagenturen, die genau

diese Defizite dieser Eingriffsregelung über das Zusammenfassen und das Identifizieren von

besser geeigneten Flächen größere Zusammenfassen damit schon Erfahrung gemacht haben. Und genau

das wollen wir jetzt auch für die Bundesebene installieren. Wir haben dafür ein Naturflächengesetz,

so habe ich es genannt, auf den Weg bringen. Ich punkte noch vor der Sommerpause, vielleicht wird

auch das ganze Gesetz noch fertig. Da arbeiten wir gegenwärtig dran. Wichtig ist, dass diese

Eingriffsregelung ein Kernbestandteil von Naturschutzrecht ist. Also die kann man nicht

wegmachen, die kann man nicht abschaffen, denn sonst würde für diesen Ausgleich gar keine Flächen

mehr zur Verfügung stehen. Das heißt, es muss darum gehen, es zu verbessern, es effektiver zu

machen, vielleicht auch zu beschleunigen dadurch. Und das ist nicht banal, weil das natürlich nur

mit den Ländern zusammengeht. Und ich bin sehr gespannt auf die Diskussion und auf das, was wir am

Ende dabei herausbekommen werden. Aber wo sind Sie denn die großen Chancen durch diese Neuregelung?

Was versprechen Sie sich davon, was da besser klappen soll in Zukunft? Naja, wenn Sie mit dem

Naturschutz vor Ort sprechen, dann treffen Sie ganz häufig Leute, die sagen, guckt ihr dort diese

Fläche an, das ist eine Ausgleichsfläche für die Baumaßnahme XY, die hat ökologisch einen

geringen Wert, die hat keine große Artenvielfalt, die wird auch nicht entsprechend unterhalten. Für

manche Dinge muss man ja beispielsweise Beweidung organisieren oder im Nachhalt der Bewirtschaftung

oder auch eine Renaturierungsmaßnahme. Und das passiert in der Praxis zu häufig nicht und das

zu verbessern, indem man, ich sage mal, mehr Aufmerksamkeit auf die Flächen überhaupt legt,

sie vernünftig bewirtschaftet werden, sie nicht vernachlässigt werden und wir ein Biotop verbunden,

das ist jetzt ein Fachbegriff. Verstehen Sie den? Ja, das versteht man auch so ein Biotop und verbunden.

Versteht man nicht. Also gut. Also quasi eine Perlenkette durchs Land zu ziehen und dafür Tiere

und Pflanzen bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Damit die Tiere eben für sich, sage ich mal,

nicht ständig irgendwie durch Siedlungsflächen arbeiten müssen, um zur nächsten ökologischen

Flächen zu kommen. Dafür gibt es ja auch einmal aus den Naturschutzverbänden durchaus positives

Feedback. Also das finden die jetzt nicht alle schlimm, glaube ich. Mehr Konflikte gibt es, so

ob ich das zumindest wahrgenommen, bei einer anderen Reibungsfläche von zwei Politikfeldern oder

zwei Zielen. Das eine ist der Naturschutz und das andere ist so die Klimatransformation,

möchte ich es mal in hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft, wo eben tatsächlich viele Sachen

auch gebaut werden müssen, wo Flächen verbraucht werden müssen, wo Windräder gebaut werden,

wo Fotovoltaikanlagen aufgestellt werden. LNG-Termin ist jetzt dann nochmal ein anderes Thema. Aber

da gibt es auf jeden Fall Reibungsflächen. Ja, und natürlich auch Wohnbebau. Wohnbebau kommt

auch noch dazu, dass mehr Wohnungen gebraut werden müssen. Die Frage ist, wo werden die

gebraut werden? Da für Flächen verbraucht. Was sagen Sie den Naturschützern, die sagen,

wir müssen da mehr auf Artenschutz achten. Wir müssen mehr darauf achten, dass Flächen

nicht versiegelt werden und gleichzeitig aber alle wissen, ja, aber wir brauchen neue Wohnungen,

wir brauchen Windräder, wir brauchen Fotovoltaikanlagen. Was können Sie denen erzählen? Ich bin

ja erstmal sehr dankbar, dass Sie das so breit aufwächern, weil häufig wird versucht,

das auf Windkraft versus Rotmilan zuzuspitzen und genau darum geht es eben nicht. Es geht darum,

dass wir alle Nutzungsansprüche haben, Sie haben es aufgezählt und dass wir das in

Übereinklang bringen müssen. Das machen wir zum einen mit diesem Naturflächengesetz,

was wir eben beleuchtet hatten und das zweite, was in dieser Legislaturperiode anders ist und

ein kompletter Paradigmenwechsel ist, das Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz. 4

Milliarden Euro in vier Jahren, so viel Geld hat der Naturschutz in Deutschland noch nie zur

Verfügung gehabt und damit werden wir wertvolle Naturflächen renaturieren. Also beispielsweise

eine Aue eben wieder ein Stück weit verbreitern, ein Moor wiedervernessen oder ein besonders wertvollen

alten Wald eben nicht mehr nutzen, sondern ihn für einige Jahre Jahrzehnte aus der Nutzung

herausnehmen. Haben Sie das Gefühl, wenn jetzt Windräder gebaut werden, dafür andere Flächen

unter Naturschutz gestellt werden, geschützt werden, dass das nicht nur ein Nullsummspiel sein

kann, sondern dass der Artenschutz davon auch profitieren kann? Wenn wir auf die internationale

Ebene gucken und Deutschland zusammennehmen, dann haben wir überall das gleiche Problem. Wir nutzen

immer mehr, wir übernutzen die Erde, wir bräuchten drei davon, haben uns Wissenschaftler gesagt,

wenn wir so weitermachen, wahrscheinlich brauchen wir irgendwann fünf, wenn wir so weitermachen. Und

klar, das führt an jeder einzelnen Stelle dazu, dass wir Nutzungskonflikte haben. Und bisher haben

wir mit dem globalen Arten aussterben eine Rutschbahn betreten, von der wir nicht runter sind, an

keiner einzigen Stelle runter sind. Da hilft es auch nicht, dass mal eine einzelne Art sozusagen

wieder etabliert wurde für eine einzelne Vogelart, der Bestand nach oben geht oder eine Insektenart

möglicherweise im Bestand wieder nach oben geht. Der Trend geht nach unten, der geht weiter steil

nach unten. Das ist ein Riesenproblem und mindestens so groß wie die Klimakrise. Ich möchte noch auf

ein zweites Detail etwas genauer eingehen, das Philipp gerade schon kurz angesprochen hat. Stichwort

Versiegelung. Das Umweltbundesamt hat berechnet, dass bereits 15 Prozent der Fläche Deutschlands

sogenannte Siedlungs- und Verkehrsfläche ist, also Bauland oder Straßenland. Und rund die Hälfte

von diesen 15 Prozent wiederum ist versiegelt. Das bedeutet, also die Oberfläche der Erde ist

so verschlossen mit Asphalt zum Beispiel, dass Regen nicht versickern kann, in die Kanalisation

gelangt. Und pro Jahr werden derzeit rund 93 Millionen Quadratmeter neu versiegelt. Das sind

250.000 Quadratmeter pro Tag. Jeden Tag verschwindet in Deutschland rund 25 Fußballfelder unter

Beton und Asphalt, jedenfalls nach den Zahlen des Umweltbundesamts. Ihr Ministerium geht sogar von

der gesamten Siedlungs- und Verkehrsfläche aus, also nicht nur versiegelte Fläche, dann alles,

was dafür ausgewiesen ist, dann sind sogar 80 Fußballfelder jeden Tag. Was kann man denn da tun?

Was muss denn da passieren, aus ihrer Sicht damit einfach weniger Fläche verbraucht wird und dieser

Starkregen zum Beispiel versickern kann, statt zu Überschwemmungen zu führen? Zwei Dinge. Wir sind

mit dem Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz und unserer nationalen Wasserstrategie genau damit

unterwegs, dem Wasserhaushalt zu stabilisieren. Sind wir wieder bei der Oder ein Stück weit. Das

heißt, Wasser besser in der Landschaft zu halten, Böden so intakt zu halten, dass sie Wasser

aufnehmen können. Bei Starkregen ist ja häufig das Problem, dass es auf eine Erde trifft, die

überhaupt kein Wasser mehr aufsaugen kann, weil sie so ausgedirrt ist. Das heißt, sie brauchen

dann eigentlich Landregen über drei Wochen, denen kriegen wir aber nicht mehr. Und da jetzt mit

Maßnahmen dagegen zu steuern, der Begriff ist Schwammstadt. Ich weiß nicht, ob sich das auch

wieder ein Stück weit selbst erklärt, also Städte so umzugestalten, dass sie Wasser aufsaugen

können, welches da ist und es abgeben können, wenn es gebraucht wird oder wenn es zu viel ist. Aber

wo sehen wir das? Also diese Programme, das verkauft sich immer ganz schön, das liest sich

immer auch ganz schön. Aber als Schwammstadt empfinde ich Berlin momentan nicht. Okay, Berlin steht

da, glaube ich, auch an den Anfängen. Ich war gestern in der Hasenheide, dort gibt es so ein

Renaturierungsprojekt. Großer Park hier in Neukölln, Berlin. Stimmt, muss man für eine

Kölner dazu sagen oder für nicht, Berliner. Wo ich mit Clara Geivitz, der Bauministerin gewesen

bin, wo genau das jetzt gemacht wird. Das heißt, konkretes Beispiel, wir gehen dann in ganz kleine

Details hinein, dass dort Bäume gepflanzt werden mit einem besseren Substrat, damit die eine Chance

haben, überhaupt anzuwachsen. Sie können jetzt hier Bäume pflanzen gehen, machen ganz viele und

denken, sie retten damit die Welt. Wenn der Baum nach einem Jahr abgestorben ist, war die Aktion

relativ sinnlos und dafür zu sorgen, dass die Bäume eine Chance haben, tatsächlich zu überlegen.

Also man muss halt ein bisschen buddeln. Ja, damit muss man ein bisschen buddeln.

Ein Detail von Tausenden. Fahren Sie als Berliner an die Haarfilm. Dort gibt es ein über Jahre jetzt

schon stattgefundenes Renaturierungsprojekt. Ich sage immer, das Vorzeigeprojekt, weil dort auch

die Beveröckerung so doll davon profitiert hat. Wenn Sie da langfahren mit dem Paddelboot, sehen Sie am

Ufer, die Leute mit Sonnenschirmen sitzen, sehen Sie abends Angler, sehen Sie zwischen Werder und

Rannenbrock? Das ist im Prinzip, wenn Sie von der Elbe Mündung kommen, ein ganzes Stück, um am

Haarfilberg drum herum, gibt wunderbare Wasserwanderkarten, nehmen Sie das Boot oder leiden Sie

dort rein, fahren Sie dort rum? War da auch schon unterwegs deswegen. Aber was können Sie denn,

wenn es Leute zuhören? Also einerseits ist das natürlich mega kleinteilig, wir pflanzen Bäume

mit Substrat, aber von dieser Dezentralität leben ja solche Projekte. Sie können ja vom Bund nicht

sagen, mach mal eure Stadt zum Schwamm, sondern das lebt ja davon, dass lokale Initiativen da

sind. Was können Sie denn, wenn jetzt Leute zuhören, sagen, ich will das auch voranbringen bei

mir? Was sind so Maßnahmen, wo Sie sagen, komm, in die Richtung müsst ihr gehen?

Den Leuten, die in Garten haben, müssen Sie das gar nicht sagen. Die gehen da alle, die sind dafür

weiter, als die Politik schlicht und einfach bei der Deutsche Rasen ihn unter den Finger und weg

vertrocknet und ganz viele dann anfangen, eine Wiese draus zu machen oder zumindest aus dem Teil,

die Sträucher pflanzen, die sich mit Tropfchenbewässerung dafür sorgen, kein Rasensprenger

da mehr laufen zu lassen. Da gibt es wahnsinnig viele Menschen, die längst unterwegs sind. Aber

ich finde, das ist ja das beste Beispiel. Sie hatten ja gefragt, wie kommen wir denn von dieser

Versiegelung weg? Genau. Und sämtliche Bundesregierung der letzten Jahre haben das Ziel vor

sich hergetragen, die Flächenversiegelung in Deutschland auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen.

Steht in der Strategie drin und es ist nicht passiert. Das ist ja im Prinzip Status quo. Aber gut,

ja. 80 ist die Ausweisung von Siedlungen und Verkehrsflächen. Versiegelungen sind 25

Fußballzeit. Aber gut. Hektar. Ich habe von Hektar gesprochen. Das ist dieses Flächenziel,

was dort irgendwo steht. Nachhaltig-Folcher-Regie heißt das Ding, glaube ich. Und es ist nicht

passiert. Das haben wir ja ganz, ganz häufig. Das können die letzten Endes vom Pariser Klimaabkommen

nehmen. Alle waren dafür für das Klimaabkommen. Damals ist Umweltminister Gabriel mit Kanzlerin

Merkel auf so ein Kletcher gefahren. Beide hatten diese tollen roten Anorakts an. Vielleicht erinnern

sich an das Bild. Den Kletcher gibt es nicht mehr. Ja, das heißt die Frage, was beschließt man,

was bekennt man und was macht man, ist halt häufig nicht das Gleiche. Aber dann deswegen ja unsere

Frage, was heißt das konkret? Also wenn wir jetzt sagen, wir wollen was tun gegen die Versiegelung,

was kann die Kommune tun, die einen Beplan aufstellt? Was kann die Kommune tun, die eine neue

Straße baut zum Beispiel? Idealerweise baut die Straße nicht klar. Aber was kann man denn als

Kommune tun, damit eben möglichst wenig Fläche versiegelt wird? Man kann andere Belege wählen

für Straßen, für Plätze. Man kann einen asphaltierten Platz entsiegeln und dort einen

Wasser durchlässigen Belach drauf bringen oder möglicherweise auch eine Beplanzung hinmachen.

Das heißt generell Steinebeton, Asphalt reduzieren und dafür mehr biologische Dinge da haben. Bäumesträucher,

Wiese, was auch immer sie mögen. Sie können bessere Wasserspeicher anlegen für die Bewässerung,

weil ein Riesenproblem ist. Hat mir gestern hier der Stadtrat gesagt, sagt mir mein

Grünflächenamt in Dessau, sie kommen mit dem Pflanzen nicht hinterher, es sterben mehr Bäume

als gepflanzt werden. Das heißt wir brauchen bessere Bewässerungstechnik für das Stadtgrün. Das heißt

Wasserspeicher, sie können Dachbegrünung, sie können Wandbegrünung machen, sie können Grauwassernutzung

vorantreiben. Es gibt eine große Auswahl an Möglichkeiten, man muss es halt wirklich machen.

Und die Schwierigkeit ist, sie müssen es in Berlin machen, sie müssen es in Köln machen und in

kleinen Gummersbach machen. Das heißt überall in der Fläche und das kriegen sie in der Tat nicht vom

Schreibtisch aus. Wir helfen mit diesem Programm, diese vier Milliarden die ich sage, zielen genau

darauf ab. Die Bundesregierung hat noch mehr an Unterstützung diesbezüglich und was mir wichtig

ist, wir haben so ein Zentrum Klimaanpassung eingerichtet und die vernetzen die Erfahrungen,

die organisieren den Erfahrungsaustausch, was funktioniert, was funktioniert nicht. Wir haben

Klimaanpassungsmanager zur Verfügung gestellt, also die werden vor Ort ausgesucht, wir finanzieren

sie von meinem Ministerium aus, viel zu wenig, wie ich finde, gut nachgefragt worden. Das heißt,

das was sie fragen, was macht man denn ganz konkret, wird in vielen Städten heute auch noch gar nicht

völlig gewusst, ist noch nicht vollständig beantwortet, aber die Kommunen sind unterwegs.

Ich habe es am Anfang gesagt, sie sind Ministerin für Umwelt, Naturschutz,

Nuklearesicherheit und Verbraucherschutz. Jetzt ist es ja so, dass das Umweltministerium früher

auch mal viel mehr für Klimaschutz zuständig war, das ist ins Wirtschaftsministerium zu

Robert Habeck gewandert, internationaler Klimaschutz ist im Außenministerium gelandet, Verbraucherschutz

in unserer Wahrnehmung, größtenteils im Bundesjustizministerium geblieben,

geblieben, obwohl der Name gewandert ist. Haben Sie sich dazu sehr die Wurst vom Teller nehmen lassen?

Es ist gut, dass der Klimaschutz auf mehr Schultern in dieser Regierung verteilt ist,

dabei bleibe ich und da lasse ich mich auch nicht von Artikeln, die darüber geschrieben

werden, dass mein Haus entplättert worden wäre, irritieren, weil was im Bundesumweltministerium

ist, ist die Zuständigkeit für Wasser, ist der natürliche Klimaschutz, das habe ich versucht

zu beschreiben und ist die Klimaanpassung und ist die Kreislaufwirtschaft. Das sind so essentielle

Bestandteile. Kreislaufwirtschaft heißt Recycling auf Deutsch? Nein, das heißt viel, viel mehr als Recycling,

können wir vielleicht gleich nochmal darauf zurückkommen. Mir geht es bloß darum, ich verspreche

Ihnen ja total ungern, aber der Klimaschutz ist nicht abgewandert, es sind Bereiche rausgegangen.

Ich weiß, dass die Erzählung ist, Klimaschutz ist woanders, aber Sie sind ja hier das Medium,

was differenziert ins Detail und anhand den Fakten diskutiert und deshalb nein, der Klimaschutz

ist nicht raus. Ich sage mal, der technische Klimaschutz ist zu Havik, der internationale

in Teilen zu Annalena und bei mir sind die Dinge, die sich mit Wasser, mit Luft, mit Boden und dem

Meer und dem Flüssen befassen und ich finde die ziemlich wichtig. Ja, wenn man die intensiv

beackert. Aber Philipp hat es ja gerade schon angesprochen, hinzugekommen ist, sagen wir mal,

ein bisschen Verbraucherschutz. Wo würden Sie denn da die Akzente legen? Was ist aus Ihrer Sicht,

aus Sicht Ihres Hauses zentral im Bereich Verbraucherschutz? Für den Sie zuständig sind,

weil auf der Webseite haben jetzt nicht so wahnsinnig viel gefunden. Für mich war im

letzten Jahr am wichtigsten, dass wir immer dort, wo über Energiepreise, über Energiebremsen

gesprochen worden ist, dass wir da die Verbraucherschutzinteressen einbringen. Das haben wir

gemacht, indem wir zum Beispiel dafür gesorgt haben, dass es keinen Sperren von Strom oder Gas

im letzten Winter geben konnte. Dass da, wo Verbraucher in den Preisen betroffen gewesen

sind, die Beratung über die Verbraucherzentrale funktioniert, dass überall dort, wo Abzocke

versucht wurde. Wir hatten ja schon vor dem letzten Winter Energieversorgungsunternehmen,

die die Leute über einen Löffel barbieren wollten. Das ist dann ein enger Zusammenarbeit mit der

Bundeszentrale Verbraucherschutz. Sie war jetzt passiert, dass wir dagegen vorgegangen sind und

Sie haben völlig recht, dass der Verbraucherschutz nicht ausreichend stark in meinem Ministerium

ist. Völlig d'accord, bräuchte viel, viel mehr Ressourcen da drin, mehr Personal und mehr Geld,

um den Verbraucherschutz stärker zu machen. Das habe ich bei Christian Lindner bisher nicht

durchsetzen können angesichts der derzeitigen Spadeskussion, die wir führen. Da gebe ich Ihnen

leider, leider recht. Das Problem ist aber nicht meines, sondern das war schon immer so. Das heißt,

Verbraucherschutz wirklich als starkes Thema in einer Bundesregierung zu verankern, der ist ja

schon über mehrere Jahre von Ressort zu Ressort geschoben worden und teilweise stiefväterlich

behandelt worden und das halte ich für ein riesen Problem definitiv. Ja, kommen wir doch nochmal zurück

zum Ausgangspunkt unseres Gesprächs zu Ihrem Hintergrund eben aus der Umweltbewegung in der DDR.

Damals gab es offenbar ja viele Menschen, denen den Umweltschutz am Herzen lag. Sie haben eben

diese Bilder beschrieben, der Schaum, Türmte sich auf der Mulde, diesem Flüsschen, das durch

Dessau fließt. Heute allerdings Krebsen, die Grünen im Osten meist knapp oberhalb der 5%

Hürde. OECD Deutschland schreibt, Zitat, der Erhaltungszustand von Arten und Lebensräumen

verschlechtert sich zusehends. Ist das den Leuten egal inzwischen? Hat der Umweltschutz im Osten

Deutschlands einfach nichts mehr zu melden? Also, dass die Ostdeutschen weniger Umweltschutz wollen

als die Westdeutschen ist eine, entschuldigen Sie, wenn ich das so sage, blöde Erzählung. Ja,

also das finde ich einfach völlig ungerechtfertigt, da habe ich übrigens von Ostdeutschen auch noch

nie gehört, heute immer nur von Westdeutschen. Das ist einfach nicht so. Aber warum finden die

da nichts in den Grünen? Das ist ja nochmal eine zweite Frage. Das können wir gerne abtrennen,

frage ich es dann mal zurück, warum das immer auf diesen einen Punkt zugespitzt wird. Ja,

wir sitzen in mehreren Landesregierungen in Ostdeutschland, werden aber trotzdem immer wieder

gefragt, warum wir so schwach sind. Und ich sehe das überhaupt nicht so. Wir haben bei vielen Wahlen

schlecht abgeschnitten. Klar, wir haben diese Partei 1990 vollkommen neu gegründet. Wir haben

keine Mitgliederkarteien übernommen, wie das beispielsweise bei der CDU der Fall gewesen

ist, bei der FDP, bei den Linken ja sowieso der Fall gewesen ist. Und wir haben in einer Zeit,

wo die Leute nachgeholt haben, Westdeutschen Konsum nachgeholt haben, haben wir für Sparsamkeit,

für Umweltschutz, für Naturschutz plädiert. Das fiel in der Gründungszeit damals in den 90er

natürlich nicht auf dem fruchtbarsten Boden. Gut, das ist 30 Jahre her. Ja, und seitdem sitzen wir

in mehreren Landesregierungen. Wir regieren mit, wir prägen dieses Land dort mit. Wir sind für

viele sicherlich auch das Feindbild schlechthin inzwischen, aber da sehe ich den Unterschied

zwischen Ost und Westdeutschland nicht. Okay, aber dann bleiben wir doch vielleicht mal bei diesem

Feindbild und ich finde da einfach ihren ostdeutschen Erfahrungshintergrund schon sehr spannend. Wie

konnte das denn passieren, dass die Grünen so zum Feindbild wurden? So entwicke ich fast noch mehr

als die Linksparteien zum Beispiel. Warum sind die Grünen so dämonisiert in jedenfalls für Teile

der Bevölkerung? Aber wenn man sich mal die Prognosen anschaut für die AfD, dann sind es ja

offensichtlich so ein Viertel bis ein Drittel der Menschen jedenfalls in den neuen Bundesländern,

die auf die Grünen nicht gut zu sprechen sind. Wie konnte das passieren? Also wer zur AfD geht,

hat in der Regel mehr Gründe als nur auf die Grünen nicht gut zu sprechen zu sein. Das wäre

nicht zu verkürzt. Richtig, aber andersherum. Also wer die AfD wird, wird in aller Regel auch auf

die Grünen nicht gut zu sprechen sein. Das ist vermutlicherweise bei FDP und CDU mit Gliedern

oder Wählern ähnlich. Das macht es natürlich nicht besser, dann ist das Spektrum 50 Prozent breit,

dass auf die Grünen nicht gut zu sprechen ist. Noch mal meine Frage, woher diese Dämonisierung,

warum, warum sind sie die Bösen? Ja, ich will Ihre Frage natürlich nicht ausweichen. Ich würde

sagen drei Gründe. Der erste sind eigene Fehler, die wir durchaus auch in jüngster Vergangenheit

gemacht haben. Aber wir auch da zu neigen, sie zu wiederholen und mindestens den Eindruck zu

erwecken, dass wir ganz genau wissen, wie es gehen muss. Wer noch durch die Wissenschaft beim

Klimatheber ja immer wieder bestätigt, aber die Attitude, dass wir es wissen, das geht,

glaube ich, manche Leuten einfach auf den Keks. Das muss man so sagen. Das Zweite ist, dass wir

was wollen. Wir haben ein sehr, sehr dickes Parteiprogramm. Vielleicht ist es manchmal zu dick

für die einzelne Wahl zumindest. Aber weil wir sagen, dass es viele große Problemlagen auf unserem

Globus in Deutschland und in den Kommunen gibt und wir sie angehen wollen, wir für mehr Gerechtigkeit,

mehr Gleichberechtigung für den Schutz verfolgter Menschen, für Klimanaturschutz,

für Verbraucherschutz, für Minderheitenrechte einstehen, gibt es sehr, sehr viele Dinge,

die wir sehr dezidiervertretend, weil wir es wirklich wollen und das führt natürlich dann erst

mal dazu, dass diejenigen, die das nicht wollen, auch relativ viele sind. Und das Dritte ist,

was ich sagen wollte, dass es natürlich im Moment gerade, das haben wir jetzt bei dieser

aktuellen Diskussion ums Heizungsgesetz gesehen, auch darum geht, dass es der Kampf ist zwischen

Veränderung und Beharrung oder auch Rückschritt schlicht und einfach. An vielen Stellen geht es

nicht mal mehr nur um Beharrung, sondern sogar um Rückschritt. Und auch da gibt es relativ viele,

die auf der Seite, wir wollen nichts ändern, wir glauben euch nicht, dass irgendetwas geändert

werden muss. Es gibt keine Klimakrise, das ist alles nur eine Erfindung, dass der Kampf im Moment

gerade stärker wird. Ja, also Sie haben ja im Gespräch mit der Zeit, haben Sie mal so ein,

haben Sie für mich so eine ganz interessante Erfahrung mal hingeblättert, so dass, wenn ich

so paraphrasiere, dass es in Ostdeutschland viele Leute gibt, die viele Versprechen gehört haben

und dann enttäuscht wurden. Das eine ist so ein bisschen diese blühenden Landschaften, die dann

nach der Wende nicht geklappt haben, dann aber auch sowas, was ein bisschen in Vergessenheit geraten

ist, wie Anfang der 2000er hier große Solarwende, große Solarfabriken, was ja auch eine Zeit lang

wirklich gut geklappt hat, da sind ja tolle Unternehmen entstanden. Und dann gab es politische

Änderungen, Solar wurde pfw nicht mal so gefördert und gedeckelt und alles war dann auf einmal tot.

Und die Fabriken haben dich gemacht, die Firma Bleide gemacht und Ende Gelände. Wie prägen

diese Erfahrungen, die Diskussionen heute, also um, da kommt der große Wandel, nach der

Klimatransformation wird alles besser, befeuert das Ängste und Abwehrhaltung solcher Erfahrungen?

Ich würde sagen, dass Sie in Ostdeutschland schon wirklich ein Bewusstsein dafür haben,

was in den letzten 30 Jahren sich alles verändert hat und wie sich die Menschen verändern mussten,

durch Umstände erzwungen, Sie haben die Versprechung beschrieben, die dort gemacht worden sind,

bitter enttäuscht worden sind, an so vielen Stellen einfach so viel falsch gemacht wurde und das

auch nie aufbereitet wurde. Also die ganze Treuhandgeschichte und wie damals Industrie in

Ostdeutschland auch absichtlich abgewickelt wurde, nicht weil sie nicht ergonomisch tragfähig

gewesen ist, sondern abgewickelt wurde, das ist ja nie aufbereitet worden im gesellschaftlichen

Diskurs und das bebt natürlich nach und das zweite, was auch immer wieder und nicht betrachtet

wird, ist die riesen große Abwanderungswelle, die es in den 90er angegeben hat, wo aus meiner

Generation, ich habe jetzt keine Prozentsahlen im Kopf, aber geführe zwei Drittel weggegangen sind,

in den Westen gegangen sind, da das Arbeitskräftegeservoir aufgeführt haben, dort ihre Familien

gegründet haben, dort jetzt die Kinder in die Schule und zum Studium gehen, die sind einfach

nach wie vor weg, die sind auch nicht wiedergekommen und das merkt man natürlich einer solchen

Gesellschaft an und das ist für Familien ein Problem, wenn sie so in die Winde zerstreut

worden sind durch solche Ereignisse. Ich meine jetzt nicht, dass nicht Kinder zum Studium gehen,

durch Europatouren und woanders sind, sondern es sind dort Zusammenhänge einfach kaputtgegangen

und deshalb finde ich es auch nicht richtig, den Menschen zu sagen, ihr müsst euch verändern,

insbesondere dort, wo sie teilweise schon viel weiter sind. In Sachsen-Anhalt wurde letzte Woche

die Statistik veröffentlicht über die Neubauten im letzten Jahr, nicht dies Jahr, aber im letzten

Jahr, 23 Prozent Wärmepumpen im Neubau. Insgesamt sind es ja fast 60 Prozent gewesen, bundesweit,

Wärmepumpen im Neubau, also im Neubau bewegt sich da einiges. Aber trotzdem, wenn man über die

politische Landschaft im Osten spricht, dann kommt man ja um das Stichwort AfD nicht herum. Sie haben

selber auch schon gesagt, im nächsten Jahr im Herbst stehen Landtagswahlen an Brandenburg,

Sachsen und Thüringen nach Umfragen heute, klar sind noch 18 Monate bis dahin, könnte die AfD dort

überall stärkste Kraft werden, vielleicht auch nur in einigen dieser Länder, gerade auch vor dem

Hintergrund ihrer politischen Biografie, ihrer persönlichen Erfahrung. Was kann man denn tun?

Was muss die Politik tun? Nicht nur die grüne Politik, um diese Menschen wieder für die Demokratie zu

gewinnen? Unter anderem nachverziehen, dass das kein ostdeutsches Problem ist. Die stehen bundesweit

bei 19,5 Prozent inzwischen und davon muss man sich aus meiner Sicht lösen, dass das eine ostdeutsche

Zuschreibung ist, zumal ja viele der Protagonisten da wie Höcke oder Herr Gauweiler aus dem Westen

kommen. Aber da kriegen sie die großen Mehrheiten. Im Westen alleine steht sie über 13 Prozent,

das sind immer noch 13 Prozentpunkte zu viel, aber eben keine 28. In Regionen, wo schwere

Strukturbrüche stattgefunden haben, haben die Polizisten schon immer mehr Zulauf gefunden als

in stabilen Gesellschaften, ohne Strukturbrüche. Das ist aber auch kein ostdeutsches Phänomen,

auch das haben wir weltweit, dass dort für leichte Versprechungen ihr müsst nichts ändern,

alles bleibt wie es ist, wählt AfD und alles wird gut. Das ist in solchen Regionen sicherlich leichter

zu implementieren. Was würden Sie denn vorschlagen? Wie kann denn die Demokratie besser kommunizieren,

was kann die Demokratie tun, um diese Menschen wieder zu überzeugen, dass das ein richtiger Weg ist?

An der Sache orientieren mit Fakten, Argumentieren und Gutregieren. Und da hat die Ampel sicherlich

in den letzten Wochen kein gutes Bild, kein positives Bild abgegeben, das ist richtig,

es ist jetzt nicht die Ursache für die Prozent, aber sicherlich ein Beitrag dazu. Und das muss

aufhören, da müssen sich auch alle in der Ampel zusammenfinden, das richtet sich an alle. Wir

müssen einen ruhigeren Diskurs, der sich stärker mit den real existierenden Problemen auseinandersetzt,

als so Scheindebatten, um die Frage, ob eFuels die Welt retten werden. Ja, aber wir haben als

Grüne in dieser Debatte in den letzten Wochen auch nicht immer ein gutes Bild abgegeben und deshalb

geht es, da glaube ich, den Änderungsauftrag an alle. Also es gibt ja dann auch die Forderung mehr

Repräsentationen aus deutscher Biografien, in Wirtschaft nur vor allen Dingen Politik. Hilft das

oder ist das ein Scheinargument? Also die Tatsache, dass in den Führungspositionen nach wie vor so

wenig Ostdeutsche, vor allem in Ostdeutschland vertreten sind, ist ein Problem. Ich glaube nicht,

dass Populismus damit alleine zu bekämpfen ist und ich glaube, dass die Auseinandersetzung mit

dem, was wir an postfaktischen Diskursen haben, an populistischen Diskursen, nicht in Ostdeutschland,

nicht in Deutschland alleine, wir müssen ja nur nach Italien schauen, in andere europäische

Länder in die USA schauen, die Auseinandersetzung, was dagegen an vernünftigen Regieren, an

Problemlösung, an sachlichem Diskurs, das, was sie machen mit ihrem Podcast, Differenziertheit und

weg von den Aufgeregtheitszyklen, das werden wir nicht nur in Deutschland, sondern in ganz

Europa versuchen müssen zu implementieren, sonst geht uns ein Teil von Demokratie verloren. Das ist

absolut richtig, das sieht man ja tatsächlich auch schon in anderen Ländern, aber ich würde es

gern einfach noch mal so ein bisschen konkret machen. Was bedeutet das denn zum Beispiel für

die Politik der Ampel? Wie kann man denn versuchen, so Politik zu gestalten, dass die Menschen dabei

bleiben, dass die Menschen eben nicht verunsichert werden und alles Gutes. Wie kann man denn Politik

so machen, dass die Menschen tatsächlich dabei bleiben und nicht irgendwelchen populistischen

Rattenfängern nachlaufen? Ich kann Ihnen sagen, wie ich es mache. Ich habe das Al-Hayimetö jetzt hier

nicht in der Hosentasche dabei, sonst würde ich wahrscheinlich in die Politikberatung gehen und

alle beraten. Ich mache es so, dass ich versuche, mit den Menschen zu reden, zu würdigen, was sie

tatsächlich auch geleistet haben, hier Wärmeprumpenbeispiel, auch wahrzunehmen, was sie selber an

Veränderungsbereitschaft ja permanent signalisieren und darauf dann mit Sacharbeit und ja, wird mir

häufig mal zugeschrieben, sondern gewissen Nüchternheit zu agieren, weil wir, glaube ich,

stark auf die Probleme, als um irgendwelche aufgeregten Diskurse uns kümmern müssen. Ist das denn auch

eine Frage, also würden Sie sagen, also wie soll ich das sagen? Ihren Privaten haben wir manchmal

so die Debatte, also ich bin auch mit einer Frau verheiratet, die in Ostdeutschland geboren ist und

wir haben manchmal so das Gefühl oder Debatten darüber gibt es dieses Ost-West-Thema überhaupt

noch. Also meine Frau sagt ja auf jeden Fall und ich reagiere manchmal so, naja, wieso? Eigentlich

sind wir doch damit durch mehr oder weniger. Wie würden Sie das sehen? Ja, ich stelle mal eine

Gegenfrage. Sie haben zur Begrüßung gesagt, Sie sind ja in der DDR geboren. Leiten Sie einfach jedes

Interview in Zukunft auch ein. Sie sind ja in Westdeutschland geboren. Wäre das gut oder

hätten Sie lieber gehabt, dass wir damit nicht angefangen hätten? Ich finde, es ist keine

Besonderheit, dass ich in der DDR geboren bin. Das ist meine Biografie. Für mich ist das vollkommen

normal. Wenn das für Sie nicht normal ist, ist das ja erst mal nicht mein Problem. Na, es ist für

uns natürlich insofern nicht normal, als dass wir im Westen geboren sind und wir haben in der Lage,

wir kriegen manchmal das Feedback ja diverser Wert und wie gesagt aus dem privaten Bereich,

gänne ich diese Debatte, wieso Ost-West ist doch kein Thema mehr, doch ist ein Thema und jetzt haben

wir jemanden hier, die hat in der DDR geboren, da jetzt eine politische Karriere gemacht, ist

Ministerin geworden. Aus unserer Perspektive ist das dann ein interessantes Thema. Für mich ist

das völlig normal. Ich habe das jeden Tag. Zum Abschluss eine letzte Frage für den Sommer.

Die Menschen, die uns zuhören, haben jetzt wahrscheinlich ein bisschen mehr Zeit als so im

Alltagsbetrieb. Haben Sie einen Lesetipp? Ich hoffe, Sie haben auch ein bisschen Urlaub.

Sie können sich im Moment auf die Liege legen. Haben Sie was, was Sie gerade empfehlen können?

Da erwischen Sie mich völlig auf dem kalten Fuß. Ich habe ein riesengroßem Bücherstapel in

meinem Zimmer liegen und habe in den letzten Monaten keins davon wirklich angefasst.

Brauchen wir so, wenn wir jetzt zum Abschluss kommen und wir haben ein bisschen über diese

aus Westgeschichte geredet. Haben Sie denn einen Wunsch an vielleicht so ein Podcast,

wie wir es sind, konkret oder an die Medien insgesamt, wo Sie sich wünschen? Mensch,

Leute, geht dieses Thema doch mal anders an. Guckt doch mal dahin oder ignoriert das oder

verschiebt euren Fokus dahin oder so. Ihr seid dazu sehr mit euch oder mit eurer Perspektive

beschäftigt. Wenn wir über Ost-West-DDR-BAD reden auf verschiedenen Ebenen,

sei es Politik oder Wirtschaft oder Alltag oder so, macht doch mal mehr das und das. Oder guckt

nicht immer dahin, sondern guckt mehr dahin. Gibt es da irgendetwas? Jetzt gebe ich Ihnen dann doch

noch den Buch-Tipp, aber ich habe es wirklich nur angefangen. Ich habe es nicht geschafft,

es fertig zu lesen. Den jetzigen Diskursbeitrag von Oschmann zur Ost-West-Frage finde ich einfach

erst mal nur interessant. Ich teile vieles nicht von dem, was er da an dem Buch schreibt. Aber

dass der Osten eine Erfindung des Westens ist, das hatten Sie zwischendurch bei mir vielleicht

auch gemerkt, dass ich dem Gedanken zumindest was abgewinnen kann. Da freut sich sicherlich auch

unser Verlag, denn auch dieses Buch ist im Ulstein Verlag erschienen. Ja, ganz herzlichen Dank. Das

war im Interview mit der Lage Nation Steffi Lemke, Bundesministerin für Umweltschutz,

Verbraucherschutz und Reaktorsicherheit. Nicht der offizielle Titel, aber darum geht es mal Ihnen.

Vielen, vielen Dank, dass Sie bei uns im Interview zu Gast waren. Ich danke Ihnen für das

interessante Gespräch und hoffe auf die nächsten Lesetipps. Gut, alles klar. Dann sagen wir Danke

fürs Zuhören. Danke für euer Interesse. Vielen Dank. Kommentare, Kommentare, Anregungen, Büchertipps

wie immer unter talk.lag.nation.org im Forum. Die Sommerpause genießen wir noch eine Weile und

sind dann mit der August war und mit der Ende August wahrscheinlich wieder zurück, aber bis dahin gibt

es noch weiter Futter. Wir haben noch eine ganze Reihe an schönen Interviews für euch vorbereitet. Ich

hoffe, ihr könnt ein bisschen den Sommer genießen und wir freuen uns, wenn ihr bald wieder rein halt.

Bis dahin. Tschüss. Tschüss.

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In der „Lage der Nation“ kehren der Journalist Philip Banse und der Jurist Ulf Buermeyer einmal in der Woche die politischen Ereignisse hierzulande und in der Welt zusammen, so diese sie interessieren und sie sie für relevant halten.

Dies hier ist die erste Ausgabe in unserer Sommerpause. In dieser Zeit senden wir alle zwei Wochen ein Interview mit ausgewählten Gästen. Danach gibt es wieder wöchentlich eine klassische Lage.

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Interview mit Steffi Lemke (Bundesumweltministerin)



Steffi LemkeUmweltministerin Steffi Lemke: Warum sie auf verlorenem Posten istFrau Ministerin, warum schützen Sie uns nicht besser vor Greenwashing?Bodenversiegelung (Umweltbundesamt)Steffi Lemke (Wikipedia)Steffi Lemke (Twitter)Steffi Lemke: Umweltministerin (Bundesregierung)



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Steffi Lemke MdB, Bündnis 90/Die GrünenFischsterben in der Oder (tagesschau.de) Havel-Oder-WasserstraßeKonstruktion, Foto von Jacek Dylag auf UnsplashWahlzettel, Foto von Mika Baumeister auf Unsplash



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