Lage der Nation - der Politik-Podcast aus Berlin: LdN338 Drohnenangriffe auf Moskau, Urteil gegen Lina E., Erdogans Sieg, “Startchancen”-Programm, Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, Staatenlose (Christiana Bukalo, "Statefree")

Philip Banse & Ulf Buermeyer Philip Banse & Ulf Buermeyer 6/1/23 - Episode Page - 1h 21m - PDF Transcript

Herzlich willkommen zur Lage der Nation, Ausgabe Nummer 338 vom 1. Juni 2023.

Ganz herzlich willkommen zu unserem wöchentlichen Rückblick auf die politischen Ereignisse hier

zu Lande und in der Welt.

Mein Name ist Philipp Banzer, ich bin Journalist und ich bin Ulf Bohrmeier, Jurist aus Berlin.

Herzlich willkommen zu unserem Podcast und damit kommen wir zu den Hausmitteilungen.

In dieser Woche heißt es vor allem, danke schön sagen, wir haben von euch wieder richtig

viele nette Bewertungen zu lesen bekommen im Apple Podcast Store.

Das macht immer richtig viel Spaß, von euch Feedback zu bekommen und zu sehen, dass es

eben doch viele Menschen gibt, denen die Lage der Nation Freude macht.

Und damit kommen wir zum ersten Thema, das ist diesmal wieder ein Blick nach Osten.

Da hatten wir am Dienstag früh zu verzeichnen, dass Drohnen auf Moskau abgefeuert wurden.

Wer die abgefeuert hat, wie viele da abgefeuert werden und worauf genau sie abgezielt haben,

das ist nicht so ganz klar nur in Umrissen, aber immerhin dann schon.

Also das russische Verteidigungsministerium sagt, die Ukraine habe Moskau mit acht Drohnen

angegriffen, fünf davon sind abgeschossen worden, drei dann elektronisch abgewert worden.

Was immer das heißt?

Was immer das heißt, das gibt ja so Störfeuer und Störfung und so, womit die dann orientierungslos

und wogegenfliegen.

Vladimir Salavrov, also so ein Fernsehpropagandist, der hat dann nicht von acht Drohnen gesprochen,

sondern von 32, die dann angeblich auf das Nobelviertel Rubiovka abgezielt hätten.

Moskau's Bürgermeister sagt, Trümmer hätten ein Wohnhaus beschädigt, zwei Leute seien

leicht verletzt worden, eine davon ins Krankenhaus und Tote gab es wohl nicht.

Soweit so klar, soweit auch wenn man ehrlich ist so unklar, also auf jeden Fall die Bottom

Line ist, was man daraus mitnehmen kann, es sind Drohnen gegen Moskau geflogen und auch

nicht nur eine, sondern jedenfalls eine ganze Anzahl.

Die Folgen sind vergleichsweise überschaubar, wenn man sich die Schäden direkt in der Stadt

Moskau anschaut, aber natürlich sind die Reaktionen auf dem diplomatischen Paket durchaus bemerkenswert.

Insbesondere nämlich finde ich das weitgehende Schweigen westlicher Staaten interessant.

Also westliche Staaten haben, sobald ich das sehe, den Angriff nicht verurteilt, ganz

im Gegenteil Großbritanniens Außenminister zum Beispiel, ließ sich damit von jedem KF

habe das Recht, to project force beyond its borders, mit anderen Worten, die Ukraine habe

das Recht, Gewalt auch jenseits seiner Grenzen auszuüben, womit man ja schon fast sagen

muss, er sich hinter dieser Attacke gestellt hat.

Richtig, und völkerrechtlich kann man das auch stützen dazu sagen, wir kleinere ein

bisschen was.

Russland muss man sagen, reagiert relativ erhalten, klar, verbal rüsten die immer auf, das sei

ein terroristischer Angriff, sagte Putin und es sei ein Beleg dafür, vor allen Dingen

auch diese Äußerung des britischen Außenministers, dass Russland ja kein Krieg mit der Ukraine

führe, sondern letztlich mit dem gesamten Westen, Putin sagte die Luftabwehr, werde

verstärkt.

Aber, und das ist allgemein durchaus registriert worden, er hat keine Vergeltungsschläge angekündigt

über die Angriffe hinaus, die ja dieser Tage wieder von Russland auf KIA, von anderen

Städte und Zivileziele in der Ukraine verübt werden, mit vielen Raketen und vielen Toten.

Ja, dann fragt man sich natürlich schon, was soll Russland auch noch mehr machen?

Sie feuern ja ohnehin schon mit allem, was sie haben, jetzt war die Rede zum Beispiel

von über 80 Raketen an einem Tag, so sieht das ehrlich gesagt auch das Institute for

the Study of War, sie interpretieren das so, wie er mir Putin versuche, den Angriff eher

herunter zu spielen, um letztlich zu kaschieren, dass Russland militärisch gar nicht mehr in

der Lage ist, weiter zu eskalieren, also unterhalb des Einsatzes von Nuklearwaffen, jedenfalls

geht da eigentlich nicht viel mehr, weil die Russen ohnehin schon am Ende ihrer militärischen

Möglichkeiten sind.

Aber Philipp, du hast unseren Hörerinnen und Hörern ja versprochen, dass wir das Ganze

auch noch mal völkerrechtlich einordnen und da ist die Lage ja doch vergleichsweise klar.

Ja, also da gibt es die Karte der Vereinten Nationen und dort gibt es das Kapitel 7, dass

diese Fälle regelt, das wohnt unter der Überschrift Maßnahmen im Hinblick auf Friedensbedrohung,

Friedensbrüche und Aggressionshandelung, so heißt es Kapitel 7 und der Artikel 51 sagt,

das Recht eines Staats auf seine Selbstverteidigung wird durch eigentlich nichts eingeschränkt,

solange der UN-Sicherheitsrat keine anders lautenden Maßnahmen erlässt.

So jetzt sitzen im UN-Sicherheitsrat, aber Russland und China auf der einen Seite, USA,

Großbritannien und Frankreich auf der anderen Seite, habe ich noch jemand vergessen?

Nee, das sind die fünfständigen Mitglieder, es gibt dann noch nichtständige Mitglieder

im Sicherheitsrat, ich meine zehn sein, das an der Zahl 10 oder 15.

Aber jedenfalls, die du genannt hast, Philipp, das sind die fünfständigen, die zeichnen

sich dadurch aus, dass sie ein Veto-Recht haben, das heißt also, wenn die nicht sagen,

dann kann kein Beschluss gefasst werden und deswegen kann man, glaube ich, ohne ein großer

Profet zu sein, davon ausgehen, dass der Sicherheitsrat in diesem Ukraine-Konflikt in keiner Weise

intervenieren wird, weil irgendjemand sehr wahrscheinlich immer ein Veto einliegt.

So, und das hat zur Folge folgerrechtlich, dass die Ukraine fast, muss man sagen, freies

in der Wahl ihrer Mittel, mit denen sie sich selbst verteidigt und fast, weil es nämlich

zwei Einschränkungen gibt.

Die eine Einschränkung ist, die Angriffe auf Russland müssen verhältnismäßig sein.

Das heißt, Russland hat die Ukraine angegriffen, beschießt seit 15 Monaten, glaube ich, mittlerweile,

die Ukraine mit Raketenpanzern, da sterben tausende Menschen und die Ukraine hat auch

militärische Ziele jenseits der Grenze auf russischem Territorium angegriffen und jetzt

zum zweiten Mal mit einigen Drohnen wahrscheinlich, womöglich Moskau attackiert, das würde

ich sagen, das kann man unter Verhältnismäßig abbruchen.

Ja, also im Vergleich zu den russischen Angriffen jedenfalls ist das ja weitgehend Pipifax,

das muss man, glaube ich, so deutlich sagen, die Grenze wäre allerdings erreicht völkerrechtlich,

wenn die Ukraine bewusste Angriffe auf Zivileziele fliegen würde oder Drohnen bewusst auf Zivileziele

lenken würde.

Ich meine, für die russische Seite ist das totaler Standard, Krankenhaus, Kinderheim völlig

egal, aber bewusste Angriffe auf Zivileziele sind eben völkerrechtlich geächtet, auf

der anderen Seite sind Kollateralschäden, also quasi versehentliche Treffer, am Rande

bewusste Angriffe auf militärische Ziele erlaubt und das führt natürlich zu so einem großen

Graubereich.

Was ist jetzt noch ein Angriff auf ein militärisches Ziel, der bedauerlicherweise ein Wohnhaus

getroffen hat und was ist ein bewusster Angriff auf ein Wohnhaus?

Ich würde mal denken, weil hier ja überhaupt gar keine militärischen Ziele getroffen worden

sind nach allem, was man weiß, sieht es doch eher nach einem Verstoß aus gegen das völkerrecht,

also nach einem bewussten Angriff auf Zivileziele, denn ich weiß nicht, wie du das wahrnimmst,

aber mir scheint es doch, als seien diese Drohnen bewusst auf Wohngebiete gerichtet worden.

Also das ist zumindest das, was man so weiß, wonach es so aussieht, richtig verlässliche

Messungen und verlässliche Quellen gibt es da soweit, ich das gesehen habe nicht, aber

davon muss man jetzt mal ausgehen und das hat natürlich auf der politischen Ebene durchaus

erhebliche Gravitationskräfte, so möchte ich mal das nennen, also wir haben die völkerrechtliche

Ebene besprochen, jetzt gibt es die politische, denn darum muss man natürlich wissen, dass

mehr oder weniger jede Waffenlieferung, jeder Stahlhelm, der in der Westen in die Ukraine

geliefert hat mit dem angehängten Benzel daherkam, bitte damit nicht russisches Territorium

angreifen.

Das ist sozusagen die Bedingung, an die mehr oder weniger alle Waffenlieferungen politisch

geknüpft waren.

Also alle Waffen, die geliefert werden vom Westen dürfen nur eingesetzt werden auf

ukrainischem Territorium, um ukrainisches Territorium zu befreien, wohl noch unter

Einschluss der Krim, da wäre wohl noch nicht die rote Linie überschritten, aber eigentlich

sind eben Angriffe auf Russland nicht okay, nun muss man sehen Angriffe auf Treibstoffdepots

in Grenz näher, gibt es schon, da kam aus dem Westen jetzt bislang auch keine ernsthafte

Reaktion und da muss man ganz ehrlich sagen, das kann man auch denke ich noch als unmittelbare

Verteidigung begreifen, denn natürlich werden diese Treibstoffdepots auch dazu genutzt,

quasi Panzer und anderes Militärgerät zu betreiben, das dann unmittelbar in der Ukraine eingesetzt

wird, aber ein Angriff auf Moskau, das ist ja einfach schon noch mal eine ganz andere

Baustelle.

Genau.

Also Silenski hat das ja auch mehrmals bekräftigt, als er in Deutschland war, wir greifen niemand

an oder sinnemes hat er gesagt und der Hintergrund ist ganz klar, sonst könnte die Unterstützung

in den USA vor allen Dingen aber auch Deutschland, Westeuropa für Waffenlieferungen an die Ukraine

natürlich deutlich nachlassen, jetzt ist natürlich immer noch offen, wer war es denn

jetzt wirklich?

Das ist nicht 100%ig nachgewiesen, der ukrainische Präsidentenberater Mikhailo Podolyak heißt

er glaube ich, der sagte natürlich, are we pleased to watch and predict and increase

in number of attacks, also er ist natürlich bereitet uns Vergnügen dieser Angriffe zu

sehen und ich sage mal weitere Angriffe vorher, aber sagt er, but of course we have

nothing directly to do with this, also natürlich haben wir nichts direkt damit zu tun.

Tja und wer die Lage schon ein bisschen länger hört, er kennt die schöne Figur des überspezifischen

Dementis, also mit anderen Worten, man weiß etwas von sich, aber man formuliert das so

eng, dass man damit mittelbar sagt, etwas anderes stellt man nicht in Abrede, in diesem

Fall, wir haben nichts direkt damit zu tun, tja indirekt aber vielleicht schon, habt

ihr möglicherweise Leute gewähren lassen, es muss ja nicht sein, dass das direkt eine

ukrainische Militäreinheit ist, vielleicht waren es ja auch Freiwillige, die gesagt haben,

also wir können Drohnen bauen, es gibt ja breite Unterstützung der ukrainischen Armee durch

Zivilistinnen und Zivilisten, die zum Beispiel zivile Drohnen zur Militärdrohne umbauen.

Na oder wenn ihr dieses Gatter offen lasst zu eurem Drohndeppo, wir würden uns mal so

ein paar Drohne ausleihen. Ach so, das ist offen geblieben. Also da gibt es ja tausend

Möglichkeiten, wie man das nicht direkt machen kann, aber indirekt irgendwie schon befördern

kann und so schreibt auch die New York Times, die US-Geheimdienste gingen davon aus, dass

Kier für die Drohnenangriffe auf Moskau verantwortlich ist. Ich finde ein bisschen unwahrscheinlicher

wird, Tag für Tag eigentlich dieses Szenario, dass die Russen quasi eine Operation unter

falscher Flagge durchgeführt haben. Das war ja auch mal denkbar, dass sie quasi Moskau

selber angreifen mit eigenen Drohnen, um die politische Unterstützung für Waffenlieferung

an die Ukraine im Westen zu unterminieren. Das halte ich mittlerweile nicht verausgeschlossen,

aber doch eher für unwahrscheinlich. Also wenn die Ukraine es jetzt wirklich nicht gewesen

wäre, hätte ich ja nichts näher gelegen als zu sagen, aber das ist genau. Also insofern

würde ich denken, dieser Drohnenangriff ist vermutlich einzuordnen als Teil der Vorbereitung

für die von langer Hand geplante und ja jetzt auch schon seit einer ganzen Weile erwartete

Sommeroffensive. Die ukrainische Seite hat seit Wochen und Monaten systematisch Infrastruktur

auf russischer Seite und insbesondere auf russisch besetztem Territorium angegriffen,

also Pipelines, Depots, Radaranlagen und so. Sie hat versucht, die Soldaten dort zu demoralisieren,

Ressourcen und Truppen zu binden und auch die eigene Strategie zu verschleiern. Und

insbesondere in diese letzte Kategorie könnte der Drohnenangriff auf Moskau fallen und

also die letzten beiden. Kapazitäten binden und Strategie verschleiern, Philipp, oder

wie würdest du das fotografieren? Ja, wirklich auch so. So wird das allgemein gelesen, dass

halt an möglichst vielen Fronten, an möglichst vielen Ecken, auf möglichst viele Arten und

Weisen die Russen beschäftigt werden, abgelenkt werden, um eben dann rauszufinden, wo die Ukraine

am besten angreifen kann. Und diese Angriffe auf Moskau jetzt gehen wir davon aus, dass

die Ukraine war. Die sind natürlich riskant, aus denen von uns auch genannten Gründen

völkerrechtlich, politisch und so. Aber ich würde mal davon ausgehen, bis diese Offensive

beginnt, wird der Westen weiter liefern und nichts kritisieren und nicht untergraben. Und das macht

einfach nochmal die Bedeutung dieser Offensive. Klar, das Ding muss funktionieren. Wenn das

schief geht, dann stehen die natürlich militärisch blöd da, die Moral ist im Eimer, aber vor allen

Dingen wird es auch mehr Gegenwind aus dem Westen geben. Da werden so viele gerade in den USA

auch sagen, ey, jetzt liefern werde ich schon die ganzen Waffen. Die kriegen das, die kriegen das

trotzdem nicht gebacken. Mit Anlauf, mit Unterstützung, mit einer geschlossenen NATO, mit einem drum

und dran, hat das überhaupt noch Sinn. So, diese Debatte wird aufkommen, wenn diese Offensive

schief geht, definiere Schiefgehen. Na klar, müssen Sie Krim einnehmen, müssen Sie bis ans

Schwarze Meer gehen und so. Aber die Wertung, die allgemeine Wertung muss sein, diese Offensive

war ein Erfolg. Ja, und vor allem muss die Offensive zu dem Ergebnis führen, dass deutlich wird,

dass für die russische Seite diese Ukraine Expedition ein Misserfolg ist. Das heißt,

es muss sich abzeichnen, dass in irgendeiner Art und Weise da eine russische Pleite bei rauskommt.

Wenn das den Ukainern nicht gelingt in diesem Sommer, dann wird es für sie militärisch und

vor allem auch diplomatisch richtig eng. Insofern muss man sagen, es steht uns

da vermutlich allen erheißer Sommer bevor, jedenfalls an der ukrainischen Front. In Deutschland

wird gerade intensiv debattiert über Lina E. Lina E. ist Studentin, Studierende, 28 Jahre alt.

Und sie wurde gestern vom Oberlandesgericht Dresden verurteilt zu einer deftigen Haftstrafe.

Ja, in der Tat. Wegen Mitgliedschaften an der kriminellen Vereinigung, mehrfacher gefälliger

Körperverletzung und weiterer Delikte verurteilte sie der Staatsschutzsinnat des

URG Dresden zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten. Mit ihr zusammen wurden

auch drei mitangeklagte jeweils zu Haftstrafen verurteilt. Philipp, was ist da passiert?

Was wirft man Lina E. und ihren Mitangeklagten vor?

Ihr wurde vorgeworfen und vom Gericht ja dann auch geurteilt, sie soll Leute angegriffen haben,

die sie für Nazis halten. Also es gab zum Beispiel einen Attacker auf einen Kanalarbeiter in Leipzig,

der wohl eine Mütze auf hatte, die das Logo eines rechtsextremen Labels oder einer Band trug oder

sowas. Und der Kanalarbeiter wurde angegriffen und trug schwere Kopfverletzungen davon. Dann gab es

wohl auch ein Überfall auf eine Nazi-Kneipe in Thüringen. Sachschaden so 2000 Euro. Gäste und

der Wirt wurden verprügelt. Das ist so die Art der Attacken. Da gab es noch ein paar mehr von der

Sorte. Also teilweise ganz erhebliche Körperverletzungen und so gewisse Sachschäden auch. Ja, jetzt

hat sich die Frage, sind Lina E. und die Mitangeklagten zu Recht verurteilt worden? Es gab

teils wütende Proteste gegen diesen Schuldspruch. Zumal Lina E. auch schon zweieinhalb Jahre

in Untersuchungshaft saß. Ja, die hat also die zweieinhalb Jahre Ruhe auf die Haftstrafe. Aber

die hat also zweieinhalb Jahre schon gesessen. Deswegen war dieser ganze Prozess schon jedenfalls

sagen wir mal so aus der linken Szene sehr kritisch beobachtet worden. Und jetzt ist natürlich die

große Frage, ist das politische Justiz oder ist sie zu Recht verurteilt worden? Und da,

glaube ich, ist die ehrliche Antwort. Das können wir nicht sagen. Es wäre einfach nicht seriös,

die Beweislage aus der Ferne zu beurteilen. Wir haben ja nicht mal im Gericht gesessen. Wir haben

nicht im Gerichtssaal gesessen. Wir haben die Beweisaufnahme nicht verfolgt, fast 100 Verhandlungstage.

Wir kennen die Akten des Verfahrens nicht. Deswegen muss man sagen, denn man kann einfach

nicht von außen beurteilen, ob dieser Schuldspruch jetzt zu Recht erfolgt ist oder nicht. Das würde,

ich denke, das sollten Medien generell nicht tun. Zumal man hier auch noch sagen muss, dass sich das

Gericht zumindest mühe gegeben hat, fast 100 Verhandlungstage. Und der Vorsitzender hat das

Urteil seines Senats neun Stunden lang mündlich begründet, also eine außerordentlich akribische

Urteilsbegründung. Das kann doch trotzdem Käse gewesen sein. Aber das, denke ich, kann man sich

nicht anmaßen, das so einzuschätzen. Deswegen viel spannender aus unserer Sicht ist, denke ich,

die Bewertung dieser Taten und vor allem deren Einordnung in das politische Klima in Sachsen und

Thüringen. Ja, also der Staatsschutzsenat, das Gericht hat er vorgehoben, dass das staatliche

Gewaltmonopol jede Form von Selbstjustiz ausschließt. Das klingt wie eine Binse, aber ist hier

wahrscheinlich nochmal angesagt, das festzuhalten. Rechtsextremismus sagt, das Gericht sei zwar

gegenwärtig die größte Bedrohung für die Demokratie. Wow, sagt das mal ein Gericht ausspricht. Doch die

Begehung von Straftaten lasse sich in einem Rechtsstaat nicht mit politischen Zielsetzungen

rechtfertigen. Das würde ich sagen, kann man unterstreichen. Genau, das würde ich denken, sehen

wir ebenso. Privatpersonen dürfen insbesondere nicht zum Mittel der Gewalt greifen. Ja, Nazis sind

die größte Gefahr für den Rechtsstaat und die Demokratie. Und dass das jetzt mal von einem Gericht

festgestellt wurde, sogar von einem Gericht, das sich hier mit Linken beschäftigt hat, finde ich

schon bemerkenswert, ja, denn normalerweise prägt dem politischen Diskurs in Deutschland ja die

berühmt berüchtigte Hubeisentheorie, wo immer so getan wird, als wenn Links- und Rechtsextremismus

gleich gefährlich wären. Aber und das ist eben der Punkt. Auch gegen Nazis kann man den

Rechtsstaat nicht mit Straftaten verteidigen. Privatpersonen dürfen eben nur in ganz engen

Ausnahme fällen. Tatsächlich Gewalt ausüben, also Notwehr ist ein klassisches Beispiel. Normalerweise

aber ist eben private Gewalt tabu. Statt Selbstjustiz zum Beispiel, statt einer Bürgerwehr gegen

den Faschismus gibt es eben ein staatliches Gewaltmonopol, was so viel bedeutet wie nur der

Staat darf Gewalt anwenden und das tut er typischerweise durch die Polizei. Und die wiederum

handelt dabei ja auch jedenfalls in der Theorie aufgrund von Gesetzen, ist an den Verhältnismäßigkeits,

Grundsatz gebunden und wenn der Staat zu weit geht, also zum Beispiel Polizeibeamte zuschlagen, wo es

da sogar keinen Grund gab, dann kann man dagegen klagen. Ja, aber die Kritik ist natürlich jetzt laut.

Am Samstag glaube ich gibt es große, sind große Proteste angekündigt, in Dresden, es gab

schon auch Proteste im Gerichtssaal, Zwischenrufe, die Leute wurden des Saals verwiesen und so weiter,

also die Proteste sind während der Verfahren laut gewesen, die waren vorher laut und sie werden

auch am Wochenende noch mal sehr sehr laut werden und der Vorwurf ist eben politische Justiz. Das

klingt ja jetzt alles ganz nett, eine Gewaltmonopol beim Staat und wenn es Nazis gibt und die dann die

größte Gefahr für die Demokratie sind, dann muss der Staat das eben verfolgen und dann werden

auch die Leute zur Rechenschaft gezogen, aber ist die Kritik, das spielt doch hier in Sachsen und

Thüringen und da klappt das so der Vorwurf mit der polizeilichen Gewalt, dem polizeilichen Kampf

gegen die Nazis einfach nicht. Ja und damit kommen wir zum politischen Hintergrund des Prozesses. Ja,

Lina E. und ihre Leute haben, jedenfalls wenn man mal dieses Urteil des Staatsschutzsinats als

zutreffend unterstellt, die falschen Mittel eingesetzt. Ja, sie haben eben selber Gewalt

eingesetzt gegen Faschisten und das kann es in einem Rechtsstaat nicht geben, aber sie hatten in

sofern auch irgendwie recht, als sie der Meinung waren, es passiere einfach viel zu wenig gegen

Nazis, insbesondere in Sachsen und Thüringen. Es gibt einfach ganz massive Zweifel, ob Polizei

und Justiz in Sachsen und Thüringen tatsächlich konsequent gegen Faschismus vorgehen. Es gibt

inzwischen zahllose, wirklich zahllose Beispiele für Rechtsextremismus in der Polizei, gerade in

diesen beiden Bundesländern und deswegen gibt es, glaube ich, auch so eine große Emotionalität

hier in der Debatte, weil einfach ganz viele Leute das Gefühl haben, hallo, wir haben hier ein Riesenproblem

mit Nazis, dann tun Leute mal was und damit einmal, da greift der Staat damit allem Engagement ein,

während er eben die eigentlichen Probleme, nämlich die Faschisten, nicht konsequent verfolgt. So die

Wahrnehmung jedenfalls vieler Menschen. Ja genau und zwar, du hast es jetzt auch gesagt, aber genau

auch mit diesem, mit allem Engagement, also dieser zweieinhalb Jahre in Urlaub, das wurde eben so

lange ermittelt. Das Gericht hat hundert Tage, fast hundert Tage Fahnein. Es gibt da eine Soko-Links,

Dutzende von, von, von Polizeibeamten und man sucht halt, wo ist denn bitte die, die Soko-Nazis,

die kommen irgendwie zu nichts und im Fall Lina E. hat man also Beweismittel zusammengekratzt,

anders kann man das ja schon gar nicht sagen, um diese, um diese Leute zur Strecke zu bringen. Man

würde sich einfach ein, auch nur ansatzweise vergleichbares Engagement im Kampf gegen Rechtswünschen,

aber Philipp, ich glaube trotzdem muss man doch nochmal deutlich sagen, auch wenn das ein

Riesenskandal ist, wie in Sachsen und Thüringen eben nicht genug getan wird gegen den Faschismus,

darf man daraus eben nicht die Konsequenz ziehen zur Selbstjustiz sogar? Nein, die Lehre aus dem

Prozess gegen Lina E. müsste eigentlich sein, dass Polizei und Justiz endlich jetzt auch mit

derselben, mindestens mit derselben Konsequenz sich rechte Netzwerke vorknüpfen, die es ja

nachgewiesener Maßen dort zu Hauf gibt, nicht nur dort, aber auch dort. Ich mein, das ist ja,

wenn man so, wenn man das jetzt mal umdrehen will, eigentlich die gute Nachricht des Prozesses,

wenn die Polizei und Justiz das wollen, ja, dann lässt sich politisch motivierte Kriminalität

wunderbar bekämpfen. Das heißt, also man kann Polizei und Justiz zukünftiges Versagen gegen

Rechtsextremismus quasi umso überzeugender vorwerfen, wenn man sich nämlich anschaut,

welchen absurden Aufwand diese Behörden getrieben haben, um Lina E. und ihre Kumpelzert zur Strecke

zu bringen. Ja, was ich mir noch gedacht habe bei dieser, als wir das so ein bisschen vorbereitet

haben und besprochen haben, habe ich so kurz mal so gedacht, ist diese Argumentation, ja, die Taten

waren Straftaten und nicht okay und Selbstjustiz geht gar nicht, aber sie weisen halt auf einen

inhaltlichen Punkt hin, ist das nicht so was wie Whatabout-Tism? Also diese Idee, so eine Art

derailing, so eine Ablenkungs-Kommunikationsstrategie, die in ganz vielen anderen Bereichen gemacht wird,

Klima, etc. Aber dann dachte ich, Whatabout-Tism ist ja eigentlich der Vergleich auf zwei völlig

sachfremde Themen. Also man redet über Klimaschutz und die sollte sagen, ja, ja, Klimaschutz müssen

wir machen. Aber was ist denn hier mit Kinderarmut, zum Beispiel? Ja, wir reden jetzt über das eine

Thema und du kannst jetzt nicht auf das andere Thema, was damit eigentlich nicht zusammenhängt,

überschwenken, um vom Thema eins abzulenken. Ich würde aber sagen, das ist ja hier nicht

der Fall, denn man redet ja über ein Thema, nämlich der Umgang mit Nazis in Ostdeutschland und das

gerichtliche Verfahren gegen Leute, die da strafrechtlich tätig werden. Und das sind einfach

zwei Perspektiven auf ein und dasselbe Thema. Und ich finde, da lenkt der Hinweis, dass es Probleme

mit Nazis gibt, nicht davon ab, dass Selbstjustiz gegen Nazis nicht okay ist. Genau. Und deswegen

das sagen wir ja auch hier in dieser Sendung in aller Deutlichkeit. Wir wollen in keiner Weise

verteidigen, was Lina E. und ihre Kumpels da getan haben. Also jedenfalls nach diesem Urteil,

rechtskräftig ist das ja noch nicht. Unser Punkt ist eigentlich nur, es würde jetzt völlig am

Problem vorbei gehen, nur zum Kampf gegen den Linksextremismus zu blasen. Das ist natürlich jetzt

aus der konservativen Ecke schon wieder passiert. Da wird einfach viel zu wenig vom Faschismus

geredet und viel zu viel vom Linksextremismus. Das ist so eine Art Lieblingsthema konservativer

Politik, obwohl die eigentliche Gefahr von rechts kommt, was ja eben dankenswerterweise

der Staatsschutz-Senat jetzt schon gesagt hat. Aber vor allem zeigt das auch die polizeiliche

Kriminalstatistik überdeutlich. Es ist gerade erst vor drei, vier Wochen von der Bundesinnenministerin

vorgestellt worden und von Präsidenten des Bundeskriminalamts. Die Gewalt von links,

die sogenannte PMK-Links oder politisch motivierte Kriminalität links, ist 2022 massiv zurückgegangen.

Nicht etwa angestiegen. Minus 31 Prozent. Also ein Drittel weniger Straftaten von links.

Und dazu muss man wissen, das sind jetzt auch nicht alles tatsächlich irgendwie Gewalttaten

gegen Menschen, sondern ein häufiger Tatvorwurf ist abreißen von Plakaten. Ja, also wenn

jemand ein AfD oder NPD-Plakat von der Laterne reist, ist das natürlich Sachbeschädigung

oder was es sonst noch zu sein? PMK-Links. Aber es zählt dann gleich als PMK-Links.

Rechte Gewalt hingegen steigt Jahr für Jahr an. 2022 allein plus 7 Prozent. Auch die Bundesinnenministerin

hat das durchaus mitbekommen. Nancy Feser sagte, besondere Sorge macht mir das Angriff

auf Geflüchtete stark zugenommen haben. Die Polizeibehörden registrierten 1.420 Straftaten

gegen Schutzsuchende. Muss man sich überlegen. In 2022. Das ist nur ein Jahr. Das sind ja

immerhin so über einen Daumen 5 Taten pro Tag. Grob. Grob. Bisschen weniger. Bisschen

weniger. Vier bis vier Taten am Tag, muss man überlegen. Das ist eine enorme Zahl. Und

ich meine nicht nur diese Zahlen sprechen aus meiner Sicht, eine ziemlich eindeutige Sprache.

Auch die Natur der Taten ist ein anderer. Also linke Gewalt gegen Nazis, wie gesagt,

wo wir überhaupt nicht verteidigen, ist aber reaktive Gewalt. Sie reagiert eben auf ein

Versagen des Staats beim Schutz der Demokratie. Das macht die Mittel nicht richtig. Aber immerhin

verweist diese Gewalt auf ein reales Problem. Und deswegen ... Und es ist auch ein Unterschied.

Ja. Einfach nur, ohne das zu wehrten. Aber das ist ein systematischer Unterschied zwischen

diesen beiden Gewalttypen. Genau. Weil es im einen Fall bei rechtsextremer Gewalt geht es einfach

in typischer Weise um Hass gegen andere Menschen. Und bei linker Gewalt geht es letztlich um die

Verteidigung der Demokratie, wenn auch mit völlig missratenen Mitteln. Insofern kann man, glaube

ich, in dieser Diskussion jetzt nur davor warnen, quasi in die Falle zu tappen und zu sagen,

oh, oh, Gott, oh, Gott, oh, dieser ganze Linksextremismus. Wie gesagt, die Zahlen sprechen eine ganz

andere Sprache. Und das ist im Grunde auch so mein quasi politisch zentraler Vorwurf gegen

Lina E. und diese Leute. Also abgesehen davon, dass das eben schwere Straftaten sind, die sie begangen

haben, ermöglichen sie es. Auch interessierten Kreisen von dem wahren Problem des Rechtsextremismus,

gerade auch in Sachsen und Thüringen, abzulenken. Sie bieten einen, wie soll ich sagen, einen

willkommenen Vorwand, jetzt noch viel mehr Energie auf Linksextremismus zu verwenden, obwohl sie da

eigentlich Fehler am Platz wäre. Insofern kann man wirklich nur hoffen, dass das nicht passiert. Aber

klar, Sachsen ist natürlich ein CDU-regiertes Land. Der sächsische Ministerpräsident ist unter den

CDU-Ministerpräsidenten, kann man, glaube ich, schon sagen, mit Abstand der konservativste, der

rechteste, auch letztlich der putinfreundlichste und so. Also ob er nun tatsächlich der richtige

ist, um konsequent gegen Rechtsextremismus vorzugehen. Ich weiß es nicht, man kann

eigentlich noch... Man sollte ihm die Chance geben. Man sollte ihm die Chance geben, vor allem würde ich

damals an seine KoalitionspartnerInnen appellieren. Ich meine, immerhin sind zum Beispiel die Grünen

ja mit in der Koalition in Dresden. Und da würde ich sie insbesondere in der Pflicht sehen, hier

doch einfach immer wieder der Polizei und der Justiz auf die Finger zu schauen, damit sie hier

vielleicht dann doch mal die Demokratie verteidigen. Wir hatten das angekündigt, dass es Stichwahlen in

der Türkei geben würde. Die sind dann Überraschung auch abgehalten worden und Überraschung. Präsident

Teib Erdogan hat gewonnen knapp, aber er hat gewonnen gegen seinen Herausforderer und ist damit der

alte und neue Präsident der Türkei. Der eigentliche Urnengang, das Abwerfen der Stimmzettel, das hat

wohl so einigermaßen geklappt, aber der ganze Rahmen, in dem diese Wahl stattgefunden hat, die war

natürlich, ich will nicht sagen, alles andere als demokratisch, aber wenn man sie mit demokratischer

Messlatte misst, dann findet man schon eine Menge an Problemen, Medien nicht frei, die Opposition nicht

wirklich frei, viele Oppositionäre inhaft schlicht und ergreifend. Also ist wie es ist, er ist jetzt

der Präsident und das ist kein gutes Zeichen für die Demokratie in der Türkei. Genau, das muss man

so sehen, mit dieser Wahl kann Erdogan jetzt seinen Kurs legitimiert sehen, er wird seine Autokratie

mutmaßlich weiter ausbauen, er hat ja auch eine Mehrheit im Parlament errungen und es steht zu

befürchten, dass er die Opposition noch härter bekämpfen wird und die Medien noch weiter gleich

schalten. Also das heißt, ja, die Demokratie in der Türkei wird weiter leiden, man kann sich eh schon

die Frage stellen, was von der Demokratie da noch über ist. Gleichwohl, der Bundeskanzler versucht

sich weiterhin in Diplomatie, das ist wahrscheinlich auch das einzige, was man noch tun kann, er hat also

Erdogan gleich nach seinem Wahlsieg nach Berlin eigentlich. Ja, und das ist ja auch im Kern okay,

ich meine Erdogan ist NATO mitglied und es gibt enge Verbindungen zwischen Deutschland und Türkei.

Die Frage ist ja ein bisschen reden ist gut, aber es gibt ja mehrere Arten, auf die man reden kann

und man kann irgendwie das alles schön reden und man kann irgendwie Klartext reden. Das Problem hier

ist nur, dass die Türkei bei vielen Fragen doch an einem sehr langen Hebel setzt. Also Deutschland

ist angewiesen auf die Türkei. Manche sagen es sogar erpressbar geworden durch ganz verschiedene

Sachen. Ah, natürlich Aufnahme von Flüchtlingen. Wenn es darum geht, die Flüchtlinge irgendwie aus

Europa, aus Deutschland rauszuhalten, dann spielt die Türkei gerade bei Geflüchteten aus Syrien eine

riesige Rolle. Der Türkei-Deal ist momentan tot, aber gerade weil ihnen viele wieder zum Leben

erwecken wollen, kommen sie an Erdogan nicht vorbei. Erdogan ist momentan der einzige NATO-Staatschef,

der irgendwie mit Putin noch redet, hat unter anderem das Getreideabkommen, diesen Getreide-Deal

ausgemacht, sodass Afrika mit Getreide aus der Ukraine beliefert werden kann. Also auch da kann

man nicht auf ihn verzichten. Und dann natürlich das Thema Schweden. Also Schweden und Finnland haben

ja bereits vor einiger Zeit beantragt, der NATO beizutreten. Finnland ist inzwischen auch aufgenommen

worden, aber Schweden eben nicht, denn der Beitritt zu NATO funktioniert eben nur einstimmig. Alle

bisherigen NATO-Mitgliedstaaten müssen dem zustimmen. Und im Falle Schwedens tritt Erdogan,

tritt die Türkei auf die Bremse, weil sie finden, dass Schweden nicht hart genug gegen

angebliche Terroristen vorgeht, die in Schweden Zufluch gefunden haben, da Schweden sieht diese

Menschen aber als politische Geflüchtete. Ja, haben jetzt aber auch erhebliche Gesetze geändert. Ich

weiß nicht, ob das Erdogan ausreicht, aber das zeigt, wie viel Macht er in der NATO hat. Dass

Schweden sich hinsetzen und da Gesetze anfassen und am Ende oppositionelle ausliefern. Wahrscheinlich.

Darauf wird es hinauslaufen. Also das ist der Hebel, an dem Erdogan sitzt und natürlich soll Scholz

reden, aber ich finde, er kann auch Klartext reden, er muss Klartext reden und dazu gehört zum Beispiel

auch, dass türkische Oppositionelle wenigstens nicht auch noch in Deutschland verfolgt werden. Das

gibt es ja auch. Oder dass eben der türkische Staat über Organisationen, hier staatsnah,

Organisationen, ziemlich extremistische Personen in die Maschinen zum Beispiel schickt und auch an

Schulen schickt, um Kinder zu indoktrinieren. Also das sind alles Sachen, glaube ich, da muss Scholz

schon an Riegel davor schieben und die große andere Frage ist natürlich, was soll mit den

ja eingefrorenen Gesprächen zum EU-Beitritt passieren? Ja, also offiziell ist die Türkei ja

weiter. Kandidatenstaat möchte eigentlich der EU beitreten. Da muss man ehrlich sagen, es gibt

momentan keinerlei Aussicht, dass es demnächst dazu kommen könnte, denn die Türkei entfernt sich

immer mehr von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und die EU braucht nun wirklich alles, aber ganz

sicher keinen zweiten Viktor Orban, der also quasi die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie in

der EU von innen aushöhlt. Viktor Orban macht ja in dieser Woche auch wieder Schlagzeilen durch

seine unangefochten Nähe zu Putin weiterhin. Der blockiert gerade das 11. Sanktionspaket der

EU und die EU gruselt sich davor, dass Ungarn im Sommer 2024 die Ratspräsidentschaft übernehmen.

Und alle überlegen, wie man das noch irgendwie vermeiden kann.

Also kleine Notiz am Rande. Und einen solchen zweiten Viktor Orban will nun wirklich niemand,

dass man sich dann noch Gedanken machen muss, wie man Erdogan davon abhält, EU-Ratspräsident zu

werden. Insofern ist droht quasi kein EU-Beitritt der Türkei, aber die Frage ist, ob man die zur

Zeit eingefrorenen Gespräche auch offiziell abbrechen sollte. Einige finden ja, man müsste doch der

Realität ins Auge blicken, dass das ohnehin nichts wird. Auf der anderen Seite finde ich persönlich,

aber das ist ja die Europäische Union bei den Menschen in der Türkei sehr beliebt und gerade

der Opposition in der Türkei gibt diese Beitrittsperspektive auch irgendwie Hoffnung. Es gibt

zumindest, sagen wir mal so, die Hoffnung, dass diese Gespräche oder diese, wenn auch Waageperspektive

Erdogan doch so ein kleines bisschen bremsen und von allzu autoritären Maßnahmen abhalten könnte.

Ich bin ganz ehrlich, so richtig gebremst, wirkt da auf mich nicht in seinem Weg in die Diktatur,

aber auf der anderen Seite weiß man nicht, wenn jetzt offiziell die Europäische Union hier noch die

Tür zuschlüge, ob das den Erdogan nicht noch irgendwie entfesselt. Ja, vielleicht sollten sie

die Karte erstmal in der Hand behalten. Also ich habe eher so das Gefühl, die Deutschen üben

sicher auch in einer neuen Kommunikation mit Autokraten. Also sie haben lange sehr leise und

verständnisvoll mit Putin geredet, sie haben auch sehr lange und leise und verständnisvoll mit China

geredet. Annalena Baerbock zieht da gerade andere Seiten auf, zumindest mit China und was man so

hört, ist das offiziell nach vorne hin natürlich rumpelt das da mal ein bisschen und so, aber was

man so aus dem Außenamt hört, ist das auch so, dass da viele Leute sehr stolz darauf sind und schon

das Gefühl haben, die Chinesen nehmen nur jemanden ernst, der auch mal auf die Sahne haut. Die Chinesen

nehmen nur jemanden ernst, der mit ihnen auch Klartext redet, der ihnen Kontra gibt. Das ist bei

Putin nach allem, was wir wissen wahrscheinlich auch so und ich finde, es spricht einiges dafür,

dass das bei Erdogan nicht anders ist. Ich glaube, es ist ein bisschen küchenpsychologisch, aber ich

glaube doch schon, dass man sagen kann, solche autokratischen Herrscher sind mit, komm, lass mal

zusammensetzen und wir einigen uns doch auf gemeinsame Werte und gehen dann gemeinsam voran schwer zu

überzeugen, sondern den muss man manchmal auch mit Drohung und Macht spielen, komm, sonst bewegt

sich da nichts und ich würde mir wünschen, dass das Olaf Scholz und die EU mal machen und dazu

brauchen sie auch die Drohung, dass beim EU-Beitritt der Hörer endgültig aufgelegt wird. Werbung.

Bei Klimaschutz, Datenschutz, Fairness, Transparenz und echt menschlichem Service, da denkt man an

viele Sachen, nur nicht an Mobilfunk, bis jetzt. Denn Weetel macht Mobilfunk fair, sauber und menschlich.

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einmaligen Rabatt von 25 Euro auf euren Tarifabschluss oder Weetel steckt für euch 40 Euro in den

Ausbau von Solarenergie. Wir blicken zurück ins Inland auf das sogenannte Startchancenprogramm

und das muss man ganz ehrlich sagen. Das Startchancenprogramm für Schulen in Deutschland

ist bitter nötig, denn vor Kurzem wurde die aktuelle Lesestudie veröffentlicht, also zur

Lesekompetenz deutscher Schülerinnen und Schüler. Und die Botschaft ist, glaube ich, Philipp ganz

deutlich, deutsche Schülerinnen lesen sehr schlecht. Diese neue Iglo-Lesestudie vom 16. Mai kam nämlich

zum Ergebnis 25 Prozent. Also ein Viertel der deutschen Viertklässlerinnen und Viertklässler

erreichen nicht einmal die Mindeststandards im Leben. Ein Viertel, vier Jahre Grundschule quasi

für die Tonne, jedenfalls was die Lesekompetenz angeht. Und die Studienautorin sagt in aller

Klarheit, seit der PISA-Studie 2000 hat sich nichts getan. Das sind jetzt 2000, ich glaube 2001

oder sowas war es, aber in den letzten 20 Jahren hat sich da einfach verdammt wenig getan,

auch wenn es natürlich immer noch Länder gibt, die schlechter sind und so. Aber das ist nicht der

Maßstab, glaube ich, an dem sich das deutsche Bildungssystem messen sollte. Und nach wie vor

ist das größte Problem des deutschen Bildungswesens. Der Erfolg von Schülern und Schülerinnen

hängt maßgeblich von Bildung und Einkommen der Eltern ab. Wenn deine Eltern viel Ressourcen haben,

Geld, Bildung, you name it, sind deiner Startchancen viel, viel besser. Und die Schulen schaffen es kaum

das auszugleichen. Das ist nach wie vor die bittere Diagnose. Ja und das ist natürlich insbesondere

für sozialdemokratische Bildungspolitik eine absolute Katastrophe. Denn die traditionelle

Vorstellung war ja, dass Kinder zum Beispiel aus Arbeiter, Innenhaushalten über das staatliche

Bildungswesen quasi den Anschluss schaffen, dass sie dann zum Beispiel einen Hochschulabschluss

erreichen, bessere Berufe finden, mehr Geld verdienen und auf diese Art und Weise eben

so was wie eine soziale Durchlässigkeit geben sollte. Das hat ja in den 60er-70er-80er-Jahren

auch sehr gut geklappt, würde ich mal sagen. Und da sind wir einfach gerade dabei, wieder

den Anschluss zu verlieren. Und das hat nun erfreulicherweise auch die Ampel erkannt.

Nicht nur die SPD, sondern auch Grüne und FDP wollen sich dieses Problems annehmen. Und deswegen

hat die Ampel schon im Koalitionsvertrag das sogenannte Startchancenprogramm formuliert.

Das zentrale Bildungsprojekt der Ampel, wie gesagt, angekündigt schon im Koalitionsvertrag

und da hat die Ampel große Pläne. Ja, über die nächsten zehn Jahre sollen mehr als 4.000

Schulen in Deutschland gefördert werden. Und zwar Schulen mit einem hohen Anteil sozial

benachteiligter Schüler und Schülerinnen. Investitionen aktuell geplant sind 2 Milliarden Euro.

Wenn man das jetzt mal mit dem ganzen Geld vergleicht, was sonst in Bildung fließt,

ich glaube, das ist über 100 Milliarden Euro, ist das natürlich nicht viel, aber es wäre

zumindest ein hoffnungsvoller Anfang. Oder wenn man das mal mit dem Geld vergleicht,

das in Gas-Subventionen geflossen ist und so. Also das finde ich, das muss man bei

dem Ganzen immer im Hinterkopf behalten. Gerade der Bund gibt unglaubliche Summen für alles Mögliche

aus. 80 Milliarden oder 70 Milliarden Euro für klimaschnittliche Subventionen. Also nur um das

mal so ein Kontext ist. Und 300 Milliarden Euro waren mal vorgesehen für Corona-Subventionen,

Kurzarbeit und so weiter und so weiter. Die sind nicht alle abgeflossener als ein ganz

Menge Geld im Topf geblieben. Also insofern diese 2 Milliarden Euro, die sind jetzt für

die Verhältnisse des Bundes vergleichsweise überschaubar. Aber immerhin geht es ja darum,

mal einen neuen Weg zu finden und tatsächlich gerade Schulen eben besonders zu fordern,

an denen besonders viele sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden.

So und in diese Verhandlungen des Bundes mit den Ländern, denn die Länder haben ja die

Hoheit im Bildungswesen, kommt jetzt mehr Schwung. Das kann man glaube ich sagen.

Das ist so ein bisschen die News der aktuellen Tage. Da konkretisiert sich also einiges raus.

Und im Kern, das war schon ein bisschen länger bekannt, im Kern soll das Startchancenprogramm

auf 3 Säulen ruhen. Da ist zum einen ein Investitionsprogramm für bessere räumliche

Ausstattung der Schulen, also mehr Räume, wo man sich zurückziehen kann und dass insgesamt

natürlich die Klos auch funktionieren. Solche Selbstverständlichkeiten, das ist die Säule 1.

Dann soll es Säule 2, ein sogenanntes Chancenbudget geben, damit die Schulen selber mehr Geld zur

Verfügung haben, um wie es heißt, Unterricht, Schule, Lernangebote weiterzuentwickeln. Das dürfte

so ein bisschen auf spezielle Förderprogramme auf so rauslaufen. Da ist so ein bisschen die Frage,

wie viel Geld können, wie viel davon können die Schulen so ein eigen Regie ausgeben. Aber

das wird noch geklärt. Chancenbudget, das ist die zweite Säule und die dritte Säule soll halt sein

Schulsozialarbeit. Also das, weiß ich aus eigener Erfahrung, ist total wichtig, wenn du an der

Schule nicht nur Lehrer, Lehrerinnen hast und Leitung und Hausmeister, Hausmeisterin, sondern

eben auch Schulsozialarbeiter, die sich um den ganzen Krempel kümmern können, der nicht rein

pädagogisch inhaltlicher Natur ist, sondern Streitigkeiten, Krisen, Zwistigkeiten, Depressionen,

was weiß ich, was Schüler und Schülerinnen so vor Probleme haben, ein Riesennummer, wenn du

Schulsozialarbeiterinnen an der Schule haben. Das sind also die drei Säulen. Schulsozialarbeit,

bessere räumliche Ausstattung und das Chancenbudget, was so ein bisschen quasi auch freier

verwendet werden kann für spezielle Förderung. So, das sind die drei Säulen und dieser Ansatz,

der ist denke ich einfach gut. Er wird von allen Seiten gelobt. Die Grundidee dahinter ist, dass

Schulen in sozial benachteiligter Lage einfach mehr Ressourcen als privilegierte Schulen brauchen.

Schulen in super Gegenden, wo keine Ahnung, alle Kinder, deutsche Muttersprache sprechen, die Eltern

relativ viel Geld haben, notfalls auch mal Nachhäufe bezahlen können, wo es einfach an

Geldpersonal und Bildung nicht mangelt. Die brauchen einfach weniger, während das es eben in

sozial benachteiligten Lagen anders. Und diese bedarfsgerechte Finanzierung, quasi mit Geld

gegen Steuern, wenn die Herausforderungen größer sind, die fordern auch Bildungsexpertinnen und

Experten schon seit Langem. Ja, aber das geht nun doch langsamer voran als erwarten. Ja, deswegen

ist das ja auch eine ganz gute News, dass da jetzt so ein bisschen Bewegung reinkommen. Also es ist

wie gesagt im Koalitionsvertrag vereinbart. Jetzt haben wir bald Hypezeit von der Ampel, jetzt ist es

geplant, soll dieses Schadchancenprogramm zum Schuljahr 24, 25 losgehen. Also das wäre in einem Jahr

quasi Ende nächsten Sommers. Aber damit das eben klappt, müssen sich Bund und Länder über die

Finanzierung einig sein. Und das muss man einmal vorweggeschicken, weil es ja natürlich gleich

auch um Zwistigkeiten und Uneinigkeiten und so geht. Es gibt für dieses Programm zwischen Bund

und Ländern erstaunlich viel Einigkeit und Gemeinsamkeit. Über die Ziele sind sich mehr oder

weniger alle einig. Das bedarfsgerecht gefördert werden soll, dass die Länder auch bestimmen

sollen, welche der Schulen bei uns im Bundesland sollen denn jetzt gefördert werden, dass das nicht

der Bund macht. Auch darüber gibt es Einigkeit. Auch dass die Schulen im Prinzip ein Budget bekommen

sollen, dass sie aber nicht komplett und alleine in Eigenregie investieren können. Also da gibt es

schon in wesentlichen Punkten wirklich große Einigkeit, dass einfach nur mal vorweggeschickt,

das ist nicht einfach nur ein völlig zerstrittener Haufen. Und dennoch haten die Debatten eben

zentral an einem Streitpunkt und das ist die Verteilung des Geldes, was der Bund gibt, an die Länder.

Ja, bisher wird Geld des Bundes an die Länder meist nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel

verteilt. Königstein, ein Ort, glaube ich, in Hessen, wo der immer irgendwann vor vielen, vielen

Jahren auf einer Konferenz festgelegt wurde und der Witz bei diesem Königsteiner Schlüssel ist,

dass das ein Verteilmodell ist, das mal erdacht wurde für die Lastenverteilung. Also wer muss,

wie viel in einen Topf einzahlen? Und die Idee bei der Lastenverteilung ist natürlich, wer stärker

ist, wer die stärkere Schulter hat, der kann auch mehr tragen. Also wer mehr Geld hat, kann auch mehr

Geld in den Topf werfen. Also Königsteiner Schlüssel, ein Schlüssel für die Lastenverteilung.

Nun wird dieser Schlüssel aber auch oft verwendet, um Hilfen zu verteilen, also für die Frage,

wie viel sollen die Länder jeweils bekommen? Das bedeutet aber paradoxerweise, wer schon viel hat,

der würde noch mehr bekommen, während es ja beim Staatschancenpaket darum gehen soll,

schlechter gestellte Schulen, schlechter gestellte Länder, besonders zu Vordermacht. Also eigentlich

keinen Sinn, ne? Die Berechnung an einem Königsteiner Schlüssel bedeutet im Prinzip,

je höher das Steueraufkommen und die Bevölkerungszahl, desto mehr Geld bekommt man.

Und das wäre extrem ungerecht, weil ausgerechnet reiche Länder dann mehr Geld bekommen würden.

Ja, das ist jetzt so ein bisschen relativiert worden, sage ich mal, diese Ungerechtigkeit,

die unterstellte des Königsteiner Schlüssel durch Berechnung des DIW, weil die sagen, ja, ja,

in der Praxis läuft es aber darauf hinaus, dass nach dem Königsteiner Schlüssel Geld verteilt

wird nach der Bevölkerungsgröße. Also im Kern, je mehr Leute da in einem Land wohnen,

desto mehr Geld gibt es, das entschärft diese Ungerechtigkeit ein bisschen, ist aber immer

noch nicht das, was hier eigentlich gebraucht wird. Ja, denn ganz sicher führt der Königsteiner

Schlüssel nicht danach, dass der viel bekommt, der besonders viel Geld benötigt, um Schulen

in benachteiligten Lagen zu fördern. Und deswegen liegt auf der Hand, gibt es also gegen Entwurf

jetzt den Vorschlag einer Ressourcenzuweisung nach einem Sozialindex. Also die Idee ist,

man erhebt Daten über die soziale Zusammensetzung in den Schulen. Ja, also zum Beispiel könnten

da Parameter sein, wie viele Schülerinnen kommen aus Haushalten, die Bürgergeld beziehen, kommen

aus Haushalten mit Migrationshintergrund, man schaut sich mal das Einkommen an, die Muttersprache

und so weiter und verteilt die Ressourcen nach einem solchen Sozialindex. Und die Logik des Programms,

Sozial benachteiligte Schulen fördern, spricht aus meiner Sicht jedenfalls auch total für

ein Sozialindex, denn es geht ja gerade darum, solche Rückstände aufzuholen. Ja, und der Bund in Form

des Bundesministeriums für Bildung und Forschung FDP geführt, der möchte dieses Prinzip vom

Sozialindex eigentlich im Kern auch umsetzen. Das ist jetzt neulich rausgefallen aus einem Eckpunktepapier,

das Anfang mal in der Presse erschienen und wie viele Schulen in einem Land mit dem Geld nach dem

Staatschancenprogramm gefördert werden sollen, soll eben nach einem neuen Schlüssel errechnet

werden und dieser berücksichtigt unter anderem zum Beispiel die Armutsgefährdungsquote und den

Anteil der unter 18-Jährigen mit nicht-deutscher-Familien-Sprache. Das sind so ein paar Indizes,

die halt soziale Benachteiligung signalisieren und vielleicht auch Geldfluss dementsprechend

kanalisieren sollten. Die Auswahl der Schulen sollen dann die Länder machen, sie sollen aber

berücksichtigen sowas wie SGB II Bezug, also Bürgergeldmigrationshintergrund. Du hast es gesagt.

Und nach Berechnung von Table Media, das kann man vielleicht auch noch mal dazu sagen, würde dieser

Vorschlag des Bundes in Form von Bildungsministerium dazu führen, dass Bremen mit einem Aufschlag von

rund 50 Prozent rechnen könnte, Berlin, NRW etwas weniger, Bayern, Thüringen und Sachsen dagegen

müssten auf 25 bis 30 Prozent der Mittel verzichten. Durchaus erhebliche Umverteilung.

Tja, die Bundesländer wollen insgesamt lieber nicht nach Bedürftigkeit verteilen. Entscheidend

ist hier die sogenannte Kultusministerinnenkonferenz, also die Versammlung der zuständigen

Länderministerinnen. Der KMK-Vorschlag geht dahin, dass nur fünf Prozent des insgesamt

zu verteilenden Geldes in einen Solidaritätsfonds für Länder mit vielen sozial benachteiligten

SchülerInnen fließen soll, während der Rest nach dem Königsstand der Stüssel also de facto

nach der Bevölkerungszahl verteilt werden soll. Also die Länder wollen deutlich weniger Solidarität,

deutlich weniger sozialen Ausgleich, als es der Bund vorschlägt und zwar der Bund in Gestalt

eines FDP-geführten Ministeriums. Ich finde, das muss man auch mal in aller Deutlichkeit sagen,

dass sich hier die FDP ausdrücklich mal den sozialen Ausgleich auf die Fahnen geschrieben hat,

wenn auch natürlich in Gestalt von Chancen, das ist ja immer so ein bisschen die FDP-Position,

aber ich finde, dass wirklich bemerkenswert, dass sie hier auch so den politischen Konflikt

durch aussuchen. Also Frau Stark-Watzinger, die Bundesbildungsministerin, kämpft ja auch

durchaus mit den Ländern. Sie könnte ja auch hinstellen, ja, wir wollten das, aber das

lässt sich dann nicht durchsetzen, also machen wir es immer. Also Gießkanne, wie immer. Also

finde ich, das muss man auch mal politisch ausdrücklich würdigen, dass sie sich das hier

so auf die Fahnen schreiben, dass das eben nicht Gießkanne sein soll, sondern dass das Geld dahin

kommen soll, wo es am dringendsten gebraucht wird. Wo Sozial benötigt wird. Und mal ganz ehrlich,

wo das, glaube ich, auch fair zu sagen, kein Mensch FDP wählt. Wir hatten ja auch,

Fußnode hat dann gefragt, schickt uns mal positive FDP-Perspiele. Viel war es nicht,

ein bisschen ist gekommen, aber nicht viel, oder? Definiere viel. Also ich finde,

wir wollen das jetzt nicht an dieser Stelle kurz so einstreuen, weil die allermeisten Sachen,

die gesagt wurden, ein bisschen Hintergrund erfunden. Muss man kurz ein, also das macht überhaupt

keinen Sinn da jetzt. Also es kamen vier oder fünf Mails, wo Leute gesagt haben, hier habt

ja diese Errungenschaft der FDP auf dem Zettel. Und ich muss ganz ehrlich sagen,

die hatte ich größtenteils nicht auf dem Zettel. Insofern hat sich unsere Umfrage

schon mal gelohnt. Nur man kann das jetzt nicht so in einem Satz abfeiern, weil das alles komplexer

ist. Aber dies ist ein Beispiel dafür, wo die FDP sich durchaus für sinnvolle Inhalte stark macht.

Und das gehört noch zur Vollständigkeit dazu. Dieser Vorschlag der KMK, also der Bundesländer,

hätte deutlich weniger Umverteilung zufolge, als das, was das Bundesministerium Verbildung

vorgeschlagen hat. Danach würde Bremen nicht etwa 50 Prozent mehr bekommen, wie bei dem Bundesvorschlag,

sondern nur 30 Prozent mehr, so rund Pi mal Daumen, Bayern Thüringen und Sachsen, würden darüber auch nicht

25 bis 30 Prozent der Mittel einbüßen, wie bei dem Bundesvorschlag, sondern um die 5 Prozent

einbüßen. Das hat Table Media der Bildungsnewsletter berechnet.

Streitpunkt Nummer 2, neben der Frage, wie wird das Geld verteilt, ist die Frage der Finanzierung.

Also, um Deutsch, wer zahlt wie viel? Der Bund will von den 2 Milliarden, die insgesamt in das

Staatschancenprogramm fließen sollen, nur eine Milliarde jährlich in den Topwerfen und verlangt

eine weitere Milliarde von den Ländern. Die Länder hingegen sagen, der Bund bittet uns zur Kasse,

will aber selber sparen in den Koalitionsverhandlungen. Sei doch mal von 2 Milliarden allein vom Bund

für Staatschancen die Rede gewesen. So jedenfalls vermeltet ist die Süddeutsche Zeitung. Außerdem

sagen die Länder, wir machen doch längst schon Projekte für Staatschancen, für Sozialausgleich

in diesem Bereich. Das müsse angerechnet werden. Und das stimmt ja auch. Also, das gibt wirklich

eine Menge Länder, die eine Menge guter Projekte haben. Das klingt ja jetzt manchmal so, als würden

die Länder gar nichts machen und sagen, das ist alles völlig egal. Und das käme dieses

Staatschancenprogramm aus dem nichts und sei quasi in der Wüste gewachsen. So ist es nicht. Aber es

geht ja halt schon um eine Vereinheitlichung, um die Gelder auch zu verteilen über das ganze Land.

Und tatsächlich würde das eben auch bedeuten, wenn der Vorschlag des Bundes, also des Bildungsministeriums,

Realität werden würde und tatsächlich nach so einem Sozialindex verteilt werden würde, dann wäre es

tatsächlich so, dass alle Länder mehr oder weniger gleich viel einzahlen, aber längst nicht mehr

annähernd gleich viel rausbekommen. Das wäre schon eine massive Umverteilung und letztlich auch eine

Art neuer versteckter Länderfinanzausgleich, wo ja schon heute wirtschaftlich starke, strukturell

starke Länder wie Bayern, Baden-Württemberg, strukturell eher schwächeren Ländern wie Berlin,

Bremen und Geld überweisen. Ganz schlicht und einfach. Und das wäre hier eine neue Ebene.

Ja, damit würde den Länder durchaus einiges abverlangt. Auf der anderen Seite wäre es aber auch

sozial und vor allem mal keine Gießkanne, sondern eben zielgerichtete Förderung derjenigen,

die es echt besonders gut gebrauchen können. Und ich würde soweit gehen zu sagen mittelfristig haben

davon auch Bayern und Baden-Württemberg was, denn bessere Bildung, bessere Bildungschancen führen

natürlich auch einfach zu einem höheren Bildungsniveau, für einen zuqualifizierteren Absolventinnen

und Absolventen. Und gerade die Industrie in Bayern und Baden-Württemberg hat ja heute ein

riesen Problem geeignete Fachkräfte zu finden. Das heißt, also möglicherweise macht das sogar

ökonomisch, wenn man ein bisschen langen Atem hat und man nicht nur auf die nächste Wahl schielt,

durchaus Sinn, zum Beispiel Kindern in Bremen oder in Berlin zu helfen, damit sie eben eine

gute Ausbildung bekommen und dann vielleicht mal irgendwann bei irgendeinem, keine Ahnung,

E-Autoschrauber in Bayern oder Baden-Württemberg arbeiten. Ja, und diese Gießkanne, diese Gießkanne

ist auch immer, finde ich, so eine Manifestation der politischen Führungslosigkeit. Oder Konfliktscholl.

Je nachdem, wie du es mir so ... Wir haben zwar einen Plan, aber der lässt sich nicht durchsetzen,

die einen wollen, dies die anderen wollen, das ... Ach komm, dann kriegen alle was und Ruhe es im Karton.

Aber du setzt dich nicht mit dem durch, was eigentlich richtig ist, nämlich die einen kriegen

gar nichts, meinetwegen, und die anderen kriegen ... Weil es eh schon gut geht. Weil es eh schon gut geht,

und die anderen kriegen viel. Und dann sagt man immer, komm, dann kriegt jeder was,

und das ist dann die Gießkanne. Aber da sollten immer so die Allahemglocken angehen. Hat hier

vielleicht jemand Angst vor dem Konflikt? Hat hier jemand vielleicht Angst davor,

mal das Richtige zu machen, das endet dann oft in Form einer Gießkanne. Was? Was ist jetzt also zu

halten von dem Startchancenprogramm und der Performance des Bundesbildungsministeriums? Tja,

das hängt so ein bisschen von der Perspektive ab. Man kann sagen, das Projekt ist immer noch nicht

vom Fleck gekommen, soll ja jetzt erst im nächsten Jahr wirklich losgehen. Oder man kann aber auch

sagen, das Projekt geht jetzt in die heiße Phase. Wir denken jedenfalls die Vorschläge des Bundes

Bildungsministeriums in seinem vor vier Wochen durch gesickerten Eckpunkte Papier sind gut.

Sozialindex ist eine sehr gute Idee. Die FDP engagiert sich für Umverteilung, muss man sich mal

überlegen. Und das Bundesbildungsministerium fordert auch eine Evaluierung und Erfolgskontrolle. Also

eben gerade keine Gießkanne, sondern gezielte Förderung. Und wir wollen auch messen, was dabei

rauskommt. Das finden wir richtig cool, denn das wurde gerade in der Vergangenheit nicht selten

vernachlässigt. Wurde viel Geld ausgegeben, ohne zu schauen, was wirklich was bringt. Aber,

Philipp, die Länder sehen das durchaus kritisch. Ja, die Länder sind natürlich kritisch sehen

das Papier, dieses Eckpunkte Papier, in dem das BMBF oder das Bildungsministerium eben als

geziert hat, wie sie sich das alles so vorstellen können, als einseitiges Vorbrechen. Das sind

die Worte von Sachsens Kultusminister Christian Piwarz von der CDU. Wie gesagt, die Verhandlungen

laufen jetzt, die sind glaube ich wirklich jetzt in der heißen Phase. Wir müssen mal abwarten,

was da rauskommt. Das Bundesbildungsministerium hat uns in einer E-Mail mitgeteilt. Die Verhandlungen

fänden in enger Taktung statt und verlaufen konstruktiv. Gut, das ist halt das, was man so

sagt. Wenn es noch keine Ergebnisse gibt, aber man auf diese noch hofft, dann sind das konstruktive

Gespräche. Wir schauen einfach mal. Aber auf jeden Fall ist klar, der Einigungsdruck ist hoch und zwar

nicht nur auf den Boden, sondern vor allem natürlich auch auf die Kultusministerinnen der

Länder. Diese Iglu-Lese-Studie, mit der wir diesen Blog begonnen haben, ist ja wirklich zu einem

vernichtenden Ergebnis gekommen. Ein Viertel der Kids kann nach dem Ende der vierten Klasse immer

noch nicht vernünftig lesen. Das kann ja niemanden kalt lassen. Das ist ja auch noch das Ding. Im Ziel

und in den Mitteln sind sich alle einig. Das Werkzeug liegt auf dem Tisch. Alle wollen diese

Schulen fördern. Alle sagen, wir wollen gezielt fördern nach bestimmten Kriterien. Jetzt geht es

hier noch darum, wie diese Jahr zwei Milliarden oder so. Aber letztlich ist das ja wirklich nicht

viel verteilt werden. Und eben haben wir ja gesagt, auch vor allem ist es eines der konstruktiven

Projekte der FDP. SPD und Grüne erzählen uns in Hintergrundgesprächen ja immer,

dass es so irre schwer sei, mit der FDP zu verhandeln, weil die ja gar nichts wollte. So ist

immer die Kritik. Die FDP hat gar keine Forderung und das ist ein bisschen schwierig zu verhandeln,

wenn einer gar nichts gestalten will. Hier hat sie aber einen Plan, kämpft dafür wunderbar. Jetzt

muss Frau Stark-Watzinger natürlich auch liefern. Diese Woche wurden ein paar interessante Zahlen

bekannt, die wir euch hier mal zu Gehör bringen wollten, weil die auch ganz gut zu einem Thema

passen, was wir uns eh hier mal ins Bett geschrieben hatten. Und zwar ist es so, dass im vergangenen

Jahr 2022 so viele Menschen eingebürgert worden sind, wie seit 20 Jahren nicht mehr. So viele

Menschen wie noch seit 20 Jahren nicht mehr haben einen deutschen Pass im letzten Jahr bekommen,

nämlich 168.500 Männer und Frauen. Knapp 170.000 Leute haben Pass bekommen. Das seien 28% oder

rund 37.000 Menschen mehr als im Vorjahr. 28% mehr Leute mit einem deutschen Pass versehen,

den größten Anstieg gab es bei Syrern und Syrern mit knapp 30.000. Neu-Deutsch. Das sind

schon relativ beeindruckende Zahlen, doch die Voraussetzungen sind bisher auf der anderen

Seite doch doch sehr streng. So streng nämlich, dass immer noch mehrere Millionen Menschen dauerhaft

in Deutschland leben, ohne den deutschen Pass zu bekommen. Und die demokratische Lücke wächst,

kritisiert jedenfalls der Berliner Jura-Professor Tariq Tabara im Verfassungsblock. Er sagt,

die Zahl der Netto-Zuwanderinnen übersteige die der jährlichen Einbürgerungen um mehr als das

drei bis vierfacher. Das heißt, also jedes Jahr kommen drei bis viermal so viele Menschen Netto

nach Deutschland. Als eingebürgert werden auf Deutsch immer mehr Menschen leben in Deutschland,

auch oft auf Dauer, ohne tatsächlich mitbestimmen zu können. Und diese Fehlende Einbürgerung führt

eben zu zahlreichen Problemen. Ja, das eine ist die demokratische Repräsentation. Haben wir auch

schon mal darauf hingewiesen, Menschen leben in Deutschland, können aber nichts an der Politik

mitbestimmen. Ausnahme sind EU-Bürgerinnen, ist klar, die können immerhin bei Kommunalwahlen

teilnehmen, aber ich habe es auch noch mal nachgeguckt. In Deutschland leben zehn Millionen

Leute dauerhaft, ohne deutschen Pass. Das sind über die zehn Millionen Menschen. Dann sind diese 170.000,

die eingebürgert werden, doch eher ein kleiner Anteil. Also auch wenn die absolute Zahl gestiegen

ist, um hier knapp 30 Prozent, an dieser riesen Gruppe von zehn Millionen Menschen, die eben nicht

mitbestimmen können, ändert das vergleichsweise wenig. Und das ist genau diese demokratische

Lücke, die Prof. Tabara beklagt. Also was ist die Folge? Schlechte demokratische Repräsentationen,

die können natürlich wählen. Und das zweite Problem ist natürlich, dass die Integration leidet. Je

länger ein Staat einem Menschen die Einbürgerung verweigert und sagt, nein, du darfst nicht

deutsche oder deutscher werden. Umso mehr fühlen sich die Menschen natürlich abgelehnt, nicht gewollt

und so entstehen. Dann parallel gesellschaften, so frei nach dem Motto, ihr wollt mich nicht. Okay,

dann mache ich hier halt mein Ding. Ja, das liegt halt auch daran. Also diese niedrigen, immer noch

vergleichsweise niedrigen Einbürgerungsquoten liegen halt auch daran, dass die Hürden relativ

frucht sind. Also du brauchst erstmal ausreichende Sprachkenntnisse. Du musst dann vor allen Dingen

auch deinen Lebensunterhalt sichern können. Das musst du nachweisen. Und in der Regel brauchst du

eine Mindestaufenthaltsdauer von acht Jahren. Das musst du auch nachweisen, dass du hier acht Jahre

am Stück gelebt hast. Dann hast du die Möglichkeit dich einbürger zu lassen. Ja, das muss im Prinzip

auch ein legaler Aufenthalt sein. Also zum Beispiel so einfach nur ein Doldoog-Abschiebungsstopp

reicht nicht, soweit ich den. Ja, genau. Und da will aber die Ampel ran. Das haben wir auch schon mal

gesagt. Das BMI, das Innenministerium, hat einen Gesetzentwurf erarbeitet, der ging letzte Woche in

die sogenannte Verbändeanhörung. Das heißt, da haben den Entwurf die Verbände geschickt bekommen,

die sich mit diesem Thema befassen können, sich jetzt eine Meinung bilden können. Wie sagt man,

eine Stellungnahme dazu schreiben, unterschicken und dann gibt es vielleicht auch noch eine Anhörung.

Also so sammelt das Ministerium auch Feedback und Input von außen ein. Aber es fehlt mal wieder

die Synopse, haben wir festgestellt, mit 180 Puls. Und das Innenministerium macht es damit unnötig

schwer, überhaupt nachzuverziehen, was geregelt werden soll. Was ist eine Synopse? Eine Synopse

ist im Prinzip eine Tabelle, in der man sieht links alter Text, recht neuer Text, wo dann Fett ist,

was geändert werden soll, damit man diese Änderung überhaupt im Kontext sieht. Damit du das überhaupt

beeint, wir haben uns jetzt diesen Gesetzentwurf besorgt, um rauszugucken, was steht da nun drin?

Was wollen sie denn nur machen? Hölle, hölle, hölle. Da liest man, Zitat, in § 9 Absatz 1 Satz 4,

wird die Angabe 3a, gestrichen und nach der Angabe 4, die Angabe 4a, eingefügt. Das versteht

natürlich kein Mensch. Wie sollst du daraus finden, was die da regelt? Das kapiert niemand, weil

natürlich der Kontext fehlt, wenn du einfach nur sagst, hier mal ein Wort rein, da mal ein Wort

raus oder auch mal ein Komma rein oder raus. Dabei steht doch im Koalitionsvertrag, dass Entwürfe

für ein Änderungsgesetz eine solche Synopse enthalten müssen. Und was mich am allermeisten

aufregt, eine solche Synopse liegt dem Innenministerium 100%ig vor. 100 pro, würde ich also alles

mögliche darauf verwetten. Selbstverständlich haben die Referentinnen in den entsprechenden

Referaten solche Synopsen. Sonst kannst du doch diese Änderungsbefehle überhaupt nicht schreiben.

Dieses dies wird gestrichen, jenes wird eingefügt, das kannst du ja nicht schreiben, wenn du nicht den

vorgesehenen neuen Text vor dir liegen hast. Mit anderen Worten, die könnten das problemlos

veröffentlichen, sie rücken diese Synopsen bloß nicht raus. Warum muss man mutmaßen, aber es gibt

eigentlich nur einen Grund, das etwas nicht rauszugeben, was man am Tisch liegen hat. Man will es

möglichst schwer machen zu verstehen, was überhaupt geplant ist. Und das ist einfach mit

meinem Verständnis von Demokratie nicht vereinbar. Man muss doch veröffentlichen, was man als

Ministerium plant, zumal, wenn man die entsprechenden Synopsen auf dem Tisch liegen hat. Also das ist

wirklich ein Skandal und da würde ich also dringend mal an die Ampelfraktionen appellieren auf den

Kanälen, die man doch hoffentlich hat in das SPD-geführte Haus, darauf hinzuwirken, dass solche

Katastrophen nicht nochmal passieren. Aber wir haben uns natürlich trotzdem angeschaut, was das

Innenministerium, und dann nennt sie Fäser, da so plant. Und das ist folgendes Entkürze. In Zukunft

soll Mehrstaatigkeit hingenommen werden. Bisher mussten halt Menschen, die Deutsche werden wollten,

in den allermeisten Fällen ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben und das führte

einfach zu erheblichen Problemen. Teilweise hatten sie Nachteile im Erbrecht. Manche Staaten weigern

sich auch, Menschen aus ihrer Staatsangehörigkeit zu entlassen, zum Beispiel Söhr in Afghanistan.

Manche sprachen sogar von einem Antitürkengesetz. Also das soll jetzt endlich der Realität angepasst

werden. Wer Deutscher wird, kann auch einen zweiten Pass haben. Genau, die Menschen können ihren alten

Pass behalten. Das ist vermutlich der wichtigste Schritt nach vorn in diesem Gesetzentwurf,

ehrlich gesagt, weil es gerade für Menschen mit einem türkischen Hintergrund die Einwürgerung

in Deutschland erleichtert. Denn da gab es also besonders starke Nachteile, wenn man die türkische

Staatsangehörigkeit aufgegeben hat. Daher kommt diese inoffizielle Formulierung von Antitürkengesetz,

auch was also so Immigrationsrechtskreisen wohl quasi die Standardbezeichnung ist für dieses

Verbot der doppelten Staatsangehörigkeit. Dann wird die Wartezeit verkürzt. Also haben es gesagt,

bisher musste man acht Jahre Liga in Deutschland gelebt haben, um ein Pass beantragen zu können.

Das soll im Normalfall. Im Normalfall. Gab immer Ausnahmen. Aber im Normalfall. Das soll in Zukunft

im Regelfall auf fünf Jahre verkürzt werden. Bei besonderen Integrationsleistungen, wie es so

heißt, kann das auch schon nach drei Jahren der Fall sein, dass man sich einbürger lassen kann

und ein Pass kriegt. Also sowas wie gute schulische Leistung oder irgendwie bürgerschaftliches

Engagement, Ehrenamt. Ja, keine Ahnung. Der Syrer, der bei der freiwilligen Feuerwehr mitfährt.

Solche Sachen. Drei Jahre, zack, pass. Soll auch eine öffentliche Einwörungsfeier geben. Das finde

ich auch mal ganz schön, dass es nicht nur in so einer Amtsstube passiert und sie hier heben sagen,

bitte die Hand und schwören sie und hier bitte auf Verfassung und hier ist ihr Pass, sondern

dass das irgendwie öffentlich und ein bisschen freilich auch passiert. So wie das jetzt in

klassischen Einwanderungsländern auch der Fall ist. Also die Vereinigten Staaten machen das

traditionell schon so. Die sind natürlich, wie soll ich sagen, die haben natürlich ein

etwas anderes Verhältnis zur Nation. Aber ich finde das im Grunde auch eine gute Idee,

insbesondere wenn die in diesen Feiern jetzt nicht nur irgendwie so ein tumbe Deutsch-Tüme

leistet, sondern wenn man sich darauf besinnt, was sind denn die Werte des Grundgesetzes. Wenn man

die quasi feiert, diese Aufnahme in eine Wertegemeinschaft, wenn man feiert, dass man sich zum

Grundgesetz und zu den Grundrechten bekennt, dann finde ich, ist das eine sehr sinnvolle Sache.

Gibt auch Kritik, muss man sagen, Tarek Tabarra, den du schon angeführt hast, der schrieb im

Verfassungsblock, es gebe nicht nur Verbesserungen, sondern eben auch Verschärfungen, vor allem

bei der Voraussetzung, dass die Menschen selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen müssen.

Heute gilt nämlich, man muss, Zitat, den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten

Familienangehörigen ohne in Anspruchnahme von Leistungen bestreiten können oder, wenn man

Leistungen bekommt, dafür nicht verantwortlich sein. So, in Zukunft sollen Menschen keine

Deutsche mehr werden können, die Leistungen beziehen. Und zwar selbst dann, wenn sie nichts

dafür können, dass sie Bürgergeld bekommen. Und davon gibt es ja nur noch ganz enge Ausnahmen

für ehemalige Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter, Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter,

dafür gibt es Ausnahmen oder für Menschen, die in Vollzeit arbeiten und dann ergänzende

Sozialleistungen bekommen. Aber ansonsten gibt es da eine ganz strenge Regel, man kann

natürlich auf der einen Seite sagen, ja meine Güte, wieso sollen wir den Leuten einbürgern,

die nicht für sich selber sorgen können? Das ist so ein bisschen die Hardliner-Position,

Professor Tamara fragt allerdings, naja, nun schauen wir uns doch mal diese Leute genauer

an, die möglicherweise Leistungen beziehen. Was ist denn mit Rentnerinnen, die zum Beispiel

aufstockende Grundsicherung erhalten und damit gänzlich von der Einbürgerung ausgeschlossen

sind? Also Rentnerinnen und Rentner, von denen kann man ja schlecht erwarten, dass sie jetzt

noch arbeiten gehen, um dann eben die Voraussetzung zu erzielen? Ja, oder Menschen mit Behinderung

bekommen häufig auch Leistungen, auch ausgeschlossen, dass sie eingebürgert werden, wenn das Ding

so gesetzt wird. Was ist mit Alleinerziehenden oder Pflegenden? Genau, ich meine mal ganz

ehrlich, der unausgesprochene Vorwurf ist ja, wer Leistungen bezieht, ist zu faul zum

arbeiten. Und genau das stimmt einfach nicht. Es gibt eben Gruppen wie Menschen mit Behinderung,

Alleinerziehende, Pflegende, die aus gutem Grund zurzeit nicht in der Lage sind, ihren

Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, die aber möglicherweise trotzdem ja einen total sinnvollen

Dienst an der Bevölkerung leisten, eben zum Beispiel andere Menschen pflegen oder Kinder großziehen

oder so. Und hier dränge sich, so kritisiert Professor Tabara, sogar ein Problem mit dem

Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes auf, also Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes,

denn diese Klausel, die das Innenministerium sich da so überlegt hat, diese, ich sage

jetzt mal etwas böse, diese sozialen Neidklausel, die dürfte in der Konsequenz überproportional

Frauen treffen, denen dann dauerhaft der Zugang zur demokratischen Teilhabe verwehrt bleiben

würde. Und da würde ich auch sagen, da muss man im parlamentarischen Verfahren nochmal

nachsteuern, wie gesagt, im Großen und Ganzen führt der Entwurf zur Reform der Staatsangehörigkeitsrecht

zu vielen Verbesserungen. Aber gerade bei dieser Frage Leistungsbezug ist eine drastische Verschärfung

vorgesehen. Also wie gesagt, dieser Vorbehalte gegenüber Menschen, die eingebürgert werden

möchten, die sind, glaube ich, zu pauschal und zu vorurteilsbehaftet, da glaube ich, muss

man nochmal überreden.

Es gibt, wir haben das eben diskutiert, neue Regeln für das Staatsangehörigkeitsrecht

in Deutschland, die werden diskutiert, aber es gibt auch was, was da überhaupt nicht beachtet

wird. Und das sind Menschen ohne Staatsangehörigkeit, die gibt es nämlich auch. Das sind Menschen,

die von keinem Staat der Welt als Angehörige anerkannt werden. Warum? Staaten haben halt

die Souveränität, Personen anzuerkennen. Und wenn sie das nicht machen, dann machen

sie es nicht.

Wenn es eben einfach kein Staat tut, wenn kein Staat sagt, okay, ich betrachte dich als

Angehörige meines Staates, dann ist man eben weder deutscher, noch französin, sondern

man ist man eben einfach gar nichts. Und das führt dazu, man hat dann zunächst mal

keinen Personalausweis, kein Reisepass, kein gar nichts. Man hat vielleicht Namen, die

man sich selber gegeben hat oder denen die Familie seit Jahrhunderten führt. Aber aus

staatlicher Perspektive gehört man einfach nirgendwo hin und das betrifft, muss man sich

mal überlegen, weltweit ca. 15 Millionen Menschen.

Das sind Zahlen von State Free, einer NGO in Deutschland, die sich um Staatenlose kümmert

und von diesen 15 Millionen Menschen weltweit sagt State Free leben in Deutschland 126.000

Menschen. Von diesen 126.000 sind knapp 50.000 minderjährig, 36.000 sogar in Deutschland

geboren. Das muss ich mir vorstellen. 36.000 Menschen in Deutschland geboren, kein Pass,

nicht kein Deutschen, kein anderen Pass von irgendeinem Land auf der Welt staatenlos.

Ja, das muss man sich mal überlegen. Wer sich noch erinnert an die Diskussion um den

sogenannten Doppelpass im Jahr 1999-2000, wo Rot-Grün damals das Staatsangehörigkeitsrecht

ja schon mal angefasst hat, da war ja immer die Diskussion, wie ist denn das eigentlich

mit Menschen, die in Deutschland geboren sind? Dann hat man so den Kompromiss gefunden, dass

die bis 18 erstmal beide Pässe haben können, den sogenannten Doppelpass behalten. Ja, das

betrifft aber eben bei weitem nicht alle Menschen. Da gibt es tatsächlich immerhin 36.000 Menschen,

die in Deutschland geboren sind, aber die da nochmal durchs Raster gefallen sind, die

also obwohl sie auf deutschen Boden das Licht der Welt erblickt haben, gleichwohl kein

Deutschen Pass haben. 126.000 Leute also in Deutschland, die staatenlos sind. Das alleine

ist schon irgendwie eine schwierige Position. In Deutschland kommt noch erschwerend hinzu,

dass es auch kein richtiges Verfahren gibt, wo diese Leute sich ihre Staatenlosigkeit anerkennen

lassen können. Wo das irgendwie, wenn auch schwieriger, aber doch zumindest staatlich

anerkannte Zustand ist. Ja, das heißt, man ist staatenlos, aber nicht mal das kann man beweisen,

man hat noch nicht mal ein Dokument, das man keine Dokumente hat. Ja, das ist dann ganz schwierig.

Der Status heißt dann Staatsangehörigkeit umgeklärt. Es betrifft rund 100.000 Menschen.

Immerhin rund 30.000 Menschen sind inzwischen als staatenlos anerkannt. Das heißt also,

die können dann zumindest sagen, nein, ich muss nicht auf irgendeine alte Staatsangehörigkeit

verzichten, weil ich ja ohnehin schon keine habe. Und man kann sich das ja auch logisch vorstellen.

Es ist einfach extrem schwer zu beweisen, dass man nicht zu irgendeinem anderen Land gehört.

Ja, da passt es weg, aber das heißt ja nicht, dass du nicht irgendwo Staatsangehöriger bist.

Genau, wenn du keinen Pass hast. Und das ist genau das Problem. Man müsste theoretisch ja von

sämtlichen knapp 200 Staaten auf der Welt eine Bescheidung beibringen, nur wir wollen mit diesen

Menschen nichts zu tun haben. Das heißt also, das funktioniert nicht. Das ist ein Riesenproblem

für diese Menschen. Und nun ist ja das Bundesministerium des Innern gerade dabei,

die Staatsangehörigkeit in Deutschland neu zu regeln. Aber ob sich dabei die Situation der

Menschen ohne Staatsangehörigkeit wirklich verbessern wird, das ist eben noch nicht ausgemacht. Und

um das mal so ein bisschen näher uns zu überlegen, wie diese Menschen eigentlich leben, was die für

Bedürfnisse haben und was die sich wünschen, haben wir uns verabredet mit Christiana Bukalo.

Sie ist Gründerin von State Free, dieser Organisation, die sich für die rechte

staatenloser Menschen engagiert. Herzlich willkommen in der Lage der Nation Christiana Bukalo.

Danke schön. Vielleicht kurz zusammengefasst, wie kommt es denn dazu, dass Menschen keine

Staatsangehörigkeit haben? Das kommt erstmal grundsätzlich dadurch, dass Staaten selbst

die Souveränität haben zu entscheiden, unter welchen Bedingungen eine Person eine Staatsangehörigkeit

bekommt oder eben auch nicht bekommt. Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, die dann zur

Staatenlosigkeit führen können, also zum einen erstmal diskriminierende Gesetze. Also wir haben

Länder, in denen gewisse Bevölkerungsgruppen einfach per se aus dem Staatsangehörigkeitsrecht

ausgeschlossen werden. Das ist zum Beispiel in Myanmar, so mit den Rohingya, eine ethnische

Minderheit, die dort einfach ausgeschlossen wurde aus dem Gesetz. Wir haben aber auch zum

Beispiel über 24 Länder auf der Welt, in denen zum Beispiel die Mutter ihre Staatsangehörigkeit

nicht ans Kind weitergeben kann. Das wird dann auch zur Staatenlosigkeit bei Kindern. Dann gibt es

Grundkriege und Auflösung von Staaten, also ganz viele Personen aus der ehemaligen Sowjetunion,

ehemalige Syrgu-Slavien sind zum Beispiel staatenlos. Und darüber hinaus gibt es natürlich auch

Staaten, die nicht als Staat anerkannt sind international. Also Personen zum Beispiel aus

dem palästinensischen Kontext, das sind alles staatenlose Personen. Und der größte Grund,

warum sich eben dieser Teufelskreis der Staatenlosigkeit sehr, sehr schwer durchbrechen lässt, ist

tatsächlich die Vererbung von Staatenlosigkeit. Also Kinder von staatenlosen Eltern sind in

den meisten Fällen dann auch wiederum staatenlos, wenn das Land, in dem sie eben geboren werden,

nicht aktiv daran arbeitet, dass Staatenlose Kinder geschützt werden und gleichen Zugang

zur Staatsangehörigkeit haben. Jetzt mal ganz konkret, wie ist denn da die Situation eigentlich

in Deutschland? Also man würde ja denken, dass Kinder, die in Deutschland geboren werden, quasi

auf deutschem Grund und Boden auch die deutsche Staatsangehörigkeit haben, aber das scheint ja

nicht immer so zu sein. Nee, auch in Deutschland haben wir das Problem tatsächlich relativ groß

und sehr intensiv. Es steigert sich gerade auch, die Zahlen steigen immer mehr. Und das liegt eben

daran, dass wir in Deutschland ein sehr, sehr eingeschränktes Geburtsortprinzip haben bzw.

andersrum, dass wir eher nach dem Abstammungsprinzip die Staatsangehörigkeit vergeben. Das heißt,

man ist dann deutsch, wenn auch die Vorfahren es waren oder sind. Und das führt gerade dazu,

dass wir in Deutschland tatsächlich über 34.000 Personen haben, die in Deutschland geboren wurden

und immer noch staatenlos sind. Und da gibt es auch jetzt noch Personen, die mittlerweile über 65

Jahre alt sind, die wohnen in Deutschland geboren und leben hier immer noch ohne Staatsangehörigkeit.

Und es liegt einfach daran, dass Deutschland nicht proaktiv daran arbeitet, dass staatenlose

Kinder, die hier geboren sind, dann auch einen Anrecht auf die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen.

Also nur um das klar zu machen, da kommen halt Leute aus den genannten Gründen staatenlos nach

Deutschland, haben dann hier natürlich erstmal auch keine Staatsangehörigkeit, die kriegen dann

aber auch mitunter auch Kinder und die haben dann wiederum aber auch keine Staatsangehörigkeit. Was heißt

das für die Leute in der Praxis? Also die leben ja dann hier und haben kein Pass irgendeines Staats.

Genau, also in der Praxis bedeutet es vor allem extrem eingeschränktes Leben. Also vor allen

für diejenigen auch, die in Deutschland staatenlos geboren wurden, weil dann fängt es schon mal

damit an, dass man als eine staatenlose Person keine Geburtsokunde bekommt. Das heißt,

das erste Identitätsdokument, das man eigentlich erhält, wird einem gleich mal verwährt und das

wird natürlich dann auch im Weiteren dazu, dass man zum Beispiel keinen Personalausweis erhält,

keine Identitätsdokumente führen auch dazu, dass man zum Beispiel in Zweifel nicht heiraten kann.

Man kriegt keinen Reisepass. Das heißt, man hat keine Reisefreiheit, das nur ab einem gewissen

Punkt, sage ich mal, in der Entwicklung. Also manchmal hat man dann Glück, dass man nach mehreren

Jahren zum Beispiel ein Reiseausweis bekommt, also so ein Substitut. Aber eine ganz große Sache ist

natürlich einfach dieser Mangel an Zugehörigkeit und Teilhabe und das auch politisch, weil auch

ein Wahlrecht natürlich für eine staatenlose Person nicht möglich ist, also auch wenn man hier

geboren wurde und schon immer hier gelebt hat und zum Beispiel aufgrund der Tatsache, dass man

gar nicht ausreisen kann. Auch nur dieses Land gesehen hat, ist man trotzdem in einer Situation,

in der man politisch überhaupt nicht an unser Demokratie teilnehmen kann. Also auch nicht,

dass er wählen könnte zum Beispiel, dass jemand in der Regierung waltet, der letztendlich sich

darum kümmert, dass die Situation von staatenlosen Personen sich auch verbessert. Aber wenn die

denn dann hier wohnen, was legen die denn dann vor, wenn sie ein Paket abholen wollen von der Post

oder eine Wohnung mieten wollen? Was legen die davor? Sagen die, mein Name ist X, ich hab nix oder

was legen die vor? Ja, das kommt natürlich ein bisschen drauf an, wie der Aufenthaltsstatus

da mittlerweile ist. Also viele leben ja dann zum Beispiel am Anfang mit einer Duldung. Das ist

natürlich eine Situation, die da am schwersten dann im Umgang ist. Es gibt aber auch Personen,

die dann ab einem gewissen Zeitpunkt zum Beispiel eine Befristete oder auch irgendwann eine Umfristete

Aufenthaltserlaubnis haben. Den Aufenthaltsitel kann man dann vorlegen. Das ist aber an sich jetzt

erstmal ein Identitätsdokument, das ist relativ eingeschränkt funktioniert. Also sie kennen

vielleicht nicht allzu viele Personen, aber mit einem Aufenthaltsitel letztendlich kann man damit

noch ein Paket bei der Post abholen. Man kann aber dann damit nicht unbedingt sich online für

den Flug einchecken. Also da hört es dann auch schon auf. Und auch das Thema Heirat funktioniert

mit einem Aufenthaltsitel an sich nicht. Also da braucht man dann tatsächlich schon ein anderes

Identitätsdokument, was im besten Fall eben Reisepass eigentlich wäre oder eine Geburtsurkunde,

die man aber eigentlich nicht hat. Das heißt, was bedeutet es, man versucht immer irgendwelche,

ich sag mal, A bis Z Wege zu finden, also sehr viele Alternativen, um mit der Situation umzugehen. Aber

Wohnungssuche und auch ein Job an sich anzunehmen ist natürlich extrem erschwert. Jetzt steht ja

gerade eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts an. Was sollte der Gesetzgeber konkret regeln,

damit sich die Situation von staatenlosen Menschen verbessert? Ich glaube, das Erste und

Wichtigste ist erstmal ein Problem kann man nur dann lösen, wenn es sichtbar ist. Momentan ist

der Begriff Staatenlosigkeit als Problem überhaupt nicht adressiert im Staatsangehörigkeitsgesetz.

Der einzige Weg aus der Staatenlosigkeit heraus ist natürlich die Einbürgerung und momentan

ist staatenlosen eigentlich die Einbürgerung verwehrt. Das heißt, eine der ganz konkreten

Forderungen, die wir haben, ist tatsächlich die explizite Nennung von Staatenlosigkeit im

Staatsangehörigkeitsgesetz, damit sowohl Betroffene als auch Behördenmitarbeiter einfach wissen,

okay, wo kann ich nachsehen und wo lerne ich genau, wie eine staatenlose Person dann eigentlich

Zugang hat zur Einbürgerung. Gerade haben wir diese Formulierung, man braucht eine geklärte

Identität und Staatsangehörigkeit. Aber was da eben nicht adressiert wird, ist die Staatenlosigkeit

und deswegen fordern wir eben, dass auch die geklärte Staatenlosigkeit ganz explizit genannt

wird im Gesetz. Als Voraussetzung, um eingebürgert werden zu können. Genau. Aber ganz häufig,

wenn es um Einbürgerung geht, ist der Diskurs dreht sich immer um Personen, die eine andere

Staatsangehörigkeit haben. Aber es gibt nie einen Diskurs um die Personen, die gar keinen Bezug

zu einem anderen Land haben und sowieso hier sind, zwei Personen hier geboren sind. Und wer ist

Deutsch, wenn nicht diese Personen hier geboren wurden? Und dass man da sagt, Identität,

Staatsangehörigkeit, aber auch die Staatenlosigkeit kann eine Voraussetzung sein, um sich einbürgerend

zu lassen. Und dann zum Thema Geburt in Deutschland. Was wären die Forderungen konkret bezogen auf

die Situation von Menschen, die in Deutschland geboren werden und deren Eltern staatenlos sind?

Wir fordern, dass Kinder, die in Deutschland geboren wurden, deren Eltern keine Staatsangehörigkeit

haben, dass diese Kinder von Geburt an Deutsch sind. Gibt es da noch weitere Forderungen? Ja, es gibt

noch weitere Forderungen. Jetzt haben wir gerade drüber gesprochen. Es gibt Kinder, die jetzt noch

in Deutschland geboren werden, aber es gibt eben schon ganz viele Personen, die vor mehreren Jahren

in Deutschland geboren wurden oder im Kindesalter auch hergekommen sind und die jetzt die letzten

Jahre darunter gelitten haben, dass sich niemand darum gekümmert hat und Deutschland da auch die

Pflichten nicht umgesetzt hat, die Deutschland eigentlich hätte als Staat. Und da fordern wir

die erleichterte Einbürgerung für sozusagen in situ staatenlose Personen, also Personen,

die staatenlos seit mehreren Jahren, teilweise seit über 15 Jahren in Deutschland leben und immer

noch keinen Zugang haben zur Einbürgerung, dass diese Personen jetzt in erleichterten Zugang bekommen,

dass auch gewertschätzt wird, dass die schon immer hier sind im Zweifel und vor allem auch

berücksichtigt wird, dass deren Beweislast anders ist und dass es schwerer ist zu beweisen, dass man

staatenlos ist als zu beweisen, dass man Staatsangehöriger eines anderes Landes ist und dass

diese Personen, die sowieso nur zu Deutschland Zugang haben, dass die in Zugang zu deutschen

Staatsangehörigkeit bekommen. Und dann das letzte auch eher vom Melle, aber sehr wichtig, um da keine

Ungleichbehandlungen zu schaffen, ist die Angleichung der Aufenthaltsdauer für die Einbürgerung von

staatenlosen Personen. Deutschland hat einster Übereinkommen ratifiziert, in denen es darum geht,

staatenlosen Personen die Einbürgerung so schnell wie möglich zu ermöglichen. Das hieß bisher immer

sechs statt acht Jahre, was natürlich in der Umsetzung nie wirklich kürzer war. Aber trotzdem

ist es jetzt wichtig, wenn wir sowieso für alle die Aufenthaltsdauer auf fünf Jahre kürzen,

dass es auch für staatenlose eine Verkürzung bedeutet und dass sich diese Aufenthaltsdauer dann

auf drei Jahre verkürzt. Ich habe noch eine letzte Frage. Können denn staatenlose, die hier geboren

sind oder hier schon leben, sich gar nicht einbürgern lassen? Oder wenn doch, was sind die Voraussetzungen?

Also die Antwort auf gar nicht ist nein. Es gibt staatenlose Personen, die sich mittlerweile

einbürgern konnten, eben nur unter sehr erschwerten Bedingungen. Und was sind die Voraussetzungen?

Das ist tatsächlich die Frage, weil das momentan extrem intransparent ist. Also eine Voraussetzung

ist natürlich die geklärte Staatenlosigkeit. Wir haben aber kein explizites Verfahren,

um staatenlos anerkennen zu lassen. Das heißt, die Personen, ich sage es jetzt mal ganz blöd,

die Glück hatten in der Behörde. Die Personen, die Glück hatten damit, dass eine behörden

mitarbeitende Person auch wusste, wie man mit Staatenlosigkeit umgehen kann. Diese Personen

haben es mittlerweile geschafft, sich einzubügeln. Aber das ist natürlich, wie man sich vorstellen

kann, ein sehr, sehr kleiner Prozentsatz der Personen. Und wenn wir jetzt die Summe an

staatenlosen Personen betrachten und da sehen das auch von diesen 126.000, 97.000 noch in der

Kategorie, in dieser administrativen Kategorie der ungeklärten Staatsangeheurigkeit sind,

dann ist natürlich wichtig zu sehen, also für diese Personen gibt es gerade eigentlich gar keine

Möglichkeit, außer hoffen und beten, dass die Person im Amt dann einfach auch berücksichtigt,

dass die Person im Zweifel schon hier geboren wurde, dass sie schon sehr viele Jahre hier ist,

hier zur Schule gegangen, das etc. Pippé und deswegen dann ermöglicht, dass sie sich einbügeln

lassen kann. Aber das ist letztlich so ein bisschen, wie sagt man, nicht Willkür,

aber so ein bisschen Kulanz. Ja, genau. Also man kann schon Willkür gerne Kulanz sagen. Es fühlt sich

natürlich für Betroffene oft wie Willkür an, aber damit ist auch gar nicht gemeint, dass in

den Behörden da einfach nur Willkür angewendet wird, sondern es geht darum, dass auch in den

Behörden einfach nicht genügend Handreichung gegeben wird von der Regierung, wie mit Staat

Nussigkeit umzugehen ist bei der Einbürgerung. Und wenn wir jetzt sagen, Deutschland will

einbürgern und wir brauchen mehr deutsche Bürger, Bürgerinnen, dann ist es einfach wichtig zu

beachten, dass diese Gruppe in den letzten Jahren nicht einmal beachtet wurde und jetzt einfach die

wichtige und richtige Chance ist, das jetzt nachzuholen. Ja, ganz herzlichen Dank. Das war

im Gespräch mit der Lage der Nation Christiana Bukalo. Sie ist gründerin der Organisation

State Free, die sich für die rechte Staatenloser Menschen einsetzt. Vielen Dank für dieses Gespräch.

Dankeschön. Ja, das heißt also in Deutschland wird Staatenlosigkeit überwiegend vererbt,

kann man sagen eigentlich. 36.000 Menschen in Deutschland geboren, aber trotzdem staatenlos.

Das ist schon wirklich eine interessante Zahl. In Vereinigten Staaten zum Beispiel wäre das

völlig anders. Wer auf amerikanischen Boden geboren ist, ist amerikanischer Staatsbürger

oder Staatsbürgerin, no matter what. Also da muss ich ganz ehrlich sagen, das finde ich schon extrem

hart, dass man Babys sagt, du bist nix. Wenn deine Eltern keinen Pass haben, bist du auch nix. Aber

hast du verstanden, was für ein Zettel die jetzt in der Hand haben? Also wir haben gesagt, es gibt

keinen offiziellen, kein offizielles Verfahren, in der ihre Staatenlosigkeit anerkannt wird,

aber irgendwie so einen administrativen Status haben sie ja dann offensichtlich schon. Na eben

gerade nicht. Also im Prinzip gerade nicht. Es sei denn, sie können dann zum Beispiel irgendwann

so was wie ein Aufenthaltstitel vorweisen, denn der Aufenthaltstitel, der erfüllt de facto so

eine Art Personalausweisfunktion, zum Beispiel gibt es da auch einen elektronischen Aufenthaltstitel,

also genauso wie man mit dem deutschen Personalausweis, mit dieser Ausweisapp 2, sich im Internet

elektronisch anmelden kann, wenn die Website das anbietet, so geht das zum Beispiel auch mit dem

elektronischen Aufenthaltstitel. Also wenn man den hat, dann hat man de facto so eine Art per so,

aber da hat man natürlich noch lange keinen Reisepass. Also das heißt also,

solange man keine Staatsansprechkeit hat, ist man de facto in Deutschland festgenagelt.

Und damit sind wir am Ende der Lage der Nation, Ausgabe Nummer 338 angekommen. Wir danken für

euer Interesse. Wenn es euch gefallen hat, spendet uns doch gerne ein paar Sternchen in

der App eures Vertrauens und nun wünschen wir euch einen schönen Wochenausklang und ein

schönes Wochenende. Genießt den Sommer bis nächste Woche.

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In der „Lage der Nation“ kehren der Journalist Philip Banse und der Jurist Ulf Buermeyer einmal in der Woche die politischen Ereignisse hierzulande und in der Welt zusammen, so diese sie interessieren und sie sie für relevant halten.





Sponsoren



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Drohnenangriffe auf Moskau




Putin says Ukraine drone strikes on Moscow aim to scare and provoke Russia


Drohnenangriffe der Ukraine auf Moskau sind eher symbolische Schläge


Darf die Ukraine russisches Territorium angreifen? Was das Völkerrecht sagt





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Urteil im Staatsschutzverfahren gegen Lina E. u.a. verkündet


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Urteil gegen Lina E.: Fünf Jahre Haft – und eine späte Pointe





Türkei: Erdogans Sieg



Die Türkei nach der Wahl: Gastbeitrag von Yavuz Baydar


Warum Deutschland die Türkei braucht


Nach Drohnen-Attacke auf Moskau: Putin versucht laut Experten, den Angriff herunterzuspielen


Institute for the Study of War





Eckpunkte für “Startchancen”-Programm



Startchancen mit hartem Sozialindex


Brennpunktschulen: Wie kann man bildungsferne Schüler unterstützen?


(S+) Startchancen: So will Bettina Stark-Watzinger Kinder an Brennpunktschulen unterstützen


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Bildung: Wie der Milliarden-Plan für die Brennpunktschulen zerrieben wird – WELT


Kultusminister einigen sich zu Startchancen-Programm


Startchancen-Programm – Experten kritisieren Länderpläne zur Verteilung der Bundesmittel


Rätseln um die Bildungsmilliarde


FDP-Ministerin Stark-Watzinger: Wie viel ist eine Bildungsmilliarde?


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Startchancen-Showdown im Juni • Bildung.Table





Reform des Staatsangehörigkeitsrechts (Interview mit Christiana Bukalo, Co-Gründerin der NGO „Statefree“)




Statefree



20 % mehr Einbürgerungen im Jahr 2021



Progressive Reform mit regressiven Untertönen: Der Gesetzentwurf zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts


STAATSANGEHÖRIGKEIT RELOADED Kritische Perspektiven auf Staatsangehörigkeit in der postmigrantischen Gesellschaf


Deutschlands Neubürger: Höchststand bei Einbürgerungen seit 20 Jahren


StAG – Staatsangehörigkeitsgesetz





Bilder



Kadyrow will „Rache“: Drohnenangriffe: Moskau droht mit VergeltungVasili FrancoErdogans Anhänger:innen feiern seine WiederwahlSchule, Foto von Taylor Flowe auf UnsplashChristiana Bukalo, Co-Gründerin der NGO „Statefree“



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