Lage der Nation - der Politik-Podcast aus Berlin: LdN330 Klassenjustiz in Deutschland? (Interview Ronen Steinke, SZ)

Philip Banse & Ulf Buermeyer Philip Banse & Ulf Buermeyer 4/11/23 - Episode Page - 1h 20m - PDF Transcript

Herzlich willkommen zur Lage der Nation, Ausgabe Nr. 330 Formen.

Was haben wir heute, 11. April 2023?

Und an den Mikrofonen sind Philipp Banzer, das bin ich.

Und Uffbohr Meier, Jurist aus Berlin.

Herzlich willkommen zu dieser Ausgabe der Lage der Nation.

Kleiner Hinweis, Philipp, du hast ein bisschen Heuschnupfen heute.

Ich hab Heuschnupfen mitgebracht. Ich bin soweit fit.

Ich hoffe, ich schlafe nicht ein, angesichts von vier Anti-Schnupfen-Tabletten.

Aber ich glaube, die Sendung halte ich durch ein.

Scherz bei Seite, ich wollte so hinweisen,

es klingt ein bisschen verschnupft, ich bin ein bisschen verschnupft,

aber ansonsten schon auf der Höhe.

Wir widmen uns heute einem etwas unterbelichteten Thema.

Die reguläre Ausgabe zu den Themen der Woche folgt dann am Donnerstag.

Aber heute wollen wir man auf einen Missstand hinweisen,

der uns beiden, glaube ich, sehr am Herzen liegt

und auch unserem Gast, den wir heute haben.

Nämlich die Tatsache, dass es offensichtlich in Deutschland

sehr davon abhängt, wie viel Geld man so hat,

ob man tatsächlich auch recht bekommt, selbst wenn man recht hat.

Richtig. Viele würden das Klassenjustiz nennen,

haben das Klassenjustiz genannt.

Warum unser Gast, Journalist und Autor Dr. Rohn Steinke,

das anders sieht, das klären wir gleich in einem langen Interview.

Er hat ein Buch geschrieben zu dem Thema,

das nennt sich vor dem Gesetz, sind nicht alle gleich.

Und wie gesagt, warum er meint, dass nicht alle gleich sind

und warum das trotzdem keine Klassenjustiz sein soll

oder er zumindest um diesen Begriff einen großen Bogen macht,

das besprechen wir im Interview mit ihm nach einer Unterbrechung.

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Ja, ganz herzlich willkommen in der Lage Nationen Ronin Steinke.

Freu mich sehr, hier zu sein, hallo.

Sie sind Jahrgang 83, in der Wikipedia steht,

dass Sie Rechtswissenschaft in Hamburg studiert haben

und in Tokio als Gastsemester, das ist soweit korrekt,

dann in einigen Anwaltskanzleien als Jurist gearbeitet

und auch in einem Jugendgefängnis, auch das stimmt soweit, ja.

Und dann schließlich gearbeitet am Internationalen Strafgerichtshof

für das ehemalige Jugoslawien, also Völkerrecht auch involviert.

Jetzt sind Sie Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung

zuständig für Innenpolitik.

Soweit korrekt.

Dann haben wir was zu ergänzen, was wir nicht erwähnt haben,

was noch wichtig ist.

Langer, treuer, höherer der Lage Nationen.

Okay, umso besser.

Das war nicht gescriptet.

Das war nicht gescriptet, wir skripten ja sowieso nicht so richtig.

Sehr schön, ja, bevor wir darüber reden,

ob wir das, was hier in Deutschland vor Gericht passiert,

tatsächlich zu Recht Klassenjustiz nennen können oder sogar müssen,

müssen wir uns aber natürlich erst mal anschauen,

was denn eigentlich in Deutschland vor Gericht passiert

und wir konzentrieren uns hier auf einen Bereich der Justiz,

den ich persönlich auch aus eigener Anschauern kenne.

Ich war ja viele Jahre Strafrichter hier in Berlin.

Nämlich wir konzentrieren uns auf die Strafjustiz,

also auf den Teil der Justiz, der die Frage klärt,

ob Menschen sich tatsächlich strafbar gemacht haben

und die dann auch dafür zuständig ist,

zum Beispiel eine Strafe zu verhängen.

Richtig. Und ob Menschen eben recht bekommen,

wenn sie recht haben, das hängt ganz offensichtlich,

zumindest wenn man das Buch liest, was Rohnstein geschrieben hat,

ganz erheblich davon ab,

ob diese Menschen auch ausreichend Geld haben oder eben keins.

Herr Schneider, bevor wir da ein bisschen über die Details reden

und wo sich das so in unserem Strafrechtssystem zeigt,

diese Ungerechtigkeit und diese Ungleichheit,

vielleicht mal gefragt, wie sind Sie auf das Thema gekommen?

Gab es da einen Anlass, einen besonderen Missstand,

ein persönliches Erlebnis,

was Sie dazu gebracht hat, ein ganzes Buch darüber zu schreiben?

Ich bin als Journalist viel in Gerichtssälen gewesen,

in den vergangenen Jahren, aber genauso wie die allermeisten

unserer Berufskollegen, vor allem in den so genannten

spektakulären Prozessen, wo die großen Gewalttaten,

die fantastisch großen Geldsummen verhandelt werden.

Und dort sitzen dann in den ersten ein oder zwei Reihen,

die Journalistinnen und Journalisten,

und dort sitzen auch auf Seiten der Profis,

die da vorne verhandeln, die erste Garde ihrer Zunft.

Da sitzen sehr gut bezahlte Anwältinnen,

da sitzen meistens also die Fortgeschrittenerinnen

aus der Staatsanwaltschaft,

und dann sitzt eine sehr gut besetzte Richterbank,

und man hat den Eindruck, da ist so richtig Hochreck,

was da geturnt wird.

Aber das ist natürlich überhaupt nicht repräsentativ.

Und das ist mir viel zu spät aufgegangen,

dass wir da als Medien uns fokussieren

auf einen Teil des Strafsystems,

der vielleicht ein Splitter eines Prozentpunkts ausmacht.

Und zwei Drittel unseres Strafsystems

befasst sich mit was ganz anderem,

die ich mit kleiner Elendskriminalität.

sozusagen die häufigste Straftat in Deutschland ist der Diebstahl.

Und nicht der Diebstahl, bei dem man reich wird,

sondern der Diebstahl von zwei Lippenstiften oder von Gemüse.

Ja, von kleinen Dingen, wo man danach ja genauso arm ist wie vorher.

Und das wird jeden Tag vor Gericht in kurzen Prozessen abgehandelt.

Das ist das Massengeschäft, mit dem sich unser Strafsystem befasst.

Und das ist ja ein System, was in unser aller Name agiert.

Im Namen des Volkes, das heißt was.

Wir alle legitimieren dieses System mit seiner ganzen Härte

und schauen da gar nicht hin.

Ja, schauen wir doch da mal ein bisschen genauer hin.

Sie haben ja gerade schon so die Situation im Gerichtssaal geschildert.

Es sitzen eine ganze Reihe Verfahrensbeteiligte da zusammen.

Und da ist eben auch das Stichwort Verteidigerin

oder Verteidiger schon gefallen.

Und ich denke, damit können wir alle was anfangen.

Wir kennen alle Anwaltsserien zum Beispiel aus dem Fernsehen.

Da treten also quasi lautstark Menschen auf

und werfen sich in die Bresche zur Verteidigung

eben des Angeklagten oder der Angeklagten.

Und nun denkt man ja, wer sich selber,

weil er zum Beispiel kein Geld hat, keinen Verteidiger leisten kann,

der bekommt einen vom Staat.

Stichwort Pflichtverteidigung.

Aber stimmt das denn eigentlich, Herr Steinke?

Bekommen denn tatsächlich alle Menschen zum Beispiel auch,

ich sag mal, die ältere Dame, die diesen Lippenstift mitgehen lässt,

bekommt die denn tatsächlich vom Staat einen Verteidiger gestellt?

In Deutschland ist es so,

die Allerwenigsten bekommen einen Pflichtverteidiger.

Die Gerichte entscheiden danach, wie schwer der Straftatvorwurf ist,

kurz gesagt, wenn es ein besonders schwerer Straftat ist.

Also insofern zu verbrechen, also sowas wie Vergewaltigung, Mord.

Dann ist keine Diskussion, aber bekommt man einen Pflichtverteidiger,

aber das ist natürlich die Ausnahme.

Und die Regel, sagen wir mal, 90 Prozent, schätzungsweise der Fälle,

hat man diesen Anspruch nicht.

Und dann ist es die Frage, was sagt der Blick ins Portemonnaie?

Bei den wenigen gut situierten Angeklagten, die es gibt,

das ist absolut die Ausnahme, ist es kein Problem.

Die kommen dann mit einem Anwalt oder mit zwei oder mit drei,

das darf man in Deutschland drei Straftatverteidiger mitbringen.

Aber bei den Allermeisten ist Ratlosigkeit.

Wie soll man ein paar Hundert Euro plötzlich irgendwie herzaubern,

um einen Straftatverteidiger zu engagieren?

Und das heißt, es ist die Allermeisten,

Leute, die wegen Elendskriminalität vor Gericht landen,

arbeitslose Menschen, die von Grundsicherung leben,

da alleine hocken.

Also ich kann mich da an so einen Fall erinnern.

Der ist jetzt keine Elendskriminalität, aber auch nach dem Acht.

Irgendwie schon, ich hab da mal im Amtsgericht Tiergarten,

da ging es um jemanden, dem wurde vorgeworfen,

ich glaub, dass ein Stein bei den ersten Microwallen geworfen hat.

Ich weiß nicht, was da im Raum stand,

Körperverletzung, versuchte Körperverletzung oder so.

Aber der wurde dann auch, der saß alleine da,

der wurde dann auch gefragt, hören Sie mal zu,

Sie gehen jetzt hier, ich glaub, der war ein Urhaft,

ich krieg den genauen Fall nicht mehr hin,

aber der wurde zumindest auf jeden Fall gefragt,

haben Sie irgendeinen Nasch, in der irgendwie eine Zahnbürste bringen kann?

Gibt es irgendwie jemanden, den wir kontaktieren können,

der ihn irgendwie Wäsche bringen kann oder so in die Haft?

Gab's nicht.

Der saß einfach da, der hat keinen Wort geredet,

und das war für mich so das erste Mal,

dass ich von diesen völlig unbeachteten Fällen mitbekomme.

Der wurde verdächtigt, die Beweislage war extrem dünn,

hatte man so den Eintrag, was da so vorgetragen wurde.

Aber der saß da alleine, der hatte keinerlei Freunde,

angehörige Unterstützung.

Und es war mit den Händen zu greifen,

dass dieser Mensch nicht in der Lage war,

sich mit diesem System adäquat auseinanderzusetzen.

Und ich finde, da muss man mal dazu sagen, das ist jetzt kein Dünkel

von uns gegenüber den Normalbürgern, die keine Ahnung haben.

Also, das ist eine verdammt schwierige Welt,

diese juristische Welt.

Da muss man viele Jahre studieren, um da durchzublicken.

Das ist eine Kunstsprache, die weit entfernt ist von der Alterssprache,

und da sitzen dann einem gegenüber Menschen in den Schwarzen Roben,

die in dieser Kunstsprache sich untereinander verstehen.

Aber man als Außenstehender, der da zum ersten Mal im Leben ist,

als normal-Normalbürger...

Als er erst mal Kontakt hat mit ihm.

Wie soll man da durchblicken? Das ist nicht eine Frage der Intelligenz.

Das ist einfach eine Frage des Vorwissens.

Und das vergleichbar wie, wenn ich zum Arzt gehe oder zur Ärztin.

Aber wann kriegt man einen Pflichtverteidiger?

Pflichtverteidiger bekommt man nur in den seltenen Fällen,

wo es ein besonders schwerwiegender Vorwurf ist,

oder in den sehr seltenen Fällen, wenn das Gericht anerkennt,

dass der Fall besonders kompliziert ist.

Das gibt es auch sozusagen als Klausel.

Nur, das muss erst mal ein Gerichtern selber so befinden.

Und natürlich aus Sicht einer Richterin, eines Richters.

Was ist schon kompliziert? Die Dinge sind nur nicht kompliziert.

Da gibt es halt die tollsten Urteile, wo die Richterinnen sagen,

auch selbst wenn da irgendein DNA gut achten notwendig ist

zur Klärunterschuldfrage, selbst das ist nicht kompliziert.

Genau, um das vielleicht noch kurz einzubinden,

also die Schwelle ist so in der Praxis in Moabit ein Jahr Freiheitsstrafe.

Das heißt also Vorwürfe, wo zum Beispiel das Gericht

und die Staatsanwaltschaft davon ausgehen,

es wird weniger als ein Jahr Freiheitsstrafe dabei rauskommen,

gegen diese Vorwürfe muss man sich selber verteidigen.

Das heißt also, acht Monate Gefängnis können durchaus im Raum stehen,

ohne dass man einen Pflichtverteidiger zu seitischen.

Und das ist verdammt viel, das muss man ja mal klarmachen.

Das ist wirklich 90 Prozent unserer Kriminalität.

Und das sind große Strafen, auch acht Monate.

Selbst wenn das nur auf Bewährung ist,

das ändert den ganzen Lebenslauf, wenn man so eine Strafe bekommt.

Und dass man da dem Hilfluss oft aufgesetzt ist.

Ich habe einen Fall, der mich besonders beunruhigt hat,

den schilder ich auch im Buch ausführlich,

wo eine 78 Jahre alte Frau vor Gericht steht,

weil sie vier Kerzen gestohlen haben soll in der Adventszeit.

Also vier solche roten Kerzen für den Kranz.

Die Frau hat, wie man ziemlich schnell erkennen konnte,

schon akustisch nicht dem Geschehen folgen können,

weil sie offenbar eine Hörbehinderung hatte.

Das hat aber das Gericht nicht lange interessiert

und nicht lange aufgehalten, weil dann trotzdem gegen sie verhandelt.

Sie hat also nur die Hälfte wahrscheinlich verstanden, worum es geht.

Und im Laufe dieses Verfahrens,

im Laufe von einigen wenigen Minuten,

habe ich mitbekommen als Zuschauer,

was die Ursache ist für ihre Hörschaden.

Sie hatte nämlich vor kurzem einen Schlaganfall.

Und ihr Betreuer, der netterweise mitgekommen war,

also kein Anwalt, sondern das ist ein Sozialarbeiter,

der saß im Publikum neben mir,

der sagte dann netterweise zur Richterin,

ja, es gibt auch kognitive Einschränkungen.

Also, und ich als Jurist, der aber natürlich als Zuschauer

da den Mund zu halten hat,

in meinem Kopf gehen also die Fragen auf,

was müsste man eigentlich jetzt mal argumentieren

für diese Frau zur Entlastung dieser Beschuldigten?

Das ist natürlich nicht in Ordnung, wenn man Kerzen stielt.

Wir wollen ja hier nicht irgendwie drüber hinweggehen,

dass natürlich das irgendwie beantwortet werden muss vom Staat.

Aber auf der anderen Seite der Wachschale,

gibt es so viel, was man sagen könnte,

zur Entlastung oder zur Milderung dieses Bildes.

Das hat aber keiner getan.

Die Frau nicht, der Betreuer nicht,

der ja keine juristische Ausbildung hat.

Das hat, lässt sich dann, ja, die Anklage

und die Richtere unter sich ausgemacht.

Und was hätte diese Frau machen müssen?

Also, wenn jetzt klar ist, sie kriegt keine Pflichtverteidigung,

dann hätte sie eigenständig googeln müssen,

Strafverteidiger, Strafverteidigung,

das Geld mindestens auslegen müssen wahrscheinlich

und sie hätte es nur wiederbekommen oder erstattet bekommen,

wenn sie den Fall gewinnt.

So ist es. Und das ist natürlich eine Lage,

mit der die meisten Menschen dann kapitulieren.

Also, mindestens kognitiv, aber letztlich dann auch finanziell,

weil das geht ja schnell in die hunderte Tausende Euro,

die da vorausgestreckt werden müssen, voraus bezahlt werden müssen,

erst mal ausgelegt werden müssen.

Also, hunderte oder tausende.

Hundert, nicht hunderte, nicht hunderte.

Aber das sind große Summen, das sind für viele Menschen große Summen.

Und wenn ich das dann so vortrage,

mit vielen meiner Freunde sind, Richter oder Anwälte,

ich erkenne ja durchaus an, dass da kein böser Wille da ist

auf Seiten von vielen Richterinnen und Richtern,

dass die sagen, ey, nur weil ich jetzt hier

keinen Anwalt zwingend bestelle, heißt es nicht,

dass ich nicht fair bin, sondern ich höre gerne zu.

Ich möchte durchaus auch das Entlastende hören.

Ich will mir ja ein ausgewogenes Bild machen.

Ich sage nur, das wird nicht klappen.

Wenn die Angeklagte, der alleine sitzt, eingeschüchtert,

zum ersten Mal im Leben vor dieser beunruhigenden Szenerie

und dann ist im Hintergrund die Angst, dass man bestraft wird,

man bekommt den Mund nicht auf, man weiß nicht, was man fragen muss,

und dann bekommt man als Tipp von Seiten der Richterschaft

nur den Hinweis, sie müssen sich nicht selbst belasten.

Das ist dann die rechtliche Belehrung.

Bin ich dann danach klüger als vorher.

Das ist ja auch eine große Frage, was heißt, ich sei mir belasten.

Also, kurz um diese Hilflosigkeit, aus der hilft einem keiner raus,

außer eine Strafverteidigerin, ein Strafverteidiger,

mit dem man mal bitte fünf Minuten unter vier Augen reden darf

und mal ehrlich sagen, besprechen darf, was Sache ist.

Ohne das geht's nicht.

Sie sagten eben, es handelt sich bei den Fällen,

jedenfalls, wie Sie sich jetzt angeschaut haben,

aber von denen Sie auch sagen,

dass das irgendwie 90 Prozent der Fälle sind, die verhandelt werden.

Es handelt sich häufig um Elendskriminalität.

Können Sie das noch mal so ein bisschen plastischer machen,

um was für Menschen es sich eigentlich handelt

und um was für Fälle, bei denen Sie sagen,

das handelt sich um Elendskriminalität?

Ein Fall war ein junger Mann, der an Depressionen litt

und der ist einfach nicht auf die Reihe bekommen,

hat am Ende des Monats sich irgendwas zu leihen

und der dann aus seiner Verzweiflung heraus Lebensmittel,

sozusagen seinen Wocheneinkauf einfach in den Rucksack gepackt hat

und gerannt ist, aus dem Supermarkt raus.

Oder ein griechischer Rentner, der in Deutschland lebt

und aufgrund der Biografie so ganz wenig Rente bekommt,

auch Ende des Monats, der also ein bisschen Gemüse und, glaub ich,

ein paar Kürbiskellenbrötchen eingepackt hatte

und dummerweise, als seine Ladendelektiv in ihn erwischt hat,

stellte sich raus, er hatte einen Taschenmesser,

um das Gemüse zu schälen, was dann sofort bedeutet hat,

dass aus diesem Diebstahl, was ein relativ geringes Zillekt ist,

ein Diebstahl mit Waffen wurde,

was ein sehr scharf bestraftes Zillekt ist.

Also der wurde richtig hart rangenommen von der Justiz.

Vielleicht noch als drittes, Drogenkriminalität.

Auch das macht einen riesen Anteil unseres Strafsystems aus.

15% der Menschen, die hinter Gitter sitzen,

sitzen nur wegen gewaltlosen Drogendelegten

und da sitze ich im Publikum und sehe, wie ein Mann angeklagt wird,

am Amtsgericht Tiergarten hier in Berlin,

weil er für 8 Euro Heroin gekauft hat.

Nicht, weil er Kindern was verkauft hat,

was man ja verwerflich finden könnte,

sondern er hat für sich selber von seinem Geld

niemandem was geklaut, von seinem Geld sich was gekauft,

wo die Gesellschaft sagt, dumme Entscheidung, mach mal lieber nicht.

Und der muss sich dafür rechtfertigen.

Das ist das in Menschen, die sind am Boden.

Und Justiz hilft denen nicht auf, sondern tritt eher noch nach.

Kann man das Thema so angefangen, kann man das so ein bisschen quantifizieren?

Also 15% der inhaftierten Sitz wegen Drogendelegten,

Elendskriminalität sagen ein großer Teil.

Weiß man, weiß ich nicht, wie viel Prozent der Strafverfahren

man in diese Kategorie Elendskriminalität einsortieren könnte?

Ich glaube, das sind keine so präzisen Begriffe.

Da gibt es keine genauen Statistiken.

Aber man kann ja mal mit Menschen reden,

die als Strafverteidigerinnen Strafverteidiger arbeiten.

Die bekommen noch die nicht ganz so schlimmen Fälle.

Weil die ganz schlimmen Fälle, die kommen noch nicht mal zum Anwalt.

Aber selbst die erleben schon ihren Beruf als ein Mix aus Sozialarbeit und Jura.

Weil man natürlich mit Menschen zu tun hat, die mit multiplen Problemlagen,

Drogen, psychische Krankheiten, furchtbarste Familiengeschichten geplagt sind.

Und bei denen ist oft der Ärger, der mit Justiz hat, noch der geringste Ärger.

Nun behaupten Sie ja in Ihrem Buch so ein Schlagwort.

Je präkärer die Lebensumstände der Menschen, die sich vor Gericht verantworten müssen

wegen des Vorwurfs an der Straftat,

desto strenger entscheiden Richterinnen und Richter.

Haben Sie dafür ein Beispiel,

also wie präkäre Lebensumstände eher zu einer Verhärtung führen auf Seiten Justiz?

Die Frage, ob jemand in den Untersuchungshaft gesteckt wird,

das ist eine Frage, wo die Justiz ein bisschen spekulieren muss.

Untersuchungshaft bedeutet, jemand ist noch nicht verurteilt worden.

Der Prozess hat noch gar nicht begonnen.

Aber man möchte nicht, dass der wegläuft.

Man möchte, dass der mal schön hier bleibt oder die,

damit man einen Angeklagte überhaupt hat.

Also muss man spekulieren, wie groß sind das Risiko, dass der jetzt wegläuft.

So, und die Glaskugel hat keine.

Da muss man dann irgendwie auf Erfahrungswerte auf Vorurteile zurückgreifen.

Und dann gibt's sozusagen Faustregeln in der Justiz.

Die werden auch hidergeschrieben in juristischen Handkommentaren.

Eine der Faustregeln lautet zum Beispiel,

wer verheiratet ist und Kinder hat, der läuft nicht weg.

Wer aber Single ist oder frisch geschieden, der schon.

Wer in taktes Elternhaushalt, der läuft nicht weg.

Wer aber weise ist, der eher.

Wer in Deutschland verwurzelt ist mit großer Familie,

der läuft nicht weg.

Wer aber migrant ist, der eher.

Also all diese Erfahrungswerte führen am Ende dazu,

dass Leute, die sozial wenig integriert sind,

vielleicht arbeitslos sind, Migrationsuntergrund haben,

viel schneller eingesperrt werden aufgrund von Untersuchungshaft.

Und sind diese, sind diese Thesen, die da stehen?

Wer verheiratet ist und Kinder hat, der läuft nicht weg.

Hat sich das ein Kommentator ausgedacht?

Oder gibt's dafür wissenschaftlich Evidenz?

Das sind sehr plausible Thesen.

Im großen Teil gibt es doch Ausnahmen.

Also früher wurde zum Beispiel gesagt,

wer in einer homosexuellen Beziehung lebt,

das ist ja total haltlos und instabil

in der heterosexuellen hingegen wunderbar.

Das bindet einen Menschen ja.

Gut, aber das mit der Seite.

Viele andere dieser Erfahrungswerte, die leuchten mir durchaus ein,

aber die sind keinerweise empirisch erprobt.

Weil man müsste dazu Menschen-Experimente durchführen,

das geht's nicht.

Also mit anderen Worten, Sie würden denken,

das ist jetzt nicht völlig aus der Luft gegriffen,

dass die Justiz so entscheidet.

Aber die Folgen treffen Menschen einfach,

je nach ihrem sozialen Status,

nach ihrer sozialen Situation total unterschiedlich.

Die Logik bedeutet, dass diejenigen,

die es ohnehin schon schwere haben im Leben,

auch von der Justiz härter angefasst werden.

Und das muss ich sagen, verschärft er die Probleme eher noch.

Ja, weil, als ich das gelesen hab, dachte ich,

na gut, das ist schwer zu beweisen.

Also, ich dachte, die Frage,

ob jemand härter angenommen wird

oder strengere Urteile zu erdulden hat,

der wenig Geld hat, als jemand, der viel Geld hat,

dazu müsste man ja quasi zwei identische Fälle haben,

die vor Gericht landen, und dann vergleichen,

wie entscheidet denn womöglich derselbe Richter,

die selbe Richterin?

Man kann aber mal sozusagen Extremfälle

mal gegenüberstellen, also der Fall eines beschuldigten Obdachlosen.

Da kann man mit Richterinnen und Richtern reden,

das ist keine große Diskussion, dass der in Untersuchungshaft kommt.

Weil die Angst bei Obdachlosen, ohne festen Wohnsitz, OFW,

das ist dann schon das entscheidende Kürzel in der Akte,

die Angst ist dann so groß, der läuft davon,

dass der sofort hintergeht, da kommt.

Und das wird auch von Richterinnen und Richtern

dann auch so begründet in Interviews,

die Wissenschaftler durchführen.

Na ja, wer eh nix hat draußen, da geht auch nix kaputt.

Da macht das nicht so schlimm, das tut die mir gar nicht so sehr weh,

wenn der mal zwei Wochen hintergeht, da geht.

Im Gegenteil, das ist vielleicht sogar eine Wohltat.

Hingegen, auch das gibt es sozusagen als Aussage in Interviews,

wenn jemand sehr sozial integriert ist.

Wichtige Managerposition irgendwo.

Große Familie dann ist da die Zurückhaltung sehr groß,

uns wird damit begründet.

Na ja, schon die kleinste Einmischung in diesem Leben

wird dem also großes Stigma und großen Schaden zufügen.

Also wer viel hat, hat auch viel zu verlieren

und kommt deshalb nicht in Urhaft.

Und das ist eine Sichtweise, die man hinterfragen muss.

Weil wer sagt denn bitte, dass der Mensch,

der auf der Straße lebt, wenig zu verlieren hat.

Das lässt sich so leicht sagen,

wenn man selber ein reguläres staatliches Gehalt hat

und es einem gut geht.

Aber wir sind doch alle nicht im Kopf des anderen drin.

Und zu sagen, der Obdachlose, für den ist es nicht schlimm,

für zwei Wochen hinter Gitter zu gehen,

also ich glaube, das kann man durchaus auch anders sehen.

Viele Obdachlose schlafen ja nicht aus Spaß unter Brücken,

sondern weil sie es nicht ertragen in Räumen.

Und dann eingesperrt zu werden wie ein Tier hinter Gitter,

das ist vielleicht eine sehr, sehr große Härte sogar.

Stichwort Geldstrafen.

Herr Stanke, Sie schreiben, je vermögender man ist,

desto billiger kommen man davon.

Das soll ja eigentlich gerade anders sein bei unserem System

der Geldstrafen, die ja nach Tagessätzen berechnet werden.

Können Sie das für unsere Hörerinnen und Hörer mal erklären,

wie eigentlich Geldstrafen in Deutschland zugemessen werden?

Also der Gedanke ist eigentlich sehr sozial.

Man sagt, das kann ja nicht sein,

dass man für eine Strafe einfach ein Pauschal 1000 Euro,

also für eine Strafe hat 1000 Euro, ausspricht,

weil das würde ja der Reiche einfach so mit einem Lächeln wegwischen

und der Arme würde darunter einbrechen.

Also sagt man, es ist immer proportional zum Einkommen.

Tagessatz bedeutet das Geld, was man netto pro Tag verdient,

beim einen mehr, beim anderen weniger.

Und die Idee ist, na ja, wenn du für dieselbe Tat

dann 30-Tagesetze bekommst,

dann tut das allen Beschuldigten gleichermaßen weh.

Das ist in 70er-Jahren eingeführt worden,

nach dem Vorbild Skandinaviens, eine sehr gute Idee.

Also das sind die Strafwirkungen am Ende, die gleiche sein sollen.

Genau, und das vielleicht mal kurz als Einschub.

Das ist nämlich in § 40 Absatz 2 des Strafgesetzbuches geregelt.

Ein Tagessatz wird auf mindestens einen

und höchstens 30.000 Euro festgesetzt.

Das ist ja eine enorme Spanne.

Also die Justiz hat grundsätzlich die Möglichkeit,

zu sagen, ein Mensch verdient im Schnitt zwischen einem

und 30.000 Euro am Tag,

oder also mit anderen Worten im Monat zwischen 30 Euro und 900.000 Euro.

Das ist ja schon mal eine Spanne, mit der man denkt,

da lässt sich ein gerechtes Geldstrafenregime durchaus installieren.

Und dann geht es aber in die Praxis.

Ich beschreibe immer im Buch einen Fall,

wo Oli Kahn, der Fußballer, erwischt wurde,

wie er was am Zoll, Lykuseinkäufer am Zoll vorbeischleusen wollte

und 50-Tagesetze Geldstrafe dafür bekommen hat.

50-Tagesetze Geldstrafe sind bei jemandem,

der so ein gutes Einkommen hat, wie so ein Fußballstar,

eine Menge Geld in absoluten Zahlen.

Aber wer so gut verdient, der hat Rücklagen, der hat einen Polster,

der wird davon nicht umgeworfen.

Das versaut dem nicht das Jahr.

Der muss nicht hungern, der muss nicht auf Medizin verzichten,

der muss vielleicht den Urlaub ein bisschen bescheidener ausgestalten.

Wen überhaupt, ne?

Auf den dritten Ferrari verzichten.

Also das ist einfach eine Lebenswelt,

in der ein bisschen Einkommensverlust leicht abzufiedern ist.

Und auf der anderen Seite ein Fall ziemlich zur selben Zeit,

der vor Gericht kam, eines jurischen Flüchtlings,

der wegen Diebstahls von ein paar Klamotten in einem Sportgeschäft

auch 50-Tagesetze bekam.

Der lebte von Grundsicherung.

Grundsicherung bedeutet, der Staat gibt dir nur so viel,

wie du absolut brauchst, damit es nicht menschenunwürdig wird.

Also nur so viel, dass es reicht für ein Minimum an Shampoo,

hin und wieder ein neues Kleidungsstück und Nahrung.

Mehr nicht.

Kein Alkohol, kein Luxus, keine Spaß.

Und wenn der jetzt plötzlich 50-Tagesetze abgeben soll,

also praktisch anderthalb Monate seiner Grundsicherung,

dann trifft den das natürlich ganz anders.

Denn rutscht der in einen Bereich, wo selbst der Staat,

selbst das Bundesverfassungsgericht, sagt,

das ist der Bereich, wo wir die Menschenwürde schon verlassen.

Also wo es wirklich an's Existenzielle geht.

Und was wäre da ein Vorschlag?

Also wären so ein bisschen die Lösungen für den Ende aufgesparte,

was liegt hier so ein bisschen auf der Hand?

Was wäre denn da ein Vorschlag, um dieses System

zu seiner Ursprungsidee auch in der Praxis wieder zurückzuführen?

Also es gibt die Idee, dass man nicht nur aufs Einkommen,

sondern auch auf Vermögen schaut.

Also es ist vielleicht technisch schwierig umzusetzen,

aber zumindest die Idee ist reizvoll.

Die andere Idee ist, dass man sagt, bei den Armen,

die nur Grundsicherung haben,

vielleicht sollte man da nicht auf diesem Prinzip beharren,

dass man den das komplette Einkommen wegnimmt,

sondern dass man sagt, auch wenn wir bei Tagesätzen

da eigentlich die Theorie haben,

das komplette Nettoeinkommen wird den Anschlag gebracht,

wir belassen so ein praktisch unfentbaren,

ein absolutes Minimum und nehmen den Leuten nicht alles weg,

wissend, dass sie dann hungern.

Okay.

Ja, und der Tat ist ja das große Problem,

das haben Sie gerade ausgeführt,

die Strafwirkung extrem unterschiedlich ist,

je nachdem, ob man das quasi aus der Portugasse bezahlt

oder ob man sich das im wahrsten Sinne des Wortes

vom Munde absparen kann.

Und nun gibt es natürlich auch Menschen,

die einfach das Geld überhaupt gar nicht bezahlen können,

je nachdem, wie hoch die Geldstrafe auch bemessen wird.

Wenn man zum Beispiel einen, was in Berlin

jedenfalls lange Zeit Praxis war, 15 Euro Tageszöhe annimmt,

also ein Monatseinkommen von 450 Euro

bei einem Menschen, der Hartz IV bezieht

oder heute Bürgergeld bezieht, also keine Ahnung,

500 Euro im Monat bekommt,

davon aber ja alles bezahlen muss,

auch sein ganzes Essen zum Beispiel, seine Kleidung bezahlen muss,

dann sind diese 15 Euro relativ hoch gegriffen.

Ja, vor allem, wenn kein Vermögen im Hintergrund ist.

Vor allem, wenn kein Vermögen, keine Ersparnisse,

wenn das auch ganz Sinn.

Und nun gibt es eben viele Menschen,

die dieses Geld gar nicht bezahlen können.

Was passiert denn dann eigentlich,

wenn man eine Geldstrafe einfach nicht bezahlen kann,

wenn man vielleicht wohl will,

und man bekommt Post von der Staatsanwaltschaft,

sie sind rechtskräftig verurteilt, zahlen sie bitte bis dann und dann,

und man tut es nicht, was passiert denn dann eigentlich?

Dann bekommt man erst mal das Angebot,

man kann das in Form von Zahlstunden ableisten.

Da ist der Staat also relativ großzügig,

gibt es viele Möglichkeiten, aber wenn man das nicht macht,

entweder, wenn man nicht möchte, gibt es vielleicht,

aber vor allem, wenn man das nicht kann,

weil Menschen vielleicht eine psychische Krankheit haben,

dann knast.

Dann muss man diese Tagessätze in Form von Haftagen absetzen.

Und dann werden aus 30 Tagessätzen 30 Tage hintergittern.

Moment, also jetzt muss man mal kurz einhaken.

Das sind ja Menschen, von denen ein Richterin

oder ein Richter in der Hauptverhandlung dachte,

da müssen wir nicht mit einer Gefängnestrafe reagieren,

da reicht quasi eine Geldstrafe.

Da hat ein Gericht entschieden,

dieser Mensch bekommt eine Geldstrafe.

Und jetzt wird dieser Mensch trotzdem eingesperrt?

Da geht es um so etwas wie fahren ohne Fahrschein

oder um kleine Diebstähle,

da geht es wirklich um Bagatellkriminalitäten,

das Unteste vom Unteren.

Und jemand hat sich, wie Sie sagen,

die Leute ja gut angeschaut und sich gut überlegt,

dass die keine Haftstrafe verdienen.

Es gibt aber dieses alte Prinzip,

Geldstrafe soll man sich nicht frei aussuchen dürfen,

ob man die bezahlt, also gibt es immer noch eine Drohung im Hintergrund.

Und diese Drohung wird dann halt wahrgemacht,

wenn das Geld nicht kommt.

Das mag ich gar nicht auch prinzipiell skandalisieren.

Also diese Idee, dass man die Geldstrafe

auf irgendeine Weise eintreiben muss mit einer Drohung,

das leuchtet mir durchaus ein.

Solange es aber diejenigen treffen würde,

wo es am Bösen will, entscheidet.

Also, wenn man sich das mal vorstellt,

das sind so Fälle, die gerne auch durch die Medien getragen werden.

Jemand, der sagt, ich verweigere die Zahlung von GEZ-Gebühren

oder ich habe keine Lust bei mitzuspielen.

Also da habe ich jetzt auch kein großes Mitleid,

das muss ich der Staat auch nicht bieten lassen.

Aber das ist nicht die Regel.

Die Regel sind wirklich Leute, die körperlich zu kaputt sind

oder die unter psychischen Problemen leiden,

die Stimmen hören, die können nicht arbeiten.

Und selbst wenn man den noch dreimal anbietet,

möchtest du nicht laubfähig auf dem Hof bei der Karitas.

Das geht nicht, das kriegen die nicht hin.

Und dass diese Leute dann trotzdem im Gefängnis landen,

das bedeutet eine größere Härte gegenüber denen,

die ohnehin schon gestraft sind.

Jetzt ist das ja ein ziemlich großer Eingriff.

Also erst wurde gesagt,

ja, Gefängnis muss ich sein, Freischafe muss ich sein,

Geldstrafe tut's, jetzt stellt sich raus, Person zahlt nicht.

Wer entscheidet denn dann und wie ist der Prozess,

wo es dann doch dazu kommt, kommt im Knast.

Das sind Briefwechsel, die nicht von Richterinnen und Richtern,

sondern von Rechtspflegern gemacht werden.

Das sind sozusagen die Assistenten des Strafgerichts.

Recht formalisiert, alles per Knopfdruck und Recht sozusagen Alltagsgeschäft,

jeden Tag gehen der Dutzende solche Briefe raus.

Und wenn dann irgendwie der Mensch draußen nicht reagiert,

dann endet die Geduld und dann gibt's eben diese Anordnung Haftstrafe.

Kein Richter-Richterin, sondern quasi, wie heißt das?

Verwaltungsmitarbeiter.

Und da gibt's auch keine Anhörung mehr?

Da gibt's keine Anhörung mehr, was ich,

muss man sich mal auf die Zunge zugehen lassen,

auch so eigentlich ein Widerspruch zur Verfassung finde,

in der er drinsteht, du darfst in Deutschland nicht,

länger als so und zu viele Stunden,

eingesperrt werden, ohne dass du das Recht hast,

face-to-face vor einer Richterin, vor einer Richter zu gehen.

Das ist ein ganz wichtiges Verfassungsprinzip.

Aus einem guten Grund, es soll nicht die Polizei,

die Verwaltung mit dir machen, sondern da muss jemand Unabhängiges draufschauen.

Das gilt aber nicht für Leute, die ihre Geldstrafe nicht bezahlen können.

Bei denen ist der Weg oft von Kleinigkeit gestohlen

oder beim Fahren ohne Ticket zum dritten Mal erwischt worden

und dann irgendwie bis in die Post nicht öffnen,

dann nicht reagieren auf so ein Angebot zur Sozialarbeit in den Knast.

Ganz kurz, der Einschub, das Grundgesetz sieht vor,

dass man spätestens am Tag nach der Inhaftierung

eigentlich einem Richter oder einer Richterin vorgeführt werden soll.

Und das passiert hier aber nicht.

Das heißt also, alleine aufgrund eines Briefwechsels

steht dann irgendwann die Polizei vor der Tür und führt einen ab.

Und ich habe für das Buch mich viel mit Leuten inhaft auch unterhalten,

die davon betroffen sind.

Das sind Menschen, der eine, 63 Jahre alt,

der hat davor 17 Jahre in Stichatrien verbracht.

Dem kannst du keinen Vorwurf machen, dass er nicht arbeiten wollte.

Der darf das nicht.

Das ist sozusagen beim Jobcenter hinterlegt,

der darf man nicht beschäftigen.

Was soll der denn machen?

Der kann er noch so nett auf Briefe reagieren,

der kann nicht arbeiten.

Und für solche Menschen gibt es am Ende nur die Möglichkeit,

hinter geht da zu gehen.

Und auch hier noch mal die Frage nach der Quantifizierung

oder der Versuch der Quantifizierung.

Kann man irgendwie sagen, wie viel der Menschen,

die in Berlin oder Deutschland in Haft sitzen,

eingesperrt sind in Zählen, sitzen dort,

weil sie keine Geldstrafe bezahlen konnten, wollten,

jedenfalls nicht getan haben.

Und stattdessen ersatzweise in Haft mussten,

kann man das irgendwie quantifizieren, wie viele Leute das sind?

Das sind heute mehr als die Hälfte derer, die in ein Gefängnis kommen.

In Deutschland.

Mehr als die Hälfte der Leute, die in Deutschland im Gefängnis sitzen,

sitzen da, weil sie eine Geldstrafe bekommen haben

und die nicht zahlen konnten.

Ich bin ein bisschen präzisieren.

Die Gesamtzahl der Menschen, die jedes Jahr in ein Gefängnis kommen,

liegt so etwa bei 90.000 bis 100.000 Personen.

Die meisten bleiben da nicht lange.

Lange Gefängnisstrafen sind die Ausnahme.

Viele sind nach ein paar Wochen oder Monaten wieder raus.

Also wir haben nicht zu einem Zeitpunkt X.

So viele haben viel weniger.

Wir haben unter 50.000, die zu einem Zeitpunkt X in Haft sitzen.

Aber 100.000 etwa kommen jedes Jahr rein.

Das ist mehr als ein Promil.

Wir haben etwa 82 Millionen Menschen in Deutschland,

zu übern einen Daumen.

Also mehr als ein Promil hat pro Jahr Hafterfahrung.

So ist es.

Okay, 100.000 Leute.

Und wenn man jetzt mal durch ein Gefängnis durchgeht

und mal in die Zellen reinguckt und fragt,

wer ist in der Ziele der Geldstrafe hier,

ist nur jeder Zehnte da.

Das ist sozusagen nur 10%.

Das ist dann die Zahl, die die Politik gerne kommuniziert.

Na ja, so groß ist das Thema ja auch wieder nicht.

Nur 10%.

Da kann der eine sagen, ist vielleicht viel.

Der andere würde sagen, ist nicht so viel.

Aber das sind sozusagen Stichtagsbetrachtungen.

Ich glaube, dass man da eine Sache bei verkennt,

wenn man sich nämlich vor das Gefängnis stellt

und einfach ein Jahr lang zählt, wer geht da rein?

Und man kommt auf die Zahl 100.000.

Dann sind von diesen 100.000 eben mehr als die Hälfte,

mehr als 50.000 nur wegen der Geldstrafe da.

Und die Mathe erklärt sich so, weil die Fluktuation eben höher ist

bei den Leuten, die als Satzfreiheitstrafen vermüßen,

die gehen halt rein, gehen wieder raus.

Nach ein paar Wochen, genau.

Also der Durchschnitt sind 40 Tagessätze, die die absitzen.

Das heißt also rund 5,5 Wochen.

Und dann sind die wieder draußen.

Und dann wird in dieser Zelle das Bett neu bezogen.

Da kommt der nächste rein.

Und so geht es das ganze Jahr über.

Das heißt, wir haben im Jahr da etwa 10 Personen,

die da in der Einzelle ihre Haft absitzen.

Um die jetzt mal ganz am Rande, so ein Tag in der Haft

kostet ja auch eine ganze Menge Geld.

Was investieren wir denn da eigentlich

für diesen Vollzug von der Satzfreiheitstrafen?

Ein Tag in der Haft kostet so viel wie ein Tag im Hilton Hotel.

Also 150 Euro aufwärts in manchen Bundesländern

sind es auch um die 200 Euro.

Das ist eine gigantische Geldverschwendung,

wenn man es mal so kalt-ökonomisch betrachten möchte.

Weil natürlich das Geld dann fehlt für Obdachlosenunterkünfte,

für Drogentherapien, für Sozialtickets.

Also man könnte mit diesem Geld so viel Besseres anfangen,

als Leute wegzusperren,

die es ja nicht aus Boßhaftigkeit nicht bezahlen,

sondern weil sie es nicht können.

Das finde ich eine interessante Rechnung.

Sie sagten ja eben gerade,

dass viele Menschen wegen der sogenannten Beförderungserschleichung

auch in der Zunächst mal eine Geldstrafe bekommen,

dann aber Ersatzfreiheitstrafe büßen.

Genau, das soll man ja heute nicht mehr sagen.

Aber jedenfalls also fahren ohne Fahrschein.

So, und jetzt sagten Sie, wie teuer so eine Inhaftierung ist.

Wahrscheinlich könnte man also den öffentlichen Personen

nach Verkehr in Deutschland weitgehend kostenfrei gestalten,

mit dem Geld, dass es kostet, die Leute einzusperren,

die ohne Fahrschein fahren?

Also in Berlin hatte die öffentliche Verkehrsbetrieb

mal Computerprobleme

und die haben drei Monate lang deswegen keine Strafanzeigen weitergeleitet.

Und der Strafvollzug, die Gefängnis haben aufgeatmet.

Das war so ein Moment der Entspannung.

Plötzlich lehrten sich die Zellen,

plötzlich war sie im Strafvollzug,

konnte man wieder durchatmen.

Man hatte wieder, man konnte Überstunden abbauen.

Das ist ein ganz großer Batzen.

Diese kleinen Kriminalität, einfach weil sie so oft vorkommt,

belastet am Ende der Nahrungskette unseren Strafvollzug ganz erheblich.

Also, das ist ein bekanntes Problem.

Und ich denke, es ist jetzt auch bei Spezialisten

und Ministerien anerkannt, dass das vielleicht nicht optimal ist,

wie das läuft.

Und Justizminister Buschmann hat ja auch schon vor längerer Zeit

vor ein paar Monaten einen Reformvorschlag gemacht.

Er ist zustande, das haben sie eben gesagt.

Ein Tagessatz, Geldstrafe ist normalerweise ein Tagkraft.

Buschmann sagt, na ja, halbieren wir das Ganze doch.

Für einen Tag Haft gibt es in Zukunft nur noch für zwei Tagessätze.

Also, die Zeit halbiert sich.

Ist das ein sinnvoller Vorschlag?

Das ist schon besser als nichts.

Das bedeutet, dass die Menschen, die jetzt sechs Wochen sitzen,

nur noch drei Wochen sitzen.

Aber es bedeutet natürlich, dass genauso viele Menschen

weiterhin in Haft gehen werden.

An dieser Zahl, ja, mehr als die Hälfte derer,

die den Strafvollzug kennenlernen, sind da nur wegen Geldstrafe.

An dieser Zahl wird sich nichts ändern.

Es wird genauso weiter steigen.

Es wird genauso viele Menschen weiterhin treffen.

Man muss sich mal klarmachen, was das bedeutet.

In Haft, wenn die Tür sich schließt

und man da allein ist mit seinen Albträumen

und mit seinen dunklen Gedanken,

da zieht das Leben vor allem noch mal,

sagen wir mal, im inneren Auge.

Man stellt alles in Frage.

Man hat in dem Moment einen Stempel weg.

Man weiß genau die Menschen draußen,

wie denken die jetzt über mich?

Mein Sohn ist im Knast.

Hoffentlich erfahren sie Nachbarn nicht.

Ich schäme mich so.

Ich hätte nie gedacht, dass mein Sohn mal so tief sinkt.

Was wird meine Freundin von mir denken?

Was denke ich dann auch von mir selber?

Es geht etwas zu Bruch im Selbstbild.

Ich dachte, aus mir wird mal was.

Jetzt sitze ich hier im Knast, bin eingesperrt, hinter Gittern.

Und diese ersten paar Tage,

in denen man sich diese existenziellen Fragen stellt,

sind die, in denen die meisten Suizidversuche begangen werden

im Strafvollzug.

Es sind die Tage, in denen am meisten randaliert wird.

Da erleben Menschen Krisen.

Ob das dann hinten rausdrehen und dann nach einer Zeit beruhigt,

siehst nach zwei Wochen vielleicht,

und dann kommt man in so ein Trott hinein.

Aber ob das dann drei Wochen oder sechs Wochen dauert,

diese Zeit inhaftet,

ist dann schon fast nicht mehr das große Problem,

das große Problem, dass man überhaupt ins Gefängnis kommt

und diesen Stempel mal abbekommt.

Was würden Sie denn vorschlagen?

Also ich meine, man muss ja sehen,

da sind ja immerhin Menschen zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Und der Staat hat ja schon auch so einen gewissen Strafanspruch.

Also die Strafjustiz macht das ja nicht quasi

um Menschen zu ärgern, sondern die Strafjustiz hat ja zunächst mal

den Anspruch, dass Strafgesetze auch tatsächlich beachtet werden.

Und der Grundgedanke ist ja, wenn Strafgesetze verletzt werden,

dann muss man die Menschen bestrafen,

dafür, dass sie eben diese Gesetze gebrochen haben.

Würden Sie diesen Grundgedanken anzweifeln?

Würden Sie sagen, dann muss der Staat halt auf die Geldstrafen verzichten?

Oder sehen Sie da schon auch irgendwie einen Sinn darin,

dass Geldstrafen auch eingetrieben werden müssen?

Ich finde, das Grundprinzip ist ja erst mal einleuchtend.

Den würde ich gar nicht entgegentreten.

Nur, wenn es in der Praxis Leute trifft,

die beim besten will nicht anders können,

als nicht zu zahlen, nicht zu arbeiten,

dann ist es ja so ein bisschen ein irrationales Einschlagen

auf jemanden, wem bringt das was?

Sehr fühlen wir uns dann besser als Staat, fühlt sich da irgendjemand,

ich glaube nicht, dass ich da besser fühle.

Und deswegen gibt es auch nach geltendem Recht

schon Härtefallklauseln.

Es gibt also die Möglichkeit, dass ein Gericht

unter besonderen Umständen davon absieht,

oder zumindest es dann sagt, kommen wir warten zwei Jahre

und dann kommen wir noch mal mit der Geldstrafe.

Du hast sozusagen erst mal ein Dispens.

Das sind alles Möglichkeiten, die existieren,

die werden aber nicht genutzt.

Warum? Weil es so organisiert ist,

dass der Weg in den Knast gar nicht zwingend

an einer Richterin, einem Richter vorbeiführt,

sondern dass das alles so auf dieser Ebene

der Rechtspfleger stattfinden kann.

Meine, ich finde, sehr, sehr bescheidene Vorderrücken

wäre zuallererst, dass man sagt,

jeder, der in ein Gefängnis kommt in Deutschland,

dessen Weg für zwingend mal an einem Gericht vorbei.

Ich hätte da große Hoffnung, ich habe großes Vertrauen,

dass auch die meisten Richterinnen und Richter,

hinter deren Rücken, die das gar nicht mitbekommen,

dass sie das auch nicht gut finden.

Und dass die, wenn sie jemanden vor sich haben,

der psychisch krank ist, nach Möglichkeiten suchen würden

und sehr oft auch Möglichkeiten finden würden,

wie man diese Haft entweder vermeidet

oder zumindest hinaus schiebt

oder irgendwie das Ganze auf eine humanere Weise löst.

Also nun mal das ein bisschen praktisch zu machen.

Heute läuft es ja so, Sie haben es geschildert,

ein Mensch, der in der Verwaltung der Staatsanwaltschaft,

nicht mal das Gericht, sondern in der Verwaltung

der Staatsanwaltschaft arbeitet, sieht,

aha, Geldstrafe nicht bezahlt

und dann wird irgendwann ein sogenannter Vollstreckungshaftbefehl erlassen.

Das heißt also, das geht einfach nur so im bürokratischen Weg,

da schickt man der Polizei quasi den Auftrag,

diesen Menschen festzunehmen und dann wird er irgendwann festgenommen

und dann direkt von der Polizei im Gefängnis abgeliefert

und muss dann da seine 4, 6, 8, 10 Wochen abruben.

Das ist so das bisherige System.

Und ihre Vorstellung wäre, dass der Mensch da dessen

von der Polizei zwar eingesammelt wird,

aber dann eben erst mal zum Beispiel in Berlin

beim Amtsgericht Tiergarten abgeliefert wird,

damit ein Richter sich diesen Menschen anschaut,

im Grunde genauso wie jemand, der einen Haftbefehl hat,

noch im Ermittlungsverfahren, also wegen eines Vorwurfs.

Ich behaupte, das würde sich sogar rechnen.

Also mir ist klar, das ist mehr Arbeit und für die Gerichte,

selbst wenn man da nur vielleicht 20 Minuten zusammensetzt.

Aber diese Face-Time, die ist wertvoll.

Und selbst wenn man da sich nur diese geringe Mühe macht,

braucht es natürlich ein paar Richterstellen mehr.

Und der Staat spart ohnehin an der Justiz, wo er nur kann.

Also mir ist klar, da reden wir jetzt über ein paar Millionen.

Aber wir haben auch gerade über diese Luxushotelkosten

für Hafttage gesprochen.

Auf der anderen Seite spart man ja auch eine Menge Geld.

In Haft, die ja investiert werden muss,

in so Dinge wie Videoüberwachung, wie hohe Zäune,

also die am Ende ja niemanden sozial irgendwas bringen.

Und ich glaube, am Ende diese Investition,

ich glaube, da kann man es mal darauf ankommen lassen,

die würde sich auf diese Weise auch rentieren.

Also die ein paar Male, die ich in solchen Verfahren gesessen habe,

in irgendwelchen Amtsgerichten und so.

Und wo dann wirklich einsame, psychisch kranke, überforderte...

Vom Leben überforderte Menschen eigentlich,

da vor dem Richter und der Richterin saßen.

Und allen Beteiligten war das klar.

Stichwort, Sie kennen niemanden, der Ihnen eine Zahnbürste mal schicken kann.

Sie wissen nicht, wohin allen Beteiligten war stets klar,

Knast, Geldstrafe ist das Letzte, was dieser Mensch braucht.

Aber gleichzeitig waren die Richter und Richterinnen

so ein bisschen hilflos, ja, was sollen wir denn stattdessen machen?

Welche Optionen haben denn Richter und Richterinnen,

wenn sie denn so eine Anhörung haben?

Da hat jemand eine Geldstrafe, er kann sie nicht zahlen,

es ist offensichtlich, Knast als Ersatzfreiheitstrafe

ist definitiv hier die falsche Antwort.

Aber was denn stattdessen, was für Optionen haben die?

Leider recht wenige, da ist es recht,

leider beim Erwachsenen-Strafrecht sehr inflexibel.

Bei Jugendlichen gibt es da viel größere Palette.

Das finde ich nicht gut, da müsste man den Richterinnen-Richtern

auch mehr Freiheiten geben, man kann ja Mitweisungen mit Auflagen

bei Jugendlichen, also auch vielen in gute Bahnen lenken.

Aber ich sage mal jetzt als Beobachter des Ganzen,

es mag vielleicht am Ende jetzt nicht die perfekte Lösung geben

und es mag vielleicht auch ein bisschen Ratlosigkeit bleiben.

Aber es kann doch nicht sein, ich kann es nicht gut finden,

dass man in der Ratlosigkeit sagt, na gut, im Zweifel,

dann hauen wir halt Druck.

Dann hauen wir halt weiterhin Druck auf diejenigen,

wir wissen zwar, die können nichts dafür

und die sind vielleicht ohnehin gestraft,

aber uns fällt gerade nichts Besseres ein.

Sie haben gerade das Stichwort FaceTime genannt,

also die Situation, dass der Mensch, um den es geht,

tatsächlich mal an der Richterin oder einem Richter gegenüber sitzt.

Sie haben sich das gewünscht für die Situation,

wo eben eine Geldstrafe nicht bezahlt wird.

Aber da gehen wir jetzt noch mal gedanklich so ein bisschen zurück.

Wenn eine Geldstrafe nicht bezahlt wurde,

dann muss der Mensch jetzt zunächst mal rechtskräftig verurteilt sein

zu dieser Geldstrafe.

Und nun würde man ja denken,

jeder Mensch, der rechtskräftig verurteilt ist,

dem hat tatsächlich mal eine Richterin

oder ein Richter tief in die Augen geschaut,

hat sich in einer Hauptverhandlung,

z.B. im Amtsricht-Tiergarten,

einen Eindruck verschafft von diesem angeklagten Menschen,

hat die Beweise sich genau angeschaut

und ist danach genau nachdenken,

eben zu der Überzeugung gelangt,

dass der Mensch sich tatsächlich strafbar gemacht hat.

Und es ist aber ja leider so,

dass die Realität in Deutschland völlig anders aussieht.

Es werden ja auch massenweise Menschen verurteilt,

ohne dass ein Gericht diesen Menschen überhaupt mal

aus der Nähe gesehen hat.

Wie kommt das zustande?

Ja, das nennt sich Strafbefehl.

Das sind Briefe, die werden verschickt,

also geschickt vom Gericht an einen Bürger,

einen Bürgerin, das steht dann drin.

Also, wir haben hier einen Verdacht gegen sie,

sie sollen da was gemacht haben.

Wir wissen aber nicht, ob es stimmt,

wir haben es noch nicht jetzt groß ausermittelt

und kein Richter hat das irgendwie jetzt mal

sich groß alle Seiten angehört.

Und wie Sie mitbekommen haben, haben wir auch Sie nicht angehört.

Ja, genau. Also, wir schreiben jetzt bei Ihnen einfach schriftlich

und in bürokratischer Sprache, dass wir es auch nicht wissen,

aber wir können ja mal das auch vielleicht beilegen.

Man muss ja nicht alles unendlich mit Arbeit überfrachten.

Wenn Sie einverstanden sind, dann gestehen Sie es doch einfach

und dann kriegen Sie hier Ihre Strafe,

die ist dann auch nicht wahnsinnig hoch

und dann ist doch auch gut für Sie.

So, und im Kleingedrucken steht dann,

wenn wir nichts von Ihnen hören, bin 14 Tage,

dann nehmen wir an, Sie hätten gestanden.

Und dann ist das so, und dann bleibt das so.

Dann ist das rechtskräftig, wie es in der Fachsprache heißt.

Das heißt, daran ist nicht mehr zu rütteln.

Da ist ja eine Idee, höre ich da heraus,

so eine Art Effizienzgedanken.

Also, wir wollen so in kleinen Fällen, die relativ klar sind

und so jetzt hier nicht tagelang das Gericht beschäftigen.

Ist der Kern der Idee richtig?

Also, dass man sparen muss, das ist, glaube ich,

eine traurige Realität.

Schön ist das nicht, aber ist es schon nachvollziehbar.

Es wurde auch nie irgendwie anders moralisch überhört,

sondern es wurde immer offen gesagt,

da geht es um Prozessökonomie, also um Sparen, ja.

Okay, aber jetzt noch mal ganz kurz,

Sie sagten gerade, das Gericht schreibt diesen Brief.

Wie kommt denn das Gericht eigentlich darauf,

einen solchen Strafbefehl zuzustellen?

Denkt sich das die Richterin selber aus?

Also, mal ein Beispielsfall, der mir geschildert worden ist,

der gar nicht so selten ist.

Wenn in Deutschland Menschen, die an Demenz leiden,

sozusagen desorientiert durch die Stadt spazieren

und dann Panikattacken bekommen, was relativ häufig vorkommt,

dann lösen die manchmal den Notruf aus, in der U-Bahn zum Beispiel.

Das ist der häufigste Grund,

warum in Deutschland Fehlalarme ausgelöst werden.

Also ziehen quasi Notbremse in U-Bahn?

Die Notbremse oder irgendwo Hämmerchen, wo drauf,

weil sie gerade denken, es ist was Schlimmes passiert.

Das ist traurig, aber das nimmt zu

und das ist relativ häufig in Deutschland.

Was passiert dann, dann kommt das Securitydienst

von dem Bahnhof beispielsweise und schimpft.

Was machen Sie hier, was soll das?

Und der Security erkennt vielleicht nicht,

dass der Mensch da unter psychischen Problemen leidet.

Dann wird das aufgeschrieben,

da wird eine Strafanzeige nach einem Formular gefertigt,

denn der Missbrauch vor Notrufen ist eine Straftat in Deutschland.

Und diese Strafanzeige geht dann per Brief an die Polizei.

Und auch die Polizei sagt, na ja, das ist ja eine Straftat

und wir haben jetzt auch nicht gehört,

was dagegen spricht, dass das strafbar ist.

Also leiten wir es weiter an die Staatsanwaltschaft.

Wieder wird ein Brief geschrieben.

Die Staatsanwaltschaft bekommt es auch auf den Tisch

und denkt sich, das ist ja nur Pillepalle,

wir haben viel Wichtigeres zu tun,

deswegen machen wir jetzt kein Prozesstermin wegen so was klein,

sondern wir schicken Strafefehl.

Wir schicken also einen Brief an diese Person.

Wir haben ja jetzt aus einem oder der Melderaumt die Anschrift

und schreiben da rein, ihnen wird das vorgeworfen.

Wenn wir nichts von ihnen hören werden 14 Tage,

dann gelten sie als verurteilt.

Ah, gut, da muss man natürlich kurz einhaken.

Die Staatsanwaltschaft kann das ja nicht ganz alleine.

Eine Richterin muss das auch abzeichnen, aber auch da ist dieselbe Überlegung.

Will ich jetzt extra mir diesen Aufwand machen

und mich davor gericht, da muss ja nicht sein für so eine Kleinigkeit.

Und es ist ja auch wirkt auf den ersten Blick wie ein klarer Fall,

weil wie soll man das irgendwie rechtfertigen,

dass man da einen falschen Alarm auslöst?

Der wichtige Punkt an der Stelle war nur,

ganz viele Menschen sehen das, dieses Thema,

aber niemand guckt sich das ganz genau an

und vor allem hat niemand mal mit der betroffenen Person gesprochen.

Ich meine eben, dieser persönliche Eindruck,

dass man sich mal hinsetzt, wie man an dem Fall sehen kann, unersetzlich.

Das Markaufentpapier, alles so aussehen,

dass ob das ein klarer Fall ist,

aber erst, wenn man den Menschen einmal gesehen hat,

einmal versucht hat, mit dem Gespräch zu führen,

dann wird einem auffallen, der ist krank.

Demenz gibt kein Register, dass man irgendwie anklicken kann,

die Dementen in Deutschland.

Und auch an der Adresse, wenn jemand zu Hause weiterhin lebt,

erkennt man nicht, ob der jetzt einen Strafausschließungsgrund hat.

Wenn man Dement ist und aus einer Panikattack herausgehandelt hat,

ist man gar nicht strafbar, sondern das ist ein Schuldausschließungsgrund.

Man hat dann keine Strafe verdient, nach geltendem Recht.

Das ist jetzt nicht mein Wunsch, sondern das ist eigentlich geltendes Recht.

Aber das wird verkannt, weil man sich nicht die Zeit nimmt,

mal den Menschen face-to-face anzuschauen.

Und auch da nochmal nach einer versuchbaren Quantifizierung gefragt,

gibt es eine Erkenntnisse darüber, wie viel dieser Strafbefehle

zumindest nicht so geendet hätten, wie sie geendet sind,

weil die Leute einfach nicht darauf reagiert hätten,

sondern bei einer näheren Untersuchung, bei einer Anhörung,

vielleicht anders verlaufen werden.

Also, kann man das irgendwie quantifizieren?

Das ist sehr schwer, weil die wenigen Strafe fehlen,

die dann mal zufällig von einem Anwalt angeguckt werden.

Und die sind, wir wissen nicht, ob das irgendwie repräsentativ ist.

Ich nehme an, dass die Menschen, die am allerstärksten gestraft sind,

mit Depressionen oder mit anderen Problemen,

noch nicht mal den Weg zu einem Anwalt auch nicht im Nachhinein.

Also, das heißt, da gibt es ein großes Dunkelfeld.

Und was man sich klarmachen muss, die Dementepersonen,

von der ich gerade gesprochen habe, die öffnen vielleicht ihre Post auch gar nicht.

Und wenn sie die Post öffnen, dann liest sie die nicht.

Das ist auch wieder etwas, was Sozial, die einen mehr als die anderen trifft.

Diese Briefe sind nicht in einer zugänglichen Alltagssprache verfasst.

Die sind in kompliziertem Juristendurch, was also revisionssicher ist,

abgefasst, mit Kleingedruckten und so weiter,

wenn man da nicht Deutschmuttersprachler ist.

Oder wenn man aus anderen Gründen eine Distanz hat

zu diesem bürokraten Deutsch, dann hat man da viel schlechtere Chancen.

Aber vielleicht, um das ein bisschen plastischer zu machen,

bleiben wir doch mal bei Ihrem Fall.

Wenn es jetzt da keinen Strafbefehlsverfahren gäbe,

welche Vorteile hätte denn diese Person?

Also, wenn jetzt die Staatsanwaltschaft eben keinen Antrag

auf Erlass eines Strafbefehls ans Gericht geschickt hätte,

sondern eine ganz normale Anklage an den Strafrichter

beim Amtsgericht Tiergarten geschickt hätte,

was wäre dann besser gelaufen?

Dann wäre schnell aufgefallen, ich glaube,

schon nach zwei, drei Minuten Gespräch,

dass der Mensch irgendwie desorientiert ist.

Oder man hätte dann vielleicht irgendwie Anlass gehabt,

mal zu fragen, ja, wie geht es Ihnen und wie kam es dazu?

Dann würde der vielleicht erzählen, ja, ich hatte Angst

und das habe ich öfter mal, dann käme man also drauf,

was vielleicht das wahre Problem ist.

Also, in dem Fall wäre das dann, wenn die Richterin,

der Richter, pflichtgemäß gut arbeitet,

schnell dazu gekommen, dass der Fall eingestellt wird,

dass der Mensch freigesprochen.

Aber auf der anderen Seite, sagten Sie ja gerade für

Fahrungsökonomie, ist es denn nicht auch eigentlich berechtigt,

zu sagen, wir müssen jetzt nicht mal allen einfachen Fällen

tatsächlich eine Hauptverhandlung durchführen?

Möglicherweise sind Menschen ja gerade vielleicht Prominente

auch sehr froh, wenn das alles schriftlich passiert

und sie nicht vor dem KD erscheinen müssen.

Das stimmt, also für ein paar wenige Menschen

ist das gar nicht so übel.

Also, denn wenn man das so schön schriftlich abhandeln kann,

spart man sich womöglich eine Blamage,

aber davon darf man ja nicht ausgehen.

Also, von den wenigen, denen es gut geht,

sondern wir müssen von der Masse ausgehen,

denen es schlecht geht und für die ist es eben nicht gut.

Für die führt es dazu, dass sie am Ende kein Gehör finden,

dass man ihnen nicht auf Augenhöhe begegnet

und weil sie auch nach Zahlen gefragt haben.

Das ist, weil wir so sehr unter Sparendruck,

Diastis stellen inzwischen häufiger,

dass solche Briefe rausgeschickt werden,

als das Einladungen zu Prozessen verschickt werden.

Aber die interessante Frage wäre ja auch,

vielleicht noch ein anderer Statistik,

eine interessante Frage wäre,

wenn man so ein Brief kriegt, Strafe fehlen.

Also, dann ist ja die Lehre daraus,

man muss innerhalb einer Frist sich zu Wort melden und sagen,

nee, akzeptiere ich nicht, bitte hier Prozess.

Gibt es eine Erkenntnis darüber,

in wie vielen Fällen, wo das geschehen ist,

also, wo jemand den Brief bekommen hat

und Einspruch auch, ich weiß nicht,

was ich wieder juristische Terminus-Technikus ist,

aber in jeden Fall gesagt, ich akzeptiere diesen Strafbefehl nicht,

dann wäre interessant zu erfahren,

ja, wie ist denn das dann ausgegangen?

Also, in dem Moment, wo jemand gesagt hat, nee, akzeptiere ich nicht,

ihr glaubt zwar, ich bin schuldig

und ich soll das irgendwie akzeptieren, aber ich tue es nicht

und dann geht es am Ende anders aus.

Da könnte man ja sehen, wie valide diese Beschuldigungen sind

oder wie einflussreich dann doch eine Anhörung

oder ein face-to-face-Termin wäre.

Gibt es darüber Erkenntnisse?

Also, sehr oft gibt es dann Dinge,

die der Anwalt findet, um das Ganze abzumildern,

weil so ein Strafbefehl hat ja nicht nur irgendwie einen Vorwurf,

sondern hat ganz verschiedene Behauptungen.

Zum Beispiel auch die Behauptung, was der Mensch verdient.

Da wird ja vorgeschlagen, wir finden angemessen,

wäre in Ihrem Fall eine Geldstrafe von so und so,

also, dem liegt ja dann eine Vermutung zugrunde,

was man dann einkommt.

Wenn man jetzt aber vielleicht gar keine Ahnung hat,

als Staatsanwält, als Staatsanwält, was die Leute verdienen,

weil da auch da gibt es keine zentrale Datenbank,

auf die die Staatsanwält sind.

Wir haben irgendwo gesehen, Sie sind Koch.

Aber wo hat man das gesehen?

Auch das ist ja irgendwo registriert.

Der im Zweifel wird dann gegoogelt

oder es wird nach der Adresse geguckt.

Und so schildern wir das auch Menschen in der Staatsanwaltschaft.

Wenn man nicht zwei ist, dann sagt man im Zweifel,

na ja, dann sind es vielleicht so 30 Euro Tagesatz.

Und wenn man sieht, der Mensch bekommt Grundsicherung,

dann weiß man ja schon was.

Aber bei den meisten oder bei vielen weiß man es halt nicht

und spekuliert man.

Oft spekuliert man natürlich falsch.

Spannende Frage.

Wir wollen ja hier in der Lage immer möglichst konstruktiv sein.

Was wäre denn ein Ansatz,

wie man das Strafbefehlsverfahren rechtsstaatlicher gestalten könnte?

Beispielsweise könnte man ja denken, opt in.

Ja, dieses ganze Problem, Menschen lesen ihre Post nicht,

Menschen verstehen ihre Post nicht,

ließe sich ja dadurch eventuell lösen,

dass man sagt, der Strafbefehl wird eben tatsächlich umgestaltet

und dann echtes Angebot.

Wenn man zustimmt innerhalb von zwei oder mal wegen auch vier Wochen,

dann ist es so, ansonsten gibt es eine Hauptverhandlung.

Das finde ich eine sehr gute Idee.

Dass man sagt, wer dann die Initiative zeigt,

ich möchte lieber mir diese Peinlichkeit ersparen, warum nicht?

Da haben wir alle was davon,

wenn die Staatsanwaltschaft auch damit einverstanden ist.

Aber vom Schweigen von Menschen zu schließen,

sie würden was gestehen und sie seien einverstanden mit einer Strafe,

das ist einfach nur respektlos und nicht gut.

Da wäre natürlich die Effizienz,

wäre natürlich flöten, also die ganzen Einsparungen,

wahrscheinlich flöten.

Total.

Aber da wäre es wahrscheinlich eine Frage der Verhältnismäßigkeit,

was es höher anzusetzen, das Sparinteresse,

das Effizienzinteresse des Staates

oder die Möglichkeit der Leute so einen Strafbefehl.

So ist es, abzubiegen.

Bei den anderen Sachen mit der Ersatzfreiztraf,

da habe ich ja ökonomisch auch versucht zu zeigen,

man kann das vielleicht auch kompensieren.

Hier behaupte ich das nicht.

Hier ist völlig klar, das ist eine Sparmaßnahme.

Wenn ich sage, diese Sparmaßnahme ist ungerecht,

dann ist das natürlich teuer, das wieder zurückzudrehen.

Aber man muss das machen.

Fairness kostet Geld.

Bei der Fairness-Sparte muss einem klar sein,

das geht auf die Kosten der Ärmsten.

Ich würde das schon noch mal eingreifen,

weil Sie jetzt die Fairness so hochhängen, Herr Steinke, mal ganz ehrlich.

Da würde natürlich ein engagierter Staatsanwalt jetzt kontern und sagen,

aber Herr Steinke, die können doch Einspruch erheben.

Es steht doch drin.

Kann man denn da wirklich von Unfairness reden,

wenn die Leute einfach sich nicht in ihre Sachen kümmern?

Ich habe das neulich mit dem Leiter der Amtsanwaltschaft

in Berlin diskutiert, also der sozusagen der Chef ist,

der Leute innerhalb der Staatsanwaltschaft,

die nur mit Elendskriminalität und sozusagen Kleinkriminalität zu tun haben.

Und viel im Verkehrsbereich, muss man sagen.

Das ist ja nicht zwingend Elendskriminalität.

Aber so alltäglicher Kleinkram, das ist so.

Und der sagte auch, ja, also wie, halten Sie die Leute denn alle für dumm?

Und da muss ich sagen, nee, aber die Kommunikation,

die Justiz da pflegt, ist eben auch eine sehr, sehr spezielle.

Es geht schon damit los, dass die Überschrift Strafbefehl lautet.

Also wenn ich das Wort Befehl lese, machen viele den Rücken gerade

und haben nicht das Gefühl, hier wird mir einen Dialog angeboten.

Und dann geht es weiter.

Der Text, ja, mit Abkürzungen, mit Paragrafen-Symbolen.

Es ist auch einer, der einschüchternd wirkt

und der sich nicht sofort erschließt.

Viele Menschen sagen dann, um Gottes Willen,

das muss ich schnell jetzt jemandem zeigen,

in meinem Bekanntenkreis, der sich auskennt.

Oder vielleicht kenne ich über drei Ecken jemanden,

der juristisch vorgebildet ist.

Aber dann schämt man sich.

Und dann geht man erst mal schlafen und schläft erst mal ein paar Nächte drüber.

Und dann ruft man vielleicht da an

und dann kriegt man da einen Termin erst irgendwie drei Wochen später.

Und ganz oft, so schildern mir das Anwälte,

kommen die Leute dann ganz verschüchtert,

weil sie auch nicht da angerufen

und sich selbstbewussten Termin eingefordert haben,

viel zu spät an, ängstlich mit ihren Strafen fehlen.

Und es ist schon Kind in den Brunnen gefallen.

14 Tage sind um.

Und anderer Weg wäre ja zu sagen, okay, wir entstrafen ganz viele Sachen.

Also wir machen, ich sage mal ein bisschen juristisch,

aber wir stellen einfach bestimmte Sachen straffrei.

Bei Drogen ist das zum Teil ja passiert,

soll noch ausgeweiht werden.

Oder soll passieren, ja.

Soll eben passieren.

Diesen Gedanken gibt es ja, dass man eben ganz viele Sachen,

oder hier mit dem sogenannten Spaßwaren, also hier, wie sagt man,

Beförderungserschleichung fahren ohne Ticket,

dass man sagt, das ist vielleicht eine Ordnungswidrigkeit,

aber auf keinen Fall eine Straftat,

wenn man das dreimal macht und erwischt wird.

Wie weit könnte das reichen?

Also diese beiden Beispiele werden mir auch herzensanliegen.

Das würde auf jeden Fall gut sein.

Man muss ja auch mal so sehen.

Strafen ist etwas, was man nicht leichtfertig machen sollte

als Gesellschaft.

Das geht nicht nur darum, dass man da so ein bisschen abschrägt

und ein bisschen nudging macht, sondern da wird den Menschen

wirklich ein moralischer Stempel auch aufgedrückt.

Du bist kriminell.

Ja, das macht etwas, das verändert Biografien.

Da sollten wir als Gesellschaft,

da gibt es dann so schöne Worte wie Ultima Ratio.

Ja, und die Behauptung, die man so in dem Jurastudium lernt,

dass strafrecht ist das allerletzte Mittel,

wenn alle anderen versagt haben.

Du, die Theorie, und dann haben wir die Praxis,

dass schon selbst beim Nichtlösen eines kurzstrecken Tickets

für 2,70 Euro aber der Hammer des Strafrechts kommt.

Also, da, finde ich, kann man echt eine ganze Menge zurückfahren

und sich aus wesentliche konzentrieren.

Und da gibt es auch eine Menge, was noch zu tun ist,

ja, Wirtschaftskriminalität beispielsweise.

Also, wo es um Millionen-Summen geht, wo der Staat viel mehr

auch holen könnte, viel mehr auch korrigieren könnte,

als so ein bisschen blind auch einzuschlagen auf Probleme,

die dadurch nicht besser werden.

Ja, Stichwort Entkriminalisierung.

Da gab es eine ganz interessante Entwicklung hier in Berlin.

Denn wenn die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehlsantrag an einen Gericht schickt,

dann schlägt sie ja auch die Höhe des Tagessatzes vor.

Sie hatten gerade schon gesagt, wenn die Staatsanwaltschaft

gar keine Ahnung hat, was der Mensch wohl verdient,

dann schätzt man vielleicht mal 30 Euro oder auch 50 oder so.

Aber es gibt ja auch Menschen, von denen weiß man,

dass sie zum Beispiel Grundsicherung beziehen,

dass sie so gut wie gar kein Geld haben.

Und bislang ist da jedenfalls in Berlin die Praxis gewesen,

dass man einen Tagessatz von 15 Euro dann vorschlägt,

was natürlich extrem viel ist.

Das entspricht einem Monatseinkommen von 450 Euro

und das ist für einen Menschenaufahrtsvier illusorisch.

Aber gut, und weil das eben so viel ist

und weil die Menschen dadurch sehr hart getroffen werden,

hat die Generalstaatsanwältin in Berlin quasi die Chefin

der Staatsanwältin und Staatsanwälte ihre Mitarbeitenden

wie folgt gebeten.

Das ist keine Dienstanweisung, aber sie hat das mal vorgeschlagen,

der heißt es.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung

soll eine Tagessatzhöhe von in der Regel 5 Euro beantragt werden,

wenn die angeklagte Person A über ein monatliches Einkommen

am Existenzminimum und B über keine nennenswerten Rücklagen,

also, sprich, Vermögen verfügt.

Monatliche Einkommensverhältnisse am Existenzminimum

bestehen insbesondere bei Personen, die Bürgergeld beziehen.

Sie können aber auch unter anderem

bei gering verdienenden BAföG oder Ausbildungsleistungen

beziehenden Personen vorlegen.

Ist das ein sinnvoller Vorschlag von Frau Margarete Koppers,

der Generalstaatsanwältin?

Also, in der Regel 5 Euro.

Ja, das ist sehr, sehr sinnvoll,

weil diese 5 Euro tun jemanden, der im Existenzminimum lebt, weh.

Da geht es darum,

dann muss eine Tube Zahnpasta und eine Packung Shampoo

von der Einkaufsliste gestrichen werden.

Oder da müssen die Schulhefte vielleicht irgendwo anders organisiert werden.

Das ist ein richtiger Einschnitt.

Und dass man da nicht mit 15 Euro den Leuten alles wegnimmt,

sondern vielleicht ist dabei belässt, so sehr weh zu tun,

das finde ich schon richtig.

Tja, nun gibt es natürlich auch Kritik. Also, in Moabit hier in Berlin

gab es einen richtigen Aufschrei am Amtsgericht Tiergarten.

Es gab Versammlungen der Richterinnen und Richter.

Es gab auch den Vorwurf, es handelt sich um einen Eingriff

in die richterliche Unabhängigkeit.

Das wiederum sieht jedenfalls der Vorsitzende des Richterbundes,

Stefan Schifferdecker, sehr kritisch, oder Dr. Stefan Schifferdecker.

Er sagt, also, das liegt völlig neben der Sache.

Aber er sagt, das sei schon hart,

weil das eben Auswirkungen haben könnte auf die Arbeitskapazitäten,

also mit anderen Worten, dass die Justiz da mehr arbeiten müsse.

Können Sie die Bedenken aus Moabit nachverziehen?

Wenn man mal Deutschlandweit guckt,

überall bekommen die Leute dieselbe Grundsicherung.

Und trotzdem gibt es überall an den Gerichten eine andere Praxis,

was für Tagesratshöhe den Leuten aufgebrummt werden.

In Hamburg sind es 10 Euro Tagesratz.

In Niedersachsen sind es 15 Euro.

In manchen Teilen in Nordrhein-Westfalen sind es 7 Euro.

Das ist auch nicht so, als wir da bisher

so eine wahnsinnige Logik dahinter hätten.

Das ist Wertungsfrage,

wie viel Schmerzen wollen wir den Ärmsten der Armen zufügen?

Und auch da, wir können da lang darüber diskutieren,

wie authentisch diese Behauptung ist, man hätte da mehr Arbeit.

Aber wie zynisch ist sie?

Das wäre, glaube ich, mein wichtiger Punkt.

Wie zynisch ist es zu sagen, es macht mir mehr Arbeit,

fair zu sein in meinem Job.

Also dieser Vorwurf, mehr Arbeit kommt ja daher.

Aber wenn die Staatsanwälter und Staatsanwältinnen angehalten sind,

zu sagen, hier in bestimmten Fällen,

haben wir aufgelistet, Burgholt, Barvög, etc.,

Existenzmimum, bitte 5 Euro dem Richter der Richterin vorschlagen.

In so einem Strafbefehl? In so einem Strafbefehlgeschichte.

Und die Richter und die Richterin sagt,

ne, 5 Euro, das ist mir zu wenig, in dem Fall hätte ich gern mehr.

Dann ist diese ganze schöne Effizienz flöten.

Dann müssen die halt vorladen,

Na, die müssen in der Hauptverhandlung?

In der Hauptverhandlung, in der Strafprozessordnung, etc.

Daher kommt diese Befürchtung, wir haben dann mehr Arbeit.

Wenn die Staatsanwälter und 5 Euro vorschlagen,

wir aber 10 oder 15 verhängen wollen,

dann ist die Effizienz weg, dann müssen wir eine Hauptverhandlung machen.

Daher kommt diese Befürchtung durch diese...

Anweisung ist es ja nicht, durch diese Bitte oder den Vorschlag,

der ganze Staatsanwälter könnte den Richter und Richterin

mehr Arbeit entstehen, weil sie das vielleicht zu wenig finden

und deswegen eine Hauptverhandlung durchführen müssen.

Daher kommt der Vorwurf.

Ja, soll man da jetzt großes Mitleid haben.

Wenn Richter und Staatsanwaltschaft unterschiedliche Meinungen haben,

dann gibt es dafür eben Verfahren.

Und wenn man das nicht scheut

und dann sich lieber dem anschließen möchte,

was die Staatsanwälter vorschlägt,

in dem Fall fände ich das gar nicht so schlimm.

Da, um noch mal kurz die E-Mail zu zitieren,

die mir der Vorsitzende des Richterbundes geschickt hat,

also der, sag ich, es gibt ja zwei in Anführungsstrichen

Gewerkschaften von Richterinnen und Richtern in Deutschland.

Also als Hintergrund, es gibt zum einen die eher progressive,

manche würden sagen auch eher linkere,

das ist die neue Richtervereinigung.

Und dann gibt es auf der anderen Seite den deutschen Richterbund,

das ist die eher konservativere Truppe.

Und der Vorsitzende Stefan Schifferdecker hat mir geschrieben,

das ist, glaube ich, nicht seine Meinung,

da gibt er wieder, was er gehört hat von den Richterinnen und Richtern,

dass nämlich einige Meinen dieser Vorschlag 5 Euro

verstoße sogar gegen das Gesetz,

also gegen den in § 40 Strafgesetzbuch,

da heißt es nämlich in der Mail,

in der Entscheidung der Generalstaatsanwältin

sehen einige, Kolleginnen und Kollegen,

eine ungerechtfertigte Besserstellung

der Existenzsicherungsberechtigten,

klamm auf, also Menschen in Grundsicherung,

gegenüber Personen, die knapp keine Existenzsicherungsleistung beziehen

und außerdem ein ungerechtfertigtes Misstrauen in ihrer Arbeit.

Ich weiß nicht, das hat ehrlich gesagt,

man muss auch mal sich ein bisschen in die Haut

von anderen Leuten reinversetzen,

denen es zu viel schlechter geht als einem selber.

Und das fehlt mir in solchen Äußerungen,

auch in vielen anderen Äußerungen.

Ich fühle ja ganz viele diese Diskussionen

im Strafrecht, geht es um die große moralische Keule,

es geht darum, was erwartig von anderen Menschen

und dann immer von dir selber auszugehen,

das ist nicht gut genug.

Jetzt geht es ja, haben wir eine Weile hier gesprochen,

über Menschen, die wenig finanzielle Ressourcen haben

und die, das kann man, glaube ich, sagen,

sehr benachteiligt werden in einigen Teilen der Justiz.

Aber auf der anderen Seite ist es ja auch so,

dass Menschen, die überdurchschnittlich viel

finanzielle Ressourcen haben,

auch überdurchschnittlich privilegiert werden.

Wie funktioniert das?

In welchen Fällen ist das der Fall?

Vielleicht kann man das an einem Beispiel auch machen.

Also in meinem Buch beschreibe ich den Fall des VW-Abgas-Skandals.

Also wo der größte Autobauer des Globus

ein paar Millionen seiner Kundinnen und Kunden

übers Ohr gehauen hat, weil er den vorgespiegelt hat.

Aus dem Auspuff kommt recht wenig Abgas raus,

in Wahrheit kam dann eine ganze Menge raus.

Und die Ingenieurskunst wurde darauf verwendet,

die Prüfer auszutricksen,

anstatt die Autos wirklich grüner zu machen.

So, diese Sache flog auf.

Und dann gab es Ärger mit der deutschen Justiz,

also wegen verschiedenen Delikten.

Und unter anderem wurde der Chef von VW

wegen Vertuschungen belangt,

also sozusagen untechnisch ausdrückt.

Er hatte nämlich so der Vorwurf auf der Bremse gestanden

und verhindert, dass die Aktionäre das bald mitbekommen.

Und damit hat er also verhindert,

dass der Aktienkurs schneller abschmiert.

Und dafür hat man ihn also einen Vorschlag gemacht.

Man hat vorgeschlagen,

also wir können das einstellen, dieses Verfahren gegen Sie,

wenn Sie uns eine Geldauflage bezahlen.

Diese Geldauflage soll aber auch schon gewichtig sein,

nämlich 4,5 Mio. Euro hat man von ihm verlangt.

Das ist eine Menge Geld.

Eine Menge Geld.

Und das...

Auch für jemanden, der bei VW in der Position arbeitet.

Weil man sich da den genau angeschaut hat

und überlegt hat, was hat er für ein Einkommen.

Bei VW hatte er um die 10 Mio. Euro

plus noch ein paar Aufsichtsratsmandate.

Und dann überlegt man, okay,

also auch so eine Geldauflage soll...

Das ist zwar keine Strafe, sondern das ist so eine Art...

Aber so was Sanktionsähnliches,

das soll schon irgendwo wieder spiegeln,

wie gewichtig der Vorruf ist.

Und dann hat man gesagt,

ein paar Monatsgehälter muss er schon blechen,

damit wir hier damit einverstanden sein können.

So, aber dann hat der Chef von VW

sich das von seinem Unternehmen erstatten lassen dürfen.

Das ist nämlich in Deutschland absolut legal.

Es gibt ganz viele Rechtsprechungen, die das absegnet.

Man muss nicht aus seinem eigenen Kontor

so seine Geldauflage oder seine Geldstrafe bezahlen.

Wenn das in Verbindung mit der beruflichen Tätigkeit

für das Unternehmen passiert, oder...

Oder wenn man eine reiche Oma hat, die etwas schenkt.

Also, niemand wird gezwungen zu leihen unter seinen Geldstrafen

und es ist also nichts zu verhindern,

dass man das Geld sich schenken lässt.

Also auch wenn das jetzt was völlig VW Fremdes gewesen wäre,

weshalb er sich strafbar gemacht hätte.

So ist es, zum Beispiel der Kopf von Pegida Festerling,

die Frau hat eine Geldstrafe bekommen,

hat dann im Internet ein Crowdfunding gemacht,

damit ihre Geldstrafe bezahlt wird.

Das ist legal.

Ja, man muss natürlich dazusagen, Philipp,

also selbstverständlich kann VW jetzt nicht einfach Geld raushauen,

wenn die Straftat nicht in einem Zusammenhang mit der Tätigkeit.

Das wäre dann im Zweifel problematisch,

untreuwärter, ein denkbarer Vorwurf aus der Perspektive quasi.

Wie wird von Seiten des Vorstands mit dem Geld der Volkswagen-IG umgegangen?

Aber jedenfalls aus der Perspektive des Menschen,

der theoretisch eine Geldstrafe

oder in dem Fall ja eine Geldauflage zu bezahlen hatte,

ist das völlig egal.

Aber Sie schreiben mir auch,

man kann das von der Steuerabsetzung unterhaben.

Das ist das Allerschönste.

Also VW, wie Sie sagen,

das ist ja eine betriebswirtschaftliche Überlegung,

bringt das uns was als Unternehmen oder bringt uns nichts.

Und wenn man jetzt den Vorwurf machen würde,

das bringt euch in Wahrheit nichts, dann ist das also hochproblematisch.

Aber in der Regel kann man das sogar betriebswirtschaftlich begründen.

Es ist doch besser für uns, wenn unser Chef hier nicht da gewunden wird,

durch Gerichtsverhandlungen und außerdem der ganze Image-Schaden,

besser für uns, wenn wir das schnell beilegen können.

Und dieses Geld, was man dann bezahlen muss ans Gericht,

kann man, weil es eben betriebswirtschaftlich sinnvoll eingesetzt war,

als Betriebsausgabe bei der Steuererklärung

am Ende des Jahres angeben.

Und auch das ist vom Bundesfinanzhof,

also vom höchsten Finanzgericht in Deutschland,

abgesehen, das darf man.

Das heißt, es sind Betriebsausgaben, also quasi PR-Kosten,

das ist wie ein Plakatkampagnen.

Klar, man gehört zum Handwerk.

Und das muss man sagen, kann man auch wirklich anders sehen.

Also auch juristisch.

Da gibt es auch Streit unter den Finanzgerichten.

Da gibt es ja so auf Landesebene und eben eins auf Bundesebene.

Das Finanzgericht Berlin beispielsweise hat vor gar nicht langer Zeit gesagt,

also, was ist das denn bitte für eine Logik?

Also, das Verüben von Straftaten

ist in keinem Fall irgendwie reguläres Geschäftsgebaren

und nichts, was wir als Gemeinschaft oder als Gemeinschaft

der Steuerzahlenden irgendwie auch noch billigen und auch noch mittragen.

Ja, man mittragen ist ja das vor allem.

Man mittragen, also, da wird ja ein Teil zumindest abgewälzt.

Abgewälzt auf die WG-Kasse, würde ich das mal nennen.

Eine Frage, die ich mir noch stelle, ist in Sommer,

aus dem US-amerikanischen Bereich,

kennt man häufig so diese Deals, die gemacht werden.

Und viele Dinge kommen gar nicht richtig zum Prozess,

weil vorher Staatsanwaltschaft und Verteidiger, Verteidigerinnen sagen,

okay, was machen wir auf, das wird wahrscheinlich so und so ausgeht.

Wir können uns hier viel Ärger ersparen und die Gerichte entlassen.

Wir einigen uns hier so auf so ein Deal.

Ist das in Deutschland auch ein Ding?

Das ist ein großes Thema bei Wirtschaftsprozessen.

Wenn wir z.B. über Cum-Ex reden,

ein sehr kompliziertes Steuerkonstrukt, was dazu geführt hat,

dass manche Menschen sehr reich wurden,

da braucht man Lkw-Ladungen voller Akten,

um das halbwegs mal irgendwie zu durchschauen

und um da die Verbindungslinien und die Beweisführung zu machen.

Da muss man E-Mail-Kontakte auswerten, noch und nöcher.

Und das sind viele Menschen, die da mitbeteiligt waren.

Also, das ist sehr, sehr viel Arbeit.

Und da geht eine Justiz in die Knie.

Und deswegen ist die Justiz in solchen Situationen,

also dann die Staatsanwaltschaft, gesprächsbereit.

Ganz pragmatisch gucken wir doch mal,

ob man irgendwie vielleicht zusammenkommt,

die eine Seite der Beschuldigte gesteht vielleicht,

zumindest ein Teil, dann kommt man nämlich sehr viel schneller

zum Ergebnis und dafür sparen wir uns Arbeit

und kommen dann entgegen mit dem Strafrabatt.

Das wurde lange praktiziert,

ist von ein paar Jahren auch vom Gesetzgeber gebilligt worden.

Also, es ist eine völlig legale Praxis,

für die man sich nicht mehr agenieren muss.

Und wem hilft das?

Das hilft natürlich den Leuten,

die komplizierte Lkw-füllende Prozesse haben.

Und es hilft in keiner Weise denen,

die die angeblich kleinen Alltagsselikte begehen.

Ja, Herr Stanke, wir haben jetzt viel gesprochen darüber,

wie unser Strafrechtssystem gegenüber Menschen,

die in schlechteren ökonomischen Verhältnissen leben,

härter auftritt.

Oder jedenfalls sagen wir mal, härter wirkt.

Wie es also diese Menschen viel härter trifft.

Man muss natürlich auf der anderen Seite aber sagen,

müssen die sich denn überhaupt strafbar machen?

Das kann man natürlich gerade so aus der Perspektive

vielleicht der Justizpraxis gegenhalten.

Warum beschäftigen wir uns eigentlich so ausführlich damit,

ob es Menschen möglicherweise von Seiten des Staates

dann mal schlecht geht,

die ja auch immerhin die Gesetze dieses Staates gebrochen haben?

Ja, also das ganze Strafrecht beschäftigt sich ja ausschließlich

mit Menschen, die was Falsches gemacht haben sollen.

Und das sollen ist schon mal ein ganz wichtiges Wort.

Also all diese Nachteile, die ich geschildert habe,

dass die Menschen keinen Strafverteidiger beispielsweise haben,

wenn sie sich keinen leisten können,

trifft ja auch Leute, die mutmaßlich was getan haben,

vielleicht in Wahrheit gute Gründe haben,

warum sie nicht strafbar sind.

Ja, die Menschen unter Demenz leiden,

die eigentlich, wenn es gut laufen würde, so.

Also es heißt, es ist ein bisschen zu vereinfacht,

zu sagen, die haben doch alle unser Geld gebrochen.

Na, die haben mutmaßlich und manche von denen

haben es vielleicht am Ende gar nicht gebrochen.

Und dann muss man auch sagen, Kriminalität ist etwas,

was natürlich mit dem ganz großen sozialen Alarm

und Stigma einhergeht, ist es aber statistisch gesehen

normaler, als wir sonst gerne eingestehen.

Also, dass man in seiner Jugendzeit mal ein Ladendiebstahl begeht,

ist eher die Regel als die Ausnahme.

Sagen also ganz viele Untersuchungen.

Und auch, dass man im Laufe seiner sonstigen Lebensmal was tut,

einmal oder vielleicht hoffentlich nicht, nicht öfter,

worauf man nicht stolz ist und für das man ein Tadel verdient,

auch das ist etwas, mit dem die Gesellschaft lebt.

Jetzt ist nur die Frage, gehen wir damit gerecht um, fair um,

dass alle, die sowas gemacht haben, dann dieselbe Antwort bekommen.

Oder gehen wir da ungerecht um und sagen,

die einen, die die Unterschicht, da erhauen wir mit großer Gewalt drauf

und die anderen, da gibt es irgendwie ein kleines Zeigefängerwackeln.

Und das ist etwas, das darf man nicht unterschätzen.

Wir haben in der Gesellschaft ohnehin ein Auseinanderdriften

von Arm und Reich und von verschiedenen Milieus.

Und wir haben ohnehin wenige Orte oder Institutionen,

wo man sich überhaupt noch auf Augenhöhe begegnet,

das gefühlt hat man ist gleich.

Und wenn die Justiz keiner dieser Orte mehr ist,

das geht, glaube ich, an die Substanz.

Das ist dann der Anspruch der Justiz, die wir aufgeben.

Warum meiden Sie das Stichwort Klassenjustiz?

Ganz meint ich es nicht, es ist der Untertitel meines Buches,

die neue Klassenjustiz, aber es stimmt, ich tue mir damit ein bisschen schwer.

Und ich schreibe das auch im Vorwort,

weil das ein Begriff ist, der eine Historie hat.

Also schon vor 100 Jahren wurden in Deutschland Bücher geschrieben,

wieder die Klassenjustiz.

Weil vor 100 Jahren, weimarer Zeit, das wirklich noch viel klarer war als heute.

Also viel schablonenhafter.

Die Justiz war wirklich eine Domäne, in der nur reiche,

also Söhne und Töchter, Töchter las sich weg,

Söhne aus reichem Hause Richter werden konnten.

Und ihn gegenüber auf der Anklagebank saßen nur die Unterschicht.

Das war nicht nur sozusagen de facto, das war auch de jure so gewollt.

Man hat zum Beispiel das Referendariat,

also diese zwei- und damals dreijährige Ausbildungen,

die jeder machen muss, nicht bezahlt, von Seiten des Staates.

Was zur Folge hat, dass natürlich nur jemand Richterin,

das wollte ich schon wieder gendern,

das ist damals natürlich gar nicht richtig,

also dass jemand nur Richter werden konnte, wenn Papa gezahlt hat.

Und damit war natürlich das also komplett in der Hand der Oberklasse.

Das ist sozusagen der Hintergrund,

vor dem ein bisschen schablonenhaft kämpferisch

dann von Klassenjustiz die Rede war, also die Theorie,

die Justiz ist eigentlich eine Waffe in der Hand der Oberschicht

zur Knechtung der Arbeit in der Klasse.

Das ist der Grund, warum dieser Begriff sehr aufgeladen ist

und warum ich dann ein bisschen heute sage,

also das muss man schon differenzierter betrachten.

Wir sind 100 Jahre später nicht mehr in dieser Zeit,

die Justiz ist viel diverser geworden.

Ja, es ist immer noch so, dass natürlich Menschen

aus einem gut situierten Hintergrund einen leichteren Zugang haben,

wie auch in anderen Bereichen.

Also das ist der Bildungsweg, für die ein leichter für die anderen schwerer gemacht wird.

Aber wir haben professionelle Mentalitäten,

wir haben Einstellungen in der Justiz,

die überdauern selbst diese Veränderung der sociologischen Zusammensetzung.

Also selbst wenn Arbeiterkinder auf den Posten eines Richters kommen,

übernehmen die oft diese tradierten Sichtweisen,

die zumindest meine Behauptung zum Nachteil der sozial Schwachen sind.

Ja, dazu hat, ich glaube, kein Marx war es ja,

eine ziemliche Sortise rausgehauen,

nämlich das Seidenbestimmtes Bewusstsein.

Wenn man erst mal Richterin oder Richter ist,

dann übernimmt man eben sehr schnell

die konventionellen Vorstellungen der Leute,

die das seit hunderten von Jahren machen.

Oder man muss, um dorthin zu kommen,

erst mal unter Beweis gestellt haben, dass man diese Sichtweisen übernimmt.

In einem Gerichtssaal gesessen und da bin ich wirklich sehr traurig rausgegangen,

erlebt wie eine Staatsanwältin, die noch relativ jung war,

zu einem Angeklagten sagt,

jetzt reißen Sie sich mal zusammen.

In Ihrem Alter hatte ich schon zwei Staatsexamin.

Oh Gott. Wo merkt du?

Dieser Lebensweg, der dich da zuführt,

eine verantwortungsvolle Position in das Schied zu bekommen,

der ist natürlich ein harter.

Du musst da ganz hart büffeln und dir selber viel vom Munde absparen

und dich wahnsinnig disziplinieren.

Ja, die vergessen, dass andere Leute es auch schwer haben

und dass andere Leute vielleicht ein viel größeres Päckchen zu tragen haben.

Ja, und vor allem vergessen Sie Ihre enormen Privilegien.

Selbst wenn man möglicherweise einen Hintergrund hat,

der jetzt keine Ahnung, nicht so wahnsinnig akademisch ist,

muss man natürlich eine ganze Menge geklappt haben,

damit man so ein Jurastudium überhaupt erforderlich absolvieren kann.

Aber das führt natürlich zu der Frage,

wir haben ein bisschen davon schon angesprochen, was tun.

Also was ist jetzt zu tun?

Es gibt 13 Beispiele und 13 konkrete Maßnahmen,

ein paar von denen haben wir schon angesprochen.

Klar, Justiz besser ausrüsten, besser bezahlen,

mehr Richterrichterinnen anstellen, definitiv immer gut.

Immer eine hilfreiche Idee wahrscheinlich.

Diese Pflichtverteidigung, denke ich auch,

das ist auch rausgekommen, dass wahrscheinlich es sein muss,

dass jeder jede Pflichtverteidiger bekommt.

Ja, vor allem da finde ich das krasse,

so den Vergleich mit anderen Bereichen in unserem Justizsystem,

wo den Menschen ja unter die Arme gegriffen wird.

Herr Steinke, wenn man das mal vergleicht mit der Prozesskostenhilfe,

dann springt einem da ja schon was ins Auge.

Das muss man mal erklären.

Prozesskostenhilfe gibt es im Zivilrecht,

also in dem Bereich, wo wir über Arbeitsverhältnisse reden,

über Mietverträge, auch im Bereich Familienrecht.

Also in einem ganz großen Bereich des Lebens,

wo man auch viel zu streiten hat, wo es auch um wichtige Fragen geht,

wo man sich dann vor Gericht trifft,

da sagt der Staat, wir bezahlen.

Und zwar immer.

Und zwar egal, worum es geht.

Aber wenn man die Jahre streitet,

den Anwalt, die Anwältin übernehmen wir.

Also vorausgesetzt, die Leute haben es, können es sich selber bezahlen.

Es gibt schon eine Vermögensprüfung.

Also so eine Art Armenhilfe, Armenrecht.

Aber im Bereich des Strafrechts,

wo es ja auch um existenzielle Dinge geht,

wie gesagt, das Stigma, Stempel und die...

Freiheitsentzugung.

Schwiersten Grundrechtseingriffe, die wir überhaupt machen,

als Gesellschaft, Leute wegsperren.

Da gibt es das nicht.

Oder zum Beispiel im Bereich des Sozialrechts.

Wir haben über 10 Euro mehr vom Jobcenter einklagen.

Mit Prozesskostenhilfe.

Man kann aber eben sich gegen einen strafrechtlichen Vorwurf

nicht mit einer Pflichtverteidigerin werden.

Ja, also wie gesagt, viele Sachen haben wir schon angesprochen.

Wie faire Geldstrafen, für arme Schwarzfahren, so was.

Also Schwarzfahren in Anführungsstrichen fahren

ohne Defaschein.

Entkriminalisieren, also so eine Ordnungswidrig-Kleidfalt machen.

Ersatzfreiheitstrafen, nur wenn auch Richter-Richterin

wirklich drauf geschaut hat und das angeordnet hat.

Solche Sachen gibt es irgendwas,

was noch einfällt, was wir nicht genannt haben,

was vielleicht ein großer Punkt wäre,

wo Sie sagen, das müsste geändert werden,

damit wir hier zu einer gerechteren Justiz kommen.

Also, am Ende läuft es alles auf eine Frage der Mentalität heraus.

Und eine Frage, dass man sich in andere Leute hineinversetzen kann.

Ich kann auch viele einzelne Punkte aufzählen.

Also, was wir jetzt gerade mit VW

und mit dem steuerlichen Absetzen besprochen haben,

das ist auch eine kleine Gesetzesänderung,

die man sofort machen müsste,

wenn man nicht mehr Geldstrafen von der Steuer absetzen kann.

Für mich am erfrappierendsten ist eigentlich,

wenn es gegen die Leute geht, die ganz offensichtlich unten sind,

die Obdachlosen, die Bettler.

Und ich habe am Ende meines Bundesortes das Beispiel

mit was für eine Härte wir als Gesellschaft

neuerdings wieder gegen bettelnde Menschen vorgehen.

Also, dass Leute, die einfach nur, ich rede nicht von Belästigen,

sie einfach nur die Hand aufhalten

und durch ihren Anblick Leute beim Shopping stören.

Neuerdings, weil wir privatisierte Shopping-Malls haben

und auch im Bahnhof gilt Hausrecht,

mit dem Pragrafen gegen Hausfriedensbruch überziehen

und das auch da die Justiz mitmacht und solche Leute bestraft.

Ich glaube, wir müssen da wirklich

bei vielen dieser Punkte uns fragen,

wo wir da als Gesellschaft angekommen sind.

Ein anderes Thema vielleicht zum Schluss noch,

weil ich habe es in der Anmod gesagt,

Sie sind auch völkerrechtlich bewandert haben,

beim Internationalen Strafgerichtshof auch eine Zeit lang gearbeitet.

Jetzt die Frage, wir haben hier viel gesprochen

über privilegierte Menschen hierzulande, arme Menschen,

wie werden arme Menschen anders behandelt

als reiche Menschen in unserer Justiz?

Aber darüber gibt es natürlich noch die viel größere Frage,

wie werden eigentlich die Privilegiertesten

der Privilegierten behandelt, international?

Und das sind natürlich zum Beispiel Regierungschefs,

Staatschefs, Präsidenten, Präsidentinnen.

Die eben mitunter auch Staatsverbrecher sind.

Die eben, wie zum Beispiel Vladimir Putin,

auch jetzt offiziell gesucht werden wegen Kriegsverbrechen.

Der Internationalen Strafgerichtshof hat eben kürzlich Haftbefehl

gegen den russischen Präsidenten erlassen.

Er wird also als Kriegsverbrecher gesucht.

Ist das Symbol Justiz, oder steckt da wirklich mehr dahinter?

Der gute Wille ist da.

Wenn die irgendwie schaffen, den in die Finger zu bekommen,

dann ist das nicht nur symbolisch, sondern dann machen die ernst.

Dann wird der auf eine Anklagebank gesetzt

und in Sraveningen, in einem schönen Gefängnisbau,

direkt am Strand eingesperrt werden.

Das ist ernst gemeint.

Und die Sache, von der es abhängt, ist, ob sein Regime Risse bekommt

und ob jemand ihn dann da wegputscht,

oder auf andere Weise irgendwie von der Macht wegbekommt.

Und ob seine Nachfolger dann die Chance nutzen,

ab den Haag zu entsorgen.

Das muss geschehen, niemand von außen kann das sonst machen.

Aber es gibt ja zum Beispiel auch...

Das haben ja nicht alle Staaten, sind ja diesen Strafgerichtshof

beigetreten oder haben sich ihm unterworfen.

Aber zum Beispiel gibt es ja Staaten wie Südafrika,

die da dabei sind und wo dann demnächst auch eine Konferenz stattfinden wird,

zu der normalerweise Vladimir Putin auch anreisen würde.

Was wäre denn, wenn Putin in Südafrika den Boden betritt?

Was müsste da eigentlich passieren?

Also die Staaten, die beigetreten sind,

dem Statut des Internationalen Strafgerichtshofs,

haben sich verpflichtet, diese Hafefehle auch umzusetzen.

Also Südafrika, beispielsweise, müsste dann

Herrn Putin Handschellen anlegen und ihnen ein Flugzeug nach den Haag schicken.

Und wenn sie es nicht tun?

Dann gibt es wie leider ganz oft im Völkerrecht

nicht wirklich Konsequenzen. Dann gibt es Aufregungen und böse Artikel,

die dann vielleicht auch ich schreiben werde.

Aber das tut Herrn Putin und auch dem südafrikanischen Herrscher nicht wirklich weh.

Ganz herzlichen Dank. Das war im Gespräch mit der Lage der Nation Dr. Rohnen-Steinke.

Er ist in politischer Redakteur der süddeutschen Zeitung,

vor allem aber Autor eines, wie ich persönlich finde, sehr spannenden Buches.

Nämlich vor dem Gesetz sind nicht alle gleich Untertitel die neue Klassenjustiz.

Ganz herzlichen Dank, Rohnen-Steinke, dass Sie bei der Lage zu Gast waren.

Sehr gerne.

Danke fürs Zuhören, danke für Eure Interesse.

Und wir holen uns am Donnerstag wieder mit einer regulären Lage der Nation,

wo wir die Geschehene hierzulande und in der Welt zusammenkehren,

so sie uns interessieren und wir sie relevant halten.

Und bis dahin machen wir Winke Winke.

Eure sehr schöne Tage. Bis bald. Tschüss.

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In der „Lage der Nation“ kehren der Journalist Philip Banse und der Jurist Ulf Buermeyer einmal in der Woche die politischen Ereignisse hierzulande und in der Welt zusammen, so diese sie interessieren und sie sie für relevant halten.





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Ronen Steinke und sein Buch „Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich“





Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich von Ronen Steinke | PIPER




Ronen Steinke (Wikipedia)


Ronen Steinke (Twitter)


Dr. Ronen Steinke, Autorenseite (Süddeutsche Zeitung)


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